Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll33. Sitzung, 29. Juni 2018 / Seite 24

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lichen Werbevideo der WKO, das bereits vom Netz genommen wurde. Tragendes Ar­gument bei den Inseraten ist, dass durch den Initiativantrag in Zukunft die 4-Tage-Woche umgesetzt würde, dies ist allerdings eine evidente Falschinformation: Die 4-Ta­ge-Woche gibt es seit über 20 Jahren im Arbeitszeitgesetz und sie ist bereits heute gel­tendes Recht.

Ein Blick in den Initiativantrag offenbart schnell: Der Entwurf enthält keinen Rechtsan­spruch auf Wahlfreiheit, auf Freizeit, keine Selbstbestimmtheit. Keine Verkürzung, kei­ne langen Wochenenden, keine zusätzlichen Ausgleichsmaßnahmen. Kein Wort da­von.

Wenn Frauen- und Familienministerin Bogner-Strauß den 12-Stunden-Tag eine „große Chance“ für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nennt und Frauen rät, die Digita­lisierung nutzen und "im Home-Office weiterzuarbeiten" (APA0139 II 14.06.2018), geht das erneut völlig an der Lebensrealität vorbei.

Die Erhöhung der täglichen Arbeitszeit auf 12 Stunden und der wöchentlichen Arbeits­zeit auf 60 Stunden bedeutet nämlich auch, dass Eltern auf Abruf arbeiten müssen und planbare Familien- und Freizeit auf der Strecke bleiben. Berufstätige Eltern werden in Zukunft noch häufiger mit den täglichen Herausforderungen zwischen Beruf und Be­treuungspflichten an ihre Belastungsgrenzen kommen.

Tatsächlich sind in den meisten Regionen Österreichs die Kinderbetreuungs- und Bil­dungseinrichtungen gar nicht auf 12-Stunden-Tage der Eltern ausgerichtet. Die aktuel­le Kindertagesheimstatistik zeigt, dass nur 2 % aller Einrichtungen außerhalb von Wien 12 Stunden oder länger geöffnet haben. Selbst, wenn die Kinder in die Volksschule gehen, gibt es defacto gar keine 12 Stunden Betreuung, denn auch Ganztagesschulen bieten in der Regel nur 8 Stunden Betreuung. Was auf der Strecke bleibt sind Fami­lienzeit und gemeinsame Freizeit von Eltern und Kindern – vom Kindeswohl ganz zu schweigen.

Für Alleinerziehende ist der 12-Stunden-Tag überhaupt unzumutbar. Der Druck auf Al­leinerzieherInnen wird nochmals erhöht, wenn sie ohne Unterstützung von Betriebs­räten und Betriebsvereinbarungen ihre Interessen durchsetzen sollen und der Job überlebensnotwendig ist.

Als Schutz gegen eine übermäßige Überstundenanordnung soll nun ein Ablehnungs­recht eingeführt werden. Es gab aber bisher schon ein Ablehnungsrecht. Künftig gelten aber zwei unterschiedliche Regime. Während die 9. und 10 Stunde nicht ausdrücklich abgelehnt werden muss, sondern eine Anordnung bei berücksichtigungswürdigen Gründen schlicht nicht zulässig ist, muss bei den weiteren zwei Überstunden eine klare Ablehnung erfolgen. In der Realität kaum durchsetzbar, denn ArbeitnehmerInnen, die auf ihren Job angewiesen sind, werden eine Ablehnung nicht sehr oft in Anspruch neh­men können.

Das ist keine Flexibilisierung der Arbeitszeit, das ist keine Modernisierung. Im Gegen­teil. Aus einem ArbeitnehmerInnen-Schutzgesetz wird ein Gesetz zur Ermöglichung na­hezu grenzenloser Ausbeutung.

Es zeigt sich immer mehr, dass diese Gesetzesvorlage ein Pfusch ist und überhaupt nicht durchdacht. Dahinter steht eine mächtige Unternehmerlobby, die den 12-Stun­den-Tag unbedingt und mit aller Macht durchdrücken will.

Mit dem Initiativantrag wird aber auch noch eine weitere Forderung von WKÖ und IV umgesetzt, nämlich ein ähnliches Tool wie das Risiko-Analyse-Tool-Dienstgeber auch für Sozialmissbrauch durch DienstnehmerInnen einzuführen. Diese Datenbanken las­sen allerdings unmittelbare Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand der Versicher­ten zu. Aus guten Gründen sind diese Datenbanken nur bei den Sozialversicherungs­trägern angesiedelt, aber nicht vernetzt und schon gar nicht zentralisiert.

 


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