Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll19. Sitzung, 17., 18. und 19. April 2018 / Seite 44

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Ich erinnere daran, was die Regierungsverhandler Anfang November noch gesagt ha­ben: Sie haben davon geredet, dass das Budgetdefizit im Jahr 2018 steigen wird. Das hat damals niemand mehr verstanden. Keine der Prognosen, die national, aber auch von der Europäischen Kommission vorgelegt wurden, sind in diese Richtung gegan­gen. Die Regierungsverhandler haben schlicht und einfach nicht kapiert, dass eine sehr, sehr gute Konjunktur Auswirkungen auf den Budgetsaldo hat. Und im Nachzieh­verfahren quasi, mit der Vorlage dieses Doppelbudgets, haben Sie diese Ihre Meinung korrigiert – spät, aber immerhin. Von Zeitenwende kann allein deshalb aber keine Rede sein. (Beifall bei der Liste Pilz sowie des Abg. Kern.)

Die Konsolidierung in Zeiten guter Konjunktur anzugehen ist gewiss richtig, aber Spa­ren ist kein Selbstzweck, Sparen dient der Konsolidierung. Schulden per se sind nicht negativ. Meine Damen und Herren von der ÖVP und der FPÖ, es geht darum, in den nächsten Jahren die großen Herausforderungen zu bewältigen. Ganz entscheidend ist in diesem Zusammenhang, wofür die Steuergelder verwendet werden – werden sie für diese Herausforderungen verwendet? – und wer sie in welchem Ausmaß aufbringt.

Lassen Sie mich einige der großen Herausforderungen benennen: beispielsweise die Klimafrage bleibt außen vor; die Alterung der Gesellschaft – da geht es weniger um die Pensionen, sondern insbesondere um die Pflege –, ein Thema, das außen vor bleibt; die soziale Frage bleibt außen vor. In der Klimafrage passiert ja so gut wie gar nichts: Die Budgets werden im Wesentlichen zusammengekürzt, die Flugabgabe ist schon in der letzten Legislaturperiode halbiert worden – das schreibt sich die jetzige Regierung auf ihre Fahnen und präsentiert gleichzeitig eine Klima- und Energiestrategie.

Angesichts der Alterung der Gesellschaft ist die Pflege eine besondere Herausforde­rung. Und was wird in dieser Regierung debattiert? – Der Pflegeregress und die Unter­dotierung durch die Abschaffung des Pflegeregresses. Die Länder haben in der ver­gangenen Woche beim Treffen der Landesfinanzreferenten zunächst einmal ihre For­derungen auf den Tisch gelegt. Diesbezüglich, Herr Finanzminister, liegt eine ganz ein­deutige Unterbudgetierung vor.

Das ganz Entscheidende ist meines Erachtens aber die soziale Frage, und an der so­zialen Frage zeigt sich die tatsächliche, die wahre Zeitenwende dieser beiden Budgets. Wenn wir uns die Maßnahmen anschauen, die in diesen Budgets enthalten sind, den Familienbonus Plus, die Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge, die Senkung der Umsatzsteuer für die Hoteliers, dann sehen wir, dass im Wesentlichen sogenannte Leistungsträger entlastet werden – Klientel der ÖVP. ÖVP-Klientelpolitik vom Feinsten wird hier betrieben! (Beifall bei der Liste Pilz.) Jene Menschen aber, die auch Leis­tungsträger in dieser Republik sind, die Bezieher niedriger Einkommen, die Bezieher von Einkommen, die so niedrig sind, dass keine Lohn- und Einkommensteuer zu be­zahlen ist, die erhalten wenig bis nichts.

Nehmen wir den Familienbonus Plus her, Herr Kollege Wöginger: Die gut Verdienen­den profitieren davon mit bis zu 1 500 Euro pro Kind, und die Alleinerzieherin, die ein Einkommen unter 1 250 Euro brutto monatlich hat, mit maximal – maximal, Herr Kolle­ge, hören Sie mir gut zu! – 250 Euro; das ist gerade einmal ein Sechstel davon. Ist bei Ihnen nicht jedes Kind gleich viel wert? – Bei mir schon. Ich glaube, das wäre sozial gerecht. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es muss natürlich auch beachtet werden, dass jene Menschen, die keine Lohn- und Einkommensteuer zahlen, selbstverständlich Sozialversicherungsbeiträge zahlen und selbstverständlich Umsatzsteuer zahlen. Wenn wir die Gesamtsteuerlast anschauen, dann sehen wir, dass wir im Wesentlichen einen proportionalen Tarif haben. Das heißt, von niedrigeren Einkommen zahlt man nur relativ wenig weniger Steuern als von ho­hen Einkommen – und darauf wird in diesen beiden Budgets vergessen.

 


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