13.24

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (PILZ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren von der Bundesregierung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, Kollege Amon hat vollkommen recht; er hat etwas Wichtiges in der Debatte gesagt. Der Untersuchungsausschuss ist eingesetzt worden, auch um die politische Verant­wortung mehrerer Regierungsmitglieder, nicht nur des Innenministers, sondern auch des Justizministers, zu klären, und eine endgültige Klärung und Beurteilung der politischen Verantwortung ist nicht am Beginn, sondern erst am Ende des Unter­suchungsausschusses möglich. Vollkommen richtig! (Abg. Obernosterer: Warum tust du es dann vorher?) Vollkommen richtig!

Warum wir trotzdem heute diese Sondersitzung brauchen, hat ja mit etwas ganz anderem zu tun. Wir greifen nicht der Arbeit des Untersuchungsausschusses vor, sondern es geht – es ist bereits von Kollegen Krainer darauf verwiesen worden – um ein Dokument aus dem Strafakt mit der Ordnungsnummer 413. Da steht nichts drin über die BVT-Affäre, über die Hausdurchsuchung, über mögliche illegale Aktionen, son­dern da steht drin: Eine Person aus dem BVT – ich zitiere – führte aus, dass eine Suspendierung des BVT in der Berner Gruppe im Raum stehe. Um dieser entge­gentreten zu können, benötige das BVT eine Schadensanalyse, welche den Partner­diensten präsentiert werden könne.

So, und jetzt sage ich etwas zu diesem Dokument. – Das ist ein Dokument aus dem BVT-Strafakt der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Dieses Dokument müsste dem Untersuchungsausschuss vorliegen. Die Herausgabe dieses Dokuments verweigert der Justizminister. Wir haben es bis heute nicht vom Justizministerium bekommen! Ich habe es deshalb persönlich vorgelegt, weil das ein entscheidendes Dokument für die Arbeit des Ausschusses ist und weil es eines deutlich macht – und da war eine Antwort des Innenministers heute sehr aufschlussreich (Abg. Rosenkranz: Wie jede Antwort!) –: Seit dem 26. Juni dieses Jahres ist der Innenminister persönlich informiert, dass 27 EU-Mitgliedstaaten plus Schweiz und Norwegen kurz davor stan­den, Österreich aus dem Berner Club auszuschließen.

Was ist der Berner Club? – Der Berner Club ist eine informelle Zusammenkunft der wichtigsten europäischen Nachrichtendienste wie BVT und bildet die sogenannte Counter Terrorism Group. Das ist die einzige Vereinigung auf europäischer Ebene, die die gemeinsamen Aktionen gegen Terrorismus auf nachrichtendienstlicher Ebene koordiniert. Da gibt es alle Informationen. Da schützt sich Europa durch Zusam­men­arbeit vor Dschihadismus, vor Rechtsextremismus, vor Terrorismus (Abg. Rosenkranz: Und Linksextremismus!) und vielen anderen Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit.

Jetzt stellen Sie sich einmal vor: Aufgrund der Tätigkeit eines amtierenden Innen­ministers (Ruf bei der SPÖ: Unglaublich!) ist Österreich im Juni dieses Jahres (Abg. Rosenkranz: Das ist unglaublich, weil es nicht stimmt!) knapp davor gestanden, aus der internationalen Zusammenarbeit zur Bekämpfung des Terrorismus ausgeschlossen zu werden, weil die Partnerdienste zu Recht befürchtet haben, dass der Innenminister und seine Partei ein gefährliches Leak in Bezug auf die geheimsten Erkenntnisse von Nachrichtendiensten im Kampf gegen den Terrorismus sind. (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ.)

