Parlament Österreich

 

 

 

Stenographisches Protokoll

 

 

 

 

 

55. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXVI. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 12., und Donnerstag, 13. Dezember 2018

 


Stenographisches Protokoll

55. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXVI. Gesetzgebungsperiode

Mittwoch, 12., und Donnerstag, 13. Dezember 2018

Dauer der Sitzung

                                        Mittwoch, 12. Dezember 2018: 9.05 – 24.00 Uhr

                                   Donnerstag, 13. Dezember 2018: 0.00 –  0.26 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: EU-Erklärungen des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 74b Abs. 1 lit b der Geschäftsordnung des Nationalrates zum Thema „Erfolge der österrei­chischen EU-Ratspräsidentschaft & zukünftige Herausforderungen der Europäischen Union“

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, die 5. Schulorganisa­tionsgesetz-Novelle, das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz, das Schul­unterrichtsgesetz, das Minderheiten-Schulgesetz für das Burgenland, das Pflicht­schulabschluss-Prüfungs-Gesetz, das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, Kollegs und Vorbereitungslehrgänge, das Schulpflichtgesetz 1985, das Schulzeitgesetz 1985, das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz, das Privatschulgesetz, das Hochschulge­setz 2005 und das BIFIE-Gesetz 2008 geändert werden (Pädagogikpaket 2018)

3. Punkt: Bericht über den Antrag 341/A(E) der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schulstartpaket

4. Punkt: Bericht über den Antrag 494/A(E) der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trautt­mansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend Integrations- und Neutralitätspaket

5. Punkt: Bericht über den Antrag 446/A(E) der Abgeordneten Stephanie Cox, BA, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Kostenmonitoring an Schulen

6. Punkt: Bericht über den Antrag 336/A(E) der Abgeordneten Stephanie Cox, BA, Kol­leginnen und Kollegen betreffend stärkere Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Schulen der Sekundarstufe I, um Angebote der Ferienbetreuung auszubauen und weiterzuentwickeln

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 geändert wird

8. Punkt: Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Niederösterreich über die weitere Entwicklung der Universität für Weiterbildung Krems (Donau-Universität Krems)

9. Punkt: Bericht über den Antrag 485/A der Abgeordneten Mag. Dr. Rudolf Taschner, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz geändert wird


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 2

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Studentenheimgesetz geändert wird

11. Punkt: Bericht über den Antrag 499/A der Abgeordneten Nico Marchetti, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz über die Wahltage der Hochschülerinnen- und Hochschülerschaftswahlen 2019

12. Punkt: Bericht über den Antrag 466/A(E) der Abgeordneten Claudia Ga­mon, MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen betreffend Lösung des Kettenvertragspro­blems an den österreichischen Universitäten

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Ge­haltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsan­waltschaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forst­wirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonenge­setz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz, das Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetz, die Reisegebührenvorschrift 1955, das Pen­sionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bundesbahn-Pensionsge­setz, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, das Rechtspraktikantengesetz und das Prüfungstaxengesetz geändert werden (2. Dienst­rechts-Novelle 2018)

14. Punkt: Bericht über den Antrag 315/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Angleichung des Dienstrechts öffentlich Bediens­teter an den privaten Sektor

15. Punkt: Bericht über den Antrag 500/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Dr. Peter Wittmann, Mag. Harald Stefan, Dr. Nikolaus Scherak, MA, Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes­bezügegesetz geändert wird

16. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung parlamentarischer Mitarbeiterinnen und Mitar­beiter (Parlamentsmitarbeiterinnen- und Parlamentsmitarbeitergesetz – ParlMG) geän­dert wird

17. Punkt: Bericht über den Antrag 486/A(E) der Abgeordneten Petra Steger, Tanja Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterstützung ehrenamtlicher Tätigkeit im Sport

18. Punkt: Bericht über den Antrag 487/A(E) der Abgeordneten Tanja Graf, Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherstellung von ausreichend Sport und Bewegung an unseren Schulen

19. Punkt: Bundesgesetz über die Entwicklung und Weiterentwicklung des Wirt­schaftsstandortes Österreich (Standort-Entwicklungsgesetz – StEntG)

20. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das E-Government-Gesetz, das IKT-Konsolidie­rungsgesetz, das Signatur- und Vertrauensdienstegesetz, das Unternehmensservice­portalgesetz, das Bundesgesetzblattgesetz, das Zustellgesetz, die Bundesabgabenord­nung, das Bundesfinanzgerichtsgesetz, das Meldegesetz 1991, das Passgesetz 1992 und das Personenstandsgesetz 2013 geändert werden

21. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994, das Bankwesengesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Maklergesetz und das Versicherungs­aufsichtsgesetz geändert werden (Versicherungsvermittlungsnovelle 2018)

22. Punkt: Bericht über den Antrag 506/A der Abgeordneten Peter Haubner, Ing. Wolfgang Klinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftskammergesetz 1998 geändert wird – WKG-Novelle 2018


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 3

23. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbe­werb 1984, die Zivilprozessordnung und das Verbraucherbehörden-Kooperationsge­setz geändert werden (UWG-Novelle 2018)

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 14

Geschäftsbehandlung

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 GOG                    35

Antrag der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 19/A der Ab­geordneten Mag. Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein Bundes(verfassungs)gesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzie­rung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) und das Bundesgesetz
über Förderungen des Bundes für politische Parteien (Parteien-Förderungsge­setz 2012 – PartFörG) geändert wird“, gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 29. Jänner 2019 zu setzen – Ablehnung 36, 294

Unterbrechung der Sitzung ........................................................................................ 115

Mitteilung der Präsidentin Doris Bures betreffend die noch ausständige Vertei­lung eines in den Grundzügen erläuterten Abänderungsantrages ........................................................... 271

Ersuchen der Präsidentin Doris Bures um vollständige Verlesung eines Abän­derungsantrages gemäß § 53 Abs. 4 GOG .................................................................................................................. 272

Fragestunde (7.)

Bildung, Wissenschaft und Forschung ..................................................................... 14

Mag. Dr. Rudolf Taschner (82/M); Elisabeth Feichtinger, BEd BEd

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (79/M); MMMag. Gertraud Salzmann, Mag. Ge­rald Hauser, Dr. Alma Zadić, LL.M.

Wendelin Mölzer (87/M); Stephanie Cox, BA, Christian Kovacevic

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (85/M); Edith Mühlberghuber

Stephanie Cox, BA (90/M); Angelika Kuss-Bergner, BEd

Nico Marchetti (83/M)

Mag. Andrea Kuntzl (80/M); Dr. Jessi Lintl

MMMag. Dr. Axel Kassegger (88/M); Claudia Gamon, MSc (WU)

Claudia Gamon, MSc (WU) (86/M); Philip Kucher

Stephanie Cox, BA (91/M)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 4

Dr. Maria Theresia Niss, MBA (84/M)

Katharina Kucharowits (81/M); Dipl.-Ing. Alois Rosenberger

Christian Hafenecker, MA (89/M); Claudia Gamon, MSc (WU)

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 14

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 35

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend „ein Jahr Regierung – ein Jahr vergebene Chancen für die Zukunft unserer Kinder“ (2417/J) ................................................................................. 115

Begründung: Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES ....................................................... 126

Bundesminister Dr. Heinz Faßmann ........................................................................ 132

Debatte:

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff ............................................................................. 141

Mag. Dr. Rudolf Taschner ......................................................................................... 143

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid ................................................................................ 144

Wendelin Mölzer ......................................................................................................... 147

Stephanie Cox, BA ..................................................................................................... 149

Michael Bernhard ....................................................................................................... 151

Martina Kaufmann, MMSc BA ................................................................................... 153

Eva Maria Holzleitner, BSc ........................................................................................ 154

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................... 155

Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................................................................. 157

Josef Schellhorn ........................................................................................................ 158

Dipl.-Ing. Alois Rosenberger .................................................................................... 160

Christian Kovacevic ................................................................................................... 161

Ing. Robert Lugar ....................................................................................................... 162

Dr. Irmgard Griss ....................................................................................................... 164

Verhandlungen

1. Punkt: EU-Erklärungen des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 74b Abs. 1 lit b der Geschäftsordnung des Nationalrates zum Thema „Erfolge der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft & zukünftige Herausforderungen der Europäischen Union“ ............................................. 36

Bundeskanzler Sebastian Kurz .................................................................................. 36

Vizekanzler Heinz-Christian Strache ......................................................................... 40

Durchführung einer Debatte gemäß § 74b GOG .......................................................... 44

RednerInnen:

Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc ................................................................................. 44

Dr. Reinhold Lopatka ................................................................................................... 46

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES .............................................................................. 48

Petra Steger .................................................................................................................. 52


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 5

Mag. Bruno Rossmann ................................................................................................ 54

Karlheinz Kopf .............................................................................................................. 57

Mag. Jörg Leichtfried ................................................................................................... 59

Mag. Roman Haider ...................................................................................................... 63

Claudia Gamon, MSc (WU) .......................................................................................... 65

Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich .................................................................................. 67

Dr. Peter Pilz ................................................................................................................. 68

Dr. Reinhard Eugen Bösch ......................................................................................... 70

Mag. Muna Duzdar ....................................................................................................... 72

Kira Grünberg ............................................................................................................... 76

Dr. Irmgard Griss ......................................................................................................... 77

Mag. Ernst Gödl ............................................................................................................ 78

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................... 79

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................... 80

Michael Bernhard ......................................................................................................... 81

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Gleichstellung von Unionsbürger_innen und britischen Staatsbürger_innen nach dem Brexit“ – Ablehnung ................................................................................................................  51, 82

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „faire Arbeitsbedingungen in Europa – Lohn- und Sozial­dumping bekämpfen“ – Ablehnung  61, 82

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Steuervermeidung bekämpfen – Finanztransaktions­steuer und Digitalsteuer abschließen“ – Ablehnung            74, 82

2. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (373 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, die 5. Schulorganisations­gesetz-Novelle, das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz, das Schulunterrichtsgesetz, das Minderheiten-Schulgesetz für das Burgenland, das Pflichtschulabschluss-Prüfungs-Gesetz, das Schulunterrichtsgesetz für Berufs­tätige, Kollegs und Vorbereitungslehrgänge, das Schulpflichtgesetz 1985, das Schulzeitgesetz 1985, das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz, das Privat­schulgesetz, das Hochschulgesetz 2005 und das BIFIE-Gesetz 2008 geändert werden (Pädagogikpaket 2018) (450 d.B.) .................................................................... 82

RednerInnen:

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid .................................................................................. 83

Mag. Dr. Rudolf Taschner ........................................................................................... 84

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff ............................................................................... 86

Wendelin Mölzer ........................................................................................................... 88

Stephanie Cox, BA ....................................................................................................... 89

Angelika Kuss-Bergner, BEd ...................................................................................... 91

Christian Kovacevic ..................................................................................................... 93

Mag. Gerald Hauser ..................................................................................................... 94

Erwin Preiner ................................................................................................................ 95

MMMag. Gertraud Salzmann ....................................................................................... 96

Dipl.-Ing. Christian Schandor ..................................................................................... 97

Dr. Maria Theresia Niss, MBA ..................................................................................... 98

Ing. Manfred Hofinger ................................................................................................ 100

Peter Wurm ................................................................................................................. 101

Bundesminister Dr. Heinz Faßmann ........................................................................ 102

Annahme des Gesetzentwurfes in 450 d.B. ................................................................. 10


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 6

3

3. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 341/A(E) der Ab­geordneten Mag. Andreas Schieder, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schul­startpaket (451 d.B.) ................ 103

RednerInnen:

Katharina Kucharowits .............................................................................................. 103

Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller .................................................................... 105

Wendelin Mölzer ......................................................................................................... 106

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................... 106

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 451 d.B. ...................................................... 108

4. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 494/A(E) der Ab­geordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Integrations- und Neutralitätspaket (452 d.B.)     ............................................................................................................................. 108

RednerInnen:

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff ............................................................................. 108

Angelika Kuss-Bergner, BEd .................................................................................... 109

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid ................................................................................ 110

Wendelin Mölzer ......................................................................................................... 111

Edith Mühlberghuber ................................................................................................. 112

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 452 d.B. ...................................................... 113

5. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 446/A(E) der Ab­geordneten Stephanie Cox, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kostenmo­nitoring an Schulen (453 d.B.) .........              113

RednerInnen:

Eva Maria Holzleitner, BSc ........................................................................................ 113

Ing. Manfred Hofinger ................................................................................................ 114

Stephanie Cox, BA ..................................................................................................... 165

Dipl.-Ing. Christian Schandor ................................................................................... 166

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 453 d.B. ...................................................... 167

6. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 336/A(E) der Ab­geordneten Stephanie Cox, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend stärkere Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Schulen der Sekundarstufe I, um Angebote der Ferienbetreuung auszubauen und weiterzuentwickeln (454 d.B.)                                                                                                                                                                          167

RednerInnen:

Melanie Erasim, MSc .................................................................................................. 167

MMMag. Gertraud Salzmann ..................................................................................... 168

Stephanie Cox, BA ..................................................................................................... 169

Wendelin Mölzer ......................................................................................................... 170

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 454 d.B. ...................................................... 171

Gemeinsame Beratung über

7. Punkt: Bericht des Wissenschaftsausschusses über die Regierungsvorla­ge (378 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 geändert wird (442 d.B.) ........................................ 171

8. Punkt: Bericht des Wissenschaftsausschusses über die Regierungsvorla­ge (383 d.B.): Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Niederösterreich über die weitere Entwicklung der Universität für Weiterbil­dung Krems (Donau-Universität Krems) (443 d.B.) ............... 171


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 7

RednerInnen:

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid ................................................................................ 172

Dipl.-Ing. Alois Rosenberger .................................................................................... 172

MMMag. Dr. Axel Kassegger ..................................................................................... 173

Claudia Gamon, MSc (WU) ........................................................................................ 174

Mag. Johanna Jachs .................................................................................................. 175

Dr. Walter Rosenkranz .............................................................................................. 175

Bundesminister Dr. Heinz Faßmann ........................................................................ 176

Annahme des Gesetzentwurfes in 442 d.B. ................................................................. 177

Genehmigung der Vereinbarung in 443 d.B. ................................................................ 177

9. Punkt: Bericht des Wissenschaftsausschusses über den Antrag 485/A der Ab­geordneten Mag. Dr. Rudolf Taschner, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hochschul-Qualitätssi­cherungsgesetz geändert wird (444 d.B.) ................................. 177

RednerInnen:

Mag. Dr. Rudolf Taschner ......................................................................................... 177

Mag. Andrea Kuntzl ................................................................................................... 178

MMMag. Dr. Axel Kassegger ..................................................................................... 180

Annahme des Gesetzentwurfes in 444 d.B. ................................................................. 180

10. Punkt: Bericht des Wissenschaftsausschusses über die Regierungsvorla­ge (353 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Studentenheimgesetz geändert wird (445 d.B.) ............................................ 181

RednerInnen:

Mag. Andrea Kuntzl ................................................................................................... 181

Nico Marchetti ............................................................................................................. 182

Dr. Alfred J. Noll ......................................................................................................... 183

Dr. Jessi Lintl .............................................................................................................. 183

Mag. Ruth Becher ....................................................................................................... 184

Martina Kaufmann, MMSc BA ................................................................................... 185

Philip Kucher .............................................................................................................. 186

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek ......................................................................................... 187

Annahme des Gesetzentwurfes in 445 d.B. ................................................................. 188

11. Punkt: Bericht des Wissenschaftsausschusses über den Antrag 499/A der Abgeordneten Nico Marchetti, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kol­legen betreffend ein Bundesgesetz über die Wahltage der Hochschülerinnen- und Hochschülerschaftswahlen 2019 (446 d.B.) .......................... 188

RednerInnen:

Eva Maria Holzleitner, BSc ........................................................................................ 189

Nico Marchetti ............................................................................................................. 190

Claudia Gamon, MSc (WU) ........................................................................................ 191

Mag. Dr. Martin Graf ................................................................................................... 192

Mag. Johanna Jachs .................................................................................................. 195

Philip Kucher .............................................................................................................. 195

Entschließungsantrag der Abgeordneten Claudia Gamon, MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen betreffend „Transparenzpaket für ÖH-Wahlen“ – Ablehnung ..............................................  191, 197

Annahme des Gesetzentwurfes in 446 d.B. ................................................................. 196


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 8

12. Punkt: Bericht des Wissenschaftsausschusses über den Antrag 466/A(E)
der Abgeordneten Claudia Gamon, MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen betref­fend Lösung des Kettenvertragsproblems an den österreichischen Universitäten (447 d.B.) ................ 197

RednerInnen:

Christoph Zarits ......................................................................................................... 197

Mag. Andrea Kuntzl ................................................................................................... 198

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek ......................................................................................... 198

Claudia Gamon, MSc (WU) ........................................................................................ 199

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 447 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Lösung des Kettenvertragsproblems an den österreichi­schen Universitäten“ (E 41) ........... ... 200

Gemeinsame Beratung über

13. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorla­ge (352 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesver­tragslehrpersonengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesver­tragslehrpersonengesetz, das Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetz, die Reise­gebührenvorschrift 1955, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensions­gesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, das Rechtspraktikantengesetz und das Prü­fungstaxengesetz geändert werden (2. Dienstrechts-Novelle 2018) (464 d.B.) ...................................................................................................................... 200

14. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 315/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Anglei­chung des Dienstrechts öffentlich Bediensteter an den privaten Sektor (465 d.B.)                                                                                                                    200

RednerInnen:

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 200

Mag. Friedrich Ofenauer ............................................................................................ 202

Dr. Alfred J. Noll ......................................................................................................... 203

Angela Lueger ............................................................................................................ 204

Werner Herbert ........................................................................................................... 205

MMMag. Gertraud Salzmann ..................................................................................... 208

Dr. Peter Wittmann ..................................................................................................... 210

Vizekanzler Heinz-Christian Strache ....................................................................... 211

Christian Lausch ........................................................................................................ 216

Mag. Wolfgang Gerstl ................................................................................................ 217

Annahme des Gesetzentwurfes in 464 d.B. ................................................................. 218

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 465 d.B. ...................................................... 219

Gemeinsame Beratung über

15. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 500/A der Ab­geordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Dr. Peter Wittmann, Mag. Harald Stefan, Dr. Ni­kolaus Scherak, MA, Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbezügegesetz geändert wird (467 d.B.)                                                                                                                                                     219

16. Punkt: Bericht und Antrag des Verfassungsausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung parla-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 9

mentarischer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Parlamentsmitarbeiterinnen- und Parlamentsmitarbeitergesetz – ParlMG) geändert wird (468 d.B.)     ............................................................................................................................. 219

RednerInnen:

Dr. Nikolaus Scherak, MA ......................................................................................... 219

Mag. Wolfgang Gerstl ................................................................................................ 220

Dr. Peter Wittmann ..................................................................................................... 221

Vizekanzler Heinz-Christian Strache ....................................................................... 223

Dr. Markus Tschank ................................................................................................... 224

Dr. Peter Wittmann (tatsächliche Berichtigung) ......................................................... 226

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schutz der freiwilligen Wahlbeisitzerinnen und Wahlbeisit­zer“ – Ablehnung ..................  222, 226

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 467 und 468 d.B. ......................................... 226

17. Punkt: Bericht des Sportausschusses über den Antrag 486/A(E) der Abge­ordneten Petra Steger, Tanja Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unter­stützung ehrenamtlicher Tätigkeit im Sport (411 d.B.)               ............................................................................................................................. 227

RednerInnen:

Petra Steger ................................................................................................................ 227

Konrad Antoni ............................................................................................................ 228

Tanja Graf .................................................................................................................... 228

Ing. Mag. Volker Reifenberger .................................................................................. 231

Renate Gruber ............................................................................................................ 232

Kira Grünberg ............................................................................................................. 233

Vizekanzler Heinz-Christian Strache ....................................................................... 234

Ing. Klaus Lindinger, BSc ......................................................................................... 235

Entschließungsantrag der Abgeordneten Tanja Graf, Petra Steger, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Unterstützung der Judo Weltmeisterschaften 2021“ – Annahme (E 43) ...........  230, 236

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 411 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Unterstützung ehrenamtlicher Tätigkeit im Sport“ (E 42)                                                       236

18. Punkt: Bericht des Sportausschusses über den Antrag 487/A(E) der Abge­ordneten Tanja Graf, Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicher­stellung von ausreichend Sport und Bewegung an unseren Schulen (412 d.B.)                                                                                                                                   236

RednerInnen:

Hermann Krist ............................................................................................................ 237

Petra Steger ................................................................................................................ 238

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff ............................................................................. 240

Martina Diesner-Wais ................................................................................................. 241

Vizekanzler Heinz-Christian Strache ....................................................................... 242

Sandra Wassermann .................................................................................................. 245

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 412 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Sicherstellung von ausreichend Sport und Bewegung an unseren Schulen“ (E 44)                         246

19. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über die Regierungsvorlage (372 d.B.): Bundesgesetz über die Entwicklung und Wei­terentwicklung des Wirtschaftsstandortes Österreich (Standort-Entwicklungsge­setz – StEntG) (469 d.B.) ................................................... 246


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 10

RednerInnen:

Cornelia Ecker ............................................................................................................ 246

Andreas Ottenschläger ............................................................................................. 248

Mag. Bruno Rossmann .............................................................................................. 248

Ing. Wolfgang Klinger ................................................................................................ 250

Ing. Reinhold Einwallner ........................................................................................... 251

Josef Schellhorn ........................................................................................................ 252

Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck ....................................................... 253

Dr. Angelika Winzig ................................................................................................... 255

Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger (tatsächliche Berichtigung) ................................... 257

Ing. Christian Höbart ................................................................................................. 257

Michael Bernhard ....................................................................................................... 258

Mag. Josef Lettenbichler ........................................................................................... 260

Entschließungsantrag der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Begleitende Maßnahmen zum Standortentwicklungsgesetz“ – Ablehnung ......  259, 262

Annahme des Gesetzentwurfes in 469 d.B. ................................................................. 262

20. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über die Regierungsvorlage (381 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das E-Government-Gesetz, das IKT-Konsolidierungsgesetz, das Signatur- und Vertrauensdienstege­setz, das Unternehmensserviceportalgesetz, das Bundesgesetzblattgesetz, das Zustellgesetz, die Bundesabgabenordnung, das Bundesfinanzgerichtsgesetz, das Meldegesetz 1991, das Passgesetz 1992 und das Personenstandsgesetz 2013 geändert werden (396 d.B.)                        262

RednerInnen:

Eva-Maria Himmelbauer, BSc ................................................................................... 263

Konrad Antoni ............................................................................................................ 264

Ing. Christian Höbart ................................................................................................. 265

Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck ....................................................... 265

Dr. Maria Theresia Niss, MBA ................................................................................... 266

Christoph Stark .......................................................................................................... 267

Annahme des Gesetzentwurfes in 396 d.B. ................................................................. 267

21. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über die Regierungsvorlage (371 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeord­nung 1994, das Bankwesengesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Maklergesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert werden (Ver­sicherungsvermittlungsnovelle 2018) (397 d.B.) ...................................... 268

RednerInnen:

Mag. (FH) Maximilian Unterrainer ............................................................................. 268

Peter Haubner ............................................................................................................. 270

Ing. Wolfgang Klinger .......................................................................................  270, 272

Andreas Kühberger ................................................................................................... 271

Annahme des Gesetzentwurfes in 397 d.B. ................................................................. 277

22. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Antrag 506/A der Abgeordneten Peter Haubner, Ing. Wolfgang Klinger, Kol­leginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschafts­kammergesetz 1998 geändert wird – WKG-Novelle 2018 (470 d.B.)                    277

RednerInnen:

Doris Margreiter ......................................................................................................... 278

Peter Haubner ............................................................................................................. 282


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 11

Josef Schellhorn ........................................................................................................ 284

Ing. Wolfgang Klinger ................................................................................................ 287

Mag. Bruno Rossmann .............................................................................................. 287

Ing. Christian Pewny .................................................................................................. 288

Andreas Ottenschläger ............................................................................................. 289

Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Wirtschaftskammerwahlen demokratisch und transparent ge­stalten“ – Ablehnung  286, 290

Annahme des Gesetzentwurfes in 470 d.B. ................................................................. 289

23. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über die Regierungsvorlage (375 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz ge­gen den unlauteren Wettbewerb 1984, die Zivilprozessordnung und das Verbrau­cherbehörden-Kooperationsgesetz geändert werden (UWG-Novelle 2018) (398 d.B.)                                                                                                                       290

RednerInnen:

Rainer Wimmer ........................................................................................................... 290

Andreas Kühberger ................................................................................................... 291

Mag. Bruno Rossmann .............................................................................................. 292

Ing. Christian Pewny .................................................................................................. 293

Annahme des Gesetzentwurfes in 398 d.B. ................................................................. 294

Eingebracht wurden

Bericht ........................................................................................................................... 35

III-226: Sicherheitsbericht 2017 gemäß § 19 UUG 2005; BM f. Verkehr, Innova­tion und Technologie

Anträge der Abgeordneten

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kinderbetreuungsgeld für Selbstständige (518/A)(E)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau „Poli­tischer Bildung“ in der Schule (519/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kassen-Leistungsver­gleich: Umfassende Studie zu Leistungsunterschieden in der gesetzlichen Krankenver­sicherung (520/A)(E)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend digitale Aus- und Fortbildung für Lehrer_innen (521/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Halbe-Halbe bei Pensio­nen: Automatisches Pensionssplitting umsetzen (522/A)(E)

Dr. Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen betreffend Befangenheitsregelung im VwGVG (523/A)(E)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend weitere Er­möglichung des Unterrichtspraktikums (524/A)(E)

Claudia Gamon, MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen betreffend Update NAP zum Schutz von Frauen vor Gewalt (525/A)(E)


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Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend Überholverbot für Lkw auf zweispurigen Autobahnen (526/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform der „Prämienbe­günstigten Zukunftsvorsorge“ (527/A)(E)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend mehr Planungssicherheit beim Ausbau elementarer Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen (528/A)(E)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erklärung zum Überein­kommen über die Verringerung der Mehrstaatigkeit und über die Wehrpflicht von Mehr­staatern (529/A)(E)

Ing. Maurice Androsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend europaweite Erhöhung der Tierschutzstandards durch tierwohlgerechten Einsatz der öffentlichen Fördermittel der Gemeinsamen Agrarpolitk (530/A)(E)

Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Für gentechnikfreie AMA Pro­dukte (531/A)(E)

Erwin Preiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einleitung einer umfassenden „Bio-Wende“ in der österreichischen Landwirtschaft (532/A)(E)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bericht zur Umsetzung der SDGs vor dem HLPF 2020 (533/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Angela Lueger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend Unfall mit einem Polizeipferd (2407/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend wettbewerbswidrige Ausschreibungen zuguns­ten der privaten Staatsdruckerei (2408/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend wettbewerbswidrige Ausschreibungen zugunsten der privaten Staatsdrucke­rei (2409/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Postenbesetzungen im BVT (2410/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend wettbewerbswidrige Ausschreibungen zugunsten der privaten Staatsdrucke­rei (2411/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Gewerkschafts-Konzeptpa­pier über eine 2-Sparten-SV (ohne UV) auf der Homepage des BMASGK (2412/J)

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Lehrkräfte Bildnerische Erziehung so­wie Technisches/Textiles Werken und Musikerziehung (2413/J)

Doris Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, So­ziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Zusammenlegung Sozialversi­cherung Selbständige und Bauern (2414/J)


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Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien betreffend „Veränderungen im Garten des Schwarzenberg­palais“ (2415/J)

Stephanie Cox, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend „Vizekanzler Strache und Hasswelle gegen Schuldirektorin“ (2416/J)

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend ein Jahr Regierung – ein Jahr ver­gebene Chancen für die Zukunft unserer Kinder (2417/J)


 


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09.05.09Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures, Dritte Präsidentin Anneliese Kitzmüller.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Sitzung ist eröffnet. Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich darf Sie am zweiten Tag unserer Dezemberses­sion recht herzlich in alter Frische begrüßen.

Ich begrüße die Schülerinnen und Schüler der Baugewerbeschule, die schon länger in unserem Haus sind. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Herzlich willkommen, liebe Damen und Herren zu Hause vor den Fernsehgeräten!

Für heute als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Angela Baumgartner, Walter Bacher, Irene Hochstetter-Lackner, Wolfgang Knes, Mario Lindner, Mag. Andreas Schieder, Dr. Dagmar Belakowitsch, Andrea Michaela Schartel, Mag. Philipp Schrangl und Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Für den heutigen Sitzungstag hat uns das Bun­deskanzleramt über Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mittei­lungen gemacht:

Die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl wird durch den Bundesminister für Landesverteidigung Mario Kunasek vertreten.

Frau Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger wird durch die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck,

die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß durch den Bundesminister für Finanzen Hartwig Löger,

nachmittags Bundeskanzler Sebastian Kurz durch den Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien Mag. Gernot Blümel, MBA vertreten.

*****

Ich darf bekannt geben, dass diese Sitzung von ORF 2 bis 13 Uhr live übertragen wird. ORF III überträgt in voller Länge und ab 19.15 Uhr zeitversetzt.

09.06.36Fragestunde


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen somit zur Fragestunde. Die Usancen der Fragestunde sind Ihnen bekannt: 1 Minute für die Damen und Herren Fragestel­lerInnen, 2 Minuten für die Beantwortung der Anfragen und 1 Minute für die Beantwor­tung der Zusatzfragen.

Bildung, Wissenschaft und Forschung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir dürfen beginnen: Die 1. Anfrage stellt Herr Abgeordneter Taschner. Ich darf ihm das Wort erteilen.


09.06.54


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 15

Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Seit den Siebzigerjahren gab es immer Worte, die bei der Bildungspolitik das Zaubermittel darstellen sollten. Das hat mit der Mengenlehre begonnen und ist hinaufgegangen bis zum Wort Kompetenzmessung. Dieses Wort ist noch nicht einmal mit Patina versehen, da kommt schon das Wort Autonomie. Die Au­tonomie soll das Heil bringen. – Das wird es wohl nicht ganz sein, aber die Autonomie ist sicherlich sehr wichtig. Nun stellt sich die Frage:

82/M

„Welche Maßnahmen der im Vorjahr beschlossenen Bildungsreform, insbesondere des beinhalteten Autonomiepakets, wurden bereits initiiert oder umgesetzt, welche Schritte in Zusammenhang mit dieser sind noch offen?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Minister Faßmann, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Danke schön für die Fragestellung! Mit dem Bildungsreformgesetz ist die Einrichtung der Bildungsdirektionen verbunden. Das ist ein ganz wesentlicher Schritt. Wenn Sie so wollen, sind diese Bildungsdirektionen ein One-Stop-Shop, wo sowohl die Bundes- als auch die Landesangelegenheiten wahrgenommen werden. Wir sind derzeit dabei, die­se Bildungsdirektionen mit 1.1.2019 operational zu machen, wir haben die Bildungsdi­rektoren und -direktorinnen bestellt, ebenso die Bereichsleiter. Wir sind auch dabei, die Bildungsdirektoren, die eine schwierige Position zwischen den Landesinteressen und den Bundesinteressen haben, auch zu einer gewissen Loyalität sowohl der einen als auch der anderen Gebietskörperschaft gegenüber zu bringen. Wir machen regelmäßig Jours fixes mit ihnen. Wir sind derzeit dabei, die Schulaufsicht neu aufzustellen. Was im Rahmen der Bildungsreform vielleicht noch fehlt, ist ein einheitliches Controlling­system.

