16.18

Abgeordnete Stephanie Cox, BA (JETZT): Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Hallo auch an die Gäste auf der Galerie, auch an die Schüle­rinnen und Schüler! Ich bin erst seit einem Jahr Abgeordnete hier im Hohen Haus und zuständig für die Schwerpunkte Digitalisierung und Bildung. Spannend gerade in die­sen Bereichen Digitalisierung und Bildung sind auch die Debatten im Ausschuss für Forschung, Innovation und Digitalisierung und im Unterrichtsausschuss.

Im Bildungsbereich, das hat man heute schon gesehen – für diejenigen, die jetzt auf der Galerie zuschauen –, ist die Situation sehr emotional und vor allem auch sehr ideo­logiegeladen. Also der Bildungsbereich ist ein Bereich, der unglaublich ideologiegela­den ist und in dem vor allem – und das ist das Traurige – eine konstruktive Zusam­menarbeit nicht wirklich möglich ist. Es ist eine Art Elfenbeinturmpolitik, die ich hier sehe.

Was passiert? – Nehmen wir einmal das Pädagogikpaket her: ExpertInnen werden, nachdem wir von der Opposition Druck machen, eingeladen, im Ausschuss über die nächsten Schritte das Pädagogikpaket betreffend zu berichten, beispielsweise über die Wiedereinführung von Ziffernnoten, des Sitzenbleibens und so weiter, wie wir heute schon gehört haben.

Es gibt eine klare Meinung, und das ist keine gute. Was passiert aber mit der Meinung der WissenschaftlerInnen, der Menschen aus der Praxis? – Weggewischt! Heute wur­de ein Pädagogikpaket beschlossen, das diese Meinung nicht integriert hat.

Stichwort Anträge: Alle Anträge der Opposition werden vertagt oder abgelehnt.

Schauen wir uns den Masterplan Digitalisierung an! – Es ist unglaublich schade, dass da auch ein bisschen eine Elfenbeinturmpolitik verfolgt wird. Da werden wir weder ein­geladen noch einbezogen, dabei geht es um ein Zukunftsthema. Es geht darum, wie wir die Schülerinnen und Schüler auf die Zukunft vorbereiten. (Beifall bei JETZT.)

Kommen wir zur Evidenz, die heute schon des Öfteren angesprochen worden ist. – Herr Minister, wenn Sie heute bei der Beantwortung der Dringlichen Anfrage meinem Kollegen von den NEOS antworten, dass die wissenschaftliche Evidenz das Regie­rungsabkommen ist, dann können Sie uns nicht böse sein, wenn wir das, was Sie im „Standard“-Artikel gesagt haben, immer wieder zitieren und Ihnen vor Augen halten, weil das anscheinend wirklich die Realität ist. Und was ist da die Realität? – Ich lese vor: „Es ist eine politische Entscheidung, wie vieles, was ich entscheiden muss. Nicht hinter jeder politischen Entscheidung gibt es auch eine wissenschaftliche Fundie­rung.“ – Das zu hören ist sehr, sehr traurig, vor allem in der Bildungspolitik.

Was, denke ich, braucht es? – Es braucht ein Land der Bildung. Es braucht eine ganz andere Priorisierung der Bildung, denn die Bildung entscheidet, wo wir in Zukunft hin­gehen. Sie entscheidet, wie KollegInnen vor mir schon gesagt haben, über die Zukunft der hundert Prozent, und das sind die jungen Menschen, die wir jetzt in der Schule haben (Beifall bei JETZT), die dort sitzen und Werkzeuge mitbekommen sollten, um ihre Zukunft bestreiten zu können.

Wir müssen uns endlich auf die Reise nach Bildung machen. Was heißt das: die Reise nach Bildung? – Bei diesem Thema heißt das, junge Menschen nicht nur auf der Be­suchertribüne sitzen zu lassen, sondern diesen Schülerinnen und Schüler einen Platz am Tisch zu geben, aber auch eine Stimme, denn das ist ihre Zukunft. Es ist wichtig, dass wir ihre Stimme hören, wenn es um solch wichtige Themen, wie zum Beispiel um jenes, das heute beschlossen wurde, geht. (Beifall bei JETZT.)

Ich habe mich vor fünf Jahren mit meinem Projekt Land der Bildung genau auf diese Reise begeben. Ich bin durch Österreich gehitchhikt, ich habe per Autostopp jedes Bundesland besucht. Ich habe mit BergbäuerInnen, mit SchülerInnen, mit StudentIn­nen, mit alleinerziehenden Müttern, mit Unternehmerinnen und Unternehmern gespro­chen, und das kann man auch online nachlesen.

Was habe ich da mitnehmen können? – Ich gebe Ihnen einmal einen Einblick und sage Ihnen, in diesen fünf Jahren hat sich nichts, hat sich nicht viel verändert. Im Moment ist eher ein Rückschritt zu sehen, und das ist sehr, sehr traurig, weil wir uns gerade nicht auf der Reise nach Bildung befinden, sondern die Reise nach hinten antreten, und das bedeutet Rückschritt, leider. (Beifall bei JETZT.)

Dornbirn: Dort habe ich Klaus getroffen. Er ist seit seiner Geburt im Rollstuhl, und was sagt er? – Wenn wir uns nicht die Chance geben, von Menschen mit Beeinträchtigun­gen zu lernen, um Menschlichkeit und Akzeptanz mit ihnen zu üben, so behindern wir in erster Linie uns selbst.