Das ist eine außergewöhnliche Situation. Versuchen Sie einmal, sich so etwas vorzu­stellen! Das betrifft nicht uns als Abgeordnete, das betrifft nicht nur das Innenminis­terium, da geht es um die Sicherheit jedes einzelnen Menschen in Österreich! Wenn die internationalen Nachrichtendienste, wenn unsere Partnerdienste aufgrund der Tätigkeit des Innenministers uns die Zusammenarbeit aufkündigen, dann sind wir in der Bekämpfung des Terrorismus blind und taub, dann erfahren wir nichts mehr, dann sind wir isoliert, dann kennen wir die Gefahren nicht mehr. Und wer die Gefahren nicht kennt, kann die Gefahren auch nicht bekämpfen. Deswegen ist es wichtig, dass es diese Sondersitzung gibt: weil Gefahr im Verzug ist (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ), weil jeder Tag Herbert Kickl als Innenminister den Verfassungsschutz weiter beschädigt.

Wir werden uns im Untersuchungsausschuss sehr genau anschauen, wie es unter der ÖVP war und ob es politischen Missbrauch des Verfassungsschutzes durch die ÖVP gegeben hat. Einiges deutet darauf hin. Aber auch wenn die ÖVP dem Verfassungs­schutz geschadet hat, vonseiten der ÖVP hat keine Zerstörung des Verfassungs­schutzes gedroht. Das ist etwas vollkommen anderes. Zum ersten Mal in der Ge­schichte des Verfassungsschutzes ist der gesamte Verfassungsschutz in seiner Bedeutung für die öffentliche Sicherheit Österreichs gefährdet. Und deshalb sind wir hier! Deshalb ist eines nicht nur notwendig, sondern eine Selbstverständlichkeit: ein Antrag der Abgeordneten Krainer, Krisper und von mir selbst, den ich hiermit einbringe; er ist sehr kurz und unumgänglich:

Misstrauensantrag

der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Stephanie Krisper, Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Inneres“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Dem Bundesminister für Inneres wird gemäß Art. 74 Abs. 1 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrats das Vertrauen versagt.“

*****

Es gibt keine Alternative zu diesem Misstrauensantrag! (Abg. Rosenkranz: O ja!) Wenn der Bundeskanzler nicht in der Lage ist, wenn der Vizekanzler nicht in der Lage ist, wenn der Justizminister nicht in der Lage ist, dem Innenminister klarzumachen (Abg. Stefan: Das ist intellektuell unredlich!), dass er als Sicherheitsrisiko für die Republik Österreich an der Spitze des Innenministeriums nicht mehr tragbar ist, wenn also der Bundeskanzler seiner politischen Verantwortung aus Gründen der Koalitions­treue nicht mehr nachkommen kann, dann gibt es nur noch den österreichischen Nationalrat, der die öffentliche Sicherheit vor Herbert Kickl schützen kann. Deswegen ist es notwendig, so schnell wie möglich, möglichst am heutigen Tag, Innenminister Kickl durch eine Entschließung des Nationalrates aus seinem Amt zu entfernen. Es gibt keine Alternative! (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ.)

Jetzt wende ich mich an die Kolleginnen und Kollegen von der Österreichischen Volkspartei. Ich nehme das ernst, dass Sie sich selbst als Sicherheitspartei bezeich­nen, aber nehmen Sie selbst es auch ernst! Schau’n S’, reden wir offen! (Heiterkeit bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Höbart: Jetzt wird es aber komisch!) Viele von Ihnen wissen und sagen es auch in persönlichen Gesprächen, dass Herbert Kickl auf Dauer nicht haltbar ist. (Abg. Wöginger: Das ist ein Blödsinn!) Es ist ja nur eine Frage der Zeit, wann er zurücktreten muss (Abg. Rosenkranz: Mit wem reden Sie eigentlich? Sie haben ja gar keinen Spiegel mit!), und es geht schlicht und einfach darum, diese Zeit möglichst kurz zu halten.

