Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll7. Sitzung, 31. Jänner 2018 / Seite 127

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erzählen, sondern es kann sich jeder selbst denken, wo es hingehört. Es ist auch voll­kommen irrelevant. Es geht darum, dass wir in Österreich noch immer, leider Gottes, viele Politikerinnen und Politiker haben, die nicht wissen, wie sie mit unserer Vergan­genheit umzugehen haben.

Da geht es einerseits darum, dass es einen Spitzenkandidaten einer Partei gibt, der in einer Burschenschaft ist, in der diese widerwärtigen Lieder gesungen werden. Das hal­te ich für unerträglich. Insbesondere halte ich es für unerträglich, wenn er dann da­nach, wenn das an die Öffentlichkeit kommt, auf seiner Facebook-Page schreibt: „Jetzt erst recht!“, und natürlich bewusst die Anspielung auf Kurt Waldheim in diesem Zusam­menhang in Kauf nimmt. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz.)

Wir können darüber diskutieren, wenn Gemeindevorstände den Leiter des Dokumenta­tionsarchivs als „Judenschwein“ bezeichnen. Wir können darüber diskutieren. Es geht auch gar nicht einmal immer darum, ob es Politiker sind. Wenn sich Mitglieder der Ger­mania in Wien bei ihrem Faschingsgschnas als Mitglieder des Ku-Klux-Klan verkleiden und gleichzeitig eines ihrer Mitglieder dazu auffordern, sich als ultraorthodoxen Juden zu verkleiden, dann sehe ich, dass wir ein Problem haben in Österreich. Wenn ein ehe­maliger Europaabgeordneter, der mir gerade vorhin im Kleinen Redoutensaal entge­gengekommen ist, die Europäische Union mit dem Dritten Reich vergleicht und von einem „Negerkonglomerat“ spricht, dann haben wir ein massives Problem. Wenn Ge­meinderäte aus Niederösterreich auf ihrer Facebook-Page posten: „Menschen sind wie Bananen ... Keiner mag die Schwarzen..!“, dann haben wir ein massives Problem. Wenn Gemeinderäte, Bezirksparteiobleute von Parteien, den Hitlergruß machen, da­nach sagen, das war ein Rapid-Fangesang, und zufälligerweise ein paar Jahre später von dieser Partei in den Bundesrat entsendet werden sollten – jetzt dann doch nicht –, dann haben wir ein Problem.

Wenn Gemeinderäte Flüchtlinge als „Menschenmaterial“ bezeichnen, dann haben wir ein massives Problem. Wenn Ersatzgemeinderäte auf Facebook posten: „Fette türken­hochzeit in au an der donau! Wer bringt a autobomberl?“, dann haben wir ein massives Problem. Wenn ein Kassier einer Partei ein Bild von H.-C. Strache mit einem Zitat von NS-Propagandaminister Joseph Goebbels kommentiert: „Nun, Volk, steh auf, und Sturm, brich los!“, dann haben wir ein massives Problem.

Es ist mir auch vollkommen egal, welcher Partei diese Leute angehören! Ich will, dass wir uns ernsthaft mit diesem Thema beschäftigen und aufhören, gegeneinander aufzu­rechnen, wer mehr Nazis in seiner Partei gehabt hat. Alle politischen Parteien hatten dieses Problem nach dem Zweiten Weltkrieg. Es gibt einige Parteien, die es aufgear­beitet haben, manche haben es weniger gut aufgearbeitet, manche in Wirklichkeit gar nicht. Wir müssen das aber aufarbeiten, und wir müssen mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus vorgehen, und das erwarte ich mir von jedem hier im Haus! Ich halte ein gegenseitiges Aufrechnen für un­erträglich. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Als Sukkus darf ich hier anregen – das Thema ist ja in der Tat ein sehr ernstes –, dass sich das Parlament in seinem heurigen Gedenkjahr 2018 mit dieser Thematik auch in Form eines Symposions auseinandersetzt, und dass wir das, was wir gemeinsam in der Präsidiale zu formulieren haben, auch gemeinsam tragen.

Ich denke, so unterschiedlich die Debattenbeiträge waren: Klar ist, und das ist mir als Präsident wichtig, dass es einen Grundkonsens des Antifaschismus, des Antirassismus und gegen Antisemitismus gibt! Derartige Tendenzen gilt es zu bekämpfen, und Wie­derbetätigung muss auch strafrechtlich mit allen Konsequenzen verfolgt werden.

 


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