Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll7. Sitzung, 31. Jänner 2018 / Seite 84

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sehr wachsam sein – und werden es angesichts dessen, was wir in diesen Monaten er­leben, auch sein müssen.

Zu Ihnen, Herr Bildungsminister: Ich habe den Bildungsbegriff, den Sie Ihren Ausfüh­rungen vorangestellt haben, als sehr positiv empfunden, diesen emanzipatorischen Charakter, den Sie der Bildung zuschreiben; wir teilen das. Die Bildung als der Schlüs­sel zur Selbstermächtigung des Menschen ist unendlich wichtig, und ebenso, diese zu fördern.

Ich bin aber nicht bei Ihnen, wenn Sie sagen, dass das Bildungssystem grundsätzlich gut aufgestellt ist. Herr Minister, das grenzt meines Erachtens an Ignoranz. Solang, wie wir wissen, 23 Prozent nach neun Jahren Schule nicht ordentlich sinnerfassend lesen können, solang es um die Chancengerechtigkeit – Sie haben es dann eh später aus­geführt – ganz schlecht bestellt ist, da nämlich die Bildungskarrieren und auch die Be­rufskarrieren in Österreich ganz entschieden immer noch entlang der Frage: Was ist dein Papa, was ist deine Mama?, und nicht: Was ist dein Talent, dein Bedürfnis, dein Potenzial?, laufen, solang das der Status quo ist, kann und darf ein Bildungsminister nicht hier stehen und sagen: Es ist grosso modo eh alles gut aufgestellt und alles in Ordnung. – Es ist nicht in Ordnung! (Beifall bei den NEOS.)

Da dürfen wir nicht weichen! Das heißt, die Chancengerechtigkeit muss noch viel stär­ker in den Vordergrund rücken. Natürlich gibt es auch Bereiche, über die ich noch gar nichts von der Regierung gehört habe. Die Erwachsenenbildung etwa ist unendlich wichtig.

Herr Minister, wenn Sie diesen Bildungsbegriff ernst meinen, dann können wir nicht sagen, wir machen Bildung bis 16, bis 15, bis 18, bis 22, und die nächsten 60 Jahre machen wir Bildung irgendwie erratisch, willkürlich, nicht mehr im Interesse des Staa­tes. – Nein, Bildung bleibt von der Wiege bis zur Bahre die Priorität des Gemeinwe­sens, weil sie natürlich der Schlüssel zu einem selbstbewussten, selbstermächtigten Leben ist, auch über die Grundschule hinaus. Deswegen bitte ich Sie, schauen Sie noch einmal auf unser Konzept LELA 5000: ein Bildungskonto auch für Erwachsene. Ich halte das für immens wichtig, gerade auch im Kampf gegen Arbeitslosigkeit 50+. Diese entsteht nicht mit 50+, sondern wir haben davor natürlich etwas in der Qualifizie­rungsarbeit übersehen, auch in der Ermutigung: Schau auf deine Beschäftigungsfähig­keit!

Die duale Ausbildung: Man kann das nicht einfach den Sozialpartnern geben und sa­gen: Macht ihr das! Die haben in der Attraktivierung der Lehre in den letzten Jahren und Jahrzehnten zu wenig weitergebracht. Da müssen Sie als Bildungsminister auch da­rauf schauen.

Und dass Sie schlussendlich Deutsch in den Fokus nehmen – jawohl, einverstanden, da haben wir viel versäumt, aber ich bitte, auch da den Fokus nicht zu sehr auf Sank­tionen zu legen und auch die ganz differenzierte Umsetzung dieser Deutschförderklas­sen vorzunehmen. Es darf nie um Ausschluss gehen, sondern es muss um einen Tur­bo für Integration gehen. Wenn das die Haltung ist, sind wir gesprächsbereit.

Das möchte ich auch vertiefen und schärfe abschließend den Blick dafür: Wenn Kinder in die Schule kommen und nicht ordentlich Deutsch können, dann ist eigentlich der Schaden schon zu groß und angerichtet. Das heißt, wir müssen in der Sprachförde­rung natürlich viel mehr auf das Kindergartenalter schauen. Wir alle, die wir Kinder haben oder Kinder beobachten, wissen, dass ein Kind im Alter von vier, fünf Jahren wirklich spielend eine Sprache erlernt, wenn man ihm den richtigen Rahmen dafür gibt. Diesen Rahmen haben wir offensichtlich bisher nicht gegeben, den müssen wir schaf­fen, und dann müssen wir auch weniger über Sanktionen, Bestrafungen, Zucht und Ordnung und andere Phantasien dieser Regierung reden. (Beifall bei den NEOS.)

12.57

 


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