Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 138

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Nun möchte ich zum Rechtlichen kommen; es ist tatsächlich nicht ganz einfach. Die SPÖ macht einen Vorschlag, der das Problem dadurch zu greifen und zu lösen versucht – wir unterstützen diesen Vorschlag auch grundsätzlich, weil er durchaus ein richtiger Ansatz ist –, dass man sagt: Wir haben nicht die Kompetenzen für eine Kindergrundsicherung, die eigentlich notwendig wäre, also können wir zumindest für die AlleinerzieherInnen im Rahmen des Unterhaltsvorschußgesetzes etwas machen. Das ist ein durchaus richtiger Zugang.

Aber – und das ist jetzt der Punkt der ÖVP, der ja nicht ganz falsch ist – die ÖVP sagt, es gibt natürlich auch Kinder in Beziehungen, die möglicherweise aufgrund des Eltern­einkommens in einer sozial schwierigen Situation sind. Die Lösung wäre eine Kinder­grund­sicherung, dann wären sowohl AlleinerzieherInnen als auch armutsgefährdete Familien erfasst. Wir wissen, die beiden hauptarmutsgefährdeten Gruppen sind Allein­erzieherInnen und Mehrkindfamilien, nämlich Drei- und Vierkindfamilien. Das heißt, so eine Kindergrundsicherung wäre eigentlich eine tolle Lösung.

Jetzt beginnt aber das Problem der Republik Österreich mit der Kompetenzverteilung. Für diese Kindergrundsicherung wären wiederum die Länder zuständig. Das heißt, da haben wir im Nationalrat nicht die Kompetenz, dieses Gesetz zu verabschieden. Insofern komme ich jetzt zum ÖVP-Vorschlag. Wenn ihr sagt, man muss das an die Mindestsicherung anhängen, dann ist da einmal das erste Problem, dass tatsächlich nur jene Kinder betroffen sind, die Eltern in der Mindestsicherung haben. Es gibt aber Eltern, die wenig verdienen und trotzdem keine Grundsicherung haben, sodass damit das Thema Kinderarmut nicht endgültig gelöst ist.

Jetzt komme ich wieder zum Kompetenzdschungel. Ihr sagt nun etwas, was mich überrascht, ihr sagt nämlich: Dann gehen wir doch in die Grundsatzgesetzgebung. Das überrascht mich deswegen, weil, als wir die Mindestsicherung diskutiert haben, unser Ansatz immer relativ klar war, nämlich: Wir brauchen einheitliche Standards in ganz Österreich. Und wie erreichen wir die? – Mit einer Grundsatzgesetzgebung! Da war die ÖVP die Partei, die gesagt hat: Das wollen wir nicht.

Dann haben die Alleingänge der Länder begonnen und damit diese insgesamt schwie­rige Situation, die wir jetzt bei der Mindestsicherung haben, inklusive dem, dass es durch ein unterschiedliches Niveau natürlich nicht nur für die betroffenen Familien schwierig ist, sondern auch nachvollziehbare Anreize bestehen, dann, wenn man betroffen ist, dort hinzuziehen, wo die Mindestsicherung höher ist. Da wäre eine gemeinsame Lösung sicher besser gewesen.

Uns das jetzt anzubieten, nachdem man vorher gesagt hat, das geht gar nicht, und, ich glaube, sogar im Regierungsübereinkommen gemeinsam festgelegt hat, dass es diese Grundsatzgesetzgebung nicht mehr geben soll, ist – ich sage es einmal gelinde – der Versuch, aus dem Puls-4-Studio zu flüchten und irgendwie den Anschein zu wahren, dass man das Anliegen vertritt, aber nicht wirklich Redliches umsetzen zu müssen. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Das finde ich wirklich schade, weil dieser Kompetenzkonflikt, den wir hier haben, ein Beispiel für klassischen fehlgeleiteten Föderalismus ist, da wir einerseits eine Zustän­digkeit beim Bund haben und andererseits das sogenannte Armenwesen, wie es antiquiert noch heißt, bei den Ländern ist. Das sind Kompetenzkonflikte, die bereinigt gehören. Der Bund gehört zuständig gemacht für die Sozialgesetzgebung, dann hat er auch die Möglichkeit, gestalterisch tätig zu werden.

Jetzt befinden wir uns in einem Kompetenzwirrwarr. Da gibt es Ansätze, die wir unterstützen, die aber natürlich nicht alles umfassen, und den Rest können wir nicht machen, weil diese Hilfskonstruktionen nicht funktionieren. Wer bleibt übrig? – Die Betroffenen, und das sind in dem Fall die Kinder! Das tut mir besonders weh, weil ich


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