Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll33. Sitzung, 29. Juni 2018 / Seite 79

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ge Kolleginnen und Kollegen aus der Jungunternehmerbranche, aus der Start-up-Sze­ne. Ich kann eines vorwegnehmen, bevor ich zum Inhaltlichen komme: Ich lehne funda­mental ab, was hier passiert und wie wir mit diesem Gesetzentwurf (ein Schriftstück in die Höhe haltend) umgehen. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das ist ein so wichtiges Thema, und wir haben nicht einmal mehr als zwei Wochen Zeit, um da eine Begutachtung durchzuführen! Liebe Regierung, dieses Thema ist so wichtig! Ist es nicht mehr wert als zwei Wochen? Wir sollten auch Bürgerinnen und Bürger, Expertinnen und Experten mit an Bord holen, damit wir auch deren Meinung zu diesem wichtigen Thema mit berücksichtigen können. Das kann ich einfach nicht ein­sehen. Ich bin als Bürgerin ins Parlament gekommen, um progressive Politik zu ma­chen. In diesem Fall wird die Demokratie allerdings mit Füßen getreten. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das kann es bei einem solchen Thema nicht sein!

Zum Inhaltlichen: Ich war in meinem Arbeitsleben die meiste Zeit selbstständig und weiß, wie es ist, 12 Stunden einen Job zu machen. Ich weiß auch, wie es ist, 16 Stun­den zu arbeiten, und das über mehrere Tage. Ich habe viele Menschen in meinem Umfeld, Freunde und Bekannte, die mehr als 8 Stunden arbeiten. Diese Menschen, vor allem die jungen Leute, erscheinen nach außen als erfolgreiche Menschen, aber auch da muss man hinter die Kulissen blicken.

Hinter der strahlenden Fassade stehen oft Menschen, die mit Burn-out zu kämpfen ha­ben, die mit gesundheitlichen Schäden konfrontiert sind. Sie sind oft gerade aufgrund dieser Intensität des Arbeitslebens, eben aufgrund dieser langen Arbeitszeiten von so­zialen Kontakten isoliert. Diese Selbstausbeutung, die teils in der Start-up-Szene, aber auch in der Kreativbranche, im Projektmanagement stattfindet, darf nicht unsere Bench­mark sein, gerade wenn es um Ausbeutung geht. (Beifall bei der Liste Pilz.)

Es wurde schon des Öfteren erwähnt, dass Ausbeutung nicht nur in diesen Bereichen stattfindet. Ausbeutung findet auch dort statt, wo man Angst um den Arbeitsplatz hat, wo man Angst um den nächsten Auftrag hat. Wenn die Entscheidung über die Ar­beitszeit aus Angst heraus getroffen wird, sehe ich das nicht als Freiwilligkeit. Es ist nicht Freiwilligkeit, wenn solche Entscheidungen aus Angst heraus getroffen werden! (Beifall bei der Liste Pilz sowie des Abg. Kern.)

Das ist nicht ein freier Wille und eine freie Entscheidung, Herr Vizekanzler, wie Sie es vorher erwähnt haben! Da braucht es ausgeglichene Machtverhältnisse. Wenn Sie uns dieses Take-it-or-leave-it – denn das ist es! – als freien Willen verkaufen wollen, dann haben wir ein grundsätzlich anderes Verständnis von einer liberalen Gesellschaft.

Es wurden schon ein paar Beispiele genannt – wie der Straßenarbeiter, die Kellnerin, die Kassiererin, es gibt viele Bereiche –, wo ich mir nicht vorstellen kann – und Sie können mir das nicht erklären –, dass Personen, die mehrmals Überstunden verwei­gern und sagen, es geht nicht – vielleicht aus privaten Gründen, beziehungsweise ha­ben Sie gesagt, dass man es nicht einmal erklären muss –, bei der nächsten Kündi­gungswelle nicht die Ersten sind, die ihren Job verlieren. Es werden in einem solchen Fall, wie es oft in der Praxis ist, die bevorzugt, die sich dann vielleicht ausbeuten las­sen, natürlich ganz freiwillig. Darauf muss man achten, denn in der Praxis schaut es einfach anders aus. Das müssen wir hier im Parlament auch praxisnah diskutieren. (Beifall bei der Liste Pilz.)

Ich möchte hier auch von der Digitalisierungsperspektive sprechen, weil sie bis jetzt noch nicht in der Intensität diskutiert wurde, wie ich es mir wünschen würde, wenn wir von der Zukunft sprechen. Gerade die Digitalisierung, die Automatisierung wird Arbeits­plätze verschwinden lassen. Es wird so sein, der Realität müssen wir ins Auge schau­en. Digitalisierung bedeutet aber auch viele Chancen, und auch denen müssen wir ins Auge blicken. Unser Anspruch in der Politik muss es aber sein, den Menschen in den


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