Zu Ihrer zweiten Detailfrage, die Sache mit der Schulautonomie: Der Gesetzgeber ist davon überzeugt, dass bestimmte Entscheidungen vor Ort besser getroffen werden können. Ich kann mich dem durchaus anschließen, die Schule und die dort unter­richtenden Lehrer und Lehrerinnen wissen sehr gut, was zu machen ist. Im Rahmen der Schulautonomie gibt es eine Autonomie der Unterrichtsgestaltung, aber auch der Klassengröße. Es gibt eine Flexibilisierung der Unterrichtsdauer und der Öffnungszei­ten der Schule. Eine Schule kann, wenn es regional notwendig ist, auch um 7 Uhr öff­nen. Es gibt die Möglichkeit der autonomen Schwerpunktbildungen. Es gibt auch – was ganz wesentlich ist – eine gewisse Personalautonomie. Schulen können dann Lehrer und Lehrerinnen aussuchen, je nachdem, wie gut eine Lehrerpersönlichkeit zum eige­nen Schulprofil passt.

Wir sind also sowohl im Bereich der Einrichtung der Bildungsdirektionen als auch bei der Schulautonomie auf einem guten Weg, und ich halte es auch für einen sehr sinn­vollen Weg. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.


Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner (ÖVP): Gerade bei den Bildungsdirektionen und bei den anderen Antworten, die Sie gegeben haben, sind sehr stark strukturelle Dinge im Vordergrund gestanden. Inhaltliche Punkte haben Sie jetzt auch erwähnt. – Werden diese Inhalte noch weiter intensiviert werden? Gibt es dahin gehend Pläne und Ideen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.



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Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Ja, wir werden klarerweise im Bereich der Lehrerausbildung und auch der Lehrerfort­bildung Lehrer und Lehrerinnen darauf aufmerksam machen, welche neuen, autono­men Möglichkeiten sie haben. Das sind neue Handlungsräume, die man ausnutzen muss. Man muss ihnen auch zeigen, wie das geht. Wir haben auch die pädagogischen Hochschulen angewiesen, entsprechende Fortbildungen durchzuführen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Feichtinger, bitte.


Abgeordnete Elisabeth Feichtinger, BEd BEd (SPÖ): Herr Präsident! Lieber Herr Minister Faßmann! Meine Frage: Wie unterstützen Sie Ihren Landeshauptmann Wall­ner bei der Umsetzung der Modellregion für die gemeinsamen Schulen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Die Einrichtung der Modellregionen ist eine autonome Entscheidung des Landeshaupt­mannes, wenn er das macht, wird das so gemacht. Wir haben es im Gesetz auch fixiert. Ich glaube, er braucht dazu meine Unterstützung nicht. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Wöginger.)

09.11.28


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 2. Anfrage kommt von Frau Abgeordneter Hammerschmid. – Bitte.


Abgeordnete Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (SPÖ): Einen wunderschönen guten Morgen! Herr Bundesminister, mit welcher Begründung haben Sie es zugelassen, dass aus dem Finanzausgleichsgesetz das Vorhaben gestrichen wird, im Zuge der Aufga­benorientierung an sogenannten Schulen mit besonderen Herausforderungen, sprich Brennpunktschulen, mehr Lehrerinnen und Lehrer einzusetzen, die sie so dringend brauchen würden, um auf die Bedürfnisse ihrer Schülerinnen und Schüler eingehen zu können?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 79/M, hat folgenden Wortlaut:

„Mit welcher Begründung haben Sie zugelassen, dass aus dem Finanzausgleichsge­setz das Vorhaben gestrichen wird, im Zuge der Aufgabenorientierung an sogenannten ‚Brennpunktschulen‘ mehr LehrerInnen einzusetzen, um damit die SchülerInnen besser zu unterstützen?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Sonja Hammerschmid, wir haben ja schon im Ausschuss darüber diskutiert. Ich habe mich inzwischen kundig gemacht, wie die Sache zu erklären ist. Das Finanzministerium hat mit den Ländern – die Länder sind ja Vertragspartner im Rahmen des Finanzaus­gleichs – diskutiert, wie man mit dieser Aufgabenorientierung umzugehen hat. Die Auf­gabenorientierung ist ja eine interessante Angelegenheit, aber auch eine schwierig zu operationalisierende, denn im Prinzip sind die großen Gemeinden der Meinung: Wir leisten die wichtigen Aufgaben und brauchen daher einen abgestuften Bevölkerungs­schlüssel.

Die kleinen Gemeinden sind der Meinung: Wir leisten auch wesentliche Aufgaben, und zwar bei erschwerten Bedingungen, oft auch bei abnehmender Bevölkerungszahl, wir


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 17

brauchen daher eigentlich mehr Ressourcen und, wenn man so will, einen umgedreh­ten abgestuften Bevölkerungsschlüssel.

Da gibt es einen gewissen Dissens, der nicht leicht aufzulösen ist. Daher hat das Fi­nanzministerium gefragt, ob dieser § 15 des Finanzausgleichsgesetzes noch notwen­dig ist. Die Antwort der Länder war: Nein! Vermittelt wurde die Antwort durch den Landeshauptmann des Burgenlandes, und man hat diese Sache herausgenommen. Man hat sie auch deswegen herausgenommen – um das gleich hinzuzufügen –, weil die Ressourcenzuteilung, auch eine Ressourcenzuteilung in Abhängigkeit zum sozio­ökonomischen Status der Eltern, im Bildungsreformgesetz neu geregelt ist. Daher ist § 15 des Finanzausgleichsgesetzes eigentlich gar nicht mehr notwendig.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.


Abgeordnete Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (SPÖ): Da möchte ich nachfragen: Ja, Sie haben, das ist klar, einen Anker im Bildungsreformpaket, der war drinnen. Es wäre aber schon wichtig, dass man den im Finanzausgleichsgesetz auch hat, weil Sie dann viel mehr Handhabe hätten. Ist es wirklich so schwierig oder warum haben Sie so schnell aufgegeben? Man könnte sich ja schon bemühen, die Verhandlungen mit den Ländern zu intensivieren, um eine wirklich faire Verteilung zu schaffen, damit die Schu­len – Sie betonen ja auch immer, dass Ihnen das so wichtig ist – die Lehrer bekom­men, die sie brauchen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Ja, aber ich muss noch einmal betonen: Beim Finanzausgleichsgesetz sind die Partner die Länder und das BMF; das Ministerium ist es nicht, die einzelnen Ministerien sind es nicht. Ich muss abermals betonen: Ich habe die Handhabe über das Bildungsreform­gesetz, und wie im Ausschuss auch schon kundgetan werden wir diese Handhabe nut­zen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Salzmann, bitte.


Abgeordnete MMMag. Gertraud Salzmann (ÖVP): Guten Morgen! Herr Minister, der Integrationsbericht von 2016 spricht davon – ich zitiere –: „Nicht zuletzt durch die ak­tuelle Flüchtlingssituation wurde die Notwendigkeit von ausreichend bedarfsgerechter sozialarbeiterischer Tätigkeit an Schulen im vergangenen Jahr“ sehr evident.

Meine Frage dazu, Herr Minister: Welche Informationen liegen Ihnen über die Schulso­zialarbeit in den Bundesländern und deren Finanzierung vor?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Danke schön für die Frage! Schulsozialarbeit und Schulpsychologie sind eine wichtige Angelegenheit. Diese Angelegenheit nimmt auf der einen Seite der Bund wahr, andererseits nehmen sie aber auch die Länder als Schulerhalter beziehungsweise als jene, die die Kompetenz im Bereich der Jugendwohlfahrt wahrzunehmen haben, wahr. Es ist interessant, die Bundesländer reagieren ganz unterschiedlich darauf: Das Bur­genland und Wien bringen beispielsweise gar keine Landesmittel in den Bereich der Schulsozialarbeit ein. Die Steiermark finanziert demgegenüber 30 Schulsozialarbeiter, Oberösterreich 40, Niederösterreich 20, Tirol 27, Kärnten zehn und so weiter.

Es gibt da leider unterschiedliche Vorgangsweisen der Länder. Wir sind mit den Län­dern im Gespräch und sollten das auch bleiben, um in diesem Bereich zu einer einheit­lichen Vorgangsweise zu kommen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Hauser, bitte.



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Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Mi­nister! Es war aus freiheitlicher Sicht ein bildungspolitischer Meilenstein, dass die Re­gierung dieses Jahr die Deutschförderklassen eingeführt hat. Um an die Frage der Kol­legin Hammerschmid anzuknüpfen: Aus unserer Sicht werden die Schüler am besten unterstützt, wenn sie die Unterrichtssprache, nämlich Deutsch, beherrschen. Deswe­gen werden alle Schüler, die die Unterrichtssprache nicht beherrschen, jetzt in Deutschförderklassen an das Sprachniveau herangeführt und sind daher außerordent­liche Schüler.

Herr Minister, dazu meine Frage: Wie stellen Sie sicher, dass all jene Schüler die Vor­schule besuchen, die tatsächlich nicht schulreif sind, und nicht all jene, die einen au­ßerordentlichen Status haben?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Sie haben die Sachlage meiner Ansicht nach richtig dargestellt. Außerordentliche Schüler sollten außerordentliche Schüler sein, weil ihre Schulreife noch nicht gegeben ist. Derzeit läuft ein Projekt mit den Universitäten Wien und Graz, um diese Vorläu­ferqualifikationen, die ja entscheidend sind, noch einmal auszuformulieren. Wir werden gerade bei den Vorschulkindern eine verbindlichere Testung machen müssen, um ge­nau diese beiden Dinge auseinanderzuhalten. Wir haben derzeit in den Bundesländern ganz unterschiedliche Prozentsätze an Vorschulkindern. Da liegt auch der Verdacht nahe, dass manchmal Kinder mit nicht ausreichenden Deutschkenntnissen in die Vor­schule geschickt werden. Wir sind auf einem guten Weg, diese Differenzierung durch­zuziehen. (Abg. Hauser: Genau das wollen wir! Danke!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Zadić, bitte.


Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (JETZT): Ich bleibe gleich bei den Deutschför­derklassen: In der Zwischenzeit sind ja schon einige Deutschförderklassen zustande gekommen, gerade in den Ballungsräumen. Haben Sie in der Zwischenzeit auch Rück­sprache mit Lehrerinnen und Lehrern halten können, um nachzufragen, wie diese Deutschförderklassen aufgenommen wurden? Planen Sie, das Gesetz zu evaluieren?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Meines Erkenntnisstands sind diese Deutschförderklassen gut aufgenommen worden. Das heißt nicht, dass alle zu 100 Prozent damit zufrieden sind; ich glaube, so eine hohe Zufriedenheit kann man wahrscheinlich im Bildungssystem auch schwer errei­chen. Ich habe mir Schulen angeschaut, auch eine sogenannte Brennpunktschule im 8. Bezirk, von der man vorher gesagt hat, es kann nur integrativ sein. Man hat jetzt auf Deutschförderklassen umgestellt. Das ist aber nur ein Einzelfall, Einzelfälle belegen gar nichts. Ich glaube, es wird sich bewähren und wir werden am Ende des ersten und zweiten Semesters sehen, wie die Erfolge sind.


09.19.08 Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 3. Anfrage, jener des Herrn Ab­geordneten Mölzer. – Bitte.


Abgeordneter Wendelin Mölzer (FPÖ): Guten Morgen auch von meiner Seite! Herr Minister, wir alle wissen, wir stehen vor immer größeren Herausforderungen durch eine zunehmend digitalisierte Welt. Wir wissen dabei auch, dass es darum gehen wird, unsere Kinder entsprechend zukunftsfit zu machen, etwa, wenn es darum geht, ihre Fähigkeiten in mathematisch-technischen Fragen auszubauen, damit sie eben in die­ser digitalisierten Welt bestehen können, aber natürlich auch, wenn es darum geht, dass wir die Möglichkeiten, die uns eine digitalisierte Welt erschließt, auch entspre-


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chend in den Unterricht einfließen lassen. – Das sind zwei Dinge, die natürlich mitein­ander einhergehen. Meine Frage an Sie, Herr Minister, lautet daher:

87/M

„Wie stellen Sie sicher, dass die Digitalisierung – wie in anderen Ländern der Welt – flächendeckend in der Schulwelt angemessen berücksichtigt wird?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Ich glaube auch so wie Sie, dass wir im Schulsystem auf die Digitalisierung reagieren müssen. Ich versuche, die Balance zu halten zwischen einer – wenn Sie so wollen – Hurra-Digitalisierung auf der einen Seite und der Vermeidung von Ignoranz hinsichtlich der Notwendigkeit der Digitalisierung und der digitalen Kompetenzen in der Schule auf der anderen Seite.

Ich habe in meinem Haus den Auftrag gegeben, an einem Masterplan für Digitalisie­rung zu arbeiten. Er hat im Wesentlichen drei Schwerpunkte: Analyse der Situation im Hardwarebereich, Analyse im Bereich Software/Lehrpläne/Lern- und Lehrsoftware und Analyse der Lehrerfort- und -weiterbildung. Lehrerfort- und ‑weiterbildung ist wahr­scheinlich das essenziellste Element von diesen drei Säulen, denn wenn Lehrer und Lehrerinnen diese digitalen Kompetenzen nicht mit Charisma und Überzeugung in der Klasse implementieren, nützen alle anderen Dinge wenig.

Wir sind mit dem Masterplan relativ weit, wir werden ihn höchstwahrscheinlich am Be­ginn des neuen Jahres abschließen und dann in die Frage der Ausrollung, auch im Zu­sammenhang mit dem Finanzministerium, gehen müssen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Wendelin Mölzer (FPÖ): Wir wissen natürlich, dass es sehr schwer ist, mit der rasend schnellen Entwicklung Schritt zu halten. Wir wissen aber, dass es in der Vergangenheit natürlich Versäumnisse gab. Eine Erhebung hat etwa ergeben, dass bis vor, ich glaube, drei Jahren nicht einmal alle Schulen in Österreich entsprechend mit Internet beziehungsweise WLAN versorgt waren. Das ist sicher auch ein Versäumnis der sozialistischen Vorgänger. – Daher meine Frage: Was werden Sie konkret tun, um die Infrastruktur in den Schulen zu verbessern?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Also die Infrastruktur ist, je nach Betrachtungsweise, ein halb volles Glas oder ein halb leeres Glas. Wir sind eigentlich auf einem halben Wege, wenn ich es betrachte: Wie gut sind die Schulen mit Netzen ausgestattet, sowohl mit WLAN innerhalb der Schule als auch mit Breitbandanschluss, insbesondere auch die Endgeräte? Das ist eine offe­ne Frage.

Da werden wir auch mit dem BMVIT als jenem Ministerium, welches für den Breitband­ausbau zuständig ist, sprechen und gemeinsam vorgehen müssen. Alleine wird das mein Haus nicht stemmen können, denn es ist tatsächlich noch viel zu tun – vielleicht weniger in den Ballungsräumen, weil die leichter zu erschließen sind, aber Österreich ist ein differenziertes Land mit einer nicht einfachen Geografie, und da wird man eini­ges, glaube ich, auch in die Hand nehmen müssen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Cox, bitte.


Abgeordnete Stephanie Cox, BA (JETZT): Guten Morgen! Herr Minister, Sie haben schon den Masterplan Digitalisierung angesprochen. Sie haben gemeint, Sie sind da


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im Endspurt. Mich würde interessieren – Sie haben gerade LehrerInnen angesprochen, es sind ja auch SchülerInnen von der Digitalisierung im Klassenraum betroffen –, wie im Moment die Situation im Erstellungsprozess ist. Welche ExpertInnen und welche unabhängigen ExpertInnen waren an der Erstellung dieses Masterplans beteiligt?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Also im Kern sind an der unmittelbaren Erstellung des Masterplans die Mitarbeiter mei­nes Hauses beteiligt sowie die Mitarbeiter des BMVIT und des BMDW, also des Digi­talisierungsministeriums. Dazu habe ich einen Sounding Board eingerichtet, der sowohl Praktiker als auch Schülervertreter als auch – wenn Sie so wollen – Digitalisierungs­skeptiker integriert.

Frau Spiel und Kollege Liessmann, der manchmal auch einen anderen Bildungsbegriff verfolgt, sind in diesem Sounding Board, aber auch erfolgreiche Direktoren, die die Di­gitalisierung in ihren Schulen umgesetzt haben, und es gibt eine Interaktion zwischen der Kerngruppe, die den Plan macht, und dem Sounding Board, der Kommentierungen abgibt. Das ist eine hochinteressante Diskussion.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Kovacevic, bitte.


Abgeordneter Christian Kovacevic (SPÖ): Guten Morgen, Herr Bundesminister! Zum Stichwort Digitalisierung: Es gibt ja nun seit Jänner 2017 das bereits fertige Digitali­sierungskonzept noch von Ihrer Vorgängerin Sonja Hammerschmid. Das wurde nur teilweise umgesetzt, aber nicht zur Gänze ausgerollt. Offensichtlich hat das parteipoli­tische Gründe – oder welche Gründe hat es sonst? Und wie erklären Sie, dass Schü­lerInnen von mindestens zwei Jahrgängen nicht von diesem Digitalisierungskonzept profitieren konnten?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Also ich würde das nicht so sehen wie Sie. Es gibt eine Konzeption Schule 4.0, die nicht unähnlich ist, aber nicht gleich zu dem, was ich unter Masterplan Digitalisierung verstehe. Schule 4.0 besteht aus vier Säulen mit einer anderen Begrifflichkeit, aber es sind in der Zwischenzeit viele Projekte und auch viele Einzelfälle realisiert worden, sodass ich sagen würde, es ist keine verstrichene Zeit. Wir haben die Dinge in einem ähnlichen Aufgriff noch einmal angegangen, und wir müssen insbesondere auch die kritischen Fragen nach Ausrollung und Finanzierung stellen.

09.25.36


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 4. Anfrage, jener des Abgeord­neten Hoyos-Trauttmansdorff. – Bitte.


Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Guten Morgen, Herr Minis­ter! Wie Sie wissen – ich weiß, dass Sie sie auch bekommen haben –, sind in den letz­ten Wochen Hunderte E-Mails von besorgten LehrerInnen, aber auch von Eltern ge­kommen, insbesondere was das Thema Vorschulen betrifft, mit einer Petition, in der sie die Frage stellen, wie es eigentlich mit den Vorschulen weitergeht. Meine konkrete Frage diesbezüglich, die ich auch im Namen dieser besorgten Eltern und der Pädago­gInnen stellen darf:

85/M

„Warum soll zukünftig die Vorschule nicht mehr zur Schulpflicht gezählt werden?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.



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Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Na ja, Herr Hoyos-Trauttmansdorff, die Antwort ist gar nicht so komplex und schwierig. Wir haben in Österreich eine Schulpflicht. Was bedeutet Schulpflicht? – Schulpflicht heißt, dass man eine bestimmte Anzahl von Schuljahren gleichsam absolvieren muss, unabhängig davon, ob man sie positiv absolviert. Zur Schulpflicht zählte bisher die Vor­schule. Jetzt kann es ja Fälle geben, in denen jemand ein, zwei Klassenwiederho­lungen macht. Das heißt, plus dem absolvierten Vorschuljahr ist man dann weit vor der Zeit mit der Beendigung der Schulpflicht konfrontiert, auch damit, ob man die Schule jetzt eigentlich beendet hat oder nicht.

Schulpflicht heißt ja auch Schulrecht, und wenn man das herausnimmt, dann gibt es wirklich das Recht, tatsächlich neun Schuljahre besuchen zu können, unabhängig von der Vorschule. Es ist eigentlich eine positive Maßnahme.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): In diesem Zusammen­hang – ohne das jetzt werten zu wollen – ist die Frage, wie Sie generell damit umge­hen, wenn es Anliegen gibt. Auch im Rahmen des Pädagogikpakets gab es viele Pe­titionen, viele Unterschriftenaktionen von Eltern, die sich nicht ausreichend informiert und nicht ausreichend eingebunden gefühlt haben. Wie wollen Sie das in Ihrer zukünf­tigen Tätigkeit in den nächsten vier Jahren handhaben, um auch alle Stakeholder best­möglich einzubinden und diese Bedenken, die berechtigt oder unberechtigt da sind, auch vorab einzufangen beziehungsweise die Betroffenen auch vorab abzuholen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Also im Haus beantworten wir alle einlangenden Mails und Briefe. Dieses Bürger­service halte ich für sehr wichtig, denn nichts ist schlechter, als wenn man sozusagen einem Ministerium etwas schreibt und man schreibt gleichsam dem Salzamt – nichts kommt zurück.

Der andere Punkt ist: Wie binde ich Stakeholder ein? – Sehr stark. Ich halte viel von der Schulpartnerschaft. Unser Bildungssystem ist ein komplexes System und wir bin­den in der Regel Lehrer- und LehrerInnenvertreter, Schülervertreter und natürlich auch Vertreter der Eltern ein. Da gibt es aber nicht nur einen Vertreter, sondern unterschied­liche Institutionen, die in der Regel immer eingebunden werden, denn nur dann kann man auch einigermaßen sicher sein, dass man ein vielleicht auch akzeptiertes System hat. Dass man nicht alle Personen persönlich einbinden kann, ist, glaube ich, klar.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mühlberghu­ber, bitte.


Abgeordnete Edith Mühlberghuber (FPÖ): Guten Morgen, Herr Bundesminister! Durch die Bildung und Betreuung in Kindergärten wird der Grundstein für den Erfolg in der weiteren Bildungslaufbahn gelegt. Meine Frage dazu: Was wird unternommen, da­mit die Kinder auf den Eintritt in die Schule vorbereitet werden?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Ich denke auch, dass der Kindergarten eine sehr wesentliche Bildungseinrichtung ge­worden ist. Wir haben daher auch in der 15a-Vereinbarung die Sprachförderung noch­mals intensiviert. Wir hatten bisher eine Sprachförderung im letzten Kindergartenjahr und werden die Sprachförderung auf das vorletzte Kindergartenjahr ausdehnen, weil das eine wesentliche Angelegenheit ist, damit Kinder, wenn Sie so wollen, ohne Start­nachteile in die Volksschule kommen.



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09.30.18Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bevor wir zur nächsten Frage kommen, darf ich recht herzlich die Schülerinnen und Schüler des Werkschulheims und Evangelischen Gymnasiums und die Schüler und Schülerinnen der HLW Krems bei uns begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Wir sind gerade bei einer Fragestunde an den Bundesminister für Bildung, Heinz Faß­mann, und die Abgeordneten stellen wechselweise durch die einzelnen Parteien die Fragen an den Minister. – Nur so viel zur Erläuterung.

Frau Abgeordnete Cox, Sie sind an der Reihe mit der 5. Anfrage. – Bitte.


Abgeordnete Stephanie Cox, BA (JETZT): Am 4. Dezember wurde auf der offiziellen Facebook-Seite von Vizekanzler Strache ein Posting veröffentlicht, das die Entschei­dung einer Schuldirektorin stark kritisiert. Die Entscheidung, aus Brandschutzgründen keine leicht entflammbaren Weihnachtsdekorationen in den Klassen zuzulassen, wurde von Strache als inakzeptabel bezeichnet, und es wurde dem Lehrpersonal der Schule unterstellt, die Schülerinnen und Schüler politisch zu indoktrinieren.

Es gab ja vor etlichen Wochen den Gipfel gegen Hass im Netz, und dieser hat bei Vi­zekanzler Strache anscheinend keine nachhaltige Wirkung gezeigt, weil dieses Posting einen Shitstorm gegen die Direktorin ausgelöst hat. Da stellt sich für mich natürlich die Frage, zu der ich jetzt komme: Sie als Bildungsminister sind ja auch oberster Dienst­herr und meiner Meinung nach auf eine gewisse Art und Weise auch dafür verant­wortlich, dass Pädagoginnen und Pädagogen vor diesen unfassbaren Angriffen und öf­fentlichen Diffamierungen geschützt werden (Abg. Hauser: Frage!), und die Frage diesbezüglich lautet – ich kann sie noch einmal wiederholen –: Gab es mit Vizekanzler Strache ein Gespräch zu dem am 4. Dezember auf seiner Facebook-Seite veröffent­lichten Posting, mit dem er die Entscheidung einer Schuldirektorin, aus Brandschutz­gründen keine leicht entflammbare Dekoration zuzulassen - - Punkt, Punkt, Punkt. Gab es ein Gespräch diesbezüglich? (Abg. Neubauer: Wirklich lächerlich!)

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 90/M, hat folgenden Wortlaut:

„Gab es mit Vizekanzler Strache ein Gespräch zu dem am 4. Dezember auf seiner Facebook-Seite veröffentlichten Posting, mit dem er die Entscheidung einer Schuldi­rektorin, aus Brandschutzgründen keine leicht entflammbaren Weihnachtsdekorationen zuzulassen, als ,inakzeptabel‘ bezeichnet und unterstellt, die Schülerinnen und Schüler würden ,politisch indoktriniert‘?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Nein, es gab kein Gespräch darüber. Vizekanzler Strache hat natürlich auch ein Recht auf eine freie Meinungsäußerung. Die Fragestellung selber hat sich nachher als ein ge­wisses Missverständnis herausgestellt, denn, ich glaube, im Hauptraum der Schule war sehr wohl ein Christbaum aufgestellt, aber in den Gangräumen nicht, weil in den Gang­räumen kein leicht entflammbares Material zu deponieren ist, um die Fluchtwege frei­zuhalten. Es hat sich also, glaube ich, nachher als ein gewisses Missverständnis he­rausgestellt, und die Sache, glaube ich, sollte man nicht dramatisieren.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.



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Abgeordnete Stephanie Cox, BA (JETZT): Das Posting befindet sich ja nach wie vor auf der Seite des Vizekanzlers. Die Frage ist: Wie gehen Sie in Zukunft mit solchen Angriffen um, wenn so etwas stehenbleibt und dieser Hass dann trotzdem da ist? (Abg. Neubauer: Dann geht die Republik unter!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Na ja, wenn es ungerechtfertigte Angriffe sind, dann würde ich reagieren. In dem Fall sage ich aber, es war ein Missverständnis, weil sehr wohl ein Weihnachtsbaum aufge­stellt war, aber die Fluchtwege von brennbarem Material freizuhalten sind. Ich sehe da also keine Handlungsnotwendigkeit meinerseits.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Kuss-Bergner, bitte.


Abgeordnete Angelika Kuss-Bergner, BEd (ÖVP): Einen wunderschönen guten Morgen! Herr Minister, schön, Sie heute hier zu haben! Wir haben in der neuen Verein­barung zwischen Bund und Ländern, der sogenannten 15a-Vereinbarung, festgelegt, jedes Kind mit einer entsprechenden Werteerziehung zu befähigen, allen Menschen, unabhängig von Herkunft, Religion und Geschlecht, offen, tolerant und respektvoll zu begegnen und vor allem intolerantes Gedankengut abzulehnen.

Das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung hat dazu einen entsprechen­den Werte- und Orientierungsleitfaden erarbeitet, und darin ist auf Seite 6 zu lesen, ich zitiere: „jede Gesellschaft“ braucht „eine tragfähige Basis von gemeinsam geteilten Werten. Dieses Wertefundament verleiht dem sozialen Miteinander Orientierung und damit Halt sowie Stabilität.“

Gerade im Advent befinden wir uns in einer sehr intensiven Zeit, gespickt mit Festen, denen eine christlich geprägte Kultur zugrunde liegt. Deshalb lautet meine Frage an Sie, Herr Bundesminister: Was ist der Inhalt des Werte- und Orientierungsleitfadens und wie wird darin mit Festen umgegangen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Dieser Werte- und Orientierungsleitfaden ist im Wesentlichen vom Österreichischen In­tegrationsfonds und der PH Niederösterreich erarbeitet worden. Ich glaube, es ist ein sehr gelungenes Werk geworden, weil deutlich wird, was unter Werten zu verstehen ist, nämlich grundsätzliche Werte unserer demokratischen Republik: Demokratie, Gen­dergerechtigkeit, Rechtsstaatlichkeit. Dahin gehend kann ich das als eine Grundlage der Werteorientierung also nur empfehlen, und wir empfehlen darin auch, die Feste zu feiern, so wie sie kommen und so wie sie fallen, weil das ein Teil unseres kulturellen Hintergrundes ist.


09.35.02Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste und 6. Anfrage stellt Abgeordneter Marchetti. – Bitte.


Abgeordneter Nico Marchetti (ÖVP): Wir haben in diesem Haus die Universitätsfi­nanzierung Neu beschlossen, in deren Rahmen nicht nur 1,3 Milliarden Euro mehr zu den Universitäten kommen, sondern die auch auf Indikatoren und auf drei Säulen ba­siert. Jetzt ist meine Frage:

83/M

„Welche inhaltlichen Profilschärfungen und Schwerpunktsetzungen, insbesondere zur Verbesserung des Studienbetriebs, sind mit den rund 1,3 Milliarden € mehr Budget verbunden, welches die Universitäten ab dem kommenden Studienjahr erhalten?“



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 24

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Tatsächlich bekommen die Universitäten deutlich mehr Geld. Wir haben in den Leis­tungsvereinbarungsverhandlungen auch darauf geachtet, dass die primäre Zielrichtung erreicht wird, nämlich die Verbesserung der Betreuungsrelation in den sogenannten Massenfächern, aber auch eine Stärkung der Mint-Fächer, denn es ist deutlich, dass wir mehr Absolventen dieser Mint-Fächer benötigen.

Wir haben auch erlaubt, dass mithilfe der zusätzlichen Mittel universitäre Forschungs­profile gestärkt werden. Es gibt, glaube ich, eine allgemeine Zufriedenheit der Rekto­ren. Manche Rektoren sagen, es hätte immer noch ein bisschen mehr sein können. Ich habe Verständnis dafür, aber insgesamt gibt es eine Zufriedenheit damit, und ich glaube, wir werden die Ziele erreichen, nämlich die Erhöhung der Zahl der aktiven Stu­dierenden.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Nico Marchetti (ÖVP): Abgesehen von dem reinen Geldbetrag, der jetzt zusätzlich vorhanden ist: Welche nachhaltigen Maßnahmen werden gesetzt, um die Studiensituation insbesondere für Studenten zu verbessern?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Also das Wesentliche ist klarerweise das Geld, weil wir über das Geld die Betreuungs­relation verbessern können. Wir können aber auch dafür sorgen, dass Infrastruktur ausgebaut wird, Labore und Seminarräume beispielsweise, und wir können auch da­rauf drängen, dass bei bestimmten Universitäten auch punktuell Maßnahmen durchge­führt werden. Eine Maßnahme ist zum Beispiel die Erhöhung der sozialen Durchläs­sigkeit, aber auch die Erhöhung der sozialen Rekrutierung der Studierenden, und da sollen Projekte durchgeführt werden. Punktuell halte ich das bei jenen Universitäten, bei denen es besonders notwendig ist, für eine sehr sinnvolle Sache.


09.37.18Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 7. Anfrage stellt Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl. – Bitte.


Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Herr Bundesminister, die 1,3 Milliarden Eu­ro zusätzliche Mittel für die Universitäten wurden in der vorhergehenden Frage schon angesprochen. Diese 1,3 Milliarden Euro an zusätzlichen Mitteln, die für die österreichi­schen Universitäten sehr wichtig sind, wurden ja bereits vor der letzten Nationalrats­wahl – damals leider gegen die Stimmen Ihrer Partei; die ÖVP war die einzige Partei, die damals dagegengestimmt hat, dass die Universitäten besser ausgestattet werden – beschlossen.

