Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll7. Sitzung, 31. Jänner 2018 / Seite 50

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Ich darf Ihnen ein bisschen von diesen ersten Erlebnissen in Brüssel berichten. Gerade die Herausforderungen für die Europäische Union sind ja mannigfaltig. Es geht um den Austritt Großbritanniens, der nicht nur eine politische Herausforderung ist, sondern vor allem auch eine finanzielle Herausforderung für die Europäische Union werden wird, wie es auch schon Abgeordneter Lopatka beschrieben hat. Die Verhandlungen zum mehrjährigen Finanzrahmen beginnen gerade erst; die Kommission wird im Mai einen Vorschlag vorlegen, auf Basis dessen dann diskutiert werden soll. Das wird auch in unsere Ratspräsidentschaft fallen. Deswegen habe ich auch beim ersten Termin, den ich mit der Kommission wahrgenommen habe, mit Jean-Claude Juncker, Frans Tim­mermans und anderen darüber gesprochen, in welche Richtung es da gehen soll.

Die Zukunft der Europäischen Union ist aber nicht nur deswegen herausfordernd, denn ein Konstrukt, das so groß ist, das so komplex ist, muss sich natürlich ständig wei­terentwickeln; und da stellt sich die Frage, in welche Richtung es gehen soll. Es gibt diverse Diskussionsanstöße auch seitens der Kommission, so die fünf Szenarien von Jean-Claude Juncker, in welche Richtung es gehen soll. Wir haben als Koalition ge­sagt, wir wollen das Szenario 4 wählen: „Weniger, aber effizienter“. Das bedeutet, dass die Europäische Union in den Bereichen, in denen sie Dinge besser als die National­staaten leisten kann, mehr Kompetenzen erhalten soll, aber dass wir jene Bereiche, in denen die Nationalstaaten die Arbeit besser erledigen können, hier im Parlament und in der eigenen Bundesregierung behandeln wollen.

Mehr Bürgernähe ist ein wesentlicher Faktor bei all diesen Szenarien. Deswegen bin ich auch sehr froh, dass es die Taskforce zum Thema Subsidiarität gibt. Sie wurde eingesetzt, Reinhold Lopatka ist da unser Vertreter, und sie soll unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten der Kommission, Frans Timmermans, bis Juli einen Vorschlag vorle­gen, was dieser Aspekt denn genau bedeutet. Aus unserer Sicht ist es klar: „Weniger, aber effizienter“ – und das soll auch die Richtung sein.

Wir haben die große Herausforderung und das Privileg, im zweiten Halbjahr 2018 zum dritten Mal in der Geschichte Österreichs den Vorsitz im Rat innezuhaben. Es ist das erste Mal unter dem Regime des Vertrags von Lissabon, der gänzlich andere Rahmen­bedingungen vorgibt, als es davor der Fall war, da dadurch auch das Parlament auf europäischer Ebene mehr Gewicht, mehr Mitwirkungsrecht bekommen hat. Auch des­wegen war es wichtig, schon letzte Woche in Straßburg gewesen zu sein und dort auch alle österreichischen Parlamentarier über die Parteigrenzen hinweg getroffen zu haben. Es geht auch darum, gemeinsam Stimmung dafür zu machen, dass wir diesen Vorsitz gut und ordentlich abarbeiten, damit auch die Professionalität, die hier an den Tag gelegt wird, in Europa sichtbar wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wir werden in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten ein nationales Schwer­punktprogramm dazu erarbeiten, welche Schwerpunkte wir als Österreich während die­ser Präsidentschaft auf Basis des Programms des Trios, das ja auch schon angespro­chen worden ist, setzen wollen. Wir haben eine 18-monatige gemeinsame Präsident­schaft mit Estland und Bulgarien mit einem gemeinsamen Programm, in dem die As­pekte Sicherheit und Migration schon festgeschrieben sind. Diese wollen wir natürlich besonders beleuchten, weil sie uns betreffen, weil sie Europa betreffen und weil sie mittlerweile aus der innenpolitischen Debatte keines Landes mehr wegzudenken sind.

Wir werden dadurch, dass unsere Präsidentschaft am Ende einer europäischen Legis­laturperiode liegt – im Frühjahr 2019 wird ein neues Europäisches Parlament gewählt –, auch die Möglichkeit und die Herausforderung haben, dass wir möglicherweise sehr, sehr viele Dossiers, die jetzt noch in Verhandlung sind, zu Ende verhandeln werden. Das bedeutet erstens viel Druck, zweitens viel Arbeit, aber drittens auch die Möglich­keit, während des österreichischen Vorsitzes ernsthaft etwas zu bewegen. Dafür braucht


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