Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 121

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Wir fordern zudem einen Fokus auf Medienkompetenz in diversen Testungen, Bil­dungsstandards sowie die Zentralmatura. Unsere Schüler_innen müssen lernen, sich eine sachkundige eigene Meinung aus der Flut an jederzeit abrufbaren Informationen zu bilden. Dementsprechend sollen künftig in Prüfungen moderne Konzepte wie „Open Book Tests“ oder internetfähige Geräte zum Einsatz kommen dürfen.

Von all dem ist kaum etwas zu sehen. Die PR-Maschine der Regierung schickt diese dafür nach Singapur und kündigt dort medienwirksam einen „Masterplan Digitalisie­rung“ an. Dass es bereits eine „Strategie Schule 4.0“ der Vorgängerregierung gibt, die „nur“ mehr umgesetzt hätte werden müssen, interessiert dabei anscheinend wenig. In die Umsetzung gehen, würde natürlich auch mehr kosten als ein Ausflug nach Singa­pur.

Keine Chancengerechtigkeit - Soziale Durchmischung nicht erwünscht

Welche Bildungskarriere und damit auch welchen beruflichen Lebensweg junge Men­schen einschlagen, hängt immer noch vorwiegend davon ab, was ihre Mütter und Väter sind und nicht, was ihre Talente sind. Daran wird sich bei Schwarz-Blau auch nichts ändern. Über das Gymnasium wird die Käseglocke gestülpt. Und damit bleibt alles gut?

Österreich leidet seit Jahren unter einem akuten Fachkräftemangel. Unternehmen ha­ben es immer schwerer, geeignete Fachkräfte zu finden - vor allem der Mittelstand hat zu kämpfen. Mehr als die Hälfte der heimischen Unternehmen klagt bereits über Um­satzeinbußen, die auf Personalnot zurückführen sind. Je weiter man im Land nach Westen kommt, desto schwieriger wird die Personalsuche für die Betriebe. Wir müss­ten endlich den Praxisbezug der Schule stärken und eine echte MINT-Initiative starten, um dem Fachkräftemangel in technisch-naturwissenschaftlichen Berufen entgegenzu­wirken. Insgesamt müssen wir auch endlich den Lehrberuf aufwerten. Mittlerweile rich­tet sogar eine eigene Ministerin aus, dass die Gymnasien oft am Markt vorbeiprodu­zieren.

Natürlich leisten die Gymnasien gute Arbeit bei wenig Geld. Aber zu verhindern, dass auch Gymnasien beim Thema soziale Durchmischung in die Pflicht kommen, gibt Brennpunktschulen weiter Auftrieb und treibt die Spaltung der Gesellschaft voran. Oh­ne konkrete Anreiz-Instrumente für soziale Durchmischung und zusätzliches Geld dafür werden die Herausforderungen im Bildungsbereich nicht zu bewältigen sein. Als kurz­fristige Maßnahme ist es daher notwendig, den Schulstandorten direkt zusätzliche fi­nanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen. Alle staatlichen und staatlich mitfinanzierten Schulen (also auch freie Schulen) können ein Zusatzbudget lukrieren, über das sie autonom verfügen können. Die Kriterien zur Berechnung dieses zusätzlichen Budgets: der Bildungshintergrund der Eltern ihrer Schüler_innen. Diese Maßnahme dient als An­reiz für Schulen, sich stärker als bisher um besondere Herausforderungen und um so­ziale Durchmischung bei den Schüler_innen zu kümmern. Schulen wird kein Geld weg­genommen, sie bekommen zusätzliches Budget, wenn sie Kinder mit einem schwa­chen Bildungshintergrund aufnehmen und entsprechend fördern.

Die kleinen Projekte, die es gibt, werden von der PR-Maschine des Ministeriums aufge­bauscht und gut verkauft. Tatsächlich werden hier nur winzige Pflaster auf klaffende Wunden geklebt. Beispielsweise beim Projekt „Grundkompetenzen absichern“, das sich angeblich an der „London Challenge“ orientieren soll: Obwohl erst 261 Schulen “mit besonderen Herausforderungen” an dem Projekt “Grundkompetenzen absichern” teilnehmen, gibt es bereits zu wenige volle Dreierteams, schildert beispielsweise der Klagenfurter Bildungswissenschaftler Konrad Krainer vom wissenschaftlichen Beirat des Projekts. Auch der Rektor der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule (KPH) Wien, Christoph Berger berichtet, dass die Teams schon jetzt nicht zusammengesetzt seien wie geplant, weil es schlicht an entsprechend ausgebildetem Personal fehle.

 


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