Jetzt komme ich noch einmal zurück auf die gesamte Affäre. (Abg. Gudenus: Die Grapsch-Affäre oder was?) Wir werden im Untersuchungsausschuss sehr genau unter­suchen, was da passiert ist, und wir werden bei einer Rede eines freiheitlichen Landes­rates vor der AfD in Thüringen beginnen. Wir werden dort beginnen, wo Lan­desrat Podgorschek vor der AfD erklärt hat: Im österreichischen Verfassungsschutz haben sich Zellen gebildet, und diese Zellen müssen ausgetrocknet werden. – Die politische Absicht der Freiheitlichen Partei vor der Nationalratswahl war sonnenklar: austrocknen der Zellen, austrocknen der Zellen im Verfassungsschutz. Und das, was seit der Machtübernahme der Freiheitlichen Partei im Innenministerium passiert ist, ist genau das: das Austrocknen jener Kräfte, die zum Rechtsstaat und zur Republik Österreich stehen, und das Ersetzen dieser Kräfte durch Funktionäre der Freiheitlichen Partei.

Ich muss Ihnen nicht erklären, was das bedeutet, wenn eine Partei, die zu Recht selbst im Visier des Verfassungsschutzes steht, die nach rechts hin, zum Rechtsextremismus offen ist, die befürchten muss, dass ein verfassungstreuer Verfassungsschutz sehr viel über diese Spitzenfunktionäre der Freiheitlichen Partei herausfindet und das möglicher­weise auch den Strafbehörden übergibt, Sie wissen, was das bedeutet, wenn eine Partei, die selbst im Visier des Verfassungsschutzes stehen muss, die Macht im Innen­ministerium übernimmt. Es hat viele gegeben, die gewarnt haben. Im Jahr 2000 wollte Jörg Haider durchsetzen, dass die Freiheitliche Partei das Innenministerium bekommt. Wolfgang Schüssel hat das damals verweigert. Eineinhalb Jahrzehnte später hat Sebastian Kurz demselben Verlangen nachgegeben und hat einen der unverant­wort­lichsten Akte in der österreichischen Regierungsgeschichte gesetzt: das zentrale Sicher­heitsministerium dieser Republik einer Partei mit einem offenen Rand zum organisierten Rechtsextremismus zu übergeben. (Abg. Haider: Frechheit! Was bilden Sie sich ein, Sie Grapscher Sie?!) Das ist verantwortungslos! (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ. – Abg. Haider: Das ist ja elend! Das ist ja unglaublich! – Weitere Zwischen­rufe bei der FPÖ.)

Es gibt nur eine Möglichkeit: den Bundeskanzler aufzufordern, dass er das in Ordnung bringt! Das ist Bundeskanzler Kurz jedem einzelnen Menschen in der Republik Österreich schuldig. Es geht um unsere Verfassung und es geht um unsere Sicherheit, und deshalb muss Herbert Kickl als Innenminister zurücktreten und zu diesem Rücktritt gebracht werden. (Abg. Gudenus: Hören Sie auf mit diesen Verbalgrapschereien!) Das sind wir Österreich schuldig! – Danke schön. (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ.)

13.34

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Misstrauensantrag

gemäß § 55 GOG-NR

der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Stephanie Krisper, Peter Pilz

Kolleginnen und Kollegen

betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Inneres

eingebracht im Zuge der Debatte über die Dringliche Anfrage betreffend „Innenminister Kickl Drahtzieher bei rechtswidriger Razzia im BVT“

Begründung

Am 28. Februar 2018 stürmten Beamte der EGS gemeinsam mit einer Staatsanwältin der WKStA die Räumlichkeiten des BVT am Wiener Rennweg. In Folge dieser Amts­handlung wurde ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingesetzt. In der Zwischenzeit ist klargeworden, dass

+ von Seiten des BMI Druck auf die WKStA bei der Führung des Strafverfahrens ausgeübt wurde;

+ Belastungszeugen durch das Kabinett des Innenministers beigeschafft wurden;

+ und die FPÖ-geführte EGS durch den Generalsekretär des Innenministers für den Einsatz im BVT bestimmt wurde.