Zu diesen für die Universitäten sehr wichtigen Mitteln – Sie erinnern sich, Sie waren ja damals selber noch an der Universität; diese haben den Universitäten große Erleichte­rung gebracht – stellt sich jetzt die Frage, wie sie eingesetzt werden. Sie haben mit den Universitäten Leistungsvereinbarungen verhandelt, und daher lautet meine Frage:

80/M

„Wie viele zusätzliche Professuren bzw. Tenure-Track-Professuren wurden vom Bun­desministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung im Rahmen der Leistungsvereinbarungen 2019–2021 mit den jeweiligen Universitäten vereinbart, um“ – und das war ja damals bei diesem Antrag auch ein wesentliches Anliegen – „die Betreuungsrelation“ – also die Situation, wie viele Studierende von einem Lehrenden betreut werden – „zu verbessern und Zugangsbeschränkungen zu vermeiden?“



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Danke schön, Frau Kuntzl. Ich habe die Genese der 1,3 Milliarden Euro nie in Abrede gestellt, auch in unseren Diskussionen hier im Hohen Haus nicht. Mein Verdienst war sozusagen – ich habe es einmal gesagt – die Kuh vom Eis zu holen, sodass die Sache auch wirklich realisiert werden kann. Diese 1,3 Milliarden Euro stellen für die Universi­täten einen enormen Schub dar.

Am Ende der Leistungsvereinbarungsverhandlungen stellt sich nun heraus, dass wir rund 360 neue, zusätzliche Professuren oder Laufbahnstellen, die letztlich auch zu Professuren führen werden, berufen können. Um das nur in eine Relation zu setzen: Die Universität Wien hat in etwa 400 ordentliche Professuren – also sind wir in der La­ge, gleichsam eine neue Universität mit den alten zu verknüpfen. Da geht also wirklich ein Schub durch die tertiäre Bildung in Österreich, das muss man anerkennen. Wir haben bei den Verhandlungen auf eine Verbesserung der Betreuungsrelationen, ganz klar, und die Schaffung neuer Professuren, an den Schnittstellen auch interdisziplinärer Natur, geachtet, und wir haben darauf geachtet, dass der bisher unterausgestattete Mint-Bereich gestärkt wird.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Ich freue mich sehr, dass Sie das jetzt – also damals nicht Sie persönlich, sondern Ihre Partei – im Nachhinein als wichtigen Beschluss zur Stärkung der Universitäten einschätzen, und ich begrüße diesen Schub sehr, der da in Bewegung gesetzt wird.

Meine Frage, wie viele neue Professorenstellen vereinbart wurden, haben Sie aller­dings nicht beantwortet, aber vielleicht können Sie das schriftlich nachreichen. (Bun­desminister Faßmann: 360 habe ich gesagt!) – Zur Vermeidung von Zugangsbe­schränkungen? (Bundesminister Faßmann: 360 neue Professuren, habe ich gesagt, sind insgesamt geschaffen worden!) – Sie meinen jetzt insgesamt, okay; das ist nicht darauf fokussiert, worauf sich meine Frage bezogen hat, aber gut.

Meine Zusatzfrage wäre: Welche darüber hinausgehenden sonstigen personellen und organisatorischen Maßnahmen werden an den Universitäten zur Verbesserung der Studienqualität gesetzt, und zwar insbesondere in den von Ihnen auch schon ange­sprochenen, besonders stark nachgefragten Fächern? Das sind natürlich jene Fächer, von denen sich die Studierenden eine besonders gute Ausbildung und gute Berufs­chancen erhoffen und die daher auch besonders wichtig sind.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Von den zusätzlichen Maßnahmen habe ich eine Maßnahme bereits genannt, das sind eben zusätzliche Stellen, Professuren. Wir haben im Rahmen der Leistungsvereinba­rung auch über ein Charakteristikum der österreichischen Universitäten, nämlich den hohen Anteil an temporär beschäftigten Lektoren, gesprochen, und darüber, ob da nicht die Anzahl der sogenannten Senior Lecturer erhöht werden kann, um eine gewisse Permanenz im Bereich der Lehre zu erzeugen. Diese Permanenz im Bereich der Lehre würde auch zu einer deutlichen Verbesserung der Betreuungsrelationen führen. Ich habe im Rahmen der LV-Verhandlungen auch eine gewisse Akzeptanz der Universitäten erzielen können. Es wird also auch mehr Senior-Lecturer-Stellen geben.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage kommt von Frau Abgeordneter Lintl. – Bitte.


Abgeordnete Dr. Jessi Lintl (FPÖ): Guten Morgen, Herr Minister! Ein Ziel der neuen Hochschulfinanzierung war es, die Drop-out-Quoten zu verringern und die Betreu-


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ungsverhältnisse an den Hochschulen zu verbessern. Dazu wurde den Universitäten die Möglichkeit gegeben, lokal überlaufene Studiengänge zu beschränken.

Wie sehen die aktuellen Zugangsregelungen an österreichischen Universitäten aus be­ziehungsweise welche Studien sind zukünftig zugangsgeregelt?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Wir haben ein System mit zwei unterschiedliche Zugangsregelungen. Das eine ist ein bundesweites Regelungssystem in Studienfeldern wie Architektur, Biologie, Erzie­hungswissenschaften, Fremdsprachen, Informatik, Management, Pharmazie, Publizis­tik und Recht. Das ist bundesweit, da werden bundesweite Zahlen festgelegt und es wird mit den Universitäten ausverhandelt, wer welchen Anteil gleichsam übernimmt.

Daneben gibt es die Möglichkeit der standortspezifischen Regelungen. Wenn eine Uni­versität also sagt, nur bei ihr tritt eine sehr starke Nachfrage nach bestimmten Stu­diengängen auf, kann sie in Abstimmung mit dem Ministerium ein standortspezifisches Zugangsmanagement machen. Das betrifft manche Universitäten in manchen Fächern, beispielsweise die Politikwissenschaft an der Universität Wien oder die Soziologie an der Universität Wien.

Beides zusammen hilft also, auch im Einklang mit der vermehrten Nachfrage in be­stimmten Fächern, eine verbesserte Studiensituation zu kreieren.

09.44.06


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 8. Anfrage, jener des Abgeord­neten Kassegger. – Bitte.


Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Bundesminis­ter, meine Frage betrifft die für die Wettbewerbsfähigkeit und damit auch für die Ar­beitsplätze sehr, sehr wichtigen Mint-Fächer. Ich erkläre: Mint ist eine Abkürzung und steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Wir befinden uns da in der Situation, dass leider viel zu wenige diese Fächer studieren, insbesondere ist auch der Frauenanteil sehr, sehr gering. Die neue Bundesregierung aus ÖVP und FPÖ hat das erkannt und im Regierungsprogramm ist diesem Bereich in mehreren Kapiteln ausreichend Platz geboten, in den Kapiteln Wirtschaft, Bildung, Wissenschaft und Forschung. Wir haben auch auf der Sekundarstufe mit den Höheren Technischen Lehr­anstalten ein internationales Erfolgsmodell.

Meine Frage betrifft jetzt ganz konkret die Fachhochschulen:

88/M

„Welche Maßnahmen setzen Sie im Fachhochschulsektor, um dem großen Bedarf der Wirtschaft und Industrie nach mehr MINT-Absolventinnen und -Absolventen gerecht zu werden?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Wir haben nun mit den Fachhochschulen einen Entwicklungs- und Finanzierungs­plan 2018 bis 2023 ausgearbeitet und sind jetzt mit den Fachhochschulen auch in einer Diskussionsphase. Er ist noch nicht endgültig verabschiedet, aber wir sehen in dem Entwicklungs- und Finanzierungsplan ein Plus von 3 700 zusätzlichen Studienplätzen vor, insbesondere im Bereich Digitalisierung und im Mint-Bereich.

Zum Mint-Bereich würde ich auch sagen, dass das ein sehr breiter Bereich ist: Natur­wissenschaften kann sehr vieles umfassen, wir konzentrieren uns da insbesondere auf jene Bereiche, die etwas mit Informatik zu tun haben.


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Wir haben auch mit den Fachhochschulen die Möglichkeit eines vermehrten Einsatzes dualer Studien diskutiert, also im Sinne einer Verknüpfung zwischen einer – wenn Sie so wollen – stärker theoretischen Ausbildung in den Fachhochschulen und einer stär­ker praktischen Ausbildung in den Unternehmen. Wir tun für die Fachhochschulen viel, auch mit einer klaren Fokussierung auf die Mint-Fächer und die Verbesserung der Ge­schlechterrelation, die im Fachhochschulbereich nicht ganz so ideal ist.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? – Bitte.


Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Meine Zusatzfrage betrifft ein Thema an der Schnittstelle zwischen Universitäten und Fachhochschulen. Wir wissen ja, dass Doktoratsstudien wissenschaftliche Arbeiten mit dem Ziel, neue Erkenntnisse zu erzielen, und grundsätzlich Sache der Universitäten sind.

Aus eigener Erfahrung weiß ich aber auch, dass es viele, einen bemerkenswerten Pro­zentsatz an Fachhochschulabsolventen gibt, die fähig, geeignet und auch interessiert sind, weiter zu studieren, ein Doktoratsstudium zu machen.

Meine konkrete Frage: Im Ministerratsvortrag vom 30. Oktober 2018 war die Rede von der Planung von sogenannten kooperativen Doktoratsstudien. Was ist da das Ziel und wie sieht das dahin gehende Konzept aus?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Das Ziel ist ganz klar: Ich will eine verstärkte Kooperation der Fachhochschulen mit den Universitäten erreichen; nur durch schönes Zureden kann man das nicht immer erzielen, man muss auch beiden – wenn man so will – eine Karotte geben. Die Karotte bedeutet Geld und die Förderung von kooperativen, strukturierten Doktoratsprogram­men zwischen der Fachhochschule und der Universität. Wir arbeiten derzeit die kon­kreten Pläne aus, die Zielrichtung ist klar: Talentierte Personen, die in den Fachhoch­schulen sind und ein Doktorat machen möchten, sollen dies in Verknüpfung mit den Universitäten machen können. (Abg. Kassegger: Vielen Dank!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Gamon, bitte.


Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Guten Morgen, Herr Minister! Wir haben vor dem Sommer gemeinsam identifiziert, dass unter anderem auch die kompli­zierten Akkreditierungsverfahren und die Audits des Qualitätsmanagements eine Hürde für die Fachhochschulen sind. Wir haben ja beschlossen, dass diese evaluiert werden sollen und eventuell auch eine Lösung präsentiert werden soll.

Bis wann können wir mit einer Vorlage von Ihrem Ministerium betreffend die Reform und die Überarbeitung der Akkreditierungsverfahren der Studiengänge an der FH rech­nen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Die FH-Studiengänge werden akkreditiert, und zwar von der AQ Austria. Wir sind so­wohl mit den Fachhochschulen als auch mit AQ Austria im Gespräch, um zu klären, was notwendig ist, was wirklich notwendig ist, und was als ein Zuviel an Bürokratie empfunden wird. Da muss man mit beiden sprechen. Die einen sagen: Es ist absolut zu viel Bürokratie!, die anderen sagen: Wir müssen dafür sorgen, dass Fachhoch­schulstudiengänge auch Qualität besitzen! – In diesem Diskussionsprozess befinden wir uns. Ich bin ganz optimistisch; die Menschen kommen zusammen, wenn sie mitein­ander reden.

09.49.35


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Sie sind schon wieder an der Reihe, Frau Ab­geordnete Gamon, mit Ihrer Frage, der 9. Anfrage. – Bitte.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 28

Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Meine Hauptfrage bezieht sich auf den FWF. Wir wissen ja, dass unser Wissenschaftsfonds in Österreich im Vergleich zu den Organisationen in Deutschland und in der Schweiz eher unterfinanziert ist, obwohl er sehr gute Arbeit leistet und wir wahnsinnig talentierte und erfolgreiche junge For­scherinnen und Forscher haben.

Es soll ja in Zukunft mit dem Exzellenzprogramm auch noch eine Schiene geschaffen werden, womit wir auch das Thema Exzellenz stärker betonen können, was ja gerade in der Grundlagenforschung wahnsinnig wichtig ist.

Dem FWF wurde ja schon von Ihrem Vorgänger wesentlich mehr Geld versprochen – in dem Fall war es der Vorvorgänger –, eine deutliche Erhöhung des Budgets. Daraus ist dann mit dem letzten Budget doch nichts geworden, deshalb würde mich inter­essieren:

86/M

„Wie ist der Stand der Verhandlungen bezüglich einer deutlich höheren Budgetierung des Wissenschaftsfonds (FWF)?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Frau Gamon, wir müssen – an welcher Stelle auch immer, vielleicht auch einmal im Ausschuss – über die Sache mit der Unterfinanzierung des FWF reden. Ich bin gestern aus Washington zurückgekommen, ich habe dort auch mit der National Science Foun­dation gesprochen. Pro Kopf gibt die National Science Foundation genauso viel Geld für die Grundlagenforschung aus wie der FWF, und die National Science Foundation ist wahrlich keine unbedeutende Institution.

Sie müssen auch berücksichtigen, dass sich österreichische Forscher und Forscherin­nen aus der EU von Horizon 2020 pro Jahr noch einmal etwa das Budget des FWF über Drittmittelforschung zurückholen. Da ist nicht alles grundlagenforschungsorien­tiert, das ist schon klar, aber sehr viel. Und man muss auch berücksichtigen, dass wir noch ausgesprochen grundlagenforschungsorientierte Institutionen haben, wie bei­spielsweise die Österreichische Akademie der Wissenschaften, die auch eine For­schungsförderung betreibt.

Betreffend die Unterdotierung der Grundlagenforschung würde ich Sie also ersuchen, die Dinge im Zusammenhang zu sehen, aber wir können uns gerne einmal im Detail darüber unterhalten.

Die eigentliche Antwort ist – Sie haben es ja vorweggenommen –, dass wir gerade im Bereich der Exzellenzinitiative, die sozusagen auch frisches Geld bringen muss, den FWF stärken werden.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.


Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Sie haben jetzt die National Science Foundation erwähnt, aber wir beide wissen ja, dass man das nicht gut verglei­chen kann, da die amerikanischen Unis sehr viel starke, echte private Drittmittel haben, die teilweise auch in die Grundlagenforschung gehen.

Sehen Sie es nicht als problematisch an, dass die Bewilligungsquote des FWF in den letzten paar Jahren so stark gesunken ist? Ist es nicht auch wahnsinnig dramatisch für die Forscher, die Anträge stellen, dass wegen eines einzigen Wortes, wenn es schon viele wirklich exzellente Anträge gibt, abgelehnt wird?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.



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Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Ja, natürlich, das ist auch eine Frage, die zur Frustration der Forscher und For­scherinnen führt, aber genauso, wie Sie gerade argumentiert haben, dass man nicht Äpfel mit Birnen vergleichen sollte und nicht den FWF mit der National Science Foun­dation, sage auch ich: Man kann nicht ungeprüft die DFG mit dem FWF vergleichen oder den Schweizerischen Nationalfonds mit dem FWF, denn wir haben unterschiedli­che Strukturen im Hintergrund. Das ist sicherlich einmal eine tiefergehende Erläuterung wert, nämlich zu schauen: Was geben die Staaten wirklich für Grundlagenforschung aus?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Kucher, bitte.


Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Herr Bundesminister, man sagt ja Politikern oft nach – aus meiner Sicht völlig zu Unrecht –, dass sie auf ganz konkrete Fragen nur schwammig oder kreativ antworten. Als Wissenschaftler, glaube ich, neigen Sie ja durchaus zu präzisen Antworten.

Deswegen jetzt meine ganz konkrete Frage: Im Zusammenhang mit den Verhandlun­gen zur höheren Dotierung der Grundlagenforschung in Österreich werden Sie sich ja ein ganz konkretes Ziel gesteckt haben, wie diese Dotierung aussehen soll. Meine Frage: Welches konkrete Ziel haben Sie sich, in Euro gerechnet, an jährlicher Steige­rung für die Dotierung der Grundlagenforschung denn vorgenommen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann (erheitert): Danke schön für diese Frage! Erwarten Sie jetzt wirklich die Antwort, dass ich aus meinem Innersten keine Mördergrube mache und Ihnen sage, was ich mir – in Euro und nach dem Komma auch noch ausgeführt erwarte? (Abg. Kucher: Ich wür­de mich freuen!) – Nein, das mache ich natürlich nicht, weil keiner, der Verhandlungen führt, vorher sagt, was er sich erwartet. Es ist aber klar – und ich habe es vorher in der Beantwortung der Frage gesagt –: Über die Exzellenzinitiative erwarte ich eine Stär­kung der Grundlagenforschung in einem nennenswerten Bereich. (Abg. Kucher: Das war jetzt sehr politisch!)

09.54.34


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 10. Anfrage, das ist jene der Abgeordneten Cox. – Bitte.


Abgeordnete Stephanie Cox, BA (JETZT): Aller guten Dinge sind drei. – Meine dritte Frage: Es gibt eine Studie von EIGE, die besagt, dass es bei einer Schließung des Gendergaps im Mint-Bereich – wir haben es schon gehört, Mathematik, Informatik, Na­turwissenschaften und Technologie; es geht also vor allem um diesen Bereich – bis 2050 EU-weit zu einer Erhöhung des Pro-Kopf-BIPs um 3 Prozent käme. Da spreche ich von 610 Milliarden Euro, das ist ja doch eine ziemliche Summe.

Jetzt ist von der FH Oberösterreich eine Studie herausgekommen, die besagt, dass neun von zehn jungen Frauen berichten, dass ihnen abgeraten und eher zu frauenspe­zifischen Berufen geraten wird. Dadurch trauen es sich circa 75 Prozent eigentlich nicht zu, zum Beispiel ein Informatikstudium zu machen.

Dazu meine Frage, da Sie ja auch vom Masterplan Digitalisierung gesprochen haben:

91/M

„Wird das Ermutigen von Frauen, einen MINT-Bildungsweg einzuschlagen, auch Teil des Masterplans Digitalisierung sein?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 30

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Die Ermutigung von Frauen, in den Mint-Bereich zu gehen, ist mir ein ernsthaftes und auch ein ernst zu nehmendes Anliegen, das ist überhaupt keine Frage. Ich weiß aber auch wie Sie, dass diese Überwindung von geschlechtsspezifischen Stereotypen – so­zusagen, unter Anführungszeichen, „Frauen sind für Mint-Fächer nicht geeignet“; was überhaupt nicht stimmt, denn ich habe unglaublich talentierte Studentinnen gehabt, die mathematisch begabt waren, wirklich ausgezeichnet – ein langer Prozess ist, an dem wir gemeinsam arbeiten müssen. Mein Haus arbeitet daran.

Wir haben auch im Rahmen der Hochschulkonferenz abermals einen Leitfaden heraus­gegeben, wir haben insbesondere auch die Fachhochschulen aufgerufen, die relativ ungünstige Geschlechterproportion durch aktive Maßnahmen zu verändern. Die Uni­versitäten informieren mit dem Projekt Frauen in die Technik und versuchen, aktiv Wer­bung zu betreiben.

Ich würde Sie ersuchen: Wenn Sie wirklich ernsthafte Hinweise darauf haben, dass Be­ratungsinstitutionen Frauen raten, nicht in technische Berufe zu gehen, dann sagen Sie es mir! Darüber müssen wir reden, auch mit jenen, die das tun.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Stephanie Cox, BA (JETZT): Sie haben gemeint, es ist ein Prozess – natürlich ist es ein Prozess, aber der muss irgendwann auch beginnen, und die Schule ist beispielsweise ein guter Ort dafür.

Deswegen noch einmal die Frage: Wird beim Masterplan Digitalisierung konkret etwas getan? Es gibt beispielsweise Projekte, bei denen man haptisch der Technologie nä­hergebracht wird, etwa durch Robotik oder durch eigenes Erstellen von technischen Materialien. Ist das auch im Masterplan Digitalisierung beinhaltet?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Wir werden sicherlich solche Querschnittsangelegenheiten – und Genderangelegen­heiten sind Querschnittsangelegenheiten, die quer durch unterschiedliche Disziplinen gehen – machen müssen, denn ich bin mit dieser ungleichen Proportionalität im Be­reich der Mint-Fächer genauso unzufrieden wie Sie. Da vergeben wir tatsächlich eine Chance. Wir brauchen die Einzelbeispiele, Projekte, die wir vor den Vorhang stellen, aber wir brauchen eben auch eine grundsätzliche Förderung in den Beratungsinstitu­tionen, Studienberatung, sodass Frauen verstärkt in die Mint-Fächer kommen.

09.58.09


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 11. Anfrage ist jene der Abgeordneten The­resia Niss. – Bitte.


Abgeordnete Dr. Maria Theresia Niss, MBA (ÖVP): Guten Morgen, Herr Minister! Um Österreich in eine gute Zukunft zu führen, gilt es, ein klares Ziel zu erreichen: Wir müssen Spitzenreiter in den Bereichen Forschung und Innovation werden. Um dorthin zu kommen und auch exzellente Forschungsarbeit leisten zu können, brauchen wir ei­nerseits sicherlich die besten Köpfe, wir werden aber auch eine Art Marke Forschungs­standort Österreich brauchen, um uns im internationalen Wettbewerb, vor allem mit China und mit den USA, zu positionieren.

Meine Frage ist daher:

84/M

„Was unternehmen Sie im Bereich der Forschungs- und Technologieentwicklung, um an Innovationsdynamik zuzunehmen und näher an die Innovation Leader heranzurü­cken?“



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 31

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Der Innovation Leader kommt ja vom European Innovation Scoreboard – ich würde nicht immer alles glauben, was vom European Innovation Scoreboard kommt. Das ist ein Indikator, der sich aus 25 Einzelindikatoren zusammensetzt, und bei manchen die­ser Einzelindikatoren kann man ruhig fragen: Was hat das mit Innovation zu tun?

Nichtsdestotrotz: Wir sollten, weil wir relativ viel an Forschungsinput haben, auch dafür sorgen, dass der Output entsprechend ist. Ich würde auch meinen, dass wir mit der Realisierung des FTI-Pakets, welches im Sommer auch noch als Ministerratsvortrag beschlossen wurde und im wesentlichen fünf Einzelmaßnahmen vorsieht, viel errei­chen können – über das Forschungsfinanzierungsgesetz, über die Exzellenzinitiative, aber auch über die Betonung der dritten Mission in den Universitäten, die das auch dankbar aufnehmen und sagen: Ja, wir sind auch verantwortlich dafür, dass aus klugen Erkenntnissen möglicherweise auch so etwas wie marktfähige Produkte entstehen.

Also dieses allgemeine Bewusstsein, Forschung nicht nur um der Forschung willen, sondern Forschung auch mit Impact zu betreiben, dringt zunehmend durch, und das ist schon eine Maßnahme, die ich auch konkret über die LVs veranlasst habe.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.


Abgeordnete Dr. Maria Theresia Niss, MBA (ÖVP): Sie haben schon den Minister­ratsvortrag vom August angesprochen, die „Zukunftsoffensive für Forschung, Techno­logie und Innnovation“. Da gibt es wichtige Bereiche, wie das Forschungsfinanzie­rungsgesetz oder die Exzellenzinitiative, aber eine der fünf Säulen ist auch die FTI-Strategie.

Meine Frage dazu: Gibt es schon konkrete Pläne für eine künftige Strategie 2030 be­ziehungsweise den Erstellungsprozess?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Ja, der Erstellungsprozess mit den Ministerien, die daran beteiligt sind – im Wesentli­chen BMVIT, BMDW und mein eigenes Haus –, ist im Laufen. Wir haben ja den FTI-Gipfel im Frühjahr geplant; dort sollen auch die nächsten strategischen Leitlinien for­muliert und veröffentlicht werden.

Insgesamt muss ich sagen: Es ist beachtlich, dass sich diese Bundesregierung ganz klar zum Forschungsland Österreich bekennt, und zwar durch symbolhafte Handlun­gen, aber auch durch ganz konkrete Handlungen, wie eine versuchte und angestrebte Erhöhung der Budgets für die Grundlagen-, aber auch für die anwendungsorientierte Forschung.

10.01.37


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur Frage 12, nämlich jener der Abgeordneten Kucharowits. – Bitte.


Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Guten Morgen, Herr Minister! Der Druck für die Schülerinnen und Schüler in der Schule wächst, und ich bin der Meinung, mit dem Pädagogikpaket, das wir ja heute auch auf der Agenda haben und diskutieren werden, wird dieser Druck noch mehr steigen – und das denke nicht nur ich, sondern auch Schülerinnen und Schüler –, wenn man daran denkt, dass wieder Leistungsgrup­pen etabliert werden, dass Ziffernnoten eingeführt werden, und an andere Vorhaben denkt – damit möchte ich auch zu meiner Frage kommen –, nämlich an die sogenann­ten Talente-Checks.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 32

Wie wollen Sie verhindern, dass die vorgesehenen Talente-Checks in der 3. und 7. Schulstufe, so wie sie auch im Ministerratsvortrag enthalten sind, nicht ein Akt einer Minimatura für Volksschülerinnen und Volksschüler werden?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 81/M, hat folgenden Wortlaut:

„Wie wollen Sie verhindern, dass die im Regierungsprogramm vorgesehenen Talente-Checks zu einer Art ,Mini-Matura‘ für VolksschülerInnen werden?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Ich möchte zweierlei aus Ihrer Fragestellung herauslesen. Das eine ist, diese standar­disierten Überprüfungen, die es ja schon bisher gab, wie die informelle Kompetenz­messung, werden weitergeführt, aber verändert. Ich will nicht mehr Tests haben, weil wir an die Schüler denken müssen, und es gibt schon genug Tests. (Beifall bei der ÖVP.)

Die vorhandenen Tests würde ich aber ausbauen und erweitern und auch mit dieser Frage von Talente-Checks kombinieren, also die informelle Kompetenzmessung in der 3. Klasse zu einer Kompetenz- und Potenzialmessung ausbauen, um auch konkrete Hinweise zu bekommen, wo bestimmte Talente und Potenziale liegen – aber nicht in einer solchen Art und Weise, dass wir skeptisch sein müssen. Das sind dann Tests, die vielleicht eine Schulstunde dauern, und sie haben nichts mit der Benotung zu tun. Es ist mir ganz wichtig, das zu betonen. Ich will jetzt keine Tests haben, die zu einer Be­notung führen!

Das ist auch ein Unterschied, wenn Sie so wollen, zur Standardisierten Reife- und Di­plomprüfung, zur Zentralmatura: Dort ist die allgemeine Testung auch gleichzeitig mit einer Note verbunden. Das wird hier nicht stattfinden.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.


Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Die Frage bezieht sich darauf, dass hier von einer stufenweisen Einführung dieser Tests geredet wird. Sie haben jetzt von einer Erweiterung und nicht Verstärkung von Tests oder einer Minimatura, so wie wir sie definiert haben, gesprochen, aber Sie sprechen eben, wie gesagt, von einer stufenwei­sen Implementierung ab dem Schuljahr 2019/2020.

Die Frage lautet: Wie schaut dieser stufenweise Prozess aus?, und vor allem auch: Wer wird involviert sein?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Stufenweise nennt man es deswegen, weil wir die Tests auch erst entwickeln müssen, dann anhand einer Stichprobe testen, ob die Tests auch reliabel und valide sind, und erst dann kann man zu einer Ausrollung kommen.

Daran beteiligt sind abermals unsere Schulpartner und ebenso natürlich das Bifie als jene Organisation, die die Tests ausarbeitet.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Rosen­berger.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 33

Abgeordneter Dipl.-Ing. Alois Rosenberger (ÖVP): Herr Bundesminister! Österreich ist bekannt für sein vielfältiges, hochdifferenziertes Schulsystem. Um diese Vorteile zu nutzen, sind wahrscheinlich zwei Dinge notwendig: Das eine ist eine Orientierungshilfe für die Bildungslaufbahnentscheidung – Sie haben die Talente-Checks erwähnt –, zum anderen die Durchlässigkeit.

Daher lautet meine Frage: Im pädagogischen Paket ist neben den Talente-Checks auch die Wiederholung der 10. Schulstufe verankert. Könnten Sie den Nutzen dieser Maßnahme: Wiederholen der 10. Schulstufe, darlegen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Minister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Ja. – Mir ist das freiwillige 10. Schuljahr eine wichtige Angelegenheit, denn es kann, wie ich auch schon bei einer anderen Anfragebeantwortung gesagt habe, passieren, dass man die Schulpflicht beendet, aber kein positives Endzeugnis, kein Schlusszeug­nis hat, und das ist natürlich dann sehr nachteilig, wenn man sich um Arbeitsplätze be­wirbt.

Also habe ich jetzt die Möglichkeit geschaffen, dass man noch ein freiwilliges 10. Schul­jahr mit einer zweiten Chance, ein positives Schlusszeugnis zu bekommen, machen kann. Das ist auch, glaube ich, eine ganz wesentliche Maßnahme sowohl zur Er­höhung der Durchlässigkeit als auch zur Erhöhung der Chancen von Kindern und Ju­gendlichen auf dem Arbeitsmarkt.

10.06.16


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 13. und letzten Hauptfrage, das ist jene des Abgeordneten Hafenecker. – Bitte.


Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Guten Morgen, Herr Bundesmi­nister! Mich würde Folgendes interessieren:

89/M

„Wie ist der aktuelle Umsetzungs-/Verhandlungsstand zu den EU-Forschungsprogram­men Horizon 2020 und Horizon Europe?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Ich danke für die Frage auch deswegen, weil es, glaube ich, immer gut ist, auch europäische Themen in einer Fragestunde zu besprechen, insbesondere im Bereich von Forschung und Entwicklung, weil das natürlich auch ganz vehement europäische Fragen sind.

Mit einem gewissen Stolz kann ich darüber berichten, dass es der österreichischen Ratspräsidentschaft gelungen ist, die Verhandlungen betreffend das nächste, das 9. Forschungsrahmenprogramm positiv abzuschließen. Es war vorletzte Woche am Freitag nach 8 bis 9 Stunden – alle waren schon müde –, als wir eine grundsätzliche Einigung der Mitgliedstaaten erzielt haben und das vorliegende Dokument zu Horizon Europe akzeptiert worden ist.

Horizon Europe ist ein tolles Forschungsrahmenprogramm mit zumindest 100 Milliar­den Euro für die Forschung und auch klug aufgebaut: auf der einen Seite Grundlagen­forschung, auf der anderen Seite eine gesellschaftlich relevante Forschung. Jetzt wer­den die Triloge beginnen, um das auch tatsächlich zu realisieren. – Das ist ein schöner Erfolg für Österreich. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Zanger.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 34

Abgeordneter.


Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Herr Bundesminister! Die For­schung mit Impact steht als oberstes Gebot auf der Agenda. Die Missions sollen die Brücke von der Grundlagenforschung hin zur Markteinführung schlagen.

Meine Frage: Was können Sie zu den vorgeschlagenen Missions seitens der Europäi­schen Kommission und dem entsprechenden Verhandlungsstand sagen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Die Missionen sind ein neues Element im 9. Rahmenprogramm. Dabei ist daran ge­dacht, große Forschungsprojekte zu lancieren, die sowohl anwendungsorientierte als auch Grundlagenforschung als auch Implementierungsforschung in einem Projekt ver­einen.

