Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 283

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zusätzlich zur aktiven Ordination, die ich ja weiterbetrieben habe. Mein Leitgedanke – und darauf bin ich stolz, dass ich diesen, wo immer ich mitwirken konnte, durchge­bracht habe – war eine Gesundheitspolitik für alle, unabhängig von Alter und Einkom­men, weil das neben der ärztlichen Behandlung ja wesentliche Faktoren sind, die zu einem längeren oder einem kürzeren Leben führen. Immerhin sind das 11,8 Jahre, wenn man sehr arm ist und einen sehr niedrigen Bildungsgrad hat.

Als Politiker habe ich sehr oft gehört: Nein, Rasinger, du als Arzt, das brauchen wir nicht, da ist vieles überflüssig und ineffizient, Ärzte sind schlecht. – Das sagen aber meistens Menschen, die noch nie krank waren, meistens Jüngere. Wenn man selbst einmal von einer Krankheit betroffen ist, dann weiß man, was Schicksal ist. Dann ist man von einer Sekunde auf die andere darauf angewiesen, dass Menschen als Politiker ein gutes System kreiert haben, denn in einer Minute können Sie kein System aufbauen, Sie können keine Betten herzaubern, keinen Hubschrauber herzaubern. Sie brauchen schlicht und einfach ein gutes System. Wir haben in Österreich meiner Meinung nach ein sehr gutes System, an dem ich 23 Jahre mitwirken durfte.

Sie brauchen aber auch ein absolutes Vertrauen in Ärzte, in Pfleger – das zeigt ja der heutige Antrag –, Sie brauchen auch gute Politiker mit Herz. Ich muss ganz ehrlich sagen, ich habe sehr viele erlebt, ich habe auch in den Ministerien und Kassen sehr, sehr viele Engagierte erlebt. Letztendlich war es immer ein Bestreben, etwas Gutes zu machen.

Wo stehen wir eigentlich international? – Ich kann Ihnen sagen, ich kenne praktisch alle Systeme der Welt, und wir können stolz darauf sein, dass wir, meiner Meinung nach, unter den besten fünf Systemen der Welt sind. Vergangenes Wochenende war ich in Rom, und ich war erschrocken: Da war ein Bettler, ich habe ihn näher ange­schaut, und er hat ein massives Melanom auf der Wange gehabt – etwas, was Sie in Österreich nicht mehr sehen.

Zur gleichen Zeit rief mich eine Angehörige einer Patientin an, die sagte: Sollen wir die Mutter mit 92 Jahren noch mit einem minimalinvasiven Eingriff am Herzen operieren lassen, die Chance sei ja 85 Prozent? – Natürlich werden wir sie operieren! Ich bin dankbar dafür, dass wir da keine Abstufung nach Alter oder Geld machen.

Jeder, der einmal in Urlaub war, weiß, was das heißt: Schnell nach Österreich, wenn man krank ist! Sollen wir uns das leisten? – Ich glaube, die Frage stellt sich nicht in so einem reichen Land. Wir geben 3 bis 4 Milliarden € weniger aus als Deutschland oder die Schweiz bei vergleichbaren Systemen. Ich glaube, niemand von uns will nach Holland oder nach England. Die Frage stellt sich also nicht wirklich.

Wir Ärzte – ich bin Arzt und bin auch stolz darauf, Arzt zu sein – sollten eine starke Stimme sein. Ich glaube, wir sollten auch sehr empathisch, mit hohem Können, aber auch mit viel Zeit unsere Patienten betreuen.

Ich leugne Probleme überhaupt nicht. Ich habe ja genügend Probleme als Politiker durchstehen müssen, genügend Gesetze gemacht. Manche waren gut, manche waren weniger gut. Ich sage aber, wir haben natürlich Probleme. Zu viele Menschen liegen bei uns im Spital, weil wir draußen zu wenige Fachärzte haben. Uns fehlen Krebsspe­zialisten mit Kassenvertrag, Kinderpsychiater, Psychiater, Schmerztherapeuten et cetera.

Wir haben einen riesen Hausarztmangel, das ist ein Problem, das wie ein Gewitter über uns hereinzubrechen droht. 40 Prozent weniger an Bezahlung, das wird auf Dauer nicht gehen. Ein Drittel der jungen Absolventen eines Medizinstudiums verlässt Österreich, trotzdem bilden wir dreimal so viele wie Harvard aus; da passt also etwas


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