11.57

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­te­rin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema ist eigentlich die Türkei, aber natürlich beschäftigt uns nach diesem bestialischen Mord genauso Saudi-Arabien.

Ich darf dazu sagen: Es war noch in der Zeit, als die ÖVP mit der SPÖ in der Regie­rung war, dass Waffenexporte nach Saudi-Arabien eingestellt worden sind. Wir brauchen also jetzt nicht die Frau Bundesministerin dazu aufzufordern, und sie hat ja heute ebenso schon klargestellt, dass es keine Waffenexporte nach Saudi-Arabien gibt. – Erster Punkt.

Zweiter Punkt: Was die Türkei betrifft, so ist es gut, dass alle Fraktionen hier eine sehr, sehr ähnliche Sicht der Dinge haben. Wir wissen, dass die Türkei ein wichtiger Nachbar für Europa ist und dass wir alles tun müssen – wir können uns unsere Nachbarn nicht aussuchen –, damit wir mit unseren Nachbarn in einem guten Einvernehmen sind. Was sich in der Türkei in den letzten Jahren entwickelt hat, ist jedoch leider in die absolut falsche Richtung gegangen.

Nach dem gescheiterten Militärputsch 2016 verhängte Präsident Erdoğan in der Türkei – und das ist ein 80-Millionen-Einwohner-Staat – den Ausnahmezustand. Er setzte auch die Europäische Menschenrechtskonvention aus. Es kam zu Massenverhaftungen. Sage und schreibe 130 000 Staatsbedienstete in der Armee, in der Polizei, in der Justiz, im Bildungsbereich verloren ihre Arbeit. Man hat den Ausnahmezustand dazu genutzt, Demonstrationen zu verbieten. Ist es trotzdem zu Demonstrationen gekom­men, hat die Polizei exzessiv Gewalt eingesetzt. Man nutzte die Regelungen des Aus­nahmezustandes und entfernte sich damit von der Europäischen Union – ganz nah war die Türkei ohnehin auch vorher nicht.

Jetzt hat man den Ausnahmezustand zwar ausgesetzt, aber das Referendum – es ist schon angesprochen worden – hat den Präsidenten enorm gestärkt, und Teile der Rege­lungen des Ausnahmezustandes hat man jetzt in das Regelgesetzwerk übernom­men. Das heißt, der Zugang zur Justiz ist alles andere als ausreichend, gerichtliche Untersuchungen und Verhandlungen sind intransparent, auch Österreicherinnen und Österreicher sind von Verhaftungen betroffen.

Alles in allem ist das das Gegenteil von dem, was sich die Europäische Union von der Türkei erwartet, daher hat auch das Europäische Parlament Anfang Oktober eine richtige Entscheidung getroffen. Es wurden Mittel in Höhe von 70 Millionen Euro, die die Türkei bekommen hätte, gestrichen, und das diesbezügliche Votum im Euro­päi­schen Parlament war schon sehr deutlich: 544 Abgeordnete haben dafürgestimmt, nur 28 haben dagegenvotiert – und unser Votum heute hier im Parlament wird auch ein sehr deutliches sein. Es ist gut, dass es europaweit diese Sicht auf die Türkei gibt, denn messbare und ausreichende Fortschritte, wie sie in den Bereichen der Rechts­staatlichkeit, der Demokratie, der Menschenrechte und der Pressefreiheit gefordert worden sind, hat es leider nicht gegeben. Daher ist auch der Fortschrittsbericht der Europäischen Kommission, der heuer vorgelegt worden ist, ein negativer, und es wird auch für die Türkei in den nächsten Jahren weit weniger Mittel geben, als ursprünglich vorgesehen waren. Von 2018 bis 2020 kommt es zu einer Kürzung der Mittel in Höhe von 759 Millionen Euro. Trotzdem wird die Türkei 1,1 Milliarden Euro erhalten.

Das ist das, was ich zu Beginn angesprochen habe. Wir müssen schauen, dass wir nicht alle Brücken zur Türkei abbrechen, denn die Türkei ist nicht nur Mitglied der Nato, es bestehen auch, und da ist Österreich auch Nutznießer, sehr enge wirtschaftliche Beziehungen und auch Beziehungen auf der menschlichen Ebene. In Deutschland sind es etwas mehr als 3 Millionen, bei uns mehr als 300 000 Menschen, Mitbürgerinnen und Mitbürger, die türkische Wurzeln haben. Auch hier im Hohen Haus gibt es Menschen, die in dieser Situation sind. Normalerweise nützt man so etwas, um zu engeren Bindungen zu kommen. Von Erdoğan wird das leider oft missbraucht und in die gegenteilige Richtung gelenkt, und das ist sehr, sehr schade.

Daher sage ich: Es ist richtig, was wir hier mit diesem Antrag gemacht haben und was auch heute hier von uns beschlossen wird, nämlich dass wir sagen, die Beitrittsver­handlungen mit der Türkei sind zu stoppen, und wir müssen schon immer wieder gemeinsam den Finger in diese Wunde legen, was die Behandlung von Journalisten, von Oppositionspolitikern betrifft. Für uns hier ist es leicht, die Stimme zu erheben.