Dabei sollen ganz konkrete, wesentliche Dinge beantwortet werden. Ein bisschen so, wie Kennedy damals gesagt hat: Wir wollen auf den Mond kommen!, sagt die Kom­mission beispielsweise: Wir wollen den ersten universell einsetzbaren Quantencompu­ter erzeugen!, oder: Wir wollen Meere ohne Plastik haben! – Das ist ein schönes Bei­spiel. Große Projekte sollen also ausgeschrieben werden, um ganz konkrete Dinge zu meistern.

Welche konkreten Missionen es sein werden, kann ich jetzt noch nicht sagen, wir sind derzeit im Verhandlungsstadium, aber so etwas wie eben saubere Flüsse, Seen, Plastik aus den Gewässern herauszuholen, das ist schon so etwas, was eine Mission sein kann.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es folgt eine Zusatzfrage von Frau Abgeordneter Gamon, das ist gleichzeitig die letzte Frage. – Bitte.


Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Sehr geehrter Herr Minister! Es ist ja jetzt gerade auch wahnsinnig spannend, wenn man im Fernsehen mitverfolgt, was sich im britischen Unterhaus abspielt.

Wie sind die Perspektiven des Brexits in unterschiedlichen Varianten in die Verhand­lungen auch zu Horizon Europe eingeflossen, und wie schätzen Sie ein, wie proble­matisch es auch für den europäischen Hochschulstandort sein kann, zum Beispiel, wenn es dann schlussendlich noch einen Hard Brexit geben sollte?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Die möglichen Brexitauswirkungen wurden in den Verhandlungen nicht thematisiert. Wir haben mit den Vertreten des UK verhandelt, als ob es kein Morgen gibt.

Ich fand es auch sehr beachtlich, dass die Vertreter von Großbritannien sich aktiv und sehr konstruktiv an dem Verhandlungsprozess beteiligt haben. Man merkte an diesem Verhandlungsprozess auch richtig, dass man mit der Brexitsituation nicht ganz zufrie­den ist.

Wie auch immer der Brexit ausgehen wird, mit einer Übergangsphase oder ohne Über­gangsphase, es wird eine Nach-Brexit-Zeit geben, und alle meine Gespräche haben ganz, ganz deutlich gezeigt, sowohl Großbritannien als auch die europäischen Mit­gliedstaaten, beide wollen nach der Brexitzeit wieder zueinanderfinden. Wie auch im­mer diese Assoziation ausschauen wird, aber es wird, da bin ich mir ganz sicher, dazu kommen, weil Großbritannien am europäischen Forschungsraum teilnehmen möchte, aber auch unsere eigenen Forscher und Forscherinnen sagen: Das ist harte Konkur­renz! – Es ist aber besser, man hat eine harte Konkurrenz und wird besser, als man hat keine gute Konkurrenz. (Beifall bei der ÖVP.)



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 35

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich danke Herrn Bundesminister Faßmann für seine umfassende Beantwortung der Fragen recht herzlich. Es wurden alle Fragen ge­stellt, und daher ist die Fragestunde zu Ende.

10.11.32Einlauf und Zuweisungen


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsge­genstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsord­nung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Schriftliche Anfragen: 2407/J bis 2417/J

B. Zuweisung in dieser Sitzung:

zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Verkehrsausschuss:

Sicherheitsbericht 2017 gemäß §19 UUG 2005, vorgelegt vom Bundesminister für Ver­kehr, Innovation und Technologie (III-226 d.B.)

*****

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 7 und 8, 13 und 14 sowie 15 und 16 der Tagesordnung jeweils zusammenzu­fassen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Redezeitbeschränkung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde vereinbart, dass die Dauer der Debatten 7,5 „Wiener Stunden“ beträgt. So erge­ben sich folgende Redezeiten: für die ÖVP 139 Minuten, für die SPÖ und für die FPÖ je 124 Minuten und für NEOS und JETZT je 41 Minuten. Gemäß § 57 Abs. 7 der Ge­schäftsordnung beträgt die Redezeit für jene Abgeordneten, die keinem Klub angehö­ren, je 21 Minuten, wobei es eine Beschränkung auf 5 Minuten pro Debatte gibt.

Der Tagesordnungspunkt 1 – EU-Erklärung samt Debatte gemäß § 74 Abs. 1 lit. b der Geschäftsordnung des Nationalrates – ist nicht in die Tagesblockzeit einzurechnen.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über die dargestellten Redezeiten.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Einstimmigkeit. Ich danke.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Klub der NEOS hat gemäß § 93 Abs. 2 der Geschäftsordnung das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung ein­gebrachte schriftliche Anfrage 2417/J der Abgeordneten Meinl-Reisinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betref-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 36

fend „ein Jahr Regierung – ein Jahr vergebene Chancen für die Zukunft unserer Kin­der“ dringlich zu behandeln.

Der Aufruf und die Behandlung der Anfrage erfolgen um 15 Uhr.

Fristsetzungsantrag


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Weiters teile ich mit, dass Herr Abgeordneter Scherak beantragt hat, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den An­trag der Abgeordneten Strolz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein Bundes(verfas­sungs)gesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Partei­en [...] und das Bundesgesetz über Förderungen des Bundes für politische Parteien [...] geändert wird“, eine Frist bis 29.1.2019 zu setzen.

Der gegenständliche Antrag wird gemäß der Geschäftsordnung nach Beendigung der Verhandlungen in dieser Sitzung zur Abstimmung gebracht werden.

*****

Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, darf ich eine Schülergruppe der NMS Mü­nichholz in Steyr recht herzlich bei uns im Hohen Haus begrüßen. – Herzlich willkom­men! (Allgemeiner Beifall.)

10.14.181. Punkt

EU-Erklärungen des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 74b Abs. 1 lit b der Geschäftsordnung des Nationalrates zum Thema „Erfolge der österrei­chischen EU-Ratspräsidentschaft & zukünftige Herausforderungen der Europäi­schen Union“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Die Erklärung soll eine Dauer von insgesamt 25 Minuten nicht überschreiten. Im An­schluss findet eine Debatte statt.

Ich darf dem Herrn Bundeskanzler das Wort erteilen. – Bitte.


10.14.48

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Liebe Regierungskollegen! Vor allem aber sehr geehrte Damen und Herren Abgeord­nete! Ich freue mich, mit Ihnen heute über den österreichischen Ratsvorsitz und die Situation der Europäischen Union sprechen und diskutieren zu dürfen, aber erlauben Sie mir aus aktuellem Anlass und aufgrund der Geschehnisse gestern in Straßburg vielleicht noch ein paar Worte des Mitgefühls für die Angehörigen der Opfer dieser Tat. Ich glaube, gerade ein Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt in der Adventzeit ist etwas besonders Abscheuliches. Wir als Republik Österreich wünschen den Verletzten, dass sie möglichst schnell wieder gesund werden und genesen, und wir hoffen, dass die Be­hörden möglichst schnell den Täter fassen und ihn zur Rechenschaft ziehen können. (Beifall bei ÖVP, FPÖ und SPÖ sowie des Abg. Loacker.)

Es ist wichtig, dass wir in Europa uns gemeinsam für mehr Sicherheit einsetzen, dass wir nicht hinnehmen, dass solche Terroranschläge, dass Anschläge wie diese zur Nor­malität in Europa werden, auch wenn uns natürlich bewusst sein muss, dass es so et­was wie absolute, hundertprozentige Sicherheit niemals geben kann.

Es ist insgesamt eine sehr herausfordernde Zeit, in der wir uns befinden – nicht nur, was die Sicherheit betrifft, sondern vor allem auch, was das Umfeld der Europäischen


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 37

Union betrifft: Wir erleben seit Jahren Spannungen mit Russland, die durch die Ukrai­nekrise immer stärker und nicht weniger werden, wir erleben, dass in den USA die Situation für uns als Europäer unberechenbarer geworden ist und Freihandel, interna­tionales Recht oftmals infrage gestellt werden, und wir erleben innerhalb der Europäi­schen Union, dass es mehr und mehr an Spannungen und Gräben gibt – Rechtsstaat­lichkeitsverfahren in manchen Mitgliedstaaten, dass Maastrichtkriterien nicht mehr überall ernst genommen und akzeptiert werden, aber natürlich auch Spannungen in der Migrationsfrage, in der Verteilungsdebatte. Das ist keine leichte Situation für Eu­ropa.

Dass erstmals ein Land die Europäische Union freiwillig verlässt und dass es mit Großbritannien noch dazu ein Land ist, das eine Volkswirtschaft so groß wie die Hälfte der Mitgliedstaaten der Europäischen Union zusammen hat, das reißt natürlich ein riesiges Loch in die Europäische Union und macht uns schwächer und nicht stärker.

In dieser herausfordernden Gemengelage hat Österreich am 1. Juli den Ratsvorsitz in der Europäischen Union übernehmen dürfen. Wir sind nicht nur mit großem Engage­ment gestartet, sondern haben die ganze Zeit über gearbeitet, und ich möchte daher, bevor ich auf die Details eingehe, den Mitgliedern der österreichischen Bundesregie­rung, aber vor allem auch allen Beamtinnen und Beamten, insbesondere denjenigen, die uns in Brüssel in der Ständigen Vertretung vertreten, ein großes Danke sagen. Es ist ein enormer Einsatz der Politik, aber vor allem auch der Verwaltung in diesem Halbjahr gewesen. – Vielen Dank für die tolle Tätigkeit! (Beifall bei ÖVP und FPÖ so­wie des Abg. Plessl.)

Es ist, glaube ich, für Sie, sehr geehrte Damen und Herren, offensichtlich, dass die größte Herausforderung für die Europäische Union im Moment das Abwickeln des Brexits ist. Darüber hinaus haben wir uns aber während des Ratsvorsitzes bewusst auch ausgewählte Ziele gesetzt, bewusst Schwerpunkte gesetzt, die wir uns selbst aussuchen konnten und wollten.

Unter dem Motto: Ein Europa, das schützt, haben wir besonders auf drei Bereiche fo­kussiert. – Zum Ersten: Schutz ist natürlich Sicherheit und somit auch der Kampf ge­gen illegale Migration. Ein Europa, das schützt, muss aber auch den Lebensstandard, den wir in Europa aufgebaut haben, absichern, das bedeutet einen Fokus auf die Wett­bewerbsfähigkeit, auf die Wirtschaftskraft der Europäischen Union. Und ein Europa, das schützt, muss Sicherheit exportieren und nicht Unsicherheit importieren, das heißt ein Aktivwerden über unsere europäischen Gebiete, über unsere Grenzen hinaus am Westbalkan und in anderen Regionen dieser Welt.

Ich möchte beim ersten Punkt, bei der Migration meine Zufriedenheit darüber zum Aus­druck bringen, dass wir im Juni eine Trendwende auf europäischer Ebene eingeleitet haben, weg von der reinen Verteilungsdebatte, weg von der Blockade zwischen Vertei­lungsgegnern und Verteilungsbefürwortern hin zu einem Fokus auf andere Bereiche in der Migrationsfrage.

Nicht mehr nur die Debatte, wie wir mit Migranten innerhalb der Europäischen Union umgehen, sondern vor allem die Debatte, wie wir gegen illegale Migration ankämpfen, ist auch durch unser Bemühen in den Mittelpunkt gerückt.

Es ist im Juni mit den Beschlüssen, die wir im Europäischen Rat gefasst haben, eine Trendwende gelungen: ein Fokus nicht nur auf die Verteilung, sondern vor allem auf den Außengrenzschutz, auf die Zusammenarbeit mit Drittstaaten. Ich freue mich, dass es unter den Innenministern, unter dem Vorsitz von Innenminister Kickl, gelungen ist, dass eine Beschlussfassung betreffend Frontex zu deren Stärkung möglich geworden ist – insbesondere bei Rückführungen, aber auch, was die Kooperation mit Drittstaaten betrifft. (Zwischenruf des Abg. Plessl.) Was die Verteilungsdebatte betrifft, so ist es


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 38

doch aus unserer Sicht sehr positiv zu bewerten, dass die Kommission jetzt einen Vor­schlag vorgelegt hat, ein Papier, das fast zur Gänze unseren Vorschlägen zur ver­pflichtenden Solidarität entspricht.

Am wichtigsten in der Migrationsfrage ist aber wahrscheinlich die Zusammenarbeit mit den Transitländern. In diesem Zusammenhang bin ich froh, dass wir hier ein völlig neu­es Kapitel öffnen konnten: mit der Kooperation mit Ägypten, aber auch anderen nord­afrikanischen Staaten, die jetzt mehr und mehr selbst Rettungen durchführen, nach der Rettung im Mittelmeer die Menschen aber nicht nach Europa, sondern in die Tran­sitländer zurückbringen – mit dem Ergebnis, dass die illegale Migration nach Europa deutlich sinkt. Insgesamt – und ich glaube, Zahlen sind entscheidend – gibt es bei den Ankünften in der Europäischen Union im Vergleich zum Jahr 2015 einen Rückgang von 95 Prozent; und das Wichtigste: auch die Zahl der Todesopfer, der Menschen, die im Mittelmeer ertrinken, ist massiv zurückgegangen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir befinden uns nach langem Ringen über die Antwort auf die Migrationsfrage inner­halb der Europäischen Union seit dem Jahr 2015 endlich auf dem richtigen Weg. Wir befinden uns auf dem richtigen Weg, was die Zahlen betrifft, wir befinden uns politisch auf dem richtigen Weg – und ich gebe das Versprechen ab, dass wir uns auch über un­seren Vorsitz hinaus auf europäischer Ebene da weiter engagiert einbringen werden. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Neben der Migration war der zweite Schwerpunkt, den wir uns gesetzt haben, die Stär­kung der Wettbewerbsfähigkeit. Ich bin froh, was die Vollendung des digitalen Binnen­marktes betrifft, dass 85 Prozent der offenen Vorschläge zur Schaffung dieses digitalen Binnenmarktes positiv abgeschlossen werden konnten, unter anderem zum Beispiel die Regelung zum freien Verkehr von nicht personenbezogenen Daten, es gibt aber auch Fortschritte bei der digitalen Besteuerung mittels einer Werbeabgabe.

Weiters gibt es zahlreiche Maßnahmen im Bildungsbereich – Minister Faßmann ist Ih­nen gerade Rede und Antwort gestanden –, im Forschungsbereich, aber auch Pro­gramme wie Erasmus, die uns als Wirtschaftsstandort in Europa stärken und auch si­cherstellen, dass in Europa langfristig Wohlstand gegeben sein wird.

Der dritte Schwerpunkt, den wir uns gesetzt haben, das Engagement außerhalb unse­rer Grenzen, richtet sich aufgrund der österreichischen Tradition natürlich ganz beson­ders auf die Region des Westbalkans. Ich darf mich beim bulgarischen Premierminister Bojko Borissow und dem bulgarischen Ratsvorsitz bedanken, dass es uns in diesem Jahr gemeinsam, zunächst den Bulgaren und jetzt uns, gelungen ist, den Westbalkan wieder stärker auf das Radar der Europäischen Union zu bringen, den Westbalkan als Region auch wieder stärker in den Blick der Europäischen Union zu bringen.

Es konnten in diesem Jahr nicht nur zahlreiche Kapitel eröffnet werden, sondern es ist auch eine neue Dynamik, was die Annäherung dieser Region an die Europäische Uni­on betrifft, entstanden. Ich bin froh über diese Dynamik, denn ein Mehr an Sicherheit und Stabilität am Westbalkan, eine positive wirtschaftliche Entwicklung dort, das be­deutet unmittelbar positive Auswirkungen für uns in Österreich. Und unser Bekenntnis ist klar: Wir wollen die Staaten des Westbalkans in die Europäische Union bringen, und wir unterstützen sie auf diesem Weg während unseres Ratsvorsitzes und auch darüber hinaus. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Engagement über unsere Grenzen hinaus bedeutet nicht nur Engagement am West­balkan. Ein für die Europäische Union manchmal fast vergessener Kontinent ist der afrikanische Kontinent – ein Kontinent mit einer extremen Bevölkerungsentwicklung: Jetzt sind es über eine Milliarde Menschen, Mitte des Jahrhunderts werden es über zwei Milliarden, Ende des Jahrhunderts vier Milliarden Menschen sein. Es ist ein Kon­tinent, auf dem es in vielen Staaten ein durchaus positives Wirtschaftswachstum gibt,


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 39

aber die Dynamik eine noch schnellere sein muss, wenn wir wollen, dass sich die Le­bensbedingungen für die Menschen dort wirklich nachhaltig verändern.

Ich bin froh, dass es mit zahlreicher Unterstützung anderer Mitgliedstaaten in der Euro­päischen Union, mit Unterstützung von Kommissionspräsident Juncker und einigen Kommissaren, mit Unterstützung von Präsident Kagame, dem Präsidenten der Afrika­nischen Union, möglich ist, dass wir nächste Woche gemeinsam mit der Afrikanischen Union in Wien ein Wirtschaftsforum abhalten, wo knapp tausend Wirtschaftsvertreter anwesend sein werden, unter ihnen auch die CEOs der größten europäischen Unter­nehmen, mit dem klaren Ziel, wirtschaftliche Entwicklung in Afrika zu unterstützen. Ne­ben der klassischen Form der Entwicklungszusammenarbeit braucht es europäische Investments am afrikanischen Kontinent, damit sich die Lebensbedingungen der Men­schen dort verbessern, damit es Arbeitsplätze gibt und damit vor allem auch Ausbil­dungsplätze geschaffen werden. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich hoffe, dass wir mit diesem Wirtschaftsforum einen positiven Beitrag zu einer guten Entwicklung in den afrikanischen Staaten leisten können, denn die Menschen dort ha­ben es sich verdient, dass das Leid weniger wird und die Lebensbedingungen besser werden.

Darüber hinaus haben wir uns freiwillig einen Schwerpunkt im Bereich Kampf gegen Antisemitismus gewählt. Wir haben die erste europäische Konferenz zum Kampf gegen Antisemitismus abgehalten – nicht nur mit positiven Reaktionen aus den jüdischen Gemeinden quer durch Europa, sondern auch von vielen anderen, die sich bewusst sind, dass es unsere Aufgabe ist, gegen Antisemitismus anzukämpfen, gerade in einer Zeit, in der in Frankreich und anderen Staaten viele Jüdinnen und Juden sagen, dass sie nicht mehr in Sicherheit leben können.

Wenn jedes Jahr Tausende Jüdinnen und Juden Europa verlassen und nach Israel aufbrechen, weil sie sich in Europa nicht mehr sicher fühlen, dann sollte uns das nicht nur zu denken geben, sondern dann muss das ein Anstoß für unser Handeln sein. Ich bin froh, dass wir mit dieser Konferenz einen ersten Schritt machen konnten, um auf dieses Thema aufmerksam zu machen. Ich bin den Kolleginnen und Kollegen im Euro­päischen Rat, aber auch den Innen- und Justizministern dankbar dafür, dass unsere Erklärung dort auch angenommen wurde und somit hoffentlich ein stärkeres Augen­merk auf den Kampf gegen Antisemitismus gelegt wird – ganz gleich, ob noch immer vorhandenen oder neu importierten. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe einleitend schon gesagt, der Brexit ist für uns das größte Thema während des Ratsvorsitzes – nicht weil es uns Freude bereitet, dass ein Land aus der Europäischen Union austritt, sondern weil wir, wenn es schon zu diesem Austritt kommt, alles tun sollten, damit der Austritt möglichst geordnet statt­findet; und wir sollten vor allem alles tun, dass es auch nach dem Austritt ein gutes Mit­einander zwischen Großbritannien und der Europäischen Union gibt. Da geht es nicht nur um die Grenze zwischen Irland und Nordirland, die nie wieder zu einer harten Grenze werden darf, weil wir aus der Geschichte gelernt haben, wozu das führen kann, sondern da geht es vor allem auch darum, eine gute wirtschaftliche Kooperation, eine starke politische Kooperation, ein ordentliches Miteinander aufrechtzuerhalten. Groß­britannien verlässt die Europäische Union, aber es verlässt nicht Europa – und ein gu­tes Miteinander wird für uns entscheidend sein.

Es ist daher wichtig, dass wir auch während dieses Rates – ich werde mich im An­schluss an die heutige Sitzung auf den Weg nach Brüssel machen – noch einmal einen Anlauf nehmen und versuchen, mit Theresa May einen Weg zu finden, dass der Deal, der ein guter ist, der ausverhandelt wurde, auch im britischen Parlament Unterstützung findet. Wir werden das Austrittsabkommen sicherlich nicht aufschnüren, aber wir müs-


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sen uns bemühen, darüber hinaus, insbesondere was das zukünftige Verhältnis betrifft, einen Weg zu finden, der für beide Seiten ein guter ist.

Ich hoffe wirklich inständig darauf, dass sich in Großbritannien die vernünftigen Kräfte durchsetzen, dass es am Ende des Tages zu einer Unterstützung für diesen Deal kommt, ein Hard Brexit vermieden wird und somit der Schaden, der durch den Brexit ohnehin entsteht – für Europa, aber insbesondere für Großbritannien –, zumindest auf ein erträgliches Maß reduziert wird. Es werden noch intensive Wochen sein, was die Brexitdebatte betrifft.

Ich darf mich abschließend ganz besonders bei Michel Barnier bedanken, der ausge­zeichnete Arbeit geleistet hat, und ich hoffe, dass wir als Ratsvorsitzende ihn bei seiner Tätigkeit stets bestmöglich unterstützen konnten. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Es sind noch zwei intensive Wochen, die uns bis zum Ende des österreichischen Ratsvorsitzes bevorstehen. Wir werden bis zum letzten Tag alles geben. Als überzeugter Europäer ist es nicht nur eine intensive Tätigkeit, sondern, ich gebe zu, auch eine wunderschöne Tätigkeit, wenn man auf europäischer Ebene einen Beitrag leisten kann. – Vielen Dank an alle, die uns hier unterstützt ha­ben. (Anhaltender Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

10.31


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich danke dem Herrn Bundeskanzler und darf die Gruppe der NMS Scharnstein, die mit insgesamt 60 Schülerinnen und Schülern hier ist, herzlich im Hohen Haus willkommen heißen. (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gelangt der Herr Vizekanzler. – Bitte.


10.31.31

Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf auch alle Zuseher auf der Galerie recht herzlich begrüßen! Ja, der EU-Ratsvorsitz, das letzte halbe Jahr war eine durchaus sehr, sehr spannende Herausforderung. Be­reits zum dritten Mal hat Österreich diesen Ratsvorsitz innegehabt. Wir als ein Land, das im Herzen Europas liegt, sind natürlich auch mit dem Anspruch angetreten, grund­sätzlich auf Basis unserer Neutralität Brückenbauer und Vermittler bei schwierigen Fra­gen zu sein.

Der Herr Bundeskanzler hat es in seiner Rede erwähnt, es hat unzählige Veranstaltun­gen gegeben. Im Rahmen des Ratsvorsitzes gab es 300 Veranstaltungen, die in Öster­reich stattgefunden haben. An allen Vorsitzveranstaltungen nahmen nach derzeit vor­liegenden Schätzungen über 80 000 Delegierte teil, 51 000 aus dem Inland, 29 000 aus dem Ausland. Da gilt natürlich vor allen Dingen der Dank den Beamten, die hier großartige Arbeit geleistet haben. (Abg. Wöginger – auf einen Kameramann auf der Besuchergalerie deutend in Richtung Präsident Sobotka –: Wolfgang, der filmt runter! – Präsident Sobotka macht eine Geste in Richtung Besuchergalerie.)

Wenn wir die Zahlen, die uns nach dem Ratsvorsitz vorliegen, bewerten, sind da rund 135 Millionen Euro zum Bruttoinlandsprodukt beigetragen worden. Das ist etwas Schö­nes, da hat vor allen Dingen der Tourismus profitiert, nämlich mit indizierten Ausgaben von insgesamt rund 54 Millionen Euro. Das ist, wenn es um den Wirtschaftsfaktor Gastronomie und Beherbergung geht, ein Gewinn, da zählt der Tourismus natürlich zu den Topgewinnern.

Wir haben den Gästen natürlich auch ein schönes, kulturelles Programm geboten. (Heiterkeit bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.) Erst gestern konnten wir im Rah­men des Treffens der EU-SportdirektorInnen, die wir zu einem Abendessen begrüßen durften, ein wundervolles Ambiente im Naturhistorischen Museum ermöglichen. Das


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war für mich als Sportminister ein schöner Abschluss des Ratsvorsitzes, da wir ja auch im Bereich der Innovation und im Sinne einer sozioökonomischen Betrachtung für den Sport etwas weitergebracht haben. (Anhaltender Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Neuerli­che Heiterkeit bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

Auch wenn Sie lachen: Sport hat eine Bedeutung. Die Bedeutung ist Ihnen vielleicht nicht bewusst, aber mit 6 Prozent Anteil am Bruttoinlandsprodukt trägt der Sport maß­geblich zur Wirtschaft in dem Land bei, sogar stärker als die Bauwirtschaft, und so ge­sehen ist das eine Kraft. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Bis dato ist der Sport bei meinen Amtsvorgängern immer nur als Beiwagerl mitgeschleppt worden. Das ist et­was, was ich ändern will, weil es beim Sport einfach einen gesellschaftspolitischen An­spruch gibt, dass er nämlich verstärkt in den Mittelpunkt gerückt wird. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Der Sport ist nicht nur Motor für Wirtschaftswachstum und Gesundheit in diesem Land, um Kosten zu ersparen, sondern wir haben die verdammte Verantwortung, endlich wieder bei den Kindern anzusetzen, nämlich dafür Sorge zu tragen, dass endlich die tägliche Turnstunde wieder abgehalten wird – und das auf europäischer Ebene. Da ha­ben wir im Rahmen des EU-Ratsvorsitzes die Schlussfolgerungen zur wirtschaftlichen Dimension und zur sozioökonomischen Entwicklung des Sports umgesetzt.

Generell stand der Vorsitz ja unter dem Motto: Ein Europa, das schützt; und das war wesentlich, denn es ist in den letzten Jahren durch Fehlentwicklungen zu der Situation gekommen, dass das Vertrauen der Bürger in die Europäische Union, in die Institu­tionen durchaus gelitten hat, weil der Außengrenzschutz leider Gottes nicht erfolgreich gelebt wurde.

Es gibt im europäischen Grenzschutzbereich und auch im Bereich der Küstenwache Maßnahmen, die im Sinne einer Bewusstseinsveränderung vorangetrieben worden sind, zum Beispiel wurde ein Maßnahmenpaket zur Schlepperbekämpfung verabschie­det. Das war auch im Paket der Frontex, bei der vieles in die richtige Richtung läuft. Unter dem österreichischen Vorsitz haben wir auch Trilogverhandlungen zum Schen­gener Grenzkodex sichergestellt, um die Möglichkeiten zur zeitlichen Ausdehnung der Binnengrenzkontrollen zu evaluieren, denn das ist notwendig. Wenn es um die innere Sicherheit in Österreich geht, nimmt uns niemand die Entscheidung ab, da haben wir in Österreich die Verantwortung für die österreichische Bevölkerung, die notwendige Si­cherheit auch herzustellen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Darüber hinaus soll auch das Europäische Asylunterstützungsbüro zu einer Europäi­schen Asylagentur mit mehr Kompetenzen entwickelt werden. Ich darf mich beim In­nenminister dafür bedanken, dass er betreffend diesen Bereich sehr, sehr massiv in der Europäischen Union verstärkt Bewusstsein geschaffen hat – wenn es um operative und auch technische gegenseitige Unterstützung der Mitgliedstaaten geht, wenn es darum geht, Asylverfahren rascher, besser durchzuführen und Sekundärbewegungen zu verhindern. Und ich sage, das ist genau der Punkt: Wir müssen weg aus der Sack­gasse der Zwangsverteilung, die vormals in der Europäischen Union als Credo ausge­geben wurde! Danke an den Innenminister, dass er in diesem Sinn auch einiges wei­tergebracht hat. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Die Angleichung von Schutznormen bei Asylverfahren soll zu Verhinderung von Asyl­shopping führen und wurde vom Großteil der Staaten in der Europäischen Union be­reits befürwortet. Das zeigt, dass das in die richtige Richtung geht und wir, von Öster­reich ausgehend, da im positiven Sinn einiges an Bewusstseinsarbeit und Veränderung der ursprünglichen Ideen sichergestellt haben.

Beim Kampf gegen Antisemitismus ist mit der Antisemitismuskonferenz in Wien, die im November stattgefunden hat, etwas sehr, sehr Positives gelungen. Unter unserem


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Ratsvorsitz, nämlich dank Innenminister Herbert Kickl, wurde die Entwicklung eines ge­meinsamen Sicherheitskonzepts für einen besseren Schutz der jüdischen Gemein­schaften und Einrichtungen in Europa angestoßen, und letzte Woche wurde dank des Innenministers, der auch da den Anstoß gegeben hat, eine von uns vorgeschlagene Ratserklärung zur Bekämpfung des Antisemitismus im Rat der Innenminister angenom­men. Darin werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, ganzheitliche Strategien zur Ver­hütung und Bekämpfung aller Formen von Antisemitismus zu entwickeln. Das ist ge­rade im Gedenkjahr 2018 ein ganz wesentlicher und wichtiger Erfolg, der auch weltweit von den jüdischen Organisationen begrüßt wurde. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Der österreichische Ratsvorsitz hat auch im sozialen Bereich konkrete Ergebnisse ge­liefert. Letzte Woche konnte beim Rat der SozialministerInnen eine Einigung zur Euro­päischen Arbeitsagentur erzielt werden. Die Agentur wird die Mitgliedstaaten bei einer besseren Anwendung der arbeitsrechtlichen Vorschriften unterstützen. Im Oktober wur­den die Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament zu einem besseren Schutz der Arbeitnehmerinnen und der Arbeitnehmer vor acht krebserregenden Stoffen erfolg­reich abgeschlossen. Mit dieser Regelung wurden erstmals auch Grenzwerte bei Ab­gasemissionen von Dieselmotoren festgelegt.

Letzte Woche legte der Rat seine Position für die Verhandlungen mit dem Europäi­schen Parlament zu diesen neuen Grenzwerten für über fünf krebserregende Stoffe am Arbeitsplatz fest. Auch das passt gut in das Motto: Ein Europa, das schützt; denn wir schützen auf allen Ebenen. (Zwischenruf des Abg. Scherak.) Wir haben die Verant­wortung, Grenzen zu schützen, die Verantwortung, Kriminalitätsbekämpfung, Terroris­musbekämpfung sicherzustellen, aber auch die Sicherheit am Arbeitsplatz ist ein ganz wesentlicher Aspekt.

Auch im Bereich der barrierefreien Entwicklung ist einiges sichergestellt worden, be­treffend Vorschriften zu harmonisierten rechtlichen Standards für barrierefreie Produkte und Dienstleistungen im Informations- und Kommunikationstechnologiebereich sind Beschlüsse gefasst worden. Das betrifft vor allen Dingen barrierefreie Geldautomaten, Ticket-, Check-in-Automaten, Computer, Telefone, Smartphones und Verkehrsdienste. Das Ergebnis ist wesentlich, denn das betrifft, wenn es um Verbesserungen für Men­schen mit Behinderung in der Europäischen Union geht, 80 Millionen Menschen, die mit einer Behinderung leben und für die wir auch eine Verantwortung haben. Auch in diesem Bereich haben wir das im Rahmen des EU-Ratsvorsitzes sehr gut umgesetzt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Mit der Einrichtung der Europäischen Arbeitsagentur ELA soll im Zusammenhang mit der Freizügigkeit von Arbeitnehmern und Dienstleistungen auch die Fairness im Bin­nenmarkt gewährleistet werden. Durch die ELA sollen nicht nur Einzelpersonen und Unternehmen, sondern auch nationale Behörden bei der Durchsetzung des relevanten EU-Rechts im Bereich der grenzüberschreitenden Arbeitskräftemobilität vor allem in den Bereichen der Entsendung und Freizügigkeit unterstützt werden, und auch da sind wir tätig gewesen.

