Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll39. Sitzung, 26. September 2018 / Seite 105

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Um das Ganze ein wenig zu verdeutlichen, darf ich Ihnen einige Beispiele anführen: Stellen Sie sich einen marokkanischer Vater vor, der mit seinem Kind in Österreich lebt und im Urlaub nach Marokko fährt. Er bringt dieses Kind nicht mehr zurück, sondern bringt es dort bei seinen marokkanischen Verwandten unter, und man kann des Kindes nicht mehr habhaft werden. Zurück bleibt in Österreich eine Mutter, die sich sorgt und verzweifelt ist, weil sie nicht sicher ist, ob sie ihr Kind wiedersehen wird und wann sie es wiedersehen wird, und natürlich auch, wie es diesem Kind geht. Ich glaube, jede Mutter, jeder Vater kann sich in so etwas hineinversetzen.

Oder stellen Sie sich eine Österreicherin vor, die mit ihrem Mann in Griechenland lebt. Sie fährt mit ihrem Kind nach Österreich, quasi auf Heimaturlaub, und geht nicht mehr zurück nach Griechenland. Diese Mutter entzieht ihr Kind dem Vater.

Oder ein dritter Fall, damit das auch ganz plausibel wird: Ein Vater bringt das Kind nach einem Besuchskontakt, der ja durchaus gerichtlich geregelt ist, nicht mehr zur Mutter oder vielleicht auch nicht mehr den Obsorgeberechtigten zurück, wenn wir an eine Jugendwohlfahrtseinrichtung denken, wo dieses Kind vielleicht untergebracht ist, sondern er bringt es in sein Heimatland.

Das alles, meine Damen und Herren, sind Fälle von Kindesentführungen, die zwar nicht täglich in Österreich vorkommen, die aber weltweit immer wieder auch für Auf­merksamkeit sorgen. Kinder werden dabei gegen ihren Willen von einem Elternteil ge­trennt und sehr oft in eine ihnen oftmals völlig fremde Gesellschaft eingegliedert. Der beraubte Elternteil – verzeihen Sie mir, wenn ich das so nenne –, der Elternteil, dem das Kind entzogen ist, kann dies aber oft sehr schwer verkraften. Auch das Wissen oder das Nichtwissen, ob man es weiterhin sieht, führt sehr oft zur Verzweiflung.

Meine Damen und Herren, in meinem Beruf habe ich sehr viel mit Kindern zu tun. Die Kinderseele ist eigentlich das Verletzlichste, das möglich und denkbar ist, und dieses Kind, diese Kinderseele gilt es zu schützen. Hier kann die Gesellschaft und hier darf der Rechtsstaat nicht zusehen. Es gilt, dieses Kind, seine Seele und das Aufwachsen dieses Kindes, und zwar in vertrauter Umgebung, zu schützen und zu wahren.

Internationale Kindesentführung, meine Damen und Herren, ist ein soziopolitisches Problem in einer heute sehr pluralen und globalen Gesellschaft. Fakt ist, dass vor al­lem binationale Partnerschaften und Ehen diese Gefahr, dieses Risiko viel häufiger in sich tragen.

Die Rückführung von Kindern ist auch deshalb erschwert, weil mehrere rechtsstaatli­che Systeme beteiligt sind. Genau hier setzt das Haager Kindesentführungsüberein­kommen an und versucht mit den Vertragsstaaten, mit den Vertragsparteien ein be­schleunigtes Verfahren abzuwickeln und eine möglichst rasche Rückführung dieser Kinder zu gewährleisten. Bis dato haben 98 Vertragsparteien dieses Haager Kindes­entführungsübereinkommen unterzeichnet, 65 Staaten sind beigetreten, 27 Staaten ha­ben ratifiziert.

Da dieses HKÜ, wie es abgekürzt heißt, gesetzesändernd und gesetzesergänzend ist, bedarf ein Beitritt von neuen Ländern auch der Annahme durch die Vertragspartner. Das ist jetzt der Punkt, wo wir im Parlament ins Spiel kommen. Als Mitgliedstaaten brauchen wir dafür eine Ermächtigung der EU. Diese Ermächtigung wurde mittels
EU-Ratsbeschluss bereits im Dezember 2017 ausgesprochen, der Ministerrat hat im Mai 2018 die Annahmeerklärung Österreichs für die Staaten Panama, Uruguay, Ko­lumbien und El Salvador bereits abgesegnet.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es liegt an uns, auf das Wohl dieser Kinder zu schauen und bleibenden Schaden abzuwenden. Ich bitte daher in diesem Sinne auch um die Zustimmung zu dieser Annahmeerklärung. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

14.08


 


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