Das kann ich nur unterschreiben. Was aber macht die Regierung, wenn solche Aussa­gen nicht nur Aussagen sind, sondern die Realität von Menschen mit Behinderun­gen? – Inklusionsklassen? – Es gab lange Diskussionen, ob in Oberösterreich diese Inklusionsklassen, die es dort seit Jahren gibt, weitergeführt werden dürfen.

Ausgrenzung, Absonderung, Separation – ich spreche da von der Stärkung des Son­derschulwesens, von Deutschförderklassen; die Errichtung von Eliteschulen in jedem Bundesland ist ja noch in Planung. Das führt zur Spaltung der Gesellschaft, und das können wir uns im Jahr 2018 nicht leisten. Wir müssen nach vorne schauen und schauen, wie wir die Gesellschaft zusammenführen können, vor allem auch in einem so wichtigen Bereich wie dem Bildungsbereich.

Salzburg: Dort habe ich eine Diskussion mit zukünftigen LehrerInnen und Mitarbeite­rInnen der Pädagogischen Hochschule geführt. Eine/r der zukünftigen LehrerInnen hat mir gesagt: „Kinder kommen hochmotiviert in die Schule – wie kann es sein, dass so vielen von ihnen bis zur Matura die Lust am Lernen vollkommen vergeht?“ Dieselbe Frage stelle ich mir auch: Wie können wir es verantworten, dass wir in den Schulklas­sen den Kindern und Jugendlichen die Lust am Lernen vergehen lassen? – Das ist eigentlich traurig. Schule sollte doch ein Ort sein, wo wir ihre Neugierde wecken, wo wir ihre Fähigkeiten formen, damit sie die besten Werkzeuge haben, um ihre Zukunft zu bestreiten.

Was machen wir? Was beschließt die Regierung? – Sie kürzt das Geld für Psycholo­gInnen, für SozialarbeiterInnen, das heißt, LehrerInnen haben nicht einmal die Möglich­keit, dass sie sich um die Individuen, um diese Kinder, wirklich kümmern, nämlich in der Form, wie es sein sollte und wie sie es brauchen. (Beifall bei JETZT. – Abg. Win­zig: Das stimmt jetzt leider nicht!)

Deswegen blicke ich schon mit Spannung nach vorne, was den Masterplan betrifft. Ich hoffe wirklich, dass es ein Masterplan ist, denn wir brauchen da einen Masterplan. Wir sind in einem Zeitalter, in dem die Digitalisierung entweder eine Brücke sein kann oder etwas sein kann, das uns eher isoliert. Ich glaube, gerade im Bildungssystem brauchen wir eine Brücke in den Klassenräumen, und dafür können wir auf jeden Fall die tech­nologischen Hilfsmittel verwenden.

Was habe ich noch gehört auf dieser Reise? Was habe ich mitgenommen? – Nichts wurde so oft kritisiert wie die Eigenschaft unseres Bildungssystems, Menschen nach ihren Schwächen anstatt ihren Stärken zu beurteilen. Es wurde oft gesagt, dass der Rotstift regiert, und das ist leider wirklich so. Der Rotstift ist in vielen Alpträumen von Kindern verankert, und das sollte nicht so sein.

Felix, ein Student der MultiMediaArt an der FH in Puch, meinte zum Beispiel: „Die Ta­lente, die wir hier haben, das sind teilweise wirklich außergewöhnliche Künstler. Wenn man die bloß mehr in ihren Stärken fördern, als sich auf ihre Schwächen konzentrieren würde…“

Ich denke, wir haben auch positive Dinge aus dem Pädagogikpaket herausgehoben, aber es ist so – und das ist das Traurige , dass Ziffernnoten und das Sitzenbleiben auf jeden Fall keine geeigneten Elemente sind, um die Stärken in der Form heraus­kommen zu lassen, wie wir es brauchen würden.

Was denke ich, was es braucht? Was denken wir, was es braucht? Was sollte Schule sein? – Schule sollte ein Raum sein, der nicht abhängig vom Kontostand der Eltern ist, also aufgrund dessen nicht besser oder schlechter, sondern sie sollte ein Raum sein, in dem alle Kinder die gleichen Chancen haben. (Beifall bei JETZT.)

Schule sollte ein Raum sein, in dem Kinder keine Angst vor schlechten Noten haben, sondern in dem Talente der SchülerInnen gefördert werden und Lust auf das Lernen gemacht wird.

Was sollte Schule noch sein? – Schule sollte ein Raum sein, in welchem keine Dis­kriminierung stattfindet, sie sollte ein Nährboden für Zusammenhalt und Respekt sein. Die Klasse sollte ein Raum des Fortschritts sein, wo neue Technologien gezielt einge­setzt werden, aber trotzdem das Analoge, das Zwischenmenschliche gefördert wird, und zum Vorteil der SchülerInnen und vor allem auch der LehrerInnen genützt werden.

Schulen, Bildungsstätten, Kindergärten müssen ein Nährboden sein, ein Nährboden für heranwachsende junge Menschen, damit sie selbstbewusst werden, mündige Men­schen, die mitgestalten möchten und können. Dazu braucht es Chancengerechtigkeit und Mut zur Innovation. – Danke. (Beifall bei JETZT.)

16.27

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Michael Bernhard. – Bitte.