Betreffend Verkehr konnte letzte Woche im Rat ein Durchbruch beim sogenannten Mo­bilitätspakt erzielt werden. Das Paket umfasst zahlreiche Maßnahmen zum Ressortbe­reich Straßenverkehr. Da geht es um den Marktzugang, um faire Vorschriften für Fahrer und Transportunternehmen, aber auch um wirksame Kontrollen für nationale Behörden; und es geht vor allen Dingen um die Sicherstellung von besseren Arbeitsbe­dingungen sowie um mehr Rechtssicherheit für Unternehmen, die natürlich in mehre­ren Mitgliedstaaten tätig sind. Es wird mit der Einführung von intelligenten Fahrten­schreibern bessere Instrumente zur Durchsetzung von bestehenden Regeln geben, damit kann genau geprüft werden, wann und wo ein Lkw eine Grenze überquert und wo die Be- und Entladung des Fahrzeuges stattfindet.


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Ich darf daher für diesen Bereich dem österreichischen Vorsitzführenden Norbert Hofer für sein Engagement und für seine umsichtigen Verhandlungen Dank aussprechen – die nämlich auf europäischer Ebene auch von allen mitgetragen worden sind. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Es gelang unter dem EU-Ratsvorsitz auch, die Beziehungen zu unseren Partnern und die Nachbarschaftsbeziehungen weiter zu vertiefen und auszubauen. Ein wesentlicher Aspekt ist gerade der Balkan, der auch vom Herrn Bundeskanzler angesprochen wur­de. Es ist uns wichtig, diese Länder zu unterstützen, eine Heranführungshilfe an die Europäische Union zu leisten, aber auch die Zusammenarbeit zu vertiefen.

Es hat dazu vom Innenminister eine Ministerkonferenz zum Thema Sicherheit und Mi­gration – Förderung von Partnerschaft und Resilienz gegeben. Diese fand im Septem­ber in Wien mit fünf Mitgliedern und fünf Staaten des Westbalkans statt. Ein Abkom­men zur Stärkung der Polizeikooperation zum automatischen Datenaustausch in Si­cherheitsfragen ist dort gelungen, wurde unterzeichnet. Dies stellt einen wesentlichen und wichtigen Schritt zur Stärkung der Partnerschaft mit unseren Nachbarn dar, aber auch wenn es um die Anhebung der Sicherheit geht – denn da haben wir in diesem Jahr die Verantwortung durch die Vertiefung der Zusammenarbeit mit den Staaten am Balkan gelebt. Es ging auch darum, das notwendige und wichtige Frühwarnsystem si­cherzustellen, um, wenn es wieder zu Entwicklungen wie im Jahr 2015 kommen sollte, diese frühzeitig zu erkennen und aufgrund der engen Zusammenarbeit und Koopera­tion mit den Balkanstaaten auch rechtzeitig abfangen zu können und nicht wieder so hilflos ausgeliefert zu sein, wie es im Jahr 2015 der Fall gewesen ist. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Während des Vorsitzes fand Ende Septem­ber auf Einladung von Verteidigungsminister Mario Kunasek ein Verteidigungsgipfel zwischen Österreich, Albanien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Montenegro und Serbien statt, und auch da ist eine enge Kooperation gelungen, nämlich bei der Zu­sammenarbeit der grenzüberschreitenden Katastrophenhilfe und wenn es um den Auf­bau von Kapazitäten des Grenzschutzes geht. Natürlich ist das in Zusammenarbeit mit den Sicherheitsressorts auch über das Verteidigungsressort notwendig und ein ganz wesentlicher Schritt, für den ich unserem Verteidigungsminister Dank aussprechen darf.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Österreich hat sich mit dem dritten Ratsvor­sitz auf die Bereiche konzentriert, die umsetzbar sind. Man hat ein halbes Jahr Zeit, und in einem halben Jahr kann man weder die Welt neu erfinden, noch kann man die größten Felsen bewegen. Man kann da oder dort Anstöße sicherstellen, Bewusstseins­veränderung möglich machen und da oder dort ganz konkrete Dinge in Umsetzung bringen. Darauf haben wir uns konzentriert, nämlich auf das Mögliche, das zu errei­chen ist, und auf konkrete Ergebnisse, die uns auch gelungen sind.

Diese Arbeit endet für uns jetzt nach diesem Halbjahr natürlich nicht, denn es bleibt vieles weiter zu behandeln, und gerade im Bereich der Sicherheit und Migration gibt es trotz der Fortschritte noch viel zu tun. Da muss auch von unserer Seite weiter Druck aufgebaut werden, damit wir da auch wirklich endlich eine befriedigende Sicherheitska­pazität erreichen – vor allem, wenn es um diese dramatischen Entwicklungen, die der Herr Bundeskanzler auch angesprochen hat, geht, nämlich dass es leider immer wie­der zu terroristischen Bedrohungen in Europa kommen kann, so wie aktuell in Straß­burg.

Ich darf den Opfern mein tiefstes Bedauern ausdrücken und vor allen Dingen den An­gehörigen der Opfer mein Beileid zum Ausdruck bringen, denn wir sind davor nicht ge­feit und wir haben eine Verantwortung, dass die Österreicher gerade in der friedlichen


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Vorweihnachtszeit sicher und ohne Sorge mit ihren Familienmitgliedern und Angehö­rigen auf Christkindlmärkten unterwegs sein können, ohne Angst haben zu müssen – und genau dieser Verantwortung betreffend Sicherheit wollen wir gerecht werden. (An­haltender Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

10.45


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich danke auch dem Vizekanzler für seine Ausführungen.

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein. Laut Geschäftsordnung stehen jedem Redner 10 Minuten und jeder Fraktion insgesamt 25 Minuten zu.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Rendi-Wagner. – Bitte. (Abg. Kuntzl: Klubobfrau!)


10.45.32

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Minister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben es heute mehrmals gehört: „Ein Europa, das schützt“! – Das war oder ist noch immer der klingende Titel der österreichischen Ratspräsident­schaft.

Nun gut, stellen wir einmal die These auf, dass dieser programmatische Titel richtig oder gut gewählt wäre. (Abg. Steger: Das können Sie ruhig zugeben!) Dann stellt sich die Frage: Wen wollten oder wollen Sie schützen? – Die fleißigen Unternehmerinnen und Unternehmer in Europa vor der Steuerflucht großer multinationaler, internationaler Unternehmen? Die Bauern in Europa, in Österreich vor ihren verdorrten Feldern beziehungsweise großen Überflutungen infolge der Auswirkungen des Klimawandels? Die Jugend in unserem Land vor den prekären Arbeitssituationen und unsicheren Be­dingungen? Die arbeitenden Menschen in Europa vor mehr Druck und schlechteren Lebenshaltungskosten? Wenn ja, welche konkreten Maßnahmen haben Sie hier in den letzten fünfeinhalb Monaten vorangetrieben?

Sie haben es angesprochen, Herr Bundeskanzler, Sie haben versprochen, dass die Sicherung des Wohlstands durch Digitalisierung ein Schwerpunkt Ihrer Politik ist und weiterhin sein wird. Die Ergebnisse, die wir hier sehen, sind wenige bis keine. (Abg. Steger: Warum? Zum Beispiel?) Sie haben auch versprochen – und auch das haben Sie gesagt –, die Migration in den Mittelpunkt Ihrer Ratspräsidentschaft zu stellen. Die Frage ist: Was ist Ihnen hier konkret gelungen? – Bei der Hilfe vor Ort, bei der Be­kämpfung der Fluchtursachen und auch bei den Rückführungsabkommen gibt es aus unserer Sicht keinen wesentlichen Fortschritt, ganz im Gegenteil. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten von JETZT.)

Die Mittel, die für eine nachhaltige und effektive Hilfe vor Ort notwendig wären, wurden von Ihnen im Vorfeld gekürzt – wohl auch nicht das Vorbild, das von einer Ratspräsi­dentschaft ausgehen sollte. (Abg. Wöginger: Jessas na!) Den UN-Migrationspakt, einen ersten internationalen Versuch, das Problem der Migration gemeinsam zu lösen, haben Sie nicht unterzeichnet. (Ruf bei der FPÖ: Das war gut so!) Bei der Kontrolle
der Außengrenzen haben Sie nichts erreicht, versprochen wurden zusätzliche 10 000 Grenzschutzbeamte, die, wie wir in den letzten Tagen hören, erst 2027 kom­men, sieben Jahre später als geplant. Bei all dem kommt wirklich der Gedanke auf: Noch nie hat eine Bundesregierung so viel versprochen und so wenig gehalten! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten von JETZT. – Abg. Neubauer: ... mutig! So ein Blödsinn!)

Auch in der Sozialpolitik ist nicht sehr viel geschehen. Sie haben vor einigen Monaten einen Sozialministerrat abgesagt, übrigens ein einmaliger Vorgang in der Geschichte der Ratspräsidentschaften. Sie haben keine substanziellen sozialpolitischen Maßnah-


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men gesetzt, Sie haben nichts getan, um die Arbeitsbedingungen der Menschen in Eu­ropa, in Österreich zu verbessern. (Abg. Winzig: In Österreich sind sie eh gut! ... Un­terstellung!)

Die Spekulationssteuer auf Finanztransaktionen wurde unter Ihrer Ratspräsidentschaft entgegen den Bemühungen sämtlicher ÖVP-Finanzminister in der Vergangenheit ein­fach abgesagt. Die Digitalisierungssteuer wurde groß angekündigt und nicht umge­setzt. Das heißt, große multinationale Unternehmen kommen einfach weiter damit durch, keine beziehungsweise minimale Steuern zu zahlen, während jeder Arbeitneh­mer, jede Arbeitnehmerin in Österreich monatlich ihre Einkommenssteuer von ihrem Lohn zahlt. Natürlich werden auch die kleinen Unternehmen in Österreich voll besteu­ert, nicht aber die großen, die jährliche Milliardenumsätze machen.

Welche Maßnahmen haben Sie im Bereich des Lohn- und Sozialdumpings gesetzt? – Auch da haben Sie keine gesetzt.

Nach all dieser Auflistung daher nochmals die Frage: Wen wollten Sie eigentlich schüt­zen und was haben Sie damit erreicht? Es wird Sie nicht verwundern, dass unsere Bilanz eine gänzlich andere ist, sie ist signifikant anders als die, die wir soeben von Bundeskanzler und Vizekanzler gehört haben. Sie haben nichts dafür getan, dass Europa in den zentralen Fragen vorankommt. FPÖ-Staatssekretär Fuchs hat gestern in einer Debatte zum Thema Mieten und Wohnen hier im Hohen Haus versucht, sehr of­fen zu erklären, warum auf europäischer Ebene alles so schwierig ist, warum alles ein bisschen langwierig und daher fast unmöglich ist. Meiner Ansicht nach hat er damit eigentlich mit entwaffnender Offenheit eines beschrieben: nichts tun. Ja, es ist alles ein bisschen mühsam, man hat keine Durchsetzungskraft auf europäischer Ebene. (Abg. Ro­senkranz: Im Gegensatz zur SPÖ! – Zwischenruf des Abg. Hauser.)

Na ja, die FPÖ und Europa – das ist überhaupt ein eigenes Kapitel, wie wir alle aus der Vergangenheit und auch aus den letzten Monaten wissen. (Abg. Rosenkranz: Auf Sie warten sie auch in Brüssel!) – Herr Rosenkranz, ich glaube, Sie haben heute noch Ihre Redezeit. (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie der Abg. Zadić.)

In der Regierung angekommen hat die FPÖ offenbar plötzlich jeglicher Mut verlassen. Der FPÖ-Innenminister erklärt, warum es noch sieben Jahre dauert, bis wir zusätzli­chen Grenzschutz in Europa bekommen (Zwischenruf des Abg. Hauser), obwohl er es jetzt im Rahmen des Ratsvorsitzes in der Hand gehabt hätte. Manche werden sagen, die FPÖ ist endlich in der Realität angekommen (Abg. Wöginger: Die SPÖ leider noch nicht!), andere würden sagen, sie ist im Liegen umgefallen und gibt auch in der Euro­papolitik den Steigbügelhalter für die ÖVP. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Noll. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ein Europa, das schützt: Wissen Sie, sehr geehrte Bundesregierung, wovor Europa wirklich Schutz braucht? – Vor Ihren leeren Versprechungen, sehr geehrte Herren Bun­deskanzler und Vizekanzler. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Noll und Rossmann.) Europa und Österreich brauchen Schutz vor türkiser Tatenlosigkeit und freiheitlicher Mutlosigkeit.

Ich sage Ihnen, was man von Ihnen erwartet hätte (Abg. Wöginger: Da war der Kern schon besser!), nämlich dass Sie ehrlich sind, das Machbare in den Vordergrund stellen und dass Sie sich dafür auch unermüdlich einsetzen – nicht so wie Ihr Kollege, der gestern hier von der Regierungsbank aus erklärt hat, dass alles so kompliziert ist und was alles auf europäischer Ebene nicht geht.

Kein einziger EU-Mitgliedstaat kann alleine alles verändern, das ist uns völlig klar (Abg. Wöginger: Holt den Kern zurück!), aber man muss sich dafür einsetzen, man muss dafür arbeiten, man muss dafür verhandeln und nicht nur ankündigen. Genau darum geht es: einfach tun! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)


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Europa zu schützen, heißt aus unserer Sicht, den Wohlstand zu ermöglichen, heißt, die Ängste zu nehmen, heißt, für Sicherheit zu sorgen, heißt, für Zuversicht zu werben und heißt, für Gerechtigkeit einzutreten. Europa zu schützen, heißt, sich für das gemeinsa­me Europa einzusetzen und für ein Europa, das die Menschen stolz darauf macht, was sie in den letzten Jahren, in den letzten Jahrzehnten erreicht haben. (Abg. Wöginger: Im Pensionistenverband ...!) Es heißt, sich für ein Europa einzusetzen, das der Welt ein Vorbild ist, und für ein Europa, dem die Menschen am Ende des Tages vertrauen, denn nur ein starkes Europa kann seine Menschen auch schützen. Sie hatten die Chance im Rahmen der EU-Präsidentschaft der letzten Monate (Abg. Hauser: Und wir haben sie genützt!), und Sie haben diese Chance nicht genützt! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić. – Abg. Wöginger: Jessas na!)

10.54


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Lopatka. – Bitte. (Abg. Wöginger: Holt den Kern zurück! – Ruf bei der ÖVP: Die Opposition ist entsetzt! – Abg. Greiner: Tut einmal zuhören lernen! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)


10.54.32

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das, was uns von der Re­gierungsspitze heute gesagt worden ist, verdient Anerkennung, das war eine beeindru­ckende Bilanz. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Das, was Sie, Frau SPÖ-Vorsitzende, jetzt gesagt haben, hat mich in Wirklichkeit nicht überrascht. Ich habe mir von Ihnen natürlich kein Lob erwartet, aber eine faire Beurtei­lung dieser Präsidentschaft (Abg. Drozda: Das war mehr als fair, Sie wissen es!) hätte Ihrer Glaubwürdigkeit gutgetan, Frau Vorsitzende! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Sie müssen sich einmal entscheiden, was Sie eigentlich wollen, denn für mich ist das nicht klar geworden. Wenn Bundesminister Löger auf EU-Ebene dafür kämpft, dass Großkonzerne entsprechend besteuert werden, dann übersehen Sie das geflissentlich. Wenn Bundesminister Kickl notwendige Abschiebungen vornimmt, dann ist es die SPÖ, die das kritisiert.

Jetzt sagen Sie, dass wir da zu wenig tun. Was wollen Sie? (Abg. Drozda: Es sind die Vorarlberger, die kritisieren! Die Vorarlberger waren das!) Einerseits sprechen Sie Bun­deskanzler Kurz dahin gehend an, dass Sie sagen, er zerstört den Zusammenhalt im Land, und andererseits sagen Sie: Er tut nichts. – Ja, Sie müssen sich entscheiden, wie Sie das sehen, entweder er tut etwas oder er ist als Zerstörer unterwegs. (Heiter­keit bei der ÖVP.) Das Problem der Sozialdemokratie ist, dass nicht nur ich sie nicht verstehe, sondern dass auch die Menschen im Land sie immer weniger verstehen. Das ist Ihr Problem. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Eines muss man schon sagen: Diese dritte Präsidentschaft – ich durfte auch bei den anderen schon mitarbeiten – findet unter den schwierigsten Rahmenbedingungen statt. Blicken Sie nach Frankreich! Frankreich versinkt im Demonstrationschaos, und jetzt kommt der Terrorschock dazu. Präsident Emmanuel Macron war der leuchtende Stern (Zwischenruf des Abg. Rädler– wo ist er jetzt? Die Tageszeitung „Die Presse“ titelt heute: „Das Ende des Reformpräsidenten“.

Schauen Sie nach Großbritannien! Die Regierungschefin und auch der Oppositions­chef kämpfen um ihr Überleben. Vor kurzer Zeit haben Sie sich noch mit Labour-Vor­sitzendem Corbyn ablichten lassen, letztes Wochenende waren Sie gemeinsam mit ihm in Portugal. – Es gibt kein Konzept für die Zukunft der zweitgrößten Volkswirt­schaft! (Zwischenrufe der Abgeordneten Klaus Uwe Feichtinger und Scherak.)


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Ja, und weil sich die NEOS auch melden: Schauen wir nach Belgien unter liberaler Führung! Dort herrscht Chaos in der Regierung. (Abg. Meinl-Reisinger: Das sind die Nationalisten, die das Chaos verursachen!) Die Regierung dort ist am Ende, weil sie das Gegenteil der österreichischen Regierung ist. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Diese Regierung in Österreich weiß, was sie bei der Migration will. Bei der österreichi­schen Bundesregierung haben die Menschen die Sicherheit, gerade in dieser schwie­rigen Migrationsfrage, denn die österreichische Bundesregierung steht in dieser Frage hinter ihnen. Die belgische Regierung scheitert gerade an diesem Thema.

In Schweden – lange das Vorbild der Sozialdemokratie – versuchen Sozialdemokraten seit 9. September, eine Regierung zu bilden. Vor zwei Tagen ist der vierte Versuch ge­scheitert. – Ja, das ist das Umfeld, in dem wir arbeiten müssen.

Was geschieht in Italien bezüglich des Budgets? (Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger.) – Die EU-Kommission sieht die Situation für die gesamte Eurozone so dramatisch, dass sie Stopp sagt. – So ist das Umfeld, in dem diese Ratspräsident­schaft stattfindet. Und unter diesen Voraussetzungen ist Großartiges geleistet worden, wozu ich nur gratulieren kann. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Drozda: Ja, genau!)

Viele Menschen bei uns übersehen dieses Umfeld, weil sich Österreich so positiv ab­hebt. Bei uns gibt es Gehaltsabschlüsse wie sonst nirgends in Europa. In den Jahren davor konnten wir auch nicht solche Gehaltsabschlüsse in Österreich zustande brin­gen. Oder der Familienbonus Plus: Wo sonst in Europa gibt es eine solche Entlastung für die Menschen? (Abg. Drozda: Du bist auch leicht zu begeistern, muss man sagen!)

Genau in der entscheidenden Frage, in der Migrationsfrage, ist es dieser Bundesregie­rung gelungen, den Fokus auf die Außengrenzen zu legen. (Abg. Drozda: 2027!)

Und weil Sie Frontex gesagt haben: Da ist viel erreicht worden. Es ist erreicht worden, dass man endlich davon wegkommt, dass Flüchtlinge quasi über Frontex nach Europa gebracht werden. Am Freitag wird von den Staats- und Regierungschefs einstimmig der Beschluss gefasst, dass nun Frontex mit den Drittländern verhandeln kann und bei der Rückbringung mitwirkt; das ist ganz entscheidend. Die Verteilungsdebatte bringt uns keinen Schritt weiter. Wir müssen die Außengrenzen schützen, denn wir wollen ein Europa ohne Grenzen. Und dieses Europa ohne Grenzen werden wir nur dann haben, wenn wir tatsächlich den Außengrenzschutz zustande bringen, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich halte es für ganz wichtig und wesentlich, dass diese Europäische Union wieder bür­gernäher wird. Mit der Konferenz in Bregenz haben wir es geschafft, dass da auch die Europäische Kommission umdenkt. Die Europäische Ebene hat sich in den letzten Jahren in manchen Bereichen von den Bürgern wegbewegt. Wir haben zum Beispiel eine dreifache Anzahl an Verordnungen im Vergleich zum Jahr 2000. Diese Zahl ist von 16 im Jahr 2000 auf 52 im Jahr 2017 angestiegen. Da können Nationalstaaten überhaupt nicht mitreden. Da haben wir keinen Gestaltungsspielraum. (Abg. Krainer: Vollkommen falsch!) Gleichzeitig ist der Bereich der Richtlinien von 34 auf 14 gesun­ken, also dort, wo wir mitreden können. Das ist in die falsche Richtung gegangen. Da haben wir ein Umdenken geschafft. Gelebte Subsidiarität bringt die Europäische Union den Bürgern näher, auch da konnten wir viel erreichen.

Zusammenfassend (Abg. Meinl-Reisinger: Kein einziges Beispiel ist da genannt wor­den! – Abg. Drozda: Heiße Luft!): Diese Bundesregierung war mit ihrer Ratspräsident­schaft ein verlässlicher und starker Partner der Europäischen Union. Die Kommission hat das im Übrigen auch so bewertet. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Wö­ginger: Jetzt ist alles gesagt! – Ruf bei der ÖVP: Eine gute Rede!)

11.01



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 48

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Meinl-Reisinger. – Bitte.


11.01.21

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Kanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Werte Mitglieder der österreichi­schen Bundesregierung! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, Herr Lopatka, in einem gebe ich Ihnen völlig recht: Es ist ein sehr schwieriges Umfeld, in dem die österreichische Ratspräsidentschaft stattfindet; große Herausforderungen gibt es nicht nur in diesem Halbjahr, sondern sie betreffen Europa derzeit wirklich unmittelbar. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Umso mehr bedauere ich es – das muss ich mit aller Ernsthaftigkeit sagen –, dass hier in der Erklärung – vor allem in der des Kanzlers, dann aber auch in der des Vize­kanzlers – meines Erachtens wieder die immer gleichen Phrasen gedroschen wurden und eigentlich das monothematische Aufladen von Migration und Sicherheit fortgeführt wurde und wir nicht über andere Themen gesprochen haben, die ganz große Heraus­forderungen in Europa darstellen (Zwischenruf des Abg. Lopatka), wie zum Beispiel der Klimawandel oder der Brexit.

Ganz kurz vielleicht zur Frage – ich glaube, da sind wir nicht einer Meinung –: Was ist eigentlich der Beitrag der österreichischen Ratspräsidentschaft zu den vielen Themen, die da genannt wurden?

Ich habe hier einen Kanzler und einen Vizekanzler in voller Pracht und Eitelkeit erlebt (Abg. Wöginger: Na, na, na! – Abg. Rosenkranz: Sehr sachlich!), die gerade darge­legt haben, wofür alles Österreich angeblich mitverantwortlich gewesen wäre. Angeb­lich eine Trendwende: Frontex. – Der Beschluss, Frontex auszubauen, ist etwas, das alle Staats- und Regierungschefs schon lange mit sich getragen haben.

Ich frage Sie: Ganz im Ernst, wo ist etwas weitergegangen? Wo ist substanziell etwas weitergegangen, Herr Kanzler und Herr Vizekanzler? – Nirgendwo! (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Zweite Frage: Wie schaut es tatsächlich mit den Kooperationen mit Nordafrika aus? Wie kommen wir dort zu Special Economic Zones? Was ist da wirklich weitergegan­gen? – Nichts, überhaupt gar nichts! Es sind hohle Phrasen, immer die gleichen Phra­sen, und Sie schmücken sich hier mit fremden Federn. (Abg. Hammer: Haben Sie heute Ihren Klub vergessen? – Ruf: Die Mitglieder Ihrer Bewegung sind entsetzt!)

Ich glaube, der heutige Tag ist sehr entscheidend für Europa. Wenn wir nach Großbri­tannien schauen: Es tut mir sehr leid, dass dem hier nur ein so kurzer Zeitraum gege­ben worden ist, denn die Auswirkungen, auch des heute möglichen Misstrauensvotums gegen Premierministerin Theresa May, sind unter Umständen bedeutende Auswirkun­gen auf Europa.

Niemand kann generell Interesse daran haben, dass Großbritannien die Europäische Union verlässt – niemand! Es ist weder im Interesse der Briten noch ist es im Interesse der Europäerinnen und Europäer. Was allerdings die Debatte zeigt (anhaltende Zwi­schenrufe bei der ÖVP) – vielleicht hören Sie mir kurz zu, bevor Sie jetzt die ganze Zeit hineinrufen, denn der Lärmpegel ist ein Wahnsinn! (Abg. Wöginger: Was soll man denn da zuhören, das ist ja alles diffuses ...?! – Zwischenruf des Abg. Rosenkranz) –, ist, was Nationalisten und Populisten anrichten können, wenn die Demagogie freien Lauf hat und sozusagen ein ganzes Land in eine Staatskrise gestürzt wird und Chaos herrscht. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die Leidtragende dieser Politik ist nicht die österreichische Ratspräsidentschaft, die so viel Arbeit hat, sondern die Leidtragenden sind die Menschen in Großbritannien, die in


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einer chaotischen Situation sind, die mit einer Situation konfrontiert sind, wo Betriebe abwandern, wo Arbeitsplätze verloren gehen, wo das Pfund an Wert verloren hat, wo wir wissen, dass ein ökonomisches Desaster droht.

Auch bei der Frage des Schutzes und der Sicherheit und der Zusammenarbeit in Si­cherheitsfragen sind die Menschen die Leidtragenden, wenn Nationalisten und Popu­listen den Weg des gemeinsamen Europas verlassen. Die Zusammenarbeit der Behör­den auf europäischer Ebene in Sicherheitsfragen ist ein ganz wesentlicher Baustein der Sicherheit der Menschen in Europa, und auch dieser Baustein ist auf jeden Fall in Gefahr, wenn die Nationalisten die Oberhand gewinnen. (Abg. Wöginger – in Richtung NEOS –: Applaus!)

An dieser Stelle ist es mir sehr wichtig, dass wir gut dafür Sorge tragen – darüber habe ich bedauerlicherweise wenig gehört –, dass wir einerseits die Rechte der Unions­bürgerinnen und Unionsbürger in Großbritannien, aber andererseits auch die Rechte der Britinnen und Briten in Europa sicherstellen. Das ist etwas ganz Wesentliches, denn wir sind in der Verantwortung, in diesem gemeinsamen Europa europäisch zu denken und Unionsbürger als Unionsbürger zu begreifen.

Daher bringe ich einen Entschließungsantrag ein, mit dem wir die Bundesregierung auffordern, dahin gehend zu wirken, dass die Rechte der Britinnen und Briten in Europa, aber auch der Unionsbürger in Großbritannien auch ohne Ablaufdatum sicher­gestellt werden, über die Zeit eines Brexits oder vielleicht auch Nichtbrexits hinaus.

Sehen Sie, meine Damen und Herren, was Nationalisten angerichtet haben, sieht man derzeit in Großbritannien. Es wurde versprochen, dass Milch und Honig fließen, dass 400 Millionen Pfund mehr für das Gesundheitssystem zur Verfügung stehen. Die Na­tionalisten und Populisten sitzen auch hier, sie sitzen direkt vor mir. Das sind jene, die ebenfalls zündeln, nämlich mit dem Gedanken eines Austritt Österreichs aus der Eu­ropäischen Union. (Beifall bei NEOS und JETZT sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Noch bevor die Abstimmung in Großbritannien stattgefunden hat, ist Ihr Mann in Euro­pa, Vilimsky, rausgegangen und hat gemeint, er wünscht sich jetzt auch eine Debatte über den Öxit in Österreich, er möchte gerne eine Abstimmung machen. (Die Rednerin hält einen Ausdruck eines Artikels mit einem Foto des EU-Abgeordneten Vilimsky unter dem Titel „Nach Briten-Deal: Vilimsky bringt ‚Öxit‘ ins Spiel“ in die Höhe.) Ich weiß, ich habe es schon ein paar Mal mit ihm diskutiert, er hat immer gesagt: Na ja, es geht ihm ja gar nicht darum, dass Österreich aus der Europäischen Union austritt, es geht ihm nur darum, dass überhaupt einmal eine Abstimmung darüber stattfindet.

Das ist doch lächerlich! Das ist ja irgendwie so, als würde ich sagen, ich bin ja gar nicht fürs Rauchen, ich bin nur für die Freiheit, dass sich jeder jederzeit eine Zigarette an­zünden kann. Das ist einfach lächerlich, das ist nicht glaubwürdig. Und wenn Sie die­sen Wunsch hegen, dass Österreich sich von diesem gemeinsamen Weg in Europa verabschiedet, dann sagen Sie es, dann halten Sie auch nicht damit zurück und sagen sozusagen hinter vorgehaltener Hand: Na ja, aber eigentlich wollen wir das eh auch nicht!, weil Sie jetzt auch anhand der Brexit-Debatte draufgekommen sind, welche öko­nomischen Auswirkungen das hat, dass das nämlich zu Desaster führt, zu Armut führt, zu weniger Sicherheit führt. Mehr Nationalismus, mehr Populismus machen Menschen arm und unsicher – das ist Faktum! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Rosenkranz: Gott sei Dank gibt es bei uns nie eine Neoskratie, sondern nur eine Demokratie!)

Ich bin der Meinung, dass die Politikerinnen und Politiker in Großbritannien keine zwei­te Chance verdient haben, aber die Menschen haben eine zweite Chance verdient. Apropos Demokratie: Die Menschen haben eine zweite Chance verdient, und deshalb treten wir ganz entschieden dafür ein – ich meine, das können wir nicht umsetzen und wir geben auch niemandem Ratschläge, aber wir befürworten das sehr und stellen uns


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solidarisch auf die Seite der Menschen in Großbritannien, die von Populisten und Na­tionalisten getäuscht wurden, die ihnen schöne Sachen, Milch und Honig versprochen haben, und jetzt gehen sie in das ökonomische Desaster –, dass es ein zweites Re­ferendum gibt. Das ist unser Beitrag, die Solidarität mit den Britinnen und Briten: Wir wollen nicht, dass ihr geht, wir wollen, dass ihr bleibt! (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Noll. – Zwischenruf des Abg. Kassegger.)

Noch einmal zur Ratspräsidentschaft: Es wäre eine enorme Chance gewesen, eine rote Linie zwischen Nationalismus und Populismus und proeuropäischer Sachpolitik, die Europa weiterbringt, zu ziehen. Diese rote Linie haben Sie nicht gezogen, im Ge­genteil, Sie haben mit Worten wie Subsidiarität gezündelt. (Zwischenruf des Abg. Lo­patka.) – Herr Lopatka, Sie haben keine einzige Sache nennen können, die sie lieber auf nationaler Ebene, wieder in nationaler Souveränität zurückhaben wollen. (Zwi­schenrufe bei der ÖVP.)