Ich darf, auch im Namen von Kollegen Roman Haider, einen Entschließungsantrag ein­bringen, in dem wir auf den Fall hinweisen, der auf türkischem Gebiet im Konsulat von Saudi-Arabien stattgefunden hat, wo Jamal Khashoggi bestialisch ermordet worden ist. Wir bringen folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Mag. Roman Haider, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Jamal Khashoggi“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Äußeres, Europa und Inte­gration, wird ersucht, sich umgehend und mit Nachdruck für eine vollständige Auf­klärung des Mordes an Jamal Khashoggi einzusetzen und alle Anstrengungen zu unternehmen, dies auch im Rahmen der Europäischen Union umzusetzen.

Weiters wird die Bundesregierung ersucht, eine unabhängige, internationale Unter­suchung zu fordern und eindringlich dafür einzutreten, dass die Verantwortlichen für den Mord vor Gericht gestellt werden. Darüber hinaus wird die Bundesregierung er­sucht, die bestehenden Instrumente zum Schutz von Journalistinnen und Journalisten bestmöglich zu nutzen und eine mögliche UNO-Konvention zum weltweiten Schutz der Rechte von Journalistinnen und Journalisten zu unterstützen.“

*****

Wir sollten unsere Rolle im Menschenrechtsrat der UNO – das haben wir auch in der Vergangenheit schon gemacht – dafür nützen, um da zu Verbesserungen zu kommen. Ich lade Sie ein, diesem Antrag zuzustimmen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Schieder: Und was ist mit Waffenboykott? – Abg. Wittmann: Die Waffenlieferungen laufen wei­ter!)

12.04

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Mag. Roman Haider

Kolleginnen und Kollegen

betreffend Jamal Khashoggi

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 5:

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 398/A(E) der Abgeord­neten Dr. Reinhold Lopatka, Mag. Andreas Schieder, Mag. Roman Haider, Claudia Gamon, MSc (WU), Dr. Alma Zadić, LL.M., Kolleginnen und Kollegen betreffend die aktuelle politische Situation in der Türkei (322 d.B.)

Der saudi-arabische Journalist Jamal Khashoggi lebte seit mehr als einem Jahr im selbst gewählten US-Exil und schrieb unter anderem für die Zeitung „Washington Post“ regierungskritische Artikel über Saudi-Arabien. Er galt als ein Gegner des saudischen Königshauses und wies oft auf Verhaftungen, Hinrichtungen und Menschenrechts­ver­letzungen in seinem Land hin. Auch Äußerungen zur saudischen Außenpolitik sind be­kannt.

Am 2. Oktober 2018 besuchte er das saudi-arabische Konsulat in Istanbul, um Papiere für seine Hochzeit abzuholen und verschwand, in weiterer Folge wurde bekannt, dass Khashoggi ermordet wurde, Fotos von den mutmaßlichen Mördern Khashoggis wurden veröffentlicht, jeden Tag wurden neue Details über die grauenhafte Tat bekannt.

Der türkische Präsident Erdogan wirft Saudi-Arabien vor, den regierungskritischen Journalisten Jamal Khashoggi brutal getötet zu haben. Es gebe starke Anzeichen dafür, dass die Tötung Tage im Voraus geplant gewesen sei. Auch ein Besuch des US-amerikanischen Außenministers in Saudi-Arabien folgte, die internationale Öffentlich­keit erfährt fast stündlich neue Fakten.

Mittlerweile haben die Europäische Union, die USA und eine Vielzahl anderer Staaten Aufklärung von Saudi-Arabien gefordert. Seit Jahren ist die Situation der Menschen­rechte und der Pressefreiheit in Saudi-Arabien Grund zur Besorgnis, Fortschritte sind kaum zu verzeichnen.

Die Europäische Union ist im Rahmen einer Gemeinsamen Außen- und Sicher­heits­politik besonders gefordert, hier rasch und vor allem klar Position zu beziehen, dass derartige Gräueltaten in keiner Weise mit Grundrechten und Freiheitsrechten zu recht­fertigen sind.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Äußeres, Europa und Integration, wird ersucht, sich umgehend und mit Nachdruck für eine vollständige Aufklärung des Mordes an Jamal Khashoggi einzusetzen und alle Anstrengungen zu unternehmen, dies auch im Rahmen der Europäischen Union umzusetzen.

Weiters wird die Bundesregierung ersucht, eine unabhängige, internationale Unter­suchung zu fordern und eindringlich dafür einzutreten, dass die Verantwortlichen für den Mord vor Gericht gestellt werden. Darüber hinaus wird die Bundesregierung er­sucht, die bestehenden Instrumente zum Schutz von Journalistinnen und Journalisten bestmöglich zu nutzen und eine mögliche UNO-Konvention zum weltweiten Schutz der Rechte von Journalistinnen und Journalisten zu unterstützen.“

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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr.in Stephanie Krisper. – Bitte.