11.46

Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Wir haben ja schon gehört, dass sich Minister Blümel auch schon darauf freut, wenn es endlich vorbei ist. Ministerin Köstinger hat, als sie in Brüssel war, auf Instagram gepostet, dass die Ratspräsidentschaft wie Achterbahnfahren ist: „Die ganze Fahrt über schreit man wie verrückt und man weiß nicht, ob man die Augen offen lassen oder doch besser zu­drücken soll.“ – Ich glaube, das ist eine gute Beschreibung und Analyse des Zustands und Erfolgs der bisherigen Ratspräsidentschaft.

Warum ist es denn so zum Schreien und zum Augenzudrücken und zum Wegschauen und zum Gar-nicht-mehr-zuhören-Wollen? – Offiziell hatten wir ja eigentlich recht ambi­tionierte Ziele, die jetzt ein paar Mal aufgezählt worden sind: die Migrationsproblematik lösen, den Westbalkan stabilisieren, die Subsidiarität stärken, das EU-Budget so refor­mieren, dass wir nach dem Brexit nicht mehr zahlen müssen, aber gleich viel he­rauskriegen. – Das waren alles Ziele, die man sich ursprünglich einmal gesteckt hat. Die Ambition ist ja sehr nett, aber es zeigt sich, dass diese Art, Politik zu machen, mit einer Wolke an PR-Begriffen, letztendlich auf europäischer Ebene nicht funktioniert hat. Es attestieren uns ja auch Experten und Kommentatoren relativ durch die Bank, dass das Ganze nicht so gut funktioniert hat – und jetzt ist das Budget auch noch verunfallt. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.) – Da kann man schon klatschen, ja.

Wir können es aber auch Punkt für Punkt durchgehen. Migrationspolitik: Reden wir da­rüber! Ich kann dazu auch aus dem Programm dieser Ratspräsidentschaft – da hat es auch einmal ein Programm gegeben – vorlesen: „Die Auswirkungen der größten Mi­grationskrise seit dem 2. Weltkrieg in Europa und die Sorgen der Menschen vor weiteren unkontrollierten Migrationsbewegungen machen deutlich, wie wichtig es ist, gemeinsam gegen illegale Migration vorzugehen [...]“.

Jetzt haben wir aber gerade vorher eineinhalb Stunden lang darüber diskutiert, dass man nicht gemeinsam international vorgehen möchte, dem UN-Migrationspakt nicht beitreten möchte und keine gemeinsame weltweite, globale Debatte darüber führen möchte. Wie passt das zusammen, wenn man sich das Ziel gesetzt hat, gemeinsam in Europa zu einer Lösung der Migrationsproblematik zu kommen? (Beifall bei den NEOS.)

Wir kriegen hier ausschließlich Antworten darüber, was die rot-weiß-rote Perspektive ist. Ich glaube aber, es gibt kaum ein anderes Thema, wo wir noch viel deutlicher se­hen können, dass wir das alleine nicht lösen können und dass wir davon abhängig sind, mit anderen Staaten gemeinsam Lösungen zu finden und zusammenzuarbeiten. Da haben sich jetzt 190 Staaten zusammengefunden, um sich Lösungen zu überlegen, wie man illegale Migration reduzieren kann, um das Problem global zu betrachten. Allein schon deshalb, weil das Wort Migration vorkommt, haben Sie gesagt, da möchte man einen billigen PR-Punkt machen und da tun Sie nicht mehr mit. Ich glaube, genau das kann man auch im Zusammenhang mit der Ratspräsidentschaft sehen, wenn das eigentlich ein Ziel gewesen wäre.

Es ist auch relativ viel vom Westbalkan gesprochen worden, und im Programm ist die Rede von der Stärkung der EU-Perspektive aller Staaten des Westbalkans. Sie spre­chen hier immer ausschließlich im Zusammenhang mit Sicherheits- und Migrationspoli­tik vom Westbalkan.

Ich halte das wirklich für gefährlich, weil eines der größten Probleme dort, im Übrigen auch eines der größten Sicherheitsprobleme in dieser Region, ist die Jugendarbeitslo­sigkeit – Bosnien: 54 Prozent, Kosovo: 52 Prozent, Mazedonien: 46 Prozent. Das sind wirklich verheerende Zahlen. Darüber reden wir nicht. Wir reden nicht darüber, wie wir am Westbalkan in die Infrastruktur investieren können, damit die Menschen dort eine Perspektive haben und damit sie nach Europa schauen und nicht woandershin, was wir vielleicht nicht wollen. Was machen Sie stattdessen – apropos Brückenbauer, was vorher gesagt worden ist? – Man gießt vollkommen ohne Not Öl ins Feuer und spricht sich für den Gebietsaustausch zwischen Serbien und Kosovo aus. (Beifall bei den NEOS.)

Ich weiß nicht, ob Sie in der Zeitung darüber gelesen haben, was Experten dazu sa­gen, was das für Konsequenzen haben kann, vor allem, wenn man sich ohne Not voll in die Debatte reinwirft. Ich glaube, dass wir davon in Zukunft noch mehr hören werden und dass unsere Rolle in dieser Frage im Nachhinein wahrscheinlich wirklich sehr be­reuenswert sein wird – für das ganze Land und im Übrigen auch für den ganzen rot-weiß-roten Konsens, von dem jetzt gesprochen worden ist.

Zur Subsidiarität soll noch kurz gesagt sein: Man hört jetzt seit Monaten diese pseudo­konstruktive Kritik an der Bauart der Europäischen Union, dass es ein „Weniger, aber effizienter“ braucht, und seit Monaten fragen wir nach: Wo, bitte? Wo weniger, wo effi­zienter, wo genau? Genau das ist aber das Problem an dieser Regierung, und das war auch lange das Problem an der Ratspräsidentschaft: Man wird nicht konkret, man will nicht konkret werden, denn sobald man konkret wird, wird klar, dass da nicht viel da­hinter ist. Das war auch das Thema mit der Subsidiaritäts-Taskforce; die ganze Task­force ist sich zum Schluss einig gewesen: Wir finden nichts an Kompetenzen, was wir wieder an die Mitgliedstaaten zurückgeben wollen.

Wir haben es jetzt schwarz auf weiß, dass von einer Taskforce, bei der ja auch ein ös­terreichischer Abgeordneter mitgearbeitet hat, zum Schluss das Fazit gefällt worden ist: Wir finden nichts, weil die Europäische Union in ihrer derzeitigen Bauart einen Mehrwert für alle Mitgliedstaaten hat. (Ruf bei der FPÖ: Natürlich!)

Deshalb müssen wir endlich anfangen, konstruktiv und auch mit Inhalten darüber zu diskutieren und Antworten darauf zu liefern, was Sie eigentlich genau wollen. (Beifall bei den NEOS. – Ruf bei der FPÖ: Jetzt kommt Pilz! – Abg. Höbart: Ah, der Herr Alp­bach! Wie geht es?)

11.52

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Peter Pilz. – Bitte.