Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll19. Sitzung, 17., 18. und 19. April 2018 / Seite 57

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800 Millionen Euro fließen werden, das Risiko beträgt also insgesamt 1,3 Milliarden Euro. Das lässt Ihren Überschuss schon wirklich blass aussehen und ins Minus rut­schen. Meine Kolleginnen und Kollegen werden im Verlauf der Woche noch genauer auf die einzelnen Haushaltskapitel eingehen.

Ich möchte aber neben diesen verlorenen zwei Jahren den Blick noch auf etwas ande­res werfen, nämlich auf die gebrochenen Versprechen. Mir ist klar, dass völlige Eini­gung bei einem Budget hier im Parlament und in einer Koalition nicht möglich ist, das ist auch nicht zu erwarten, aber was schon zu erwarten gewesen wäre, ist die Ein­haltung dessen, was ÖVP und FPÖ im Wahlkampf versprochen haben.

Herr Finanzminister, was mich enttäuscht, betrifft nicht Sie persönlich. Ihre Kompetenz ist unbestritten und Sie waren zum Zeitpunkt des Wahlkampfes noch nicht im Amt, aber spätestens mit der Angelobung als Minister sind Sie mit in die Verantwortung ge­gangen, und in dieser Verantwortung ist das einzuhalten, was den Menschen in unse­rem Land im Wahlkampf versprochen wurde. Das ist die Abschaffung der kalten Pro­gression, dieses heimlichen Griffs in die Geldtaschen von uns allen. Wo ist die effektive Schuldenbremse im Verfassungsrang zugunsten der nachfolgenden Generationen? Wo war der Druck auf die Länder, die Transparenzdatenbanken zu befüllen, um dem verschwenderischen Umgang mit Fördergeldern entgegenzuwirken? Wo sind die Investitionen in die Zukunft, in Bildung, Digitalisierung, Umweltschutz, Infrastruktur? Wo ist die vom Rechnungshof seit Jahren – man möchte schon fast sagen: seit Jahr­zehnten – eingeforderte Reform des Haushalts- und Rechnungswesens, um mehr Trans­parenz für die SteuerzahlerInnen zu erzeugen? Wo finden sich die Reformen der Struktur, um Aufgaben, Einnahmen und Ausgaben auf einer Ebene zusammenzufüh­ren? Wo sind die Reformen für Pension, Pflege und Gesundheitswesen? Wo trifft die Bundesregierung ehrliche Vorsorge für die Sicherung unseres Rechtsstaates? Sie wissen es, ich spreche über die ausreichende Dotation unserer Justiz, einer der drei Säulen, auf denen unsere gewaltentrennende Demokratie beruht. All das sehen wir nicht im Budget abgebildet.

Ein weiterer wichtiger Punkt sind die viel zu hohen Ausgaben in diesem Land. Ös­terreich gibt in vielen Bereichen Geld aus, ohne die Wirkung dieser eingesetzten Gel­der wirklich zu überprüfen. Traditionell haben unsere Regierungen ein stark von der In­putseite geprägtes Politikverständnis, frei nach dem Motto: Mehr Geld bedeutet auch mehr Leistung. Das ist aber nicht zwingend richtig. Stellt man in den verschiedenen Politikfeldern Kosten den Leistungen gegenüber, so wird im internationalen Vergleich klar, dass wir erhebliche Effizienzpotenziale hätten. Es zeigt sich, dass viele Länder sogar höhere Leistungsniveaus bei niedrigeren Kosten erreichen, etwa in den Berei­chen soziale Sicherung, Bildung, Verwaltung, aber auch Gesundheit. Das Sparpoten­zial ist enorm. Studien zeigen Folgendes: Wären wir in diesen vier Bereichen so gut wie die besten Länder in Europa, so ergäbe das ein Sparpotenzial von 25 Milliarden Euro.

Diese Effizienzpotenziale vollständig zu heben, ist unrealistisch – das passiert nicht über Nacht – und vielleicht auch nicht überall notwendig, aber wenn es nur im Ansatz gelingen würde, diese Themen anzugehen und die Potenziale auszuschöpfen, dann wäre die Senkung der Abgabenquote auf unter 40 Prozent in greifbarer Nähe, und zwar das sei betont – ohne Verschlechterung der Leistungsniveaus. Wir müssen uns daher ganz klar an den besten Ländern, an den effizientesten Ländern in der Europäi­schen Union orientieren.

Wie gesagt ist es nicht zu erwarten, dass wir im Hohen Haus hinsichtlich des zu be­schließenden Doppelbudgets in allen Fragen vollkommen einig sind. Eine solche Eini­gung ist ja selbst innerhalb der Regierung nur in schwierigen Verhandlungen und in ei­nem zähen Ringen mit den Ministern möglich.

 


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