Das OLG Wien hat entschieden, dass die Hausdurchsuchung im BVT gesetzwidrig war. Damit steht die Frage der Verantwortung für eine illegale Hausdurchsuchung in einer der sensibelsten Einrichtungen im Bereich der Öffentlichen Sicherheit im Raum.

In diesem Zusammenhang hat der Untersuchungsausschuss die Aufgabe, die politi­sche Verantwortung des Innenministers zu klären.

Seit dem Angriff auf das BVT mehren sich die Hinweise, dass das BVT seit der Über­nahme der Ministerschaft durch Herbert Kickl und insbesondere seit der BVT-Haus­durchsuchung in seiner Handlungsfähigkeit geschädigt worden ist.

Der Innenminister bestreitet das, wie etwa in der Beantwortung der Dringlichen Anfrage im Nationalrat am 11. Juni 2018:

„Das zeigt, dass dieses ganze Gerede (…) von der internationalen Isolation unseren Partnern gegenüber eine reine parteipolitisch motivierte Show ist und nichts mit den Tatsachen zu tun hat.“

Bis heute wiederholt der Innenminister diese Beteuerung. Bis heute versucht er den Eindruck zu erwecken, die Zusammenarbeit mit den Partnerdiensten sei durch die BVT-Affäre nicht beeinträchtigt.

Im U-Ausschuss am Mittwoch wurde allerdings bekannt, dass das BVT entgegen der offiziellen Beteuerungen sehr wohl eine Beschädigung der internationalen Zusam­men­arbeit befürchtet hat.

In einem Schreiben der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) an den Direktor des BVT wurde nämlich am 26. Juni 2018 festgestellt, dass eine Suspen­dierung des österreichischen Verfassungsschutzes aus dem Berner Club interna­tionaler Nachrichtendienste drohe und dass man angesichts der Ermittlungen eine "Schadensanalyse" präsentieren müsse.

Bei diesem handelt es sich um ein europäisches Netzwerk aller Inlandsgeheimdienste: „Der Berner Club (auch Club de Berne genannt) besteht aus den Chefs der Inlands­nachrichtendienste seiner Mitgliedsstaaten (28 EU-Länder, Norwegen und die Schweiz). Er wurde 1971 gegründet und handelt geheim.“  Im Juni 2018 wollten die inter­nationalen Partner unter anderem wissen, welche ihrer vertraulichen und gehei­men Unterlagen in Papierform von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt wur­den.

„Am Tag der Anschläge in Paris vereinbarten die Chefs der europäischen Inlands­geheim­dienste eine engere Zusammenarbeit im Bereich „Islamistischer Terrorismus“. Die in der „Counter Terrorism Group“ (CTG) zusammengeschlossenen Dienste ent­senden VerbindungsbeamtInnen und betreiben seit dem 1. Juli eine „operative Plattform“ in Den Haag. In Echtzeit tauschen sich die beteiligten Behörden zu Maßnahmen und Gefahren aus. Laut Gilles de Kerchove, dem EU-Anti-Terrorismus-Koordinator, hat die neue „operative Plattform“ in Den Haag nunmehr erste „operative Ergebnisse“ erzielt.“ 

Spätestens seit Bekanntwerden der Notwendigkeit der Erstellung einer Schadens­analyse an den Berner Club ist klar, dass die Lage weit dramatischer als bisher ange­nommen ist. Das BVT ist unter Minister Kickl an den Rand des Ausschlusses aus der europäischen Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terrorismus geraten.

Da durch die Fortführung der Tätigkeit des Innenministers eine weitere Schädigung der Arbeit des BVT und damit eine weitere Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit droht und zur Abwehr dieser Gefahr für die Sicherheit Österreichs nicht der Abschluss der Arbeit des Untersuchungsausschusses abgewartet werden kann, stellen die unter­fertigenden Abgeordneten folgenden

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Dem Bundesminister für Inneres wird gemäß Art. 74 Abs 1 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrats das Vertrauen versagt."

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht damit mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Duzdar. – Bitte.