9.42

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Erstens – da das ja ein europapolitisches Thema ist und auch Kollege Lopatka mit einer grundsätzlichen Betrachtung zu Europa angefangen hat – würde ich gerne einen grundsätzlichen Gedanken voranstellen: Wir müssen vorsichtig sein, dass wir nicht in diesen billigen Antieuropa-, Anti-EU-Populismus kippen und es dann heißt, die Europäische Union sei eigentlich nur ein bürokratisches, unnahbares, geldver­schlingendes Monster. – Nein: Die Europäische Union ist die Basis unseres wirt­schaft­lichen Fortschritts, unseres Wohlstands und unserer demokratischen und menschen­rechtlichen Freiheit. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.) Die Euro­päische Union ist die Antwort auf die Gräuel des Zweiten Weltkriegs.

Wenn man das berücksichtigt, muss man auch ganz genau hinhören, was mit der Euro­päischen Union getrieben wird, wenn es um das Geld geht. Ich habe mir das genau angeschaut. ÖVP-Obmann Kurz hat zum Beispiel am 12. März 2017 gesagt: „Das darf es natürlich nicht sein,“ dass es mehr Geld kostet, „es braucht einen Kurs­wechsel“. „[...] keinesfalls [...] höhere Beiträge der Nettozahler“, hat Kurz am 3. Oktober 2017, wenige Tage vor der Nationalratswahl, noch vollmundig versprochen. Er hat weiters am 1. Jänner dieses Jahres gesagt: „keinesfalls weitere finanzielle Belastun­gen“. – Ich verstehe dieses Wort, er redet nicht vom prozentuellen Verhältnis zum Brutto­nationalprodukt, sondern meint, keinen Cent mehr als bisher.

Man braucht aber gar nicht so weit in die Vergangenheit zurückzugehen, noch am 2. Mai hat Sebastian Kurz gesagt: „Es kann nicht zu einseitigen Mehrbelastungen der Nettozahler kommen.“

So, und dann dürfte diese berühmte Message Control, die die neue ÖVP rund um Sebastian Kurz etabliert hat – es ist quasi egal, ob etwas stimmt oder nicht, jeder muss immer wieder dasselbe sagen –, zusammengebrochen sein. (Zwischenruf des Abg. Haubner.) Auf einmal heißt es von Gernot Blümel, dem Europaminister: „Na ja, so genau kann man das noch nicht sagen“. Das ist ein interessanter Sinneswandel. Das war übrigens am selben 2. Mai, an dem Sebastian Kurz noch gesagt hat, es dürfe „nicht zu einseitigen Mehrbelastungen [...] kommen“.

Kann man das jetzt so genau sagen oder kann man es noch nicht so genau sagen? Da besteht ein großer Widerspruch innerhalb der ÖVP-Mannschaft. Finanzminister Löger, der sich hier als Mann der Zahlen etabliert hat, hat überhaupt gesagt: „Wir wissen, dass es mehr sein wird.“ – Das ist interessant: mehr, weniger, am Anfang kein Cent mehr, dann kein Prozent mehr; auf einmal: Na ja, gut, so genau kann man es nicht sagen, es wird schon irgendwie mehr sein!; dann kommt über Twitter das Zurück­rudern: Nein, es ist doch nicht so viel mehr, wir werden da ganz hart sein! Euro­paminister Blümel stellt irgendwelche Rechnungen auf, dass im Verhältnis zum Brutto­natio­nalprodukt und wenn das BIP wächst und so weiter schon irgendetwas heraus­kommen wird. So, sehr geehrte Damen und Herren, kann man Europapolitik nicht machen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Allein aus diesem Grund wäre es schon gescheit gewesen, der Bundekanzler wäre heute hier gewesen, dann hätte er uns das nicht nur beantworten können, sondern vielleicht auch einmal verstanden, dass ihn seine Terminfolge, die er vorlegt, auch nicht weiterbringt.

Was wollen wir? – Wir Sozialdemokraten wollen auch eine sparsame Union, aber wir wollen eine Union, die die Aufgaben, die sie besser wahrnehmen kann als jeder einzelne Mitgliedstaat, auch wahrnimmt. Das bedeutet: Neben einer sparsamen Union wollen wir auch eine Europäische Union, die endlich ihre Macht einsetzt, um zu sagen: Den hemmungslosen internationalen Märkten, den Steuerschlupflöchern, diesen illegalen und legalen Steuerhinterziehungsmöglichkeiten, die Großkonzerne nutzen, wollen wir einen Riegel vorschieben, dazu sagen wir Nein! Das geht nur, wenn wir das gemeinsam tun, denn dann kann kein europäisches Land von europäischen Groß­konzernen, von internationalen Großkonzernen erpresst werden. Gemeinsam können wir sagen, wir schieben dem einen Riegel vor.

Nur leider, sehr geehrte Damen und Herren, entgehen der Europäischen Union, dem Steuerzahler jährlich 1 000 Milliarden Euro. Da brauchen wir gar nicht über das Budget zu reden – ob es ein bisschen mehr oder ein bisschen weniger sein darf, ob ich hart bin oder nicht –, diese 1 000 Milliarden Euro könnten wir verwenden, um Europa bes­ser zu machen. Wir könnten sie dafür verwenden, dass Schülerinnen und Schüler in Europa eine bessere Bildung bekommen, dass die soziale Sicherheit gestärkt wird, dass die Infrastruktur ausgebaut wird, dass der Klimaschutz umgesetzt wird. All das könnte man mit 1 000 Milliarden Euro machen.

Was aber macht die österreichische Bundesregierung? – Sie stimmt gleich einmal dafür, dass die ärgsten Steuerhinterziehungsschlupflöcher, Länder wie Panama, von der schwarzen Liste genommen werden. Das ist keine Europapolitik, wie wir sie uns vorstellen. Diese Bundesregierung macht eine Europapolitik für die Großkonzerne und gegen die Österreicherinnen und Österreicher, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist der Punkt, man muss sich in der Politik entscheiden: Steht man für Inhalte? Steht man für Gerechtigkeit? Will man Europa benutzen, um etwas zu verändern? Oder bläst man hier nur billige, antieuropäische Propaganda? Vor dieser Entscheidung stehen wir heute, und ich glaube, man kann es sich aussuchen: Man macht es wie die Regierung – jeder sagt jeden Tag irgendetwas anderes, Hauptsache ist, die Euro­päische Union steigt schlecht aus – oder beginnt endlich einmal die Ärmel hochzu­krem­peln und für ein besseres Europa zu arbeiten. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Lopatka: Sehr sachlich!)

9.48

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Johann Gudenus. – Bitte.