17.27

Abgeordnete Stephanie Cox, BA (PILZ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Herr Vizekanzler Strache! Eigentlich hätte ich ja gerne eine Kurz-Debatte zu dieser Anfragebeantwortung geführt, aber es wird nun eine Strache-Debatte; ich gebe mich zufrieden damit, weil die Anfrage ja auch an ihn ergangen ist.

Bevor ich zu den Details der Anfrage komme, möchte ich noch einmal kurz erläutern, wie es überhaupt zu dieser Anfrage kam. Vor circa drei Monaten, am 23. Jänner 2018, besuchten Kanzler Kurz, Vizekanzler Strache, Bundesminister Faßmann und Landes­haupt­mann Schützenhöfer eine Volksschule in Graz. Schulbesuche von PolitikerInnen sind ja nichts Neues, dagegen gibt es per se auch nicht sofort etwas einzuwenden, denn ab einem gewissen Alter der Kinder können derartige Veranstaltungen der politi­schen Bildung dienen, beispielsweise Podiumsdiskussionen – wenn mehrere Fraktio­nen eingeladen sind –, und natürlich ist der Bildungsminister auch berechtigt, die Qualitätsüberprüfung an Schulen durchzuführen.

Der Schulbesuch im Jänner 2018 zählt für mich nicht zu dieser Kategorie. Er wurde dazu genutzt, vor versammelter Presse parteipolitische Ideen, nämlich zu den Deutsch­förderklassen, zu präsentieren. Beim Durchsehen der Medienberichte bin ich auf die­ses Foto gestoßen (ein Poster in die Höhe haltend) – ich dachte mir ja schon, dass da irgendetwas komisch ist –, das zeigt, wie Sie, Herr Strache, während dieses Besuches Autogramme schreiben; sehr spannend. Dieses Foto hat mich schon einmal stutzig gemacht. Es ist dann dazu gekommen, dass ich eine Anfrage gestellt habe, weil mich nicht nur dieses Foto stutzig gemacht hat.

Wie Sie sicher wissen, sind parlamentarische Anfragen Ausdruck des demokratischen Grundprinzips. Diese Funktion kann jedoch nur dann erfüllt werden, wenn die Antwor­ten der zuständigen Mitglieder der Bundesregierung Grundlage für eine effiziente Kon­trolle sind.

Wir von der Liste Pilz haben nicht nur im Wahlkampf versprochen, dass wir für Kon­trolle sorgen wollen, dass wir für Transparenz stehen und diese auch ins Parlament bringen möchten (Beifall bei der Liste Pilz), und deswegen ist für uns eben dieses Instrument der Anfragen ein sehr, sehr wichtiges.

Für diejenigen – auch den MitbürgerInnen und den Damen und Herren vor den Bild­schirmen wollen wir Transparenz bieten –, die sich fragen, was eine Anfrage ist: Eine Anfrage ist ein Instrument, mit dem wir Ministerinnen und Ministern zu ihren Tätig­keiten, zu ihren Themenfeldern Fragen stellen können und innerhalb von zwei Monaten eine Antwort bekommen. Darüber hinaus stellen Anfragen sowie deren Beantwortung eine wichtige Informationsquelle für die Öffentlichkeit dar – wieder Stichwort Trans­parenz –, nämlich über die Arbeit der Verwaltung. Deswegen ist das auch ein ganz wichtiges Werkzeug für Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren vor den Bild­schir­men!

Im Februar, um noch einmal zurückzuspulen, habe ich die Anfrage zum Schulbesuch gestellt, und ich habe dann auch zeitgerecht Antwort bekommen. Was mich gewundert und gleichzeitig alarmiert hat, ist, dass Kanzler und Vizekanzler mir einfach keine Ant­worten, fast keine Antworten gegeben haben. Zum großen Teil lauten die Antworten, dass Sie sich dafür nicht zuständig fühlen. Jetzt stelle ich mir natürlich die Frage: Als was oder wer, in welcher Funktion waren Sie dann an dieser Schule? – Sie waren doch in der Funktion als Vizekanzler oder Herr Sebastian Kurz als Kanzler an der Schule, also warum ich darauf keine Antworten bekommen habe, ist rätselhaft für mich. Insofern werden wichtige parlamentarische Kontrollinstrumente mit Füßen getreten, wenn Anfragen nicht beantwortet werden.

