12.02

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Da­men und Herren! Kollege Gerstl hat angesprochen, dass man durchaus auch darüber reden kann, wie man das Hearingverfahren in Zukunft abwickelt, um noch mehr Infor­mationen zu bekommen, wenn es so viele Bewerber gibt. Ja, der Diskussion kann man offen gegenüberstehen, aber der Kritikpunkt am Hearing war ja weniger, wie das Hearing abgelaufen ist – dort hat sich ja gezeigt, dass unter den rund 40 Bewer­berinnen und Bewerbern sehr viele sehr gut qualifizierte Damen und Herren waren, sehr viele, die sich sehr viel zur Zukunft des Verfassungsgerichtshofes, zu verfas­sungs­politischen Zusammenhängen überlegt haben –, was befremdlich war, übrigens auch für die vielen Bewerberinnen und Bewerber, war der Deal, der schon im Vorfeld gefasst worden ist und auch medial bekannt geworden ist.

Für viele Damen und Herren, hoch angesehene Juristinnen und Juristen, hat sich die Frage gestellt, ob es überhaupt noch Sinn macht, am Hearing teilzunehmen, weil ja ihre Chance, es zu werden, nicht davon abhängt, ob sie eine gute Vita und gute Ideen für den Verfassungsgerichtshof haben, sondern das eigentlich vollkommen egal ist, weil ja vorher schon alles ausgemacht war. Das ist eine Missachtung gegenüber den Bewerberinnen und Bewerbern, die ich für nicht richtig, unfair und auch für falsch in Hinblick auf den Verfassungsgerichtshof halte. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Das hat die SPÖ davon!)

Die beiden Regierungsfraktionen, also die ÖVP und die FPÖ, schlagen ja heute Herrn Professor Andreas Hauer vor. Ich muss sagen, unter den 40 Bewerberinnen und Be­werbern war er nicht im Spitzenfeld jener, die juristisch und sachlich überzeugt haben. Ja, er ist ein hervorragender Jurist, ja, er ist ein hervorragender Professor, der natürlich auch sehr präzise argumentieren kann. (Abg. Mölzer: Blöderweise ist er kein SPÖ-Mann! – Abg. Kuntzl: Das gilt aber auch für andere!) Nicht nur, dass viele Damen und Herren fachlich besser waren – und wir sollten uns am Besseren orientieren –, es gab auch massive inhaltliche Kritikpunkte. Er war Redner beim WKR-Ball, beim Burschen­schafterball oder, wie er euphemistischer bezeichnet wird, Akademikerball. (Oh-Rufe bei der FPÖ. – Rufe bei der FPÖ: Mah, ist das aber arg! So schlimm! Wahnsinn!) Er hat bei dieser Rede das Demonstrationsrecht infrage gestellt (Abg. Neubauer: Waren Sie dabei?), jenes Grundrecht, über das und über die Einhaltung dessen auch der Verfassungsgerichtshof zu entscheiden hat. Ich halte es für falsch, einen Verfassungs­richter zu ernennen, der dieses Grundrecht so massiv infrage stellt. (Beifall bei SPÖ, NEOS und Liste Pilz. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Er hat auch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und seine Recht­sprechung kritisiert (Abg. Haider: Das tun aber schon viele, den kann man auch kritisieren!), und zwar nicht, wie es Kollege Gerstl zu verniedlichen versucht hat, in einem juristischen Diskurs, im Rahmen dessen man natürlich Entscheidungen hinter­fragen kann. Die Frage, die man sich schon stellen muss, ist: Wollen wir in Zukunft einen Verfassungsrichter am Verfassungsgerichtshof, am Höchstgericht Österreichs, der ein anderes Höchstgericht dermaßen erniedrigt und hinuntermacht, wie er es getan hat, indem er geschrieben hat: „Der EGMR kann [...] getrost als mitverantwortlich für die multikriminelle Gesellschaft bezeichnet werden, die sich in den vergangenen Jahrzehnten in Westeuropa etabliert hat.“? (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Das ist weder juristisch noch inhaltlich tragbar und zeigt, dass da ein ideologischer Gesinnungstäter am Werk ist, der meiner Meinung nach nicht im Verfassungs­ge­richtshof sitzen sollte. (Beifall bei SPÖ, NEOS und Liste Pilz. – Abg. Mölzer: Na Moment! – Ruf bei der FPÖ: Nur weil er nicht Ihrer Meinung ist!)

Damit das auch für alle anderen hier verständlich ist: Das ist eine Geisteshaltung, mit der man nicht würdig ist, Mitglied eines österreichischen Höchstgerichtes zu sein. (Abg. Haider: Das beurteilen Sie aufgrund Ihres Kriterienkatalogs? – Ruf bei der FPÖ: Sie müssen ziemlichen Frust haben!)

Es ist genauso auch seine Mitgliedschaft in der Burschenschaft Alemannia Wien zu Linz zu nennen. (Die Abgeordneten Haider und Neubauer: Das ist keine Bur­schen­schaft!) Das ist übrigens jene Burschenschaft, in der ein gewisser Horst Wessel bis zu seinem Tod Mitglied war. Das ist eine interessante Ahnenreihe, das finde ich auch nicht sehr rühmlich, sondern eigentlich sehr bedenklich. (Ruf bei der FPÖ: Sie kennen sich überhaupt nicht aus!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist ein schlechter Deal von Bundeskanzler Kurz und Vizekanzler Strache: Wählst du meinen Vizekanzler und Minister, dann wählen wir blindlings deine Burschenschafter. Das ist ein schlechter Deal. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Schrangl.)

Es gibt viele bessere Kandidatinnen und Kandidaten. Eine dieser besseren und sehr, sehr guten Kandidatinnen ist Frau Rechtsanwältin Dr.in Marcella Prunbauer-Glaser. (Abg. Mölzer: Eine SPÖ-konforme Rechtsanwältin! – Abg. Kassegger: Sie hat auch ein SPÖ-konformes Rechtsbild!) Sie hat im Hearing überzeugt, sie ist Expertin in Zivilrechts- und Menschenrechtsfragen und sie ist bestens für die zukünftigen Heraus­forderungen des Verfassungsgerichtshofes geeignet. (Abg. Kassegger: Glauben Sie!)

Daher mein Appell an alle Abgeordneten hier, aber insbesondere an die Abgeordneten der ÖVP: Nutzen Sie die geheime Wahl hier im Hohen Haus und geben Sie der Qualität und dem Sachverstand Vorrang gegenüber Burschenschafterloyalität und billigen Koalitionsdeals. Das ist der Wunsch, den ich an Sie, an uns alle und letztlich auch an die Qualität der Rechtsprechung in Österreich habe. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von NEOS und Liste Pilz. – Zwischenruf bei der FPÖ.)

12.08

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Harald Stefan. – Bitte.