Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 16. November 2018 / Seite 67

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werfen wir einen Blick auf die empirischen Fakten! (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Seit dem Jahr 2015 steigt in Österreich, in der österreichischen Industrie die Pro­duk­tion doppelt so stark wie jene in der Bundesrepublik Deutschland. Das bedeutet, dass die Rahmenbedingungen für die Industrie in Österreich ausgezeichnet sind. Dafür hät­ten wir eine Novellierung des Arbeitszeitgesetzes in Wirklichkeit nicht gebraucht. Wir hätten auch keine einseitigen Geschenke im Sinne des Großspenders Stefan Pierer, Chef der KTM Industries, gebraucht. Wir brauchen aber auch bei den Gewinnsteuern keine Geschenke an die Industrie; das wird ja die zweite Lieferung dieser Regierung an die Industrie sein.

Nun zu dieser Neuregelung des Arbeitszeitgesetzes, die ich ja schon bei der Be­schlussfassung sehr scharf kritisiert habe: Alles, was ich damals kritisiert habe, bleibt aufrecht, beginnend beim Angriff auf die moderne Arbeitswelt, die eigentlich eine solche Regelung nicht braucht. Eine moderne Arbeitswelt braucht in Wirklichkeit eine Verkürzung der Arbeitszeit und nicht eine Verlängerung der Arbeitszeit. (Beifall bei der Liste Pilz.)

Es ist so, dass die Argumente von wissenschaftlicher Seite seit Langem auf dem Tisch liegen. Wir wissen, dass längere Arbeitszeiten das Unfallrisiko steigern. Wir wissen, dass die physische und psychische Belastung bei längerer Arbeitszeit steigt. Wir wis­sen aber auch, dass die Leistungsfähigkeit abnimmt, mitunter, bei schweren Verletzun­gen, sogar dauerhaft.

Aber auch aus ökonomischer Sicht machen längere Arbeitszeiten nicht wirklich Sinn. Sie sind höchst bedenklich, weil sie letztendlich einen Leistungseinbruch bedeuten, der zu einer geringeren Wertschöpfung pro Kopf führt. Wenn wir also uns allen etwas Gutes tun wollen, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und den Unternehmun­gen, dann macht die Verlängerung der Arbeitszeit, die da beschlossen wurde, keinen Sinn.

Es ist ganz im Gegenteil so, dass Länder, die eine niedrigere durchschnittliche Wochen­arbeitszeit haben, auch jene Länder sind, die höhere Produktivitätsgewinne und Zu­wächse aufweisen. In diesem Sinne können wir mit Recht sagen: Auch Österreich gehört zu diesen Ländern mit einer höheren Produktivität, deren Früchte man natürlich verteilen kann: in Form von kürzerer Arbeitszeit, in Form von höheren Löhnen. In diese Richtung muss sich eine moderne Arbeitszeitentwicklung bewegen.

Die Flexibilisierung in Richtung des 12-Stunden-Tages und der 60-Stunden-Woche geht meines Erachtens in die völlig falsche Richtung. Was wir also brauchen, ist nicht der Weg zurück ins 19. Jahrhundert, sondern eine moderne Arbeitszeitregelung mit einer 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. (Beifall bei der Liste Pilz. Zwi­schenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Was ich aber auch heftig kritisiert habe, ist die Frage der Freiwilligkeit. Wer argu­men­tiert – und das auch noch ins Gesetz schreibt und zu erreichen glaubt –, dass es aufgrund der Freiwilligkeit keine Kündigungen für Menschen, die den 12-Stunden-Tag kurzfristig ablehnen, gibt, ist meines Erachtens reichlich naiv, denn es gibt schlicht und einfach eine Asymmetrie in der Machtverteilung zwischen Arbeitnehmern und Arbeit­gebern. Die Arbeitnehmer sitzen immer am kürzeren Ast. Das ist nichts Neues, das wissen wir seit Langem, und das ändert sich auch dadurch nicht, dass wir die Frei­willigkeit im Gesetz verankern.

Da nützt es auch gar nichts, wenn uns Vizekanzler Strache versichert hat und immer wieder versichert, dass es aufgrund der Freiwilligkeit, wenn sie im Gesetz verankert ist, zu keinen Kündigungen kommen wird. Jüngste Fälle haben ja gezeigt, dass dieses


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