11.08

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Da­men und Herren auf der Regierungsbank und im Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Die Debatte läuft ja immer relativ typisch ab: Es kommen die Regie­rungsvertreter, die ihre Redebeiträge sehr gerne auf die Einleitungssätze beschränken: Danke. – Dann folgt oft gleich die Kritik an der Opposition, anstatt dass man über die politische Arbeit redet.

Ich möchte jetzt schon versuchen, auch einmal auf die Präsidentschaft insofern näher einzugehen, weil ja groß und stolz angekündigt worden ist, Österreich werde ein hal­bes Jahr ein Land sein, das ehrlich versucht, Europa weiterzubringen – der Herr Euro­paminister hat sogar gesagt, Österreich werde ein honest broker sein. Ich habe mir ge­dacht, das ist der Moment, wo der Widerspruch zwischen Regierung und Opposition aufzulösen ist, wo man gemeinsam für die europäische Sache arbeitet und den Kom­promiss sucht.

Viele große Fragen sind in unserer Präsidentschaft am Tisch gelegen: der Brexit; das EU-Budget; die Frage, wie man Steuergerechtigkeit in Europa herstellen kann, wie man mit dieser eklatanten Ungerechtigkeit umgeht, dass große globale Konzerne – sehr oft auch im Internet – nicht die Steuern zahlen, wie sie jeder kleine Würstelstand in unserem Land zu zahlen hat; die Frage, wie man soziale Gerechtigkeit in Europa besser herstellen kann, dass nämlich für die gleiche Arbeit am gleichen Ort alle Men­schen auch dasselbe Gehalt bezahlt bekommen und es keine Schlupflöcher, wodurch immer wieder auch Sozialbetrug begangen wird, gibt. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler! Wenn ich mir jetzt Ihre Liste, die Sie uns vorgelesen haben, die ein Bild von viel bürokratischer Arbeit während der Präsidentschaft zeigt, noch einmal vor Augen führe, dann muss ich sagen: Nichts von diesen großen Fragen ist da dabei.

Was ist denn das Bild, das wir in Europa erzeugt haben? – Es hat im Sommer mit ei­nem Kniefall vor dem russischen Präsidenten Putin begonnen. Ganz Europa hat den Kopf geschüttelt und sich gefragt: Oje, wer führt denn jetzt den Vorsitz in der Euro­päischen Union?

Es ist mit diesem skurrilen Kurs weitergegangen, indem man einseitig den UN-Pakt ab­sagt, obwohl man ihn vorher verhandelt hat.

Man hat die Südtiroler und die Italiener gleichermaßen verstört, indem man ein Doppel­passprojekt begonnen hat.

Man hat in Sachen Digitalsteuer nicht einmal ansatzweise etwas weitergebracht, son­dern der Finanzminister hat diese gleich gemeinsam mit der Finanztransaktionssteuer abgesagt, obwohl es Sepp Pröll und Willi Molterer waren, die ursprünglich den Anstoß zu diesem Thema gegeben haben.

Bezüglich Frontex ist auch nichts passiert.

Gerade heute hat auch der Europäische Gerichtshof dieser Regierung noch einmal deutlich vor Augen geführt, was er von ihrer Politik hält. Die Mindestsicherungsrege­lung in Oberösterreich ist gekippt worden, nämlich die Kürzung der Mindestsicherung, die ja eines Ihrer zentralen Projekte ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Na gut, diese Regierung und diese Präsidentschaft ist europäisch gar nicht sehr erfolg­reich! Die zwei großen Themen sind: Was machen wir gegen die Steuerschlupflöcher? 1 000 Milliarden Euro entgehen dem Steuerzahler, und das ist eine unglaubliche Ungerechtigkeit im Wirtschaftssystem. Ich verstehe auch Sie nicht, Frau Abgeordnete Winzig, dass Sie nicht mehr Druck auf den Finanzminister machen und sagen: Tu weiter, wir brauchen da Regelungen! – Er schafft im Gegenteil alles ab. Die Liste der Steuersünderländer und Steueroasen wird immer kürzer, es werden immer mehr Schlupflöcher aufgemacht. So kann man nicht europäische Politik machen! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

Im Arbeits- und Sozialbereich genau das Gleiche; wie ich vorhin gesagt habe: Selbst wenn kontrolliert wird und selbst wenn die Sünder, die schwarzen Schafe unter den Unternehmern erwischt werden, die Strafe, die ihnen aufgebrummt wird, wird nicht ge­zahlt. Das heißt, es zeigt sich auch, Europa hat da ein großes Problem. Was ist denn die Antwort? – Die Europäische Arbeitsbehörde ist die Antwort darauf. Da sagt aber der Bundeskanzler: Das ist ein Bürokratiemonster, das können wir nicht zulassen.

Ist das die Antwort – nämlich dass Sie sagen, das sei ein Bürokratiemonster –, die Sie den österreichischen Arbeitnehmern geben, die sagen, ich will Lohngerechtigkeit? Ich glaube, das ist eine zynische Antwort, die Sie da geben. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Zynismus wird ja noch ärger. Der Arbeits- und Sozialministerrat ist abgesagt wor­den – einfach abgesagt! –, denn man will nicht über soziale Themen in Europa reden. Das ist der Kurs dieser Regierung – und das ist ein schlechter Kurs. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Selbstinszenierung der Bundesregierung hat 120 Millionen Euro gekostet: keine Inhalte, keine großen Themen. Die Kritik in Europa ist größer geworden, die anderen europäischen Länder sehen Österreich und die Regierung Kurz als Bremser. Das ist eine schlechte Bilanz für die Präsidentschaft. Wir laufen Gefahr, dass am Schluss nur übrigbleibt: Außer Spesen nichts gewesen. (Beifall bei der SPÖ.)

11.13

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist das Mitglied des Euro­päischen Parlaments Harald Vilimsky. – Bitte. (Abg. Muchitsch: Viele Beispiele!)