Ich frage heute hier – ich habe es schon mehrfach gefragt –: Wenn Sie Subsidiarität, wenn Sie also sozusagen dieses Spiel mit dem Nationalismus, dass wieder mehr auf nationaler Ebene oder vielleicht regionaler Ebene geregelt werden sollte (Abg. Winzig: Subsidiarität, nicht Proportionalität heißt das! Subsidiarität, nicht Proportionalität!), so hoch halten, wo ist der Punkt, von dem Sie möchten, dass das wieder zurück in natio­nale Souveränität geht? (Abg. Wöginger: Jessas na!) – Es gibt keinen. Sie blenden die Menschen. Sie wollen die Menschen hier mit ihren nationalistischen Spielchen täu­schen, und das ist genau dieser Weg, der Europa zerstört und nicht der Weg, der Eu­ropa eint. (Ruf bei der ÖVP: Wo leben Sie eigentlich?) Eine proeuropäische Partei, die eine solche Ratspräsidentschaft mit immer den gleichen hohlen Phrasen und keinem europäischen Gedanken abliefert, hat das Wort proeuropäisch nicht verdient.

Noch ein Letztes: Der Blick in die internationalen Medien zeigt, wie die österreichische Ratspräsidentschaft eingeschätzt wird. Erst gestern wurden im „Politico“ wieder die Be­amtinnen und Beamten gelobt, die tolle Arbeit geleistet haben, aber das offizielle Ös­terreich, die Regierung ist kein „honest broker“, kein ehrlicher Makler, wenn es um die­se europäischen Fragen, insbesondere um Migration, geht. (Beifall bei den NEOS.)

Präsidentin Doris Bures: Sie haben den Antrag nicht verlesen! (Abg. Meinl-Reisin­ger – bereits im Begriff, das Rednerpult zu verlassen –: Ach, den muss ich vorle­sen?) – Ja, bitte. (Abg. Wöginger: Die ganze Rede ist ein Chaos!)


Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (fortsetzend): Der Antrag lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „Gleichstellung von Unionsbürger_innen und britischen Staatsbürger_innen nach dem Brexit“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler und der Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien, wird aufgefordert, sich nachdrücklich dafür einzusetzen, dass sowohl Unionsbürgerinnen und -bürger, als auch Britinnen und Briten, auch nach dem Brexit weiterhin dieselben Rechte in Großbritannien und in den Staaten der Euro­päischen Union genießen, sofern diese bereits vor dem Austritt dort ansässig waren. Weiters sollen jene Rechte nicht mit einem Ablaufdatum versehen sein.“

*****

Danke. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Wöginger: Fertig, ja?)

11.10


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 51

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger‚ MES, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Gleichstellung von Unionsbürger_innen und britischen Staatsbürger_innen nach dem Brexit

eingebracht im Zuge der Debatte in der 55. Sitzung des Nationalrats über EU-Erklä­rung des Bundeskanzlers gemäß § 74b Abs. 1 lit b der Geschäftsordnung des Natio­nalrates – TOP 1

Gemäß Vereinbarungen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinten König­reich sollen die Rechte jener drei Millionen Unionsbürger_innen in Großbritannien und die Rechte der Million Briten, die in Staaten der Europäischen Union residieren, arbei­ten und studieren auch nach dem Austritt Großbritanniens geschützt sein. In Großbri­tannien erhalten die Unionsbürger_innen bei entsprechender Registrierung und Erfül­lung bestimmter Kriterien einen sogenannten "settled status". Nicht völlig geklärt ist allerdings, wer zu diesem Status berechtigt ist. Zusätzlich verlieren sowohl Unionsbür­ger_innen in Großbritannien, als auch Britinnen und Briten in der EU diese Rechte, sobald sie länger als fünf Jahre das Land verlassen. Das Ergebnis der Verhandlungen um die Rechte der Bürgerinnen beider Seiten ist also bis dato Unsicherheit über die Rechtslage, die Bürger_innen nach dem Austritt Großbritanniens zu erwarten haben.

Einer Schlechterstellung von Unionsbürger_innen gegenüber Britinnen und Briten gilt es, mit Rücksicht auf die Lebensentscheidungen der Menschen vor dem Brexit-Refe­rendum, möglichst zu verhindern. Sowohl Unionsbürger, die sich mit bestimmten Er­wartungen an Ihre Rechte vor dem Brexit in Großbritannien niederließen, als auch Bri­tinnen und Briten, die sich in den Staaten der Union ansiedelten, bevor der Austritt Großbritanniens bekannt wurde, sollen nicht die Leidtragenden des Austritts Großbri­tanniens aus der Europäischen Union sein.

NEOS setzen sich für eine gänzliche rechtliche Gleichstellung von in Großbritannien ansässigen Unionsbürger_innen mit den britischen Staatsbürger_innen und in der Eu­ropäischen Union ansässigen Britinnen und Briten mit Unionsbürger_innen der jeweili­gen Staaten ein und sprechen sich gegen ein Ablaufdatum dieser Rechte aus.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler und der Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien, wird aufgefordert, sich nachdrücklich dafür einzusetzen, dass sowohl Unionsbürgerinnen und -bürger, als auch Britinnen und Briten, auch nach dem Brexit weiterhin dieselben Rechte in Großbritannien und in den Staaten der Euro­päischen Union genießen, sofern diese bereits vor dem Austritt dort ansässig waren. Weiters sollen jene Rechte nicht mit einem Ablaufdatum versehen sein."

*****


Präsidentin Doris Bures: Danke vielmals, Frau Klubvorsitzende. Dieser Entschlie­ßungsantrag ist somit auch ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Petra Steger. – Bitte.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 52

11.10.52

Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanz­ler und Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Herren Minister! Sehr geehrte Damen und Her­ren von der Opposition, Sie haben in der heutigen Debatte genauso wie schon im EU-Hauptausschuss eines wieder einmal ganz eindeutig bewiesen: Ihnen geht es einzig und allein darum, irgendetwas an dieser Regierung schlechtzureden (Ruf bei der ÖVP: Genau!), und um nichts anderes (Beifall bei FPÖ und ÖVP), und das, ehrlich gesagt, auf einem Niveau, das sich langsam von der Tiefgarage Richtung Erdkern bewegt. (Abg. Loacker: Ihre Rede ist sehr inhaltsreich! – Abg. Rosenkranz: Sie muss sich ja ein bissel anpassen ans Niveau von euch!) Ihnen geht es nur ums Anpatzen und um sonst nichts!

Werte SPÖ, Sie sind jetzt bereits ein Jahr lang in der Opposition – die anderen Partei­en sind sogar noch länger in der Opposition –, ich kann Sie nur auffordern, endlich wieder zur Sachlichkeit zurückzukommen. Das wäre einmal höchst angebracht!

Herr Kollege Schieder – er ist ja heute leider nicht hier – hat im Ausschuss einen einzi­gen Tweet eines ZDF-Journalisten herangezogen, um zu beweisen, dass diese Regie­rung beim EU-Ratsvorsitz versagt hat – einen einzigen Tweet! Ich frage mich wirklich: Wo ist da die Sachlichkeit?

Viel mehr werden Sie aber sonst auch nicht finden, sehr geehrte Damen und Herren! Die einzigen, die Sie finden werden, sind diejenigen, die Sie selbst getätigt oder viel­leicht sogar in Auftrag gegeben haben. Mehr gibt es einfach nicht, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Sogar Kommissionspräsident Juncker hat den österreichischen Vorsitz als Best-Prac­tice-Modell bezeichnet. Diese Regierung hat also, wie wir sehen – und die positiven Aussagen geben ihr recht –, in den letzten Monaten hervorragende Arbeit geleistet! Und, werte SPÖ, das, was Sie hier als Selbstinszenierung kritisieren, bezeichne ich als nichts anderes als großartige Transparenz und Information der österreichischen Bevöl­kerung – das, was Sie in der Vergangenheit nicht gelebt haben. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Österreich hat im Juli ein detailliertes und umfangreiches nationales Programm unter dem wichtigen Motto „Ein Europa, das schützt“ präsentiert, und in jedem der darin ent­haltenen Schwerpunkte gab es in den letzten Monaten wichtige Fortschritte: beim Wirt­schaftswachstum, beim digitalen Binnenmarkt, im Umweltbereich, bei der Katastro­phenhilfe, bei der Annäherung des Westbalkans, bei der Subsidiarität.

Zum ersten Mal gibt es eine gemeinsame Erklärung des Rates zur Bekämpfung von Antisemitismus – auch das ist ein historischer Erfolg dieser Regierung! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Beim Mehrjährigen Finanzrahmen zum Beispiel werden wir für unser Verhandlungs­tempo von allen Seiten nur gelobt. Wir haben es geschafft, eine volle Verhandlungsbox als Grundlage für die nächste Phase des Mehrjährigen Finanzrahmens vorzulegen. Unter österreichischem Vorsitz ist es auch gelungen, ein gutes und faires Ergebnis bei den Brexitaustrittsverhandlungen zu erzielen, und vieles mehr. Sie sollten einmal zur Kenntnis nehmen, dass es auch im Bereich der europäischen Sozialpolitik keine Untä­tigkeit ist, sondern dass wir einfach Ihrer linken Utopie einer Europäischen Sozialunion nicht folgen, denn wer das will, dem muss klar sein, dass eine Europäische Sozialunion nur dadurch umzusetzen ist, dass man die Sozialniveaus senkt, und das wollen wir in Österreich mit Sicherheit nicht. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Wir haben in den letzten Monaten auch essenzielle Bausteine weitergebracht, um dem Bedürfnis der Bevölkerung nach Sicherheit gerecht zu werden: Es wurde ein Schlep-


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perpaket verabschiedet, um die Schleppernetzwerke operativ zu durchbrechen. Es wurde eine Einigung im Kampf gegen terroristische islamistische Onlineinhalte erzielt. Es gibt eine Neuauflage der Rückführungsrichtlinie.

Als Nächstes werden beim kommenden EU-Afrika-Gipfel Maßnahmen zur Verhinde­rung der Flüchtlingsströme erörtert und vieles mehr. Untätigkeit kann man diesem Vor­sitz also mit Sicherheit nicht vorwerfen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Es ist aber schon ganz offensichtlich, was dahintersteckt, es ist schon ganz offensicht­lich, was Sie wirklich stört: Es stört Sie, dass diese Regierung auch auf europäischer Ebene das umsetzt, wofür sie auch gewählt wurde. (Abg. Meinl-Reisinger: Sie setzen aber nichts um!) Es stört Sie, dass es endlich eine Regierung gibt, die nicht nach Brüs­sel oder zu europäischen Treffen fährt und an der Staatsgrenze die eigene Bevölke­rung vergisst, die Staatsbürgerschaft abgibt und nur auf europäischer Ebene argumen­tiert. Es stört Sie gewaltig, dass es einen Umdenkprozess im Bereich der Sicherheit, im Bereich Asyl, Migration gibt – auch das passt Ihnen ideologisch nicht ins Weltbild. (Abg. Meinl-Reisinger: Doch! Ich will durchaus, dass wir das lösen, aber nicht auf diese Art!) Ganz besonders aber, und das kommt noch oben drauf, stört Sie, dass dieser Umdenkprozess vom von Ihnen so verhassten Innenminister Herbert Kickl be­werkstelligt wurde. Das stößt Ihnen besonders sauer auf! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Gerade bei diesem so wichtigen Thema, bei dem es jetzt endlich – Gott sei Dank! – in die richtige Richtung geht, sollten Sie, werte Kollegen von der SPÖ, sich besser zu­rückhalten, denn Sie waren es, die 2015 mit einer unkontrollierten Massenzuwande­rung alle hereingelassen haben und ein großes Sicherheitsrisiko für Österreich ge­schaffen haben. Da sollten Sie besser schweigen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Und jetzt reden Sie ernsthaft, wie Kollegin Meinl-Reisinger, von der Spaltung Europas durch die bösen Rechtsextremen und kommen nicht einmal auf den Gedanken, dass gerade diese Politik der Vergangenheit, diese Politik des Drüberfahrens dafür gesorgt hat, dass es immer mehr Unruhe, Streiterei und Konflikte zwischen den Mitgliedstaaten gegeben hat. (Abg. Meinl-Reisinger: Die Streiterei zwischen den europäischen Staa­ten war ja ...!) Das war die Politik der Vergangenheit und das waren mit Sicherheit nicht die bösen Rechtsextremen, wie Sie immer sagen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

Es ist zentrale und wichtigste Aufgabe eines jeden Staates wie auch der Europäischen Union, ihre Bürgerinnen und Bürger zu schützen, für Sicherheit zu sorgen. Das bein­haltet auch den Schutz vor illegaler Migration. Genau dafür aber hat die EU in der Ver­gangenheit nicht gesorgt, und genau deswegen sind auch so viele Mitgliedstaaten Ös­terreichs Absage an den UN-Migrationspakt gefolgt. Auch da waren wir Vordenker, und das war gut so! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Meinl-Reisinger: Sie sind stolz darauf, Europa ... zu haben! Bravo!)

Statt auf dem Streit über die Verteilung von Flüchtlingen liegt der Fokus jetzt endlich auf dem Außengrenzschutz. Nur die SPÖ beziehungsweise die Opposition befindet sich noch immer bei ihrer Flüchtlingsverteilungsdauerschleife der vergangenen Jahre – etwas, was die Mehrheit der Mitgliedstaaten nicht will, etwas, was effektiv nichts brin­gen würde aufgrund der Niederlassungsfreiheit, denn wir wissen, wenn man jemanden einem Land zuordnet und ihn dorthin bringt, setzt er sich am nächsten Tag in den Zug und fährt, wohin er will. Das ist also etwas, was ineffektiv wäre, was nichts bringt, Sie aber hängen da noch immer drinnen. Manchmal kommt mir das so vor wie ein kleines Kind, das man eigentlich schon überzeugt haben sollte und das trotzdem sagt: Aber ich will es so haben! – Das ist Ihre Art von Politik, aber nicht unsere. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Aber – es wurde heute bereits gesagt – es wurden auch viele Meilensteine im Bereich von Frontex erreicht: Es gibt eine Stärkung des Mandats bei Abschiebungen. Es gibt eine verstärkte Zusammenarbeit mit Drittstaaten. Das bedeutet, dass die Rettung nicht mit einem Ticket nach Europa verbunden ist, sondern mit einem Ticket zurück. Auch das war ein wichtiger Schritt.

Jetzt stellen Sie, Frau Klubobfrau Rendi-Wagner, sich ernsthaft hier her und beschwe­ren sich bei unserem Innenminister darüber, dass er eine realistische Abschätzung da­rüber abgibt, wann Frontex wirklich aufgestockt werden kann und wann das umsetzbar ist – obwohl Sie genau wissen, dass es nicht seine Schuld ist, sondern dass es daran liegt, dass es halt gewisse Mitgliedstaaten gibt, die nicht d’accord gehen, und daran, dass man halt die Frontexbeamten nicht im Supermarktregal bekommt, sondern dass die genauso ausgebildet gehören, dass es Zeit braucht, bis die so weit ausgebildet sind. Und jetzt stellen Sie sich so hier her – wenn es nach Ihnen gehen würde, wäre Frontex noch immer damit beschäftigt, die Flüchtlinge nach Europa zu schleppen, und nicht damit, unsere Außengrenzen zu schützen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Sie sollten lieber einmal konstruktiv sein. Sie sollten sich lieber einmal für die europäi­sche Politik, die diese Regierung gezeigt hat, bedanken. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ.) Ja, sie hat diese Trendwende geschafft: weg von der Reparaturpolitik, hin zur Präventionspolitik. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Das ist der richtige Schritt, sehr geehrte Damen und Herren! Seit der Flüchtlingskrise 2015 ist der Zustrom von Migranten um 95 Prozent zurückgegangen, und es gibt im Vergleich zu früher deutlich weniger Tote im Mittelmeer, und das, sehr geehrte Damen und Herren, nenne ich einen großen Erfolg. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren von der Opposition! Ich kann zum Abschluss noch sagen: Hören Sie endlich auf mit dieser ständigen populistischen Schlechtmacherei Österreichs, insbesondere auf internationaler Ebene! (Heiterkeit bei Abgeordneten der NEOS. – Abg. Höbart – in Richtung Oppositionsfraktionen –: Österreichvernaderer!) Sie sollten endlich akzeptieren, dass der Wähler Sie abgewählt hat, und das ist keine Frage mehr von gutem oder schlechtem Stil in diesem Land, sondern das ist eine Fra­ge des Hochhaltens der Demokratie in diesem Land. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

11.20


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Dr. Bru­no Rossmann. – Bitte. (Ruf bei der FPÖ: Aber jetzt!)


11.20.30

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (JETZT): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Frau Kollegin Steger, in Vorbereitung auf diese Debatte habe ich ja versucht, die Erfolge dieser Präsidentschaft zu erkunden, es ist mir halt nicht gelungen. (Abg. Rosenkranz: Das ist aber, glaube ich, Ihr Problem! – Diese Offenheit!) Es ist vielleicht auch kein Zufall, dass in Brüsseler Kreisen diese Ratspräsidentschaft sehr gerne als Rastpräsi­dentschaft bezeichnet wird. (Abg. Höbart: Sie kennen nur den Kreis der Arbeiterkam­mer!) Das scheint mir doch kein Zufall zu sein. (Abg. Höbart: Pensionist der Arbeiter­kammer!)

Jetzt kann man viel über das Motto dieser Präsidentschaft „Ein Europa, das schützt“ debattieren. Ja, Sie haben dieses Motto gewählt, um Europa und diese Präsidentschaft ausschließlich unter das Ziel des Schutzes der Außengrenzen zu stellen. Wo aber ist da die Trendwende, Herr Kanzler, von der Sie gesprochen haben? Welche Trendwen­de hat der Europäische Rat im Juni in Salzburg eingeleitet? Ich vermag diese Trend­wende nicht zu erkennen. Wo ist denn das Abkommen mit den Drittstaaten, Herr Kanz­ler? Wo ist denn die personelle Aufstockung von Frontex auf 10 000? Wo? Ja, Sie ha­ben uns im EU-Hauptausschuss gesagt, es hat eine Reihe von Mitgliedstaaten gege-


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ben, die dagegen gewesen sind. – Ja, okay! Das heißt also nur, dass Sie sich mit die­ser Trendwende, von der Sie dauernd reden, offensichtlich auf europäischer Ebene nicht durchsetzen konnten. Ich verstehe nicht, wie Sie mit diesem Ergebnis zufrieden sein können.

Das zeigt ja nur, dass ein Systemwechsel in der Migrationsfrage mehr braucht als nur den Schutz der Außengrenzen – aber nicht einmal da sind Sie erfolgreich gewesen –, mehr in dem Sinn, dass wir uns auch über eine gemeinsame Lösung in Europa, über eine solidarische Lösung für die Verteilung der Flüchtlinge unterhalten müssen, dass wir uns über die Hilfe vor Ort unterhalten müssen, bei der Sie gekürzt haben, dass wir uns über eine geänderte Handelspolitik der Europäischen Union gegenüber Afrika un­terhalten müssen. All das sind Fragen, die im Rahmen des EU-Ratsvorsitzes von Ös­terreich nicht einmal tangiert worden sind. In diesem Sinne ist das wirklich eine ver­passte Chance. (Beifall bei JETZT. – Ruf: Sie sollten öfter fernsehen!)

Den UN-Migrationspakt, der Regeln gebracht hätte, wie wir in Zukunft mit der Migra­tionsfrage umgehen wollen (Abg. Haider: Falsche Regeln! Völlig falsche Regeln!), haben Sie abgelehnt. Sie haben sich in dieser Frage von Ihrem Koalitionspartner, von der FPÖ treiben lassen, die eine Desinformationskampagne im Zusammenhang mit dem UNO-Migrationspakt gemacht hat. (Beifall bei JETZT. – Abg. Haider: Das ist ja verantwortungsvoll und differenziert!)

Sie haben behauptet, dass daraus Gewohnheitsrecht abgeleitet werden kann. (Die Ab­geordneten Haider und Rosenkranz: Ja, natürlich! Natürlich! Natürlich!) Herr Rosen­kranz! Herr Vizekanzler! Herr Bundeskanzler! Sie wissen, dass das nicht stimmt.

Herr Kanzler, Ihre Schwesterpartei in Deutschland hat eine ganz andere, eine aufklä­rende Politik betrieben. (Abg. Haider: Lesen Sie sich die Anträge Ihrer Ex-Schwes­terpartei in Deutschland durch, der Grünen!) Daran hätten Sie sich ein Beispiel neh­men können. (Abg. Winzig: Sie haben ja keine Schwesterpartei! – Abg. Wöginger: Hat JETZT eine Schwesterpartei?)

Ein Europa, das schützt, ist aber wesentlich mehr. Es gibt viele Themen, die unter den Nägeln brennen: die soziale Frage, der Klimaschutz, die Steuerfluchtrouten, ja, der Schutz vor Steuerflüchtlingen.

Beginnen wir aber einmal mit der sozialen Frage: Was hat denn der österreichische Ratsvorsitz in diesem Zusammenhang getan, um den Einstieg in eine Sozialunion zu­stande zu bringen? – Die Antwort ist: Nichts! Wo ist denn ein europäischer Mindest­lohn? Wo ist denn eine europäische Arbeitslosenversicherung? Wo sind denn die Pro­gramme zur Abschaffung der Armut in Europa? – Da ist nichts vorhanden, da ist gäh­nende Leere.

Wozu die Vernachlässigung der sozialen Frage führen kann, haben wir sehr deutlich in Großbritannien gesehen. Jene Menschen, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt worden sind, weil sie Globalisierungsverlierer gewesen sind, sind Rechtspopulisten auf den Leim gegangen, den Oberzündlern Nigel Farage von UKIP, Herrn Boris Johnson von den Tories. Und jetzt haben wir den Schlamassel! Ja, und das zeigt: Wer die so­ziale Frage vernachlässigt, muss unter Umständen mit einem hohen Preis rechnen, ei­nem Preis, den wir alle nicht haben wollen. (Beifall bei JETZT.)

Wir alle wollen keinen Brexit und wir alle wollen schon gar keinen Hard Brexit. Aber was passiert denn, wenn Theresa May heute Abend die Abstimmung, die Vertrauens­abstimmung verlieren wird? – Ja, dann sind wir einem Hard Brexit, einem No Deal wesentlich näher, auf den Europa nicht – und Österreich schon gar nicht – vorbereitet ist.

Was die Vernachlässigung der sozialen Frage bedeutet, erleben wir jetzt aber auch hautnah in Frankreich. Ja, die Anliegen der Bewegung der Gelben Westen sind mehr


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als berechtigt, und wir sehen, wozu sie geführt haben (Abg. Lopatka: Zerstörung! – Abg. Neubauer: Autoanzünden!): Der Star der französischen und europäischen Politik vor einem Jahr, Macron, kämpft heute um sein politisches Überleben! (Vizekanzler Strache: Der kommt von eurer Couleur!) Er weiß nicht, wie er mit dieser Bewegung und mit diesen Problemen umgehen soll. Und die soziale Frage, das habe ich ja ges­tern ausgeführt, spielt auch eine Rolle.

Weil Sie, Herr Vizekanzler, den Erfolg Ihrer Ministerin im Zusammenhang mit der Euro­päischen Arbeitsagentur angeführt haben: Na ja, sie musste wohl unter Druck erst einen Rat einberufen, denn den ersten, bei dem es um die Bekämpfung des Lohn­dumpings gegangen ist, hat sie erst gar nicht einberufen. Und die Lösung, die am 4. Dezember herausgekommen ist, ist eine extrem abgespeckte Variante, eine Varian­te, die man jedenfalls nicht als großen Erfolg verkaufen kann.

Ja, und was ist denn mit der Bekämpfung der Steuerflüchtlinge? Sie legen doch, Herr Kanzler, so großen Wert darauf, Fluchtrouten zu schließen. Wie viele Steuerfluchtrou­ten sind aber während der österreichischen Präsidentschaft geschlossen worden? – Ich kann es Ihnen sagen: nicht eine einzige. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Der Herr Finanzminister hat sich schon bemüht – ja, das will ich ihm schon zugeste­hen –, in Sachen der Finanztransaktionssteuer und der Digitalsteuer ein wenig Fort­schritt und ein wenig Lösungsorientiertheit in die europäische Debatte zu bringen. Ihre Bemühungen waren aber nicht ausreichend und es fehlte vor allem auch die Unter­stützung des Bundeskanzlers. Hätte der Bundeskanzler sich mit derselben Verve in die Frage der Schließung der Steuerfluchtrouten hineingeworfen, wie er das bei der Bal­kanroute gemacht hat, dann wären wir vermutlich heute der Schließung von Steuer­schlupflöchern einen Schritt näher. (Beifall bei JETZT.)

So aber, Herr Finanzminister, sind Sie am 4. Dezember mit leeren Händen aus Brüssel zurückgekehrt. Die Finanztransaktionssteuer wird offenbar in eine Aktienbesteuerung umgewandelt. Das ist keine Finanztransaktionssteuer mehr. Wenn man die hochspe­kulativen Derivate nicht besteuert, verdient das den Namen Finanztransaktionssteuer nicht. Damit kann man keine Stabilisierung in die Finanzmärkte bringen. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sie sind den Finanzlobbyisten endgültig auf den Leim gegangen. Die Finanztransak­tionssteuer ist unter österreichischer Präsidentschaft endgültig begraben worden.

Was ist mit der Digitalbesteuerung? – Ja, betreffend die Digitalsteuer gab es sozusa­gen den Versuch, einen Vorschlag der Europäischen Kommission umzusetzen, aber das ist kräftig danebengegangen. Deutschland und Frankreich haben einen abge­speckten Vorschlag für eine Werbeabgabe gemacht, aber dieser Vorschlag hat noch mehr Widerstand unter den Mitgliedstaaten hervorgerufen.

Was war der große Erfolg am 4. Dezember? – Der große Erfolg war, dass im Frühjahr weiterverhandelt werden soll. – Na super! Ja, das nenne ich eine verpasste Chance: Die Steuerungerechtigkeit bleibt weiter bestehen. Großkonzerne à la Google und Co werden weiterhin niedrige bis keine Steuern bezahlen, während die kleinen Unterneh­men und die Lohnabhängigen selbstverständlich ihre Steuern bezahlen werden.

Werfen wir vielleicht noch einen Blick auf den Klimaschutz: Ja, auch das ist eine zen­trale Frage, eine wichtige Frage, wo Österreich wenig Fortschritte gemacht hat. Die ös­terreichische Präsidentschaft ist ja vorgestern in Katowice geadelt worden: „Fossil des Tages“; na ja, zu Recht geadelt worden, weil eben die Fortschritte der österreichischen Präsidentschaft extrem gering gewesen sind.


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Ich habe heute im „Morgenjournal“ gehört, dass Frau Nachhaltigkeitsministerin Köstin­ger dazu aufgerufen hat, dass die Staaten der Europäischen Union größere Anstren­gungen zur Bekämpfung des Klimawandels, der Klimaerhitzung vornehmen müssten. Da frage ich mich: Wie glaubwürdig ist eine solche Ministerin, die nicht einmal in der Lage ist, im eigenen Haus die CO2-Emissionen zu senken? (Beifall bei JETZT.) Sie be­treibt zu Hause Symbolpolitik, fordert aber in Katowice von den anderen europäischen Staaten stärkere Aktionen ein. Damit macht sie sich bestenfalls lächerlich.

Das ist der Erfolg oder besser Misserfolg der österreichischen Präsidentschaft; weitere Punkte ließen sich anführen. – Vielen Dank. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Hammer: Weihnachtswünsche hätten Sie ihr wenigstens ausrichten können!)

11.30


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Abgeordneter Karl­heinz Kopf. – Bitte.


11.30.45

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Frau Präsidentin! Meine Herren Minister! Ge­schätzte Damen und Herren! Geschätzte Damen und Herren auch auf der Galerie und vor den Fernsehschirmen! Zunächst eine Bemerkung zu Ihnen, Herr Rossmann: Ich kann es, ehrlich gesagt, schon nicht mehr hören (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der FPÖ), dass man Österreich und seine umweltpolitischen Bemühungen per­manent schlechtredet und dabei die Fakten ausblendet. (Na-Rufe bei der SPÖ.)

Faktum ist, dass Österreich sich zugegebenermaßen schon bei Kyoto ein sehr hohes, ein sehr, sehr hohes, ambitioniertes Ziel gesteckt hat (Abg. Rossmann: Und nicht er­reicht hat!), und das ausgehend von einem schon sehr guten Umweltniveau in Bezug auf die CO2-Intensität zum Beispiel unserer Wirtschaft, unserer Industrie. Das wird im­mer ausgeblendet. Das heißt im Umkehrschluss: Ja, mag sein, wir haben die hochge­steckten Ziele nicht erreicht, aber Faktum ist, dass wir uns im absoluten Vergleich aller Länder, was zum Beispiel die CO2-Intensität unserer Wirtschaft anlangt, sehr, sehr gut gehalten haben. Sie ist eine der besten, und wir werden uns nicht dafür entschuldigen, dass wir in Österreich eine höher als in den anderen Ländern liegende Wirtschaftsleis­tung erbringen, die natürlich genau das mit sich bringt. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) Es ist aus umweltpolitischer Sicht aber allemal besser, diese Leistungen in Ös­terreich, einem Land mit hohen Umweltstandards, zu erbringen als in einem Land, das niedrigere Umweltstandards, niedrige Effizienz mit sich bringt und damit, relativ gese­hen, eine höhere Umweltbelastung erzeugt. Da ist es mir lieber, wir machen es bei uns. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Nun zur Ratspräsidentschaft Österreichs: Er ist ja nicht unumstritten, dieser halbjährli­che Wechsel zwischen den Mitgliedsländern, was den Ratsvorsitz anlangt, man hat deswegen auch das Amt eines Ständigen Vorsitzenden eingeführt (Zwischenruf des Abg. Loacker), aber ich halte diese halbjährlich wechselnde Vorsitzführung in Bezug auf die integrative Wirkung für ein ganz wesentliches Element der Europäischen Union. Dieser halbjährliche Vorsitzwechsel ist ein höchst integratives Element, das Länder in die Position bringt, sich ganz besonders intensiv mit dem großen Ganzen zu beschäf­tigen, Dinge im Sinne der Gemeinschaft weiter voranzutreiben, und nicht nur sozusa­gen immer auf sich zu schauen. Das ist ein ganz, ganz wichtiger Punkt, und ich glaube, man kann als Fazit wirklich sagen: Österreich hat diese Herausforderung hervorragend bewältigt! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Meine Damen und Herren, man darf nicht übersehen, dass dieser Vorsitz in höchst komplexen und unruhigen Zeiten vonstattengegangen ist. Russland und die USA pro­duzieren Instabilität, wie wir das noch nie in dieser Kombination erlebt haben. Trotz-


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dem ist es gelungen, gerade zum Beispiel bei Themen der Nachbarschaftspolitik durch die intensive Beschäftigung mit dem Westbalkan einen großen Beitrag für Stabilität und einen großen Beitrag zur Stabilisierung zu leisten und für Stabilität in unserer unmittel­baren Nähe, in unserer Region zu sorgen – ein ganz großes Verdienst dieser Präsi­dentschaft, wie ich meine! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Auch für das komplexe und schwierige Thema des mehrjährigen Finanzrahmens ist das jetzt keine einfache Ausgangssituation. Mit dem Brexit, mit dem Austritt Großbri­tanniens verlieren wir einen großen Nettozahler. Das heißt, das hat Auswirkungen auf alle anderen 27 Länder in der Bestreitung des gemeinsamen Budgets, und es ist ge­lungen, eine vernünftige Balance zwischen einerseits den notwendigen Offensivmaß­nahmen, die dieser Finanzrahmen beinhaltet, und auf der anderen Seite natürlich dem Bestreben, die verbleibenden 27 nicht über Gebühr zur Kasse zu bitten, zu finden. Das ist eine großartige Leistung, die hier auf dem Tisch liegt. Ich glaube, bei diesem Thema sind wir während unserer Präsidentschaft einen Riesenschritt weitergekommen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Zum Brexit noch eine Anmerkung: Ja, es waren nationalistische Strömungen, die in Großbritannien zu diesem Volksentscheid geführt haben. Das ist zu akzeptieren, aber wenn ich nach Frankreich schaue, dann muss ich sagen, ich wäre schon ein bisschen vorsichtig mit Zuordnungen von unliebsamen Ereignissen so nach dem Schema links oder rechts oder Nationalisten oder damit, andere Zusprechungen zu machen. Faktum ist, Herr Kollege Rossmann – noch einmal, weil Sie das Vernachlässigen der sozialen Frage in Frankreich ansprechen –: Frankreich kann man beileibe nicht unterstellen, nicht ein ausgeprägtes Sozialsystem zu haben. Wenn sich dort ein Premierminister an­schickt, angesichts einer sehr unangenehmen Budgetlage im Land das eine oder an­dere korrigieren zu wollen, die Wirtschaft unterstützen und antreiben zu wollen, was letzten Endes natürlich allen Franzosen helfen würde, dann haben das die Französin­nen und die Franzosen zu beurteilen. Das nur Nationalisten oder rechten Krawallma­chern zuzuschreiben wäre mir dann doch ein bisschen zu einfach. Ich glaube, da sind schon auch andere Kräfte am Werk. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Für mich bleibt als Fazit unserer Präsidentschaft, dass wir in schwierigen Zeiten als kleines Land große Herausforderungen angepackt haben, sie auf großartige Weise ein großes Stück weitergebracht haben – und das mit enormer Intensität. Ich denke nur an 33 Tagungen des Rates in Brüssel und Luxemburg, an 300 Veranstaltungen in Öster­reich, davon 13 informelle Ministerräte, zum Beispiel, wie von Kollegen Lopatka schon erwähnt, auch die Subsidiaritätskonferenz in Bregenz – ein ganz, ganz wichtiges Sig­nal für ein subsidiäres Europa, das versucht, die Entscheidungen dorthin zu bringen, wo sie hingehören, im bestverstandenen subsidiären Sinne. Das alles sind wesentliche Themen, die wir vorangebracht haben.