Dankenswerterweise hat sich Herr Nationalratspräsident Sobotka, wie man den Medien entnehmen konnte, diesbezüglich geäußert und vermerkt, dass ein Mitglied der Bundesregierung eine Begründung dafür abgeben muss, weshalb eine Anfragebeant­wortung nicht in seinen oder ihren Zuständigkeitsbereich fällt; eine Begründung, die ich zu dieser meiner Anfrage nicht bekommen habe. Vonseiten des Kanzlers Kurz bezie­hungsweise des Vizekanzlers Strache ist das, wie gesagt, nicht passiert.

Der Herr Nationalratspräsident hat auch darauf hingewiesen, dass dieses Kontroll­instru­ment ernst genommen werden muss, und das will ich an dieser Stelle noch ein­mal unterstreichen. Es muss ernst genommen werden, es ist ein wichtiges Instrument, und wenn es nicht ernst genommen wird, handelt es sich um eine klare Missachtung der parlamentarischen Kontrolle. Gerade bei Anfragen können Sie Ihre Verantwortung und Ihre Rechtfertigungspflichten gegenüber dem Parlament nicht einfach an den Bildungsminister abschieben, wie das aber bei dieser Anfrage passiert ist. Es handelt sich dabei auch nicht um einen Einzelfall. Wir haben ja des Öfteren solche Diskus­sionen – und ich hoffe, dass wir diese nicht noch öfter haben werden. Wir werden se­hen.

Noch einmal zu diesem speziellen Fall: Zum einen geht es generell um die Beant­wortung, zum anderen möchte ich noch auf etwas anderes hinweisen. Sie haben eine Frage beantwortet, und in dieser Frage ging es um die Einverständniserklärung der Eltern zu Fotos und Videos von ihren Kindern, ob diese gemeinsam mit Regierungs­mitgliedern und VertreterInnen von Parteien abgelichtet werden können, ob dazu die Zustimmung der Eltern vorliegt. – Sie haben mit Ja geantwortet, und das entspricht nicht ganz der Wahrheit. Es hat mich sehr gewundert, dass Sie mit Ja geantwortet haben, und ich habe dann nachgefragt.

Wenn man sich jetzt dieses Foto ansieht (ein weiteres Poster in die Höhe haltend), sieht man die drei genannten Personen, die PolitikerInnen – eigentlich Politiker –, ge­meinsam mit einem Chor, mit einem Kinderchor. Sie können sich sicher erinnern, Herr Strache! Es war anscheinend so, dass die Eltern der Kinder aus der Klasse, die Sie besucht haben, davon gewusst haben. Es ist am Tag davor angefragt worden, man hat es ihnen gesagt. Die Eltern der Kinder aus dem Chor wussten nicht einmal, dass die­ses Event stattfinden wird, geschweige denn, dass nach einer Erlaubnis gefragt wor­den ist, geschweige denn, dass, was in diesem Fall ja so wichtig ist, nach einer Einver­ständniserklärung der Eltern gefragt worden ist. Das heißt, dieses Foto zeigt Kinder, die singen, und die Eltern wussten nicht einmal etwas davon, dass dieser Besuch stattfinden wird. (Ruf bei der FPÖ: Das stimmt ja nicht! Wo haben Sie das her?)

Gerade die Veröffentlichung von Kinderfotos, viele von Ihnen haben ja Kinder, muss mit hoher Sensibilität passieren – mit hoher Sensibilität! Besonders problematisch wird es, wenn Fotos für parteipolitische Zwecke genutzt werden, so wie es in diesem Fall passiert ist, beispielsweise im Video von Sebastian Kurz, wo man diesen Chor auch sieht, abgelichtet mit den politischen VertreterInnen.

Ich möchte noch einmal festhalten, es geht jetzt nicht per se darum, dass Schul­be­suche von PolitikerInnen verboten werden müssen, aber Schulbesuche von Regie­rungs­mitgliedern sozusagen im Rahmen einer Pressekonferenz, bei der es um parteipolitische Bildungspolitik geht, stehen, muss man sagen, in einem absoluten Widerspruch zum Schulrecht, wenn man sich das Rundschreiben aus dem Jahr 2008 ansieht, das by the way auch einmal upgedatet werden muss. 2008 wurde Facebook gegründet, das heißt, wir sind jetzt in einem anderen Zeitalter. Es wird darauf hinge­wiesen, dass man darauf achten muss, sachlich, pluralistisch und objektiv über Politik zu informieren, und dass durch Personen und Werbematerial keine Parteipolitik betrie­ben werden sollte. Ich stelle daher schon die Frage: Autogrammkarten? Kein Werbe­material?

Gerade in diesem Rundschreiben wird auch darauf hingewiesen, dass wir eine latente Werbewirkung haben. Das ist ganz wichtig, und das wissen Sie am besten, Herr Strache! Sie werden auf der Straße sicher wiedererkannt, Sie haben eine latente Wer­bewirkung.

Ich möchte jetzt, weil ich sehr wenig Antworten bekommen habe, an dieser Stelle fol­genden Antrag stellen:

„Der Nationalrat wolle beschließen:

,Die Beantwortung 249/AB der Anfrage 257/J der Abgeordneten Stephanie Cox, BA, Kolleginnen und Kollegen, betreffend Unzulässigkeit von parteipolitischer Werbung an Schulen durch den Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport, wird nicht zur Kenntnis genommen.‘“

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Das ist einmal Punkt eins.

Wissen Sie, ich bin in dieses Haus gekommen, um lösungsorientiert zu arbeiten. Ich habe mir echt erwartet, dass es hier mehr lösungsorientierte Ansätze gibt. Ich habe null Interesse, auf Ihrem Kopf herumzutrampeln, aber ich erwarte mir von Ihnen schon, dass Sie einen lösungsorientierten Zugang zu diesem Thema haben und, wenn wir schon vom neuen Stil sprechen, dass wir einen echten neuen Stil haben. Vor allem im digitalen Zeitalter müssen wir Eltern und Kinder informieren und sie stärken. Ich habe gemerkt, vor allem in den Gesprächen, die ich mit Eltern geführt habe, dass sie total ver­unsichert sind. Sie wissen nicht, wie sie mit solchen Situationen umgehen sollen, denn im digitalen Zeitalter bleiben die Fotos und Videos im Netz. In diesem Bewusst­sein müssen gerade wir in der Politik mit dieser Situation umgehen und die ent­sprechen­den Maßnahmen treffen. Es geht um den Schutz der Persönlichkeitsrechte unserer Kinder. (Beifall bei der Liste Pilz.)

Den ersten Schritt hat Nationalratspräsident Sobotka schon gemacht, ich hoffe, dass es in Zukunft nicht mehr so einfach sein wird, unangenehmen Fragen von Abgeord­neten aus dem Weg zu gehen. Sollte jemand nicht zuständig sein, so wird eine Be­gründung auf jeden Fall helfen, das zu verstehen.

Zuletzt weise ich Sie darauf hin, dass Parteipolitik in der Schule nichts verloren hat. Eigentlich sollte das durch den entsprechenden Paragrafen im Schulunterrichtsgesetz und das dazugehörige Rundschreiben aus dem Jahr 2008 klar sein, offensichtlich gibt es aber in der Regierung einige Mitglieder, die sich das jetzt nicht so vor Augen geführt haben. Also bitte ich Sie, Herr Strache, und Herrn Kurz, Ihre Hausaufgaben sorgfältig zu machen, sonst muss ich Sie - -

Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete, Sie müssen jetzt zum Schlusssatz kom­men. – Bitte.

Abgeordnete Stephanie Cox, BA (fortsetzend): Mein Schlusssatz, und dieser Schluss­satz ist ganz wichtig: sonst muss ich Sie zur Tafel bitten und Sie als Strafaufgabe hundert Mal schreiben lassen: keine Regierungspropaganda an Schulen! (Beifall bei der Liste Pilz.)

17.38

Präsidentin Doris Bures: Der Antrag auf Nichtkenntnisnahme der schriftlichen Be­antwortung steht mit in Verhandlung.

Nun hat sich Herr Vizekanzler Heinz-Christian Strache zu Wort gemeldet. – Herr Vize­kanzler, Ihre Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. Bitte.