Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll33. Sitzung, 29. Juni 2018 / Seite 64

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aufgaben für Kinder oder pflegebedürftige Erwachsene wahrzunehmen. Bei den 15- bis 64-jährigen Männern geben nur fünf Prozent die Betreuung von Kindern oder pflegebe­dürftigen Erwachsenen als Beweggrund an. Viel mehr Gewicht haben Bildungsambi­tionen: 28,8 Prozent der Männer üben einen Teilzeitjob aus, weil sie eine schulische oder berufliche Aus- oder Fortbildung ab-solvieren. Nicht einmal ein Fünftel der Männer (18,2 Prozent) und Frauen (17,6 Prozent) wollen keine Vollzeitbeschäftigung (vgl. WI­FO 2017).

"Die Verfügbarkeit, Zugänglichkeit und Bezahlbarkeit hochwertiger Betreuungseinrich­tungen für Kinder ist ein Schlüsselfaktor, der es Frauen, aber auch Männern mit Be­treuungspflichten ermöglicht, am Erwerbsleben teilzunehmen. Eine hochwertige früh­kindliche Betreuung, Bildung und Erziehung ist ferner ein wichtiges Instrument, um ge­gen eine mögliche soziale Benachteiligung von Kindern vorzugehen; darüber hinaus ist sie der kognitiven und sozialen Entwicklung von Kindern von frühem Alter an för­derlich", folgert auch die EU-Kommission in ihrem Bericht zu den Barcelona-Zielen im
Jahr 2018.

Österreich hinkt, was zur Verfügung stehende Kinderbetreuungsplätze für unter Drei­jährige betrifft, immer noch anderen EU-Staaten hinterher. EU-weit wurde das Barce­lona-Ziel, wonach zumindest für jedes dritte Kind unter drei Jahren ein Betreuungsplatz zur Verfügung stehen soll, von zwölf Mitgliedstaaten erreicht – Österreich ist nicht da­runter. Dieses Ziel hätte schon 2010 erreicht werden sollen.

Auch was Öffnungszeiten und Schließtage betrifft, ist die aktuelle Situation in Öster­reich nicht zufriedenstellend. Außerhalb Wiens hat mehr als die Hälfte aller Kinderbe­treuungseinrichtungen mehr als fünf Wochen im Jahr geschlossen (51,2 Prozent) – das heißt, dass nicht einmal die Hälfte aller Kinderbetreuungseinrichtungen es Alleinerzie­her_innen ermöglichen, erwerbstätig zu sein und keine private Kinderbetreuung orga­nisieren zu müssen. Auch was die Öffnungszeiten der Kindertagesheime angeht, zeigt sich ein deutliches Stadt-Land-Gefälle: Knapp die Hälfte der Betreuungseinrichtungen außerhalb Wiens (47,2 Prozent) schließt bereits vor 16 Uhr, fast ein Drittel (rund
32 Prozent) sogar vor 15 Uhr. Knapp die Hälfte der Betreuungseinrichtungen in Öster­reich hat täglich weniger als acht Stunden geöffnet (vgl. Kindertagesheimstatistik, Sta­tistik Austria).

Ein Ausbau von Kinderbetreuungs- und -bildungseinrichtungen ist vor allem auch dann geboten, wenn man flexiblere Arbeitszeitmodelle einführen möchte. Will man Arbeit­nehmer_innen mehr Flexibilität ermöglichen, dann muss man auch Rahmenbedingun­gen schaffen, die die bestmögliche Aufteilung der vorhandenen Zeit sicherstellen. Fa­milie und Beruf unter einen Hut zu bringen kann nur unter der Bedingung funktionieren, dass bei Bedarf ausreichend Infrastruktur und Hilfe zur Verfügung steht. Dafür ist ein sicherer Platz in einer Kinderbetreuungseinrichtung Grundvoraussetzung.

Ziel muss es sein, für jedes Kind einen Betreuungsplatz zur Verfügung zu stellen, und zwar ab dem ersten Kindergeburtstag. Durch einen so geschaffenen Rechtsanspruch entsteht kein Zwang für Arbeitnehmer_innen, ihr Kind frühest möglich einer entspre­chenden Betreuungseinrichtung zu überlassen. Es wird lediglich die Möglichkeit für all jene geschaffen, die Betreuungsplätze wollen oder brauchen. Dadurch gewährleisten wir ein hohes Maß an persönlicher Freiheit und Chancen-gerechtigkeit für alle. Sowohl für Kinder als auch für Eltern. Wenn eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten mit einem Ausbau von Infrastruktur, die Eltern mehr Möglichkeiten bietet, diese Flexibilität auch bestmöglich für sich umzumünzen, einhergeht, erhöht sich die Lebensqualität.

Damit ein Rechtsanspruch auch sinnvoll ist, müssen Betreuungsplätze vor allem für unter Dreijährige weiter ausgebaut werden. Dem Ziel, mehr Betreuungseinrichtungen für alle Kinder zur Verfügung zu stellen, hat sich auch die Bundesregierung in ihrem Regierungsprogramm verschrieben: "Zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf


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