Auch das Parlament ist während dieser Präsidentschaft nicht zu kurz gekommen. Es gab bei dieser Präsidentschaft eine sehr beachtliche parlamentarische Dimension: zwei Treffen der Cosac-Mitglieder und -Vorsitzenden, also der Vorsitzenden und Mit­glieder der EU-Ausschüsse der Mitgliedstaaten, und – nicht zu vernachlässigen – auch die Fiskalpakt-Konferenz, bei der ich selbst die Ehre hatte, den Vorsitz zu führen, und bei der wir wichtige Themen wie Steuerflucht, Finanzrahmen, fiskalpolitische Spielre­geln innerhalb der EU behandelt und auch weitergetrieben haben.

Ich möchte mich an dieser Stelle übrigens ganz, ganz herzlich auch bei den Damen und Herren der Parlamentsdirektion bedanken, die diese Konferenz, diese Fiskalpakt-Konferenz in hervorragender Art und Weise organisiert und abgewickelt haben. Das hat uns allseits große Beachtung bei allen Mitgliedstaaten eingebracht; abgesehen natürlich von den inhaltlichen Themen, die wir weiter vorantreiben konnten. – Einen


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herzlichen Dank an die Parlamentsdirektion und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und einen Dank an unsere Bundesregierung! Ich denke, wir haben eine großartige Präsidentschaft nahezu hinter uns gebracht! – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

11.39


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried. – Bitte.


11.39.22

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren von der Bundesregierung! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Fernsehschirmen! Frau Abgeordnete Steger hat die Opposition aufgefordert, dankbar zu sein. (Abg. Steger: Das wäre ein­mal angebracht!) – Ja, es ist schon möglich, dankbar zu sein, die Frage ist nur, wem gegenüber man dankbar ist. Ich bin, ich gebe es offen zu, dankbar gegenüber jenen, die versuchen, diesen Inszenierungsnebel, den die Bundesregierung in die Welt zu set­zen versucht, zu durchschauen.

Man sieht da eigentlich zwei Dinge. Ja, ich stimme mit Kollegen Kopf überein, der ge­sagt hat, die Beamtinnen und Beamten, die österreichischen Beamtinnen und Beamten hier und in Brüssel, haben herausragende Arbeit geleistet – und das unter schwie­rigsten Bedingungen. (Allgemeiner Beifall.)

Geschätzte Damen und Herren! Es geht um diese schwierigen Bedingungen, und die­se Bundesregierung (Abg. Steger: Ab jetzt wird es unwahr!) ist sicher ein Hauptteil die­ser schwierigen Bedingungen.

Sie werfen der Opposition manchmal vor, das etwas einseitig zu sehen. Sie haben Herrn Schieder zitiert, der einen deutschen Journalisten zitiert hat. – Machen wir es anders. „El País“, eine spanische Zeitung: „restriktive, unsolidarische und antieuropäi­sche Sichtweise“, so beschreibt sie die Ratspräsidentschaft. Die „Neue Zürcher Zei­tung“ bezweifelt die Uneigennützigkeit und bezweifelt den ehrlichen Makler. Wenn Sie ausländischen Zeitungen nicht trauen (Abg. Rosenkranz: War das eine Zeitung aus dem EU-Mitgliedsland Schweiz?): Othmar Karas warnt davor, dass diese Ratspräsi­dentschaft nur die eigenen österreichischen Interessen durchsetzen möchte und kein ehrlicher Makler ist. Oder auch der Außenminister aus Luxemburg sagt, diese Ratsprä­sidentschaft sei kein ehrlicher Makler. (Abg. Steger: Ist das der, der so wüst schimpft?)

Geschätzte Damen und Herren! Warum sagen die das alle? – Man muss versuchen, das zu objektivieren und diese Highlights, die hier geschildert wurden, etwas zu hinter­fragen. Ich verstehe, dass Herr Strache sich darüber freut, dass 60 000 Delegierte ein Wiener Schnitzel gekriegt haben, aber das, Kolleginnen und Kollegen, ist keine Leis­tung einer Ratspräsidentschaft, sondern das ist ja wohl selbstverständlich! (Beifall bei SPÖ und JETZT. – Abg. Steger: Aber Schnitzel sind schon gut!)

Was sind die Dinge, die wichtig sind? – Es sind meines Erachtens drei große Themen­bereiche, an denen jede Ratspräsidentschaft gemessen wird: Das Erste ist dieser Traum vom grenzenlosen Europa, von einem funktionierenden Schengensystem. An­ders als noch zu Zeiten, in denen wir aufgewachsen sind, konnten wir plötzlich feststel­len: Man kann von Salzburg in Richtung Deutschland weiterfahren und wird nicht mehr durchsucht. – Das war doch wunderbar! Jede Ratspräsidentschaft müsste eigentlich daran arbeiten, dass dieser Traum wieder Realität wird. (Abg. Haider: Den Traum habt ihr zerstört, 2015! Ihr Sozialisten, ihr habt diesen Traum zerstört!)

Was ist dieser Ratspräsidentschaft da gelungen? – Eine Voraussetzung: der Außen­grenzschutz und Frontex. Das ist wieder so ein typisches Beispiel: Der Herr Bundes­kanzler erzählt uns, das sei alles geregelt, das sei alles in Bahnen, das alles passie-


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re. – Es hat keinen einzigen Beschluss zu Frontex im Rat gegeben, geschätzte Damen und Herren! Das ist die Wahrheit, nicht diese Schalmeientöne, die Sie uns gegenüber hier abgeben, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei SPÖ und JETZT.)

Was ist eine weitere Voraussetzung? – Koordinierte Migrationspolitik, koordinierte Asylpolitik, ein Quotensystem wahrscheinlich, um endlich wieder offene Grenzen im Schengenraum zu bekommen. Was ist in diese Richtung passiert? – Überhaupt nichts ist passiert, geschätzte Damen und Herren! Eine Ausnahme: Das, was passiert ist, ist, dass sich diese Bundesregierung mehr damit rühmt, die Grenzen wieder zu schließen.

Das ist nicht der Traum von Europa, den die meisten Menschen auf diesem Kontinent haben, geschätzte Damen und Herren, das ist ein anderer Traum! Zusperren, Zuschlie­ßen und die Menschen wieder daran hindern, Grenzen zu überschreiten, das ist das, was Sie europapolitisch machen; und sonst geschieht eigentlich überhaupt nichts in diesem Bereich, geschätzte Damen und Herren! Im Hinblick auf diesen Traum ist Ihre Ratspräsidentschaft ein Debakel, das muss man einmal ganz offen sagen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Steger: Sie haben diesen Traum zerstört mit Ihrer Flüchtlingspolitik!)

Das Zweite ist der Raum des gemeinsamen Arbeitens, der gemeinsame Wirtschafts­raum. Die Grundfreiheiten der EU wirken hier wahrscheinlich am stärksten auf die Bürgerinnen und Bürger ein. (In Richtung Bundeskanzler Kurz, der auf seinem Handy liest:) Ist das Candy Crush, Herr Bundeskanzler? (Bundeskanzler Kurz: Ich höre Ihnen schon zu, entspannen Sie sich!) – Ich bin außerordentlich entspannt, aber es wäre viel­leicht höflich, wenn Sie nicht Candy Crush spielten. (Ruf bei der SPÖ: Despektierlich! – Abg. Rosenkranz: Was ist mit Ihnen?!) – Herr Rosenkranz, Sie spielen auch Candy Crush oder was, weil Sie sich jetzt gerade zu Wort gemeldet haben? (Abg. Rosen­kranz: Was ist mit Ihnen? Ich habe Ihnen schon einmal etwas gesagt, Sie wissen!) – Was haben Sie denn gesagt? (Abg. Rosenkranz: Das ist Ihre Zeit!)

Na, dann machen wir weiter. Der Herr Bundeskanzler hört mir nicht zu, aber ich werde trotzdem weiterreden. (Rufe und Gegenrufe zwischen SPÖ und FPÖ. – Abg. Steger: Jetzt ist ihm nichts mehr eingefallen, jetzt hat er eine Pause gemacht!)

Die Grundfreiheiten des freien Personenverkehrs und der freien Wahl des Arbeitsplat­zes sind Dinge, die für mich die zweitwesentlichsten Bereiche dieser Europäischen Union sind, und diese Grundfreiheiten werden derzeit ausgenützt – zum Schaden der Menschen, die hart für ihr Geld arbeiten müssen. Lohn- und Sozialdumping: Fragen Sie die Bauarbeiter in der Südsteiermark, an der burgenländischen Grenze, wie sie sich dabei fühlen, dass die Entsenderichtlinie dazu ausgenützt wird, dass durch Scheinfirmen, durch Scheinarbeitsverhältnisse, durch Scheinselbstständigkeit Lohn- und Sozialdumping betrieben wird! – Dagegen, geschätzte Damen und Herren, hat die­se Bundesregierung auch nichts getan.

Herr Strache spricht von dieser Arbeitsagentur. Die Frau Sozialministerin wollte sie ei­gentlich verhindern, hat sie aber doch verzögert, sodass sie jetzt ein inhaltsloser Torso ist, nur eine Ratsposition, es gibt sie nicht. Sie haben gar nichts bewirkt, Sie haben überhaupt nicht dafür gesorgt, dass die ArbeitnehmerInnen in Österreich geschützt werden, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ und JETZT.)

Das Dritte ist Steuergerechtigkeit: Wie können die Menschen an dieses Europa glau­ben, wenn der Würstlstand bei uns draußen Steuern zahlt, aber Starbucks nicht, wenn eine Buchhandlung Steuern zahlt, aber Amazon nicht, wenn ein Programmierer bei uns, der selbstständig ist, Steuern zahlt, aber Apple nicht, geschätzte Damen und Her­ren? Sie haben auch gegen diese Situation überhaupt nichts unternommen. Die Digi­talsteuer hat nicht funktioniert, Panama ist von der Steueroasenliste genommen wor­den, und die Finanztransaktionssteuer haben Sie beerdigt. Das waren Ihre Leistungen


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während dieser Ratspräsidentschaft, geschätzte Damen und Herren, und das war das dritte Debakel! (Zwischenruf des Abg. Lopatka.)

Drei wichtige Felder, die diese Ratspräsidentschaft hätte bearbeiten sollen, hat sie nicht bearbeitet. Sie haben für Europa vielleicht einen Schritt nach vorne gemacht, aber gleichzeitig drei zurück, und das in die falsche Richtung, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ und JETZT.)

Deshalb möchte ich jetzt auch folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „faire Ar­beitsbedingungen in Europa – Lohn- und Sozialdumping bekämpfen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert

- sicherzustellen, dass Lohn- und Sozialdumping europaweit bekämpft wird, um gute Rahmenbedingungen für ein faires und soziales Europa zu schaffen;

- zu diesem Zweck u.a. die Gründung einer Europäischen Arbeitsagentur mit echten Kontrollrechten zu unterstützen;“

– Sie verstehen: gründen und echte Rechte, das ist der Unterschied –

„- den Sitz dieser Agentur in Österreich vorzuschlagen.“

*****

Danke schön. (Beifall bei SPÖ und JETZT.)

11.47

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Leichtfried, Genossinnen und Genossen

eingebracht in der 55. Sitzung des Nationalrates im Zuge der EU-Erklärung des Bun­deskanzlers gemäß § 74b Abs. 1 lit. b GOG-NR (TOP 1)

betreffend faire Arbeitsbedingungen in Europa – Lohn- und Sozialdumping bekämpfen

Begründung

Lohn- und Sozialdumping steht in Europa noch immer auf der Tagesordnung. Öster­reich ist davon besonders stark betroffen. Auf EU-Ebene wurde nun endlich die Über­arbeitung der Entsenderichtlinie finalisiert. Zusätzlich zu strengeren Regeln braucht es eine funktionierende grenzüberschreitende Kontrolle bei Arbeits- und Sozialvorschrif­ten, um Ausbeutung von Beschäftigten zu verhindern.

Österreich ist Zielland von Entsendungen, gleichzeitig steigt Lohn- und Sozialbetrug bei Entsendefirmen. Im Vorjahr kamen im 300.000 EU-Arbeitskräfte per Entsendung nach Österreich. Parallel dazu ist der Sozialbetrug durch neue betrügerische Praktiken gestiegen. Umso wichtiger ist es, das Prinzip "gleiches Entgelt am gleichen Ort für glei­che Arbeit" in allen EU-Staaten umzusetzen.

Kontrollen der österreichischen Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) belegen die Problematik: Bei Kontrollen im ersten Halbjahr 2017 gab es bei 0,9 Pro-


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zent der ArbeitnehmerInnen von österreichischen Betrieben Verdachtsfälle auf Unter­bezahlung, bei Entsendebetrieben mit einem Firmensitz in anderen EU-Staaten, die ih­re Beschäftigten nach Österreich entsenden, hingegen in 44 Prozent der Fälle.

Aber damit nicht genug: Das Problem der Scheinentsendungen und der fehlenden Sanktionsmöglichkeiten bei grenzüberschreitenden Sachverhalten wird immer wieder in Österreichs Grenzregionen deutlich. Im Burgenland wurden im Vorjahr Strafen in Höhe von einer Million Euro von ungarischen Unternehmen eingefordert, davon konn­ten aber nur 2.000 Euro tatsächlich eingetrieben werden. Genau aus diesem Grund muss die grenzüberschreitende Kontrolle sowie der grenzüberschreitende Vollzug von Verwaltungs- und Strafverfahren lückenlos sichergestellt werden, indem die nationalen Behörden in den Mitgliedstaaten zur Zusammenarbeit verpflichtet werden.

Bei der Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping ist noch einiges zu tun. Konkrete Maßnahmen wie die Schaffung einer europäischen Sozialversicherungsnummer, oder die Schaffung einer Europäischen Arbeitsbehörde müssen in naher Zukunft dringend gesetzt werden, um Lohn- und Sozialdumping effektiv zu bekämpfen.

Die Europäische Kommission stellte nun am 13. März 2018 entsprechend der Ankün­digung von Präsident Juncker in seiner Rede zur Lage der Union 2017 und im Rahmen des Paketes für soziale Gerechtigkeit, die Europäische Arbeitsschutzbehörde vor. Die Europäische Arbeitsschutzagentur soll den Bürgerinnen und Bürgern, den Unterneh­men und den nationalen Regierungen helfen, eine faire Arbeitskräftemobilität zu ge­währleisten.

Dies ist ein erster wichtiger Schritt, um den massiven Problemen im Zusammenhang mit Entsendungen wirksam zu begegnen. Denn die Mitgliedstaaten allein treffen wie oben dargestellt an administrative Grenzen, die auch die vorbildlichste rechtliche Re­gelung (vgl. das Lohn- und Sozialdumpingbekämpfungsgesetz) ins Leere laufen las­sen.

Umso bizarrer ist es, dass die schwarz-blaue Bundesregierung diesen sinnvollen Vor­schlag der EU-Kommission zuerst pro forma ablehnte, dann verzögerte und erst durch massiven Druck der Oppositionsparteien, der Sozialpartner und des Kommissionsprä­sidenten und nach der Kritik an der Absage eines Sozialministerrates, agierte und die­ses Dossier überhaupt verhandelte.

Selbst jetzt, nachdem sich die Bundesregierung dazu bitten ließ, doch zu verhandeln, ist das Ergebnis ein ausgesprochen Schlechtes: verwässerte Kontrollen, bloße Freiwil­ligkeit und genau das zahnlose Bürokratiemonster, das befürchtet wurde. Maßnahmen gegen Lohn- und Sozialdumping müssen auch durchsetzbar sein – mit bloßer Freiwil­ligkeit gewinnt man den Kampf gegen Dumpinglöhne und Steuerbetrug jedenfalls nicht. Eine sinnvolle Ausgestaltung zur Bekämpfung von grenzüberschreitendem Lohn- und Sozialdumping wäre das Ziel gewesen.

Nachdem nun erst die Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament bevorstehen, das eine deutlich sinnvollere Position einnehmen dürfte, erhält die Bundesregierung ei­ne neuerliche Chance.

Während für Konzerne günstige Regelungen im Schnelldurchgang beschlossen wer­den, müssen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer den Preis dafür zahlen. Dies muss sich ändern.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


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„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert

- sicherzustellen, dass Lohn- und Sozialdumping europaweit bekämpft wird, um gute Rahmenbedingungen für ein faires und soziales Europa zu schaffen;

- zu diesem Zweck u.a. die Gründung einer Europäischen Arbeitsagentur mit echten Kontrollrechten zu unterstützen;

- den Sitz dieser Agentur in Österreich vorzuschlagen.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Abgeordneter Mag. Roman Haider. – Bitte.


11.47.20

Abgeordneter Mag. Roman Haider (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! (Der Handy-Klingelton des Redners ist laut zu hören. – Abg. Leichtfried: Das war jetzt nicht Candy Crush! – Allgemeine Heiterkeit.) – Das drückt die Einstellung nach den Ausführungen des Kollegen Leichtfried aus: „Should I Stay or Should I Go“. Das Problem, lieber Kollege, ist – du hast selbst den Traum vom grenzenlosen Europa angesprochen –: Diesen Traum vom grenzenlosen Europa, kann ich dir nur sagen, habt ihr 2015 zerstört. Ihr Sozialisten habt diesen Traum 2015 zerstört! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Scherak.)

Schauen wir uns zu Beginn meiner Ausführungen aber einfach einmal ein paar statis­tische Zahlen, Daten und Fakten zum österreichischen Ratsvorsitz an! Es hat insge­samt 29 politische Einigungen mit dem Europäischen Parlament, 57 Einigungen mit dem Rat, die Annahme von 47 Schlussfolgerungen beziehungsweise Empfehlungen und die Annahme von 424 Entscheidungen gegeben. Diesen Entscheidungen sind zwei Europäische Räte, ein informeller EU-Gipfel, 31 formelle Räte, 14 informelle Räte und 1 465 Sitzungen zur Vorbereitung, von Vorbereitungsgremien unter österreichi­schem Vorsitz, 300 Vorsitzveranstaltungen allein in Österreich und 121 Trilogveranstal­tungen mit dem Parlament vorangegangen. – An diesen Zahlen sieht man, es war ein äußerst arbeitsreiches Halbjahr für diese Bundesregierung.

Besonders bemerkenswert ist, dass auch in Österreich in diesem Halbjahr sehr, sehr viel weitergegangen ist, dass auch in Österreich in diesem Halbjahr Reformen durch­geführt worden sind, ordentlich erledigt worden sind und gleichzeitig auch der EU-Rats­vorsitz erfolgreich zu Ende gebracht worden ist. Es ist mir wichtig zu betonen, dass trotz des hohen Arbeitspensums in Österreich auch in der EU richtig etwas weiterge­gangen ist. Da schauen die Kollegen von der SPÖ, was man in Österreich alles weiter­bringen kann, da schauen Sie, was alles möglich ist, wenn man arbeitet und nicht strei­tet, so wie wir das in den letzten Jahren, als die SPÖ in der Regierung war, erlebt ha­ben! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Bevor ich mich zwei besonders wichtigen Punkten, der Sicherheit und insbesondere der Migration, widme – da habe ich Herrn Kollegen Rossmann nämlich noch einiges auszurichten –, möchte ich noch ein bisschen auf einige Ergebnisse in anderen Be­reichen eingehen.

Im Bereich des Sozialen möchte ich auf die Schaffung der Arbeitsagentur – das ist schon angesprochen worden –, auf eine neue Richtlinie zur Barrierefreiheit oder eine Ratsempfehlung zur verbesserten Zusammenarbeit bei der Impfversorgung hinweisen.


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Im Bereich Verkehr und Infrastruktur sind drei Mobilitätspakete auf den Weg gebracht worden. Die EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc hat die österreichische Ratspräsi­dentschaft überhaupt als jene bezeichnet, die die meisten Erfolge im Verkehrsbereich abgeliefert hat – das unter einem freiheitlichen Ratsvorsitz, einem freiheitlichen Ver­kehrsminister Hofer. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Innere Sicherheit: Auch das ist uns Freiheitlichen schon immer ein ganz besonderes Anliegen gewesen, darum möchte ich auch hier auf zwei Punkte hinweisen, die unter dem Vorsitz eines freiheitlichen Ministers, des Innenministers Herbert Kickl, im Rat der Europäischen Union beschlossen wurden: Es gibt eine neue Richtlinie über den Zu­gang zu Finanzinformationen für die Strafverfolgung. Damit wird die Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität verbessert. Auch die Verbreitung terroris­tischer Inhalte im Internet wird in Zukunft deutlich erschwert. Sehr bedeutsam – auch das ist heute schon einige Male angesprochen worden – ist auch das umfassende operative EU-Antischlepperpaket, mit dem Frontex gestärkt und das Handwerk der Schlepper deutlich erschwert wird. Das ist ein weiterer Erfolg dieser österreichischen Ratspräsidentschaft, auch wenn es Ihnen wahrscheinlich entgangen sein wird. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Plessl.)

So, und jetzt ein wichtiges Thema, ein freiheitliches Kernthema: das Thema Migration und vor allem der Kampf gegen die illegale Migration. Das ist aus einem sehr einfa­chen Grund freiheitliches Kernthema, wir möchten nämlich unseren Staat und unsere Gesellschaft so erhalten, wie sie sind: als freiheitlichen, sozialen Rechtsstaat mit spezi­fisch europäisch-abendländisch geprägten kulturellen Wurzeln. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Eines soll wirklich diesen ganzen Open-Border-Fetischisten und Willkommensklat­schern im linken Spektrum hier im Haus, aber auch außerhalb des Hauses, völlig klar sein: Die von ihnen propagierte unkontrollierte Massenzuwanderung aus völlig frem­den, anderen Kulturen außerhalb Europas wäre das Ende genau dieses Staates und dieser Gesellschaft, meine sehr verehrten Damen und Herren. Es wäre das Ende des Rechtsstaates, es wäre das Ende des Sozialstaates, es wäre das Ende der Trennung von Religion und Staat und das Ende des liberalen Staatswesens und der liberalen Ge­sellschaft überhaupt. Und das wäre das Ende unserer Kultur. Darauf kann man gar nicht oft genug hinweisen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Gerade beim Thema Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration, beim UN-Migrationspakt, wie er landläufig genannt wird, treffen die unterschiedlichen Mei­nungen aufeinander: Die Meinung derjenigen, die nach wie vor die Open-Border-Frak­tion darstellen und alle Grenzen aufmachen möchten, unkontrollierter Massenzuwan­derung das Wort reden, trifft auf die Meinung jener, die einen verantwortungsvollen Zugang zu diesem Thema haben und Migration auf ein sinnvolles Maß begrenzen wol­len. Nirgends zeigt sich dieser Unterschied stärker.

Wes Geistes Kind dieser Migrationspakt ist, Kollege Rossmann, lässt sich auch schon aus der Präambel herauslesen. Da steht wortwörtlich: Migration ist die „Quelle des Wohlstands, der Innovation und der nachhaltigen Entwicklung“. – Wir sehen derzeit ganz genau in Steyr und in Straßburg, was für eine nachhaltige Entwicklung wir auch in Zukunft durch diese unkontrollierte Zuwanderung zu erwarten haben. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Damit diese nachhaltige Entwicklung nicht abreißt, steht in diesem Pakt auch noch drinnen: „Verbesserung der Verfügbarkeit und Flexibilität der Wege“ legaler „Migra­tion“. – Offensichtlich haben die Verfasser dieses Papiers den letzten Schuss noch nicht gehört. Es sind die Zeiten der Überflutung Europas mit Migrantenmassen endgül­tig vorbei, wir brauchen keine neuen Wege der Migration! Das brauchen wir nicht! Wir


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brauchen mehr Schutz für unsere Bürger! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ein Wort an all jene, die meinen – Sie haben das auch angesprochen, Kollege Ross­mann –, dieser Pakt sei nicht rechtsverbindlich. Da frage ich Sie schon: Warum beginnt dann jeder Absatz mit den Worten „Wir verpflichten uns“? Was ist Ihnen an der Wort­folge „Wir verpflichten uns“ nicht verständlich? Das versteht jeder: Wenn man sich ver­pflichtet, dann ist das Ganze eben auch umzusetzen. (Zwischenruf des Abg. Scherak.)

Ihre ehemaligen Kollegen von den Grünen im Deutschen Bundestag haben ja auch schon einen Antrag zur engagierten Umsetzung des Pakts eingebracht. Aus diesem Antrag Ihrer Ex-Kollegen kann ich auch einmal ganz kurz zitieren: „Das bedeutet, dass der GCM“ – der Global Compact for Migration – „einen Kanon von Normen und Leit­linien formuliert, der sowohl von den Vereinten Nationen als auch von den Signatar­staaten zu achten ist.“ – Also: ein klares Bekenntnis zu einer rechtlichen Festsetzung mit diesem Global Compact for Migration.

Ich bin froh, dass wir Freiheitlichen es geschafft haben, uns hier durchzusetzen, und dass uns unser Koalitionspartner in der Argumentation auch gefolgt ist, dass wir bei den Ersten waren, die diesen Pakt abgelehnt haben, und dass einige andere europäi­sche Staaten, sehr viele, dann den Mut gefunden haben, uns zu folgen, mit einer ver­antwortungsvollen Migrationspolitik im Sinne unserer Bürger. Das ist ein Erfolg, auf den ich ganz besonders stolz bin. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zum Schluss noch ganz kurz zum Flüchtlingspakt: Auch mit diesem Pakt bin ich nicht zu 100 Prozent glücklich, aber ich kann damit leben. Warum kann ich das? – Zum Ers­ten wird eine klare Trennlinie zwischen Flüchtlingen und Migranten gezogen, was der Migrationspakt nicht macht, das ist aber ganz besonders wichtig. Zum Zweiten sind viele Inhalte dieses Pakts, weil er sich ja nur auf Flüchtlinge bezieht, die auch von der Genfer Flüchtlingskonvention erfasst sind, schon Teil unserer Rechtsordnung. Darüber hinaus, und darauf kommt es jetzt auch an, haben wir Österreicher bereits im Vorfeld verbindlich klargestellt, dass wir aus diesem Pakt kein für Österreich verbindliches Völkerrecht entstehen lassen werden. Der Fachausdruck dafür ist Persistent Objector. Wir werden daher ein ganz genaues Auge darauf haben, wie es mit diesem Flücht­lingspakt weitergeht. Das können wir den österreichischen Bürgern versprechen. (Bei­fall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.57


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste: Frau Abgeordnete Claudia Gamon. – Bitte.


11.57.38

Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Frau Präsidentin! Werte Kollegin­nen und Kollegen! Ich möchte auf meinen Vorredner replizieren. Es sind auch viele un­terschiedliche Punkte erwähnt worden, die während der Ratspräsidentschaft abgehan­delt wurden. Da hat es schon einige Dinge gegeben, die gut abgearbeitet wurden, und da kann man auch den außerordentlich gut vorbereiteten Beamtinnen und Beamten, die in der österreichischen Verwaltung arbeiten, die das sehr gut vorbereitet haben und auch einen außerordentlich guten Ruf in Brüssel haben, Lob aussprechen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Hier geht es aber um politische Kritik. Es geht gar nicht um die Arbeit, die die Beamtin­nen und Beamten vorbereitet haben, sondern es geht um die politische Herangehens­weise, die die österreichische Bundesregierung für diese Ratspräsidentschaft gewählt hat.

Schauen wir uns konkret ein paar Punkte an, die vor der Ratspräsidentschaft und zu Beginn sehr stark thematisiert worden sind, um die es aber in der Zwischenzeit still


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geworden ist! Wir könnten zum Beispiel das Budget hernehmen, da geht es jetzt in eine wirklich sehr wichtige Verhandlungsphase. Sie haben aber gerade bei diesem Punkt immer wieder gezeigt, dass es Ihnen vor allem um ein innenpolitisches Thema geht, nicht um zukunftsorientierte Europapolitik. Alle Experten und auch einige Mit­gliedstaaten sind sich immer einig gewesen, dass man mit der Position weniger ein­zahlen, aber mehr herausbekommen ausschließlich unrealistischen Populismus be­treibt, nicht mehr und nicht weniger.

Sie sagen, Sie wollen beim System sparen, nicht bei den Menschen. – Wer will das nicht? Wer sagt das nicht? Was bedeutet das aber dann konkret in Zahlen gemessen für das europäische Budget? Sie haben jedenfalls, seitdem Sie das angekündigt ha­ben, keine konkreten Vorschläge mehr auf den Tisch gelegt, wo denn in der europäi­schen Verwaltung noch mehr eingespart werden sollte. Nicht einmal, wenn wir 100 Pro­zent einsparen, können wir das wieder hereinholen, was uns durch den Verlust der britischen Zahlungen verloren geht. Es ist also zynisch, so eine Aussage zu machen. Sie wollen nicht mehr einzahlen, aber mehr herausholen, denn beim größten Topf, bei den Agrarförderungen, will man ja gar nichts angreifen, da möchte man umso mehr he­rausholen, jedenfalls gleich viel wie davor. Es ist die buchstäbliche heilige Kuh, auch des Bauernbundes natürlich, an die man nicht herankommt.

Aber vielleicht, um konkret auch noch auf Kollegen Haider einzugehen, zur Frontex-Reform, zum Thema Migration. Das ist ja ein weiterer Hit in den Regierungscharts. Alles, was mit Außengrenzschutz und irgendwas mit Ausländern zu tun hat, funktioniert immer, aber Sie sind da mit einer vollkommen unrealistischen Aufstockung der Fron­tex-Beamten um 10 000 Grenzschützer bis 2020 reingegangen, so, als müsste man die quasi am Weg zur Außengrenze nur noch aufsammeln, gleich mitnehmen und hinstellen – funktioniert, ausgezeichnet. Jetzt, kurz vor Ende der Ratspräsidentschaft, meldet sich der Herr Innenminister und verkündet, 10 000 würden die Grenzen des Machbaren sprengen, eventuell gingen sich 5 000 bis 2025 aus, und hat dann in Rich­tung Kommission ausgeteilt und gesagt: Beamte bekommen wir nicht im Supermarkt­regal! Als wäre es nicht diese Regierung gewesen, die schon direkt vor dem Super­markt gestanden ist und die Regale plündern wollte, denn: Her mit den Beamten!, das geht ja alles so einfach, weil Außengrenzschutz.

Und im Bereich Migration haben Sie sich auch darauf verlassen, dass die Probleme schon andere lösen werden. Man bekommt das Gefühl, dass es einem gar nicht darum geht, dass man den Anspruch überhaupt verloren hat, politisch ein Problem zu lösen, weil man ja davon profitiert, wenn es weiterhin besteht, weil die eigene politische Grundlage ausschließlich darauf aufbaut, dass es das Problem weiterhin gibt, weil wir gar keinen Anspruch haben, überhaupt etwas weiterzubringen und die Probleme zu lö­sen.

Mich hat das im EU-Hauptausschuss Montagabend schon ein wenig entsetzt, als sich diverse Abgeordnete der Regierungsfraktionen herablassend über Journalisten ge­äußert haben, die diese Ratspräsidentschaft politisch kritisch gesehen haben, die ein Urteil darüber geäußert haben, wie man denn das verstehen soll, wenn mitten in der Ratspräsidentschaft die Indexierung der Familienbeihilfe beschlossen wird. Das ist eine Provokation in Brüssel gewesen, in dieser Funktion, die man während einer Ratspräsi­dentschaft hat – genauso das, was eben ein deutscher Journalist als zum Abschuss Freigeben des Migrationspaktes bezeichnet hat. Wenn man das während dieser Zeit macht, in der man die Ratspräsidentschaft innehat, dann ist es ein schlechtes politi­sches Signal. Und um diese Kritik ist es gegangen.

Wir glauben, dass es Ihnen eben nicht darum geht, die Probleme zu lösen. Sie haben eine Freude daran, Sie schauen zynisch darauf, dass es schön weitergeht, damit Ihnen


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Ihr politisches Kleingeld weiterhin schön zur Verfügung steht. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.02


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich. – Bitte.


12.02.26

Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Hohes Haus! Die Opposition hat sich redlich bemüht, diese Ratspräsident­schaft als eine Art politische Wundertüte darzustellen, aus der die politischen Lösun­gen nur so herauspurzeln. Das kann sie gar nicht sein, diese Möglichkeit hat sie gar nicht. Was die Ratspräsidentschaft aber bietet, ist eine ideale politische Plattform, um Europa aus österreichischer Sicht einen Stempel aufzudrücken. Das hat Österreich ge­tan, und das bleibt auch. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wir haben in der Vergangenheit Ratspräsidentschaften verschiedener EU-Mitgliedstaa­ten erlebt, kleiner Staaten, die gar nicht die Kapazität haben, in einem halben Jahr all diese Sitzungen durchzuführen, großer Mitgliedstaaten, die gar nicht versucht haben, politische Schwerpunkte zu setzen. Österreich hat das getan.

Kollege Leichtfried, wenn Sie vom Traum dieses gemeinsamen Europas sprechen, dann ist das insofern berechtigt, als wir den träumen wollen, aber genau der platzt, wenn wir die Probleme nicht ansprechen. Die Ratspräsidentschaft Österreichs hat doch das Bedürfnis der Menschen in Österreich und in Europa getroffen, indem man sie unter das Motto: Ein Europa, das schützt!, gestellt hat, um eben diesen Traum zu verwirklichen: ein Europa, das schützt, das Sicherheit gibt, indem der Außengrenz­schutz aktiviert wird, weil die Menschen eben Sorge vor unkontrollierter Migration ha­ben; ein Europa, das die Wirtschaft, die fleißigen Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer schützt, wenn supranationale Konzerne keine Steuern zahlen; ein Europa, das vor dem Klimawandel schützt. Daher sind diese Themen berechtigt, und Österreich ist es ge­lungen – das muss man schon sagen –, ein Brückenbauer, ein Mittler zu sein und auf jeden Fall jemand zu sein, der zwischen Konfliktparteien eine starke Stimme in Europa und auch manchmal in der Welt erhebt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Im Übrigen sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt, dass eine riesige Zahl dieser Veranstaltungen das österreichische Umweltzeichen hat und auch als Green Meeting apostrophiert wurde, was auch ein wichtiges umweltpolitisches Signal ist, und damit komme ich zur Weltklimakonferenz in Kattowitz.

Österreich hat dort eine zentrale Rolle. Bei den UNO-Konferenzen, bei der UNO-Welt­klimakonferenz ist es immer so, dass das jeweilige EU-Vorsitzland die Koordination überhat. Umweltministerin Elisabeth Köstinger sitzt jeden Tag mit den europäischen Umweltministern zusammen und man koordiniert sich dort. Europa spricht mit einer Stimme, und wenn es notwendig ist, trifft man sich mehrmals am Tag bei dieser Kon­ferenz. Europa ist in Wahrheit – das war in der Vergangenheit so und das wird auch in Kattowitz so sein – beim Klimaschutz der Vorreiter und der Antreiber. Es war das Ver­dienst Europas, dass die Amerikaner damals in Paris in den Weltklimaschutzvertrag eingestiegen sind, dass die Chinesen und alle anderen hier mittun. So ist dieser Be­schluss in Paris zustande gekommen. Und jetzt in Kattowitz geht es darum, dass die­ses Abkommen mit Leben erfüllt wird, dass Maßnahmen als Konsequenz aus dem Pa­riser Weltklimaschutzvertrag gesetzt werden, um das Klima effektiv zu schützen.

Österreich, die Umweltministerin hat erreicht, dass es eine gemeinsame, koordinierte EU-Position gibt, denn Europa tut mehr im Bereich des Ausbaus erneuerbarer Ener­gien, bei der Energieeffizienz und ähnlichen Dingen. United Kingdom wird fehlen. Die


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Briten haben bei diesen Weltklimakonferenzen immer eine zentrale Rolle gespielt, weil sie durch ihre internationalen Verflechtungen ein wichtiger Partner des gemeinsamen Europas waren. Wichtig war aber auch, dass etliche andere umweltpolitische Dinge bei dieser Ratspräsidentschaft gemacht wurden.

Zu einem Punkt möchte ich noch kommen – er wurde vom Bundeskanzler erwähnt –, nämlich zur Rolle am Westbalkan. Österreich ist da ein echter Brückenbauer. Es kann ein stabiles Europa nur dann geben, wenn es politische Stabilität am Westbalkan gibt. Daher war es positiv, dass Beitrittskapitel mit Serbien, mit Montenegro unter österrei­chischem Vorsitz eröffnet beziehungsweise verhandelt worden sind und dass Öster­reich im Rahmen des Vorsitzes die Länder, aber auch die Zivilgesellschaft dieser Re­gion eingebunden hat, denn es ist wichtig, dass Verständnis für die Menschen in der Region aufgebracht wird, ist das doch eine sehr komplexe, sensible Region, auch durch die Geschichte bedingt. Daher war es wichtig, dass sich Bundeskanzler Sebas­tian Kurz und andere Regierungsmitglieder die Lage vor Ort angesehen haben, damit diese Staaten das ehrliche Gefühl vermittelt bekommen, dass wir sie auf ihrem Weg in ein gemeinsames Europa begleiten wollen. Dieser Transformationsprozess ist ein schwieriger, aber ein notwendiger, und Österreich betreibt hier den permanenten Dia­log. Das ist von ganz zentraler Bedeutung.

Abschließend, Frau Kollegin Gamon: Schauen Sie sich bitte den Mehrjährigen Finanz­rahmen an! Die meisten Politikbereiche in der EU bekommen mehr Geld. Der Agrar­bereich, weil Sie das kritisieren, ist einer der wenigen, bei dem gekürzt wird. Das wäre fatal, wenn wir ein nachhaltiges, ökologisch orientiertes Europa haben wollen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

12.07


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Pe­ter Pilz. – Bitte.


12.07.34

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (JETZT): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler – nicht mehr da! Herr Vizekanzler – auch nicht mehr da! Werte Kolleginnen und Kollegen, ich habe diese Begrüßung ganz bewusst gewählt. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) – Wir haben Herrn Kurz heute nicht ins Parlament eingeladen! Das war keine Einladung des Nationalrates: Bitte schön, geben Sie uns eine Erklärung ab, was ihr dieses halbe Jahr Ratsvorsitz getan oder verschlafen habt! (Abg. Neubauer: Was haben denn Sie ge­macht?) Das war eine Selbsteinladung des Bundeskanzlers. Geschäftsordnungskon­form hat sich der Bundeskanzler selbst eingeladen, weil er das dringende Bedürfnis verspürt hat, uns seine Europapolitik zu erklären – und dann hat er das dringende Be­dürfnis verspürt, während der Debatte bereits wieder den Nationalrat zu verlassen. (Abg. Haider: Das habe ich auch, wenn ich Ihnen zuhöre! Das Bedürfnis habe ich auch, wenn ich Ihnen zuhöre!)

Das ist eine außerordentliche Respektlosigkeit! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wenn man sich schon selbst in den Nationalrat einlädt, dann hat man auch an der Debatte teilzunehmen! Das gilt für den Bundeskanzler und das gilt auch für den Vizekanzler. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.) Ich halte überhaupt nichts davon, diesen respektlosen Umgang mit dem Parlament und damit auch mit den Wählerinnen und Wählern einfach so kommentarlos hinzunehmen. (Abg. Winzig: Der ist am Weg nach Brüssel, Herr Pilz!)

So, und jetzt versuchen wir heute das erste Mal etwas Gemeinsames. Versuchen wir, uns gemeinsam zu erinnern: Was hat uns der Bundeskanzler heute gesagt, außer dass alles super war? Was hat er uns gesagt? – Und wenn Sie jetzt ganz ehrlich sind, auch meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen von FPÖ und ÖVP (Abg.


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Winzig: Reden Sie uns lieber nicht an!), Sie werden sich an nichts erinnern können (Geh-Rufe bei der FPÖ), weil es nichts Bemerkenswertes in dieser Rede gegeben hat, außer: Wir waren super! Das wissen eh alle. (Zwischenruf der Abg. Steger.)

Der entscheidende Punkt ist, und darüber sollten wir ernsthaft reden: Am Beginn dieser Ratspräsidentschaft gab es fünf große Fragen, die Europa gemeinsam beantworten sollte oder an denen es gemeinsam scheitern würde – und am Ende der österreichi­schen Ratspräsidentschaft sind alle diese fünf Fragen nach wie vor unbeantwortet.

Die erste Frage lautet: Findet Europa eine gemeinsame Antwort auf die Klimakrise? Es hat dazu nicht einmal einen österreichischen Antwortversuch gegeben; das ist außer­gewöhnlich. Ganz Europa wartet auf eine Initiative, und diese Initiative hätte von der Ratspräsidentschaft kommen müssen. Sie ist nicht gekommen. Das ist ein außeror­dentliches politisches Versagen und eine außerordentliche politische Verantwortungs­losigkeit. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die zweite Frage hat gelautet: Kann Europa der nächsten Finanzkrise vorbeugen? Wir wissen – und das ist kein Geheimwissen einzelner hochspezialisierter Ökonominnen und Ökonomen –, dass die nächste Finanzkrise immer wahrscheinlicher wird, weil es nach wie vor unkontrollierten und explodierenden Handel mit äußerst gefährlichen Fi­nanzprodukten ohne jede Aufsicht und ohne jeden Widerstand nationaler Regierungen gibt. So, die einzige mögliche Antwort hätte gelautet: sofortige Einführung der Finanz­transaktionssteuer!, und die begleitende Antwort hätte lauten müssen: zumindest euro­paweites Verbot des Handels mit den gefährlichsten Finanzprodukten! – Nichts davon ist passiert! Unter der österreichischen Ratspräsidentschaft ist das Projekt, die große Idee der Finanztransaktionssteuer begraben worden. Damit ist der Weg in die nächste Finanzkrise frei. Das ist die zweite große Verantwortungslosigkeit der österreichischen Ratspräsidentschaft. (Beifall bei JETZT.)

Die dritte Frage: Findet Europa einen gemeinsamen Weg der Digitalisierung? Einge­klemmt zwischen den klaren Digitalisierungskonzepten Chinas und Nordamerikas gibt es keine europäische Antwort, auch keine österreichische. Es gibt kein europäisches Konzept der humanen Digitalisierung. Es gibt nichts! Hat es irgendeine Initiative der ös­terreichischen Ratspräsidentschaft gegeben? – Nein, nichts, überhaupt nichts! Das ist die dritte große Verantwortungslosigkeit der österreichischen Ratspräsidentschaft.

Die vierte Frage lautet: Wird die Europäische Union eine Sozialunion? Und: Ist der ers­te Schritt die Einführung einer gemeinsamen europäischen Arbeitslosenversicherung? Es hat keine Initiative gegeben, keine öffentliche Überlegung, nicht einmal einen Aufruf vonseiten der österreichischen Präsidentschaft, nichts! Und das ist die vierte und für die Menschen besonders nachteilige Verantwortungslosigkeit der österreichischen Ratspräsidentschaft. (Beifall bei JETZT. – Abg. Hauser: Sollen wir die Arbeitslosen in den anderen Ländern finanzieren?)

Und die fünfte große Frage lautet: Kann Europa eine gemeinsame Antwort auf das große Problem der globalen Wanderungsbewegungen und der Einwanderung finden? (Abg. Jenewein: Nur der Peter Pilz kann es!) Dazu ist nur eines festzuhalten: Frontex, die gemeinsame Sicherung der Außengrenzen, ist unter dieser Ratspräsidentschaft für mindestens ein Jahrzehnt begraben worden. Weil sich Staaten wie Österreich und Re­gierungen wie Kurz/Strache nicht an der Finanzierung der gemeinsamen Außenkon­trollen Europas beteiligen wollen, wird es diese Kontrollen nicht geben. Und dann wer­den die gleichen Herrschaften, insbesondere von der Freiheitlichen Partei, aufstehen und sagen: Es gibt unkontrollierte Einwanderung! – Ja, weil es keine europäische Ini­tiative zur Kontrolle dieser Wanderungsströme gegeben hat. Das ist Ihre fünfte große Verantwortungslosigkeit.

Ich sage Ihnen noch eine Zahl, da der Kanzler immer aufsteht und sagt: Wir müssen vor Ort helfen, wir helfen vor Ort!, ich habe gerade im Internet nachgeschaut, wie viel


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Österreich heuer dem World Food Programme zur Verfügung gestellt hat – schauen Sie auch selber nach! –: 603 865 Euro. (Abg. Hauser: Pfoa!) Das ist der österreichi­sche Beitrag zum Welternährungsprogramm. Wir sind derzeit auf Platz 43, hinter einer ganzen Reihe afrikanischer Staaten, die weit mehr helfen als wir. Island zahlt das Dop­pelte von Österreich, stellen Sie sich das einmal vor! So schaut’s aus!

Da kommt jetzt etwas dazu, und das nennt sich Fake: die Hilfe vor Ort, die Hilfe für die Betroffenen, das Verhindern des Abbaus von Druck, der zu Massenauswanderung und Masseneinwanderung führt. Das sind globale Hütchenspiele der österreichischen Rats­präsidentschaft, das ist Schwindel, das ist Fake. Das ist nicht nur verantwortungslos, sondern das ist eine bewusste Täuschung der österreichischen Bevölkerung und der europäischen Öffentlichkeit. Das ist weit mehr als Verantwortungslosigkeit; das, was hier passiert, ist politisch nicht tragbar und menschlich eine Schande! (Beifall bei JETZT.)

Sie lassen damit nicht nur die Menschen aus den Fluchtländern im Stich, sondern Sie lassen auch die Menschen in Österreich und Europa im Stich, die dann mit den Folgen einer unkontrollierten Einwanderungspolitik konfrontiert sind.

Der Bundeskanzler hat nichts zu den großen Fragen gesagt. Der Vizekanzler war viel konkreter. Ich nehme aus seiner Rede zwei große erfolgreiche freiheitliche Initiativen mit: Zum Ersten hat er gesagt, dass es ein sehr erfolgreiches gemeinsames Essen der Sportdirektoren der Europäischen Union gegeben hat (Abg. Hauser: Jetzt wird es wie­der runtergedodelt!), und er hat dankenswerterweise hinzugefügt, dass es in einem sehr schönen Ambiente war. (Abg. Jenewein: Sicher schöner als im Goethehof! – Zwischenruf des Abg. Deimek.) Toll, geschafft, dank Strache war es ein gelungenes Sportdirektorenessen.

Und er hat gesagt, dass Europa auf Druck der Freiheitlichen Partei Fortschritte beim in­telligenten Fahrtenschreiber macht – beim intelligenten Fahrtenschreiber! Natürlich, da braucht es die Freiheitliche Partei in der Bundesregierung, damit der intelligente Fahr­tenschreiber noch ein bisschen intelligenter wird.

Wissen Sie, wir brauchen eine europäische Politik, eine gemeinsame europäische Poli­tik, gerade betreffend Einwanderung, gerade betreffend Sicherheitspolitik, gerade be­treffend die Umverteilung von oben nach unten, gerade betreffend Klimaschutz, gerade betreffend die Demokratisierung Europas, damit die Menschen endlich das Gefühl haben, das ist ein gemeinsames Europa, das auch gemeinsam gestaltet und bestimmt wird. Wenn man ein Europa, das schützt, ernst nimmt, dann müsste das auch ein Eu­ropa sein, das vor einer derartigen Europapolitik schützt. – Danke. (Beifall bei JETZT. – Abg. Jenewein: Schöne Weihnachten!)

12.17


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch. – Bitte.


12.17.27

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Kollege Pilz, wenn Sie sich empören, dann sollten Sie sich über sich selbst und Ihre JETZT-Gruppierung empören, denn ich glaube, dort hätten Sie genug zu tun. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Diese Präsidentschaft zählt zu den verantwortungsvollsten Präsidentschaften der letz­ten Jahre (Abg. Pilz: Das sagt Putin! – Zwischenruf der Abg. Duzdar), und ich bin stolz darauf, dass wir ein Teil der Bundesregierung sind, die diese Präsidentschaft durchfüh­ren kann. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Regierung hat die Präsidentschaft unter das Motto: Ein Europa, das schützt!, ge­stellt, und sie hat das auch ernst genommen. Herr Kollege Leichtfried, Sie haben die


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Grundfreiheiten der Union angesprochen. Diese Grundfreiheiten sind sehr wichtig, sie werden von uns allen respektiert. Als Staatsbürger eines Mitgliedslandes haben wir sie alle genießen können: den Schengenraum, die offenen Grenzen, die gemeinsame Währung. Mit diesen Grundfreiheiten ist aber in den letzten Jahren leider Schindluder getrieben worden, man hat sie nicht ernst genommen. Man hat geglaubt, diese Grund­freiheiten seien in Europa geschenkt; das sind sie aber nicht. Um diese Grundfreiheiten müssen wir permanent kämpfen, und diesen Kampf hat die Europäische Union verab­säumt. Die Europäische Union hat die Aufgaben, die ihr treuhänderisch von den Mit­gliedsländern übertragen worden sind, leider Gottes nicht wahrgenommen. Und des­halb ist es notwendig, dass die europäische Politik sich ändert. (Beifall bei der FPÖ so­wie der Abg. Winzig.)

Diese Präsidentschaft hat dazu geführt, dass die Änderung in den wesentlichsten Be­reichen beginnt. Wir sind nicht so vermessen zu sagen, dass wir als mittelgroßes Land in Mitteleuropa Europa regieren könnten; das können wir nicht. Wir haben aber diese Präsidentschaft und dieses halbe Jahr erfolgreich genützt, einen Politikwechsel einzu­leiten. Der Politikwechsel beginnt beim Schutz der Außengrenzen. Dort ist vonseiten der Kommission ein Vorschlag in Bezug auf die Stärkung von Frontex gemacht wor­den, den es früher nie gegeben hätte, hätte nicht der Druck der Präsidentschaft be­standen, hätte nicht der Druck der österreichischen Bundesregierung bestanden, in den Räten von der Kommission konkrete Vorschläge zu fordern, wie man die Außen­grenze schützt.

Sie können natürlich sagen, dass uns das morgen lieber ist als übermorgen, aber das Thema Schutz der Außengrenze wird nicht mehr vom Tisch zu wischen sein, und das ist das Verdienst unserer Präsidentschaft. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Auch was der Finanzminister betreffend die Besteuerung von Großkonzernen, die Fi­nanztransaktionssteuer, die Digitalsteuer versucht: Diese Themen – obgleich wir nicht den Endpunkt erreicht haben, der uns lieb gewesen wäre – sind nicht mehr vom Tisch zu wischen. Die Europäische Union und die Präsidentschaften, die nach uns kommen, können nicht mehr über das, was wir auf europäischer Ebene begonnen haben zu diskutieren, hinweggehen. Das, was wir in diesem halben Jahr getan haben, ist das Richtige. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich glaube auch, dass große Teile der politischen Parteien, im Besonderen die SPÖ, nicht wahrnehmen, dass die Europäische Union an einem Scheideweg steht, an einem Scheideweg zwischen einem Scheitern oder einer Neugeburt im Rahmen einer Ge­winnung einer neuen praktischen Politik im Sinne der Bürger Europas. Das ist in den letzten Jahren das große Defizit der Europäischen Union gewesen: der Mangel einer praktischen Politik, im Sinne der Bürger und Bürgerinnen Europas. Da hat die Euro­päische Union die Notwendigkeit, wieder an Qualität und an Durchschlagskraft zu ge­winnen.

Der Brexit ist während unserer Präsidentschaft ein wesentliches und schwieriges The­ma gewesen, aber soweit man da als Ratspräsidentschaft einschreiten kann, hat die österreichische Bundesregierung das getan. Alles, was weiter geschieht, ist eine autonome Sache der Briten selbst, wir haben darauf keinen Einfluss, wir müssen ak­zeptieren, wie die Abstimmungen in Großbritannien ablaufen, welche politischen Schritte dort gesetzt werden, und wir haben darauf zu achten, dass die übrig gebliebe­nen 27 Mitgliedsländer nicht auf der Strecke bleiben, sondern dass die Interessen der verbleibenden EU-Mitgliedstaaten gewahrt werden.

Das Wichtigste aber in dieser Präsidentschaft, in diesem Europa, das schützt, ist zwei­fellos die Sicherheitspolitik. Ich bin dankbar dafür, dass wir mit Innenminister Kickl ei-


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nen Mann im Rat hatten, der das vorangetrieben hat, denn so kann es mit diesen Mordtaten, mit diesem Erschießen, mit diesem Erstechen von Menschen und mit die­sen Vergewaltigungen nicht weitergehen. (Zwischenruf der Abg. Bayr.) Da haben wir Maßnahmen zu setzen, die die europäische Bevölkerung schützen; wir dürfen dabei nicht nur zusehen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir dürfen nicht nur zusehen, wie das im Rahmen eines Linkspopulismus, der uns Wolkenkuckucksheime vormacht, die nicht der Realität entsprechen, passiert ist (Abg. Greiner: Sehr sachlich!), sondern wir haben im Bereich der Sicherheitspolitik Maßnah­men zu setzen, die wirkungsvoll sind. Und wenn die Europäische Union dazu nicht in der Lage ist, die Außengrenzen zu sichern und die Sicherheit im Schengenraum zu ge­währleisten, dann müssen die einzelnen Mitgliedsländer, in unserem Fall eben die Re­publik Österreich, dafür sorgen; und das werden wir auch tun.

Meine Damen und Herren von der Opposition! Sie ärgert, dass die Republik seit einem Jahr wieder regiert wird. Das war in jenen Jahren, in denen Sie den Regierungschef gestellt haben, nicht der Fall. Jetzt wird die Republik wieder regiert, auch auf europäi­scher Ebene. Wir haben im Rahmen dieser Präsidentschaft auch auf europäischer Ebene einen Politikwechsel eingeleitet und den werden wir auch weiter betreiben. – Ich danke Ihnen sehr. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.24


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag.a Muna Duzdar. – Bitte.


12.24.15

Abgeordnete Mag. Muna Duzdar (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Von der Bundesregierung ist ja nicht mehr viel da. (Abg. Hauser – in Richtung Bundesminister Blümel deutend –: Wer ist das? Der Minister! – Ruf bei der FPÖ: Das ist ja unerhört!) Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Galerie! (Abg. Winzig: Nicht so diskriminierend!) – Es sind weder Bundeskanzler, noch Vizekanzler da. (Abg. Ham­mer: Jetzt sitzen Sie nicht mehr dort!)

Die Ratspräsidentschaft geht zu Ende, und es gilt, heute Resümee zu ziehen und auf das letzte halbe Jahr zurückzuschauen. Ich habe dem Herrn Bundeskanzler heute zu­gehört – er ist ja nicht mehr da –, wie sein Rückblick auf die EU-Ratspräsidentschaft ausschaut. Es war nicht schwer vorauszusehen, denn dazu braucht man wirklich keine hellseherischen Fähigkeiten. Natürlich stand sein Lieblingsthema im Fokus, mit dem er ja sehr, sehr gerne andere Themen überspielt und überdeckt: Migration.

Wir haben erlebt, dass die ganze EU-Ratspräsidentschaft vom Thema EU-Außen­grenzschutz bestimmt war. Ich habe das sehr spannend und interessant gefunden, da man so getan hat, als ob man dieses Thema zum ersten Mal aufs Tapet gebracht hätte. Wir diskutieren das doch schon seit vielen, vielen Jahren, und ich kann mich er­innern, dass es einen österreichischen Außenminister gab, der manchmal so tut, als ob er der vorherigen Regierung gar nicht angehört hätte. Ich kann mich aber nicht erin­nern, dass er jemals zu einem verstärkten EU-Außengrenzschutz beigetragen hätte. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Steger: Wahrscheinlich hat ihn die SPÖ daran gehindert!)

Die Chuzpe an der ganzen Geschichte ist für mich, dass, während der Bundeskanzler sagt: Wir wollen einen verstärkten EU-Außengrenzschutz!, er überhaupt nicht bereit ist, finanziell mehr dazu beizutragen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist doch bitte ein Witz! (Abg. Leichtfried: Ja, genau!) Ich kann doch nicht irgendetwas for­dern und überhaupt nicht bereit sein, zur Lösung beizutragen. (Abg. Hammer: Sind jetzt die Grenzen dicht oder nicht?)


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Ich habe aber den großen Verdacht, dass da ein gewisses System dahintersteckt, dass es im Grunde genommen nur darum geht, bestimmte Themen am Leben zu erhalten, damit man noch sehr, sehr lange und ewig darüber reden kann. Das, meine sehr ge­ehrten Damen und Herren, ist doch sehr typisch für eine Politik, die wir heute in Europa erleben, nämlich eine Politik, die von Politikern getragen wird – meistens sind es Poli­tiker und nicht Politikerinnen –, die verantwortungslos agieren, denen es überhaupt nicht mehr um die Sache geht, denen es überhaupt nicht mehr um ernsthafte Lö­sungen geht, sondern nur darum, in ihrem eigenen Land mit Stimmungsmache zu punkten. (Abg. Neubauer: Das war jetzt diskriminierend! Sexistisch war das!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, was war der Brexit denn anderes? – Da ha­ben sich Rechtspopulisten aufgespielt, sich stark gemacht, mit den Ängsten der Men­schen gespielt, haben Milch und Honig versprochen und die haben das Land in eine Krise, in eine Sackgasse geführt. Sie haben einen Scherbenhaufen hinterlassen und haben sich letztlich aus dem Staub gemacht. (Abg. Hauser: Oje!) Ich frage Sie: Wohin sind die ganzen Camerons und Johnsons denn verschwunden? – Ich sehe sie nicht mehr. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neubauer: Wo ist denn der Kern hingekommen?)

Genauso verantwortungslos wird mit der Flüchtlings- und Migrationsfrage umgegan­gen. Da sehe ich überhaupt keine Bereitschaft, gemeinschaftlich, im Interesse aller, im Interesse aller Staaten vorzugehen, aber das hat natürlich auch einen Grund, denn Na­tionalisten und rechte Parteien in Europa finden es doch viel spannender, von diesem Thema politisch zu profitieren. Ihnen ist es doch lieber, es gibt diese Probleme und die­se Missstände, denn von diesen Problemen lebt nämlich Ihre Politik, ganz nach dem Motto: Gäbe es keine Flüchtlinge, müssten Sie sie erfinden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Europäische Union befindet sich heute auch in einer Krise, weil ausschließlich die Interessen von Lobbyisten und Großkonzer­nen im Vordergrund stehen und diese auf den sozialen Zusammenhalt in der Europäi­schen Union pfeifen.

Ich denke, es kann doch nicht sein, dass die Europäische Union dazu dient, dass man einen Wettbewerb nach unten startet. Es kann doch nicht sein, dass sich Staaten ge­genseitig unterbieten, wenn es um die billigsten Arbeitskräfte und um die niedrigsten Sozialstandards geht. So eine Politik führt doch in eine Sackgasse und letztlich zur Zerschlagung unserer sozialstaatlichen Einrichtungen und auch zur Entfremdung der Bürger und Bürgerinnen von der Europäischen Union.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich erwarte mir von dieser Bundesregierung, dass sie sich gefälligst dafür einsetzt, dass das Lohn- und Sozialdumping in der Euro­päischen Union abgestellt wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Ehrlich gesagt: Was soll ich mir aber von einem Bundeskanzler erwarten, für den die sozialen Grundrechte im eigenen Land keine bis wenig Bedeutung haben? Was soll ich mir von jemandem erwarten, der in Wirklichkeit nur von der Industriellenvereinigung und von Großkonzernen gesteuert und finanziert wird? (Abg. Winzig: Ziemlich diskri­minierend!) Dass er sich jetzt plötzlich in Brüssel für die Arbeitnehmer einsetzt, das wird es halt leider nicht spielen. Man hat das ja an der Diskussion rund um die Schaf­fung einer EU-Arbeitsbehörde, die genau die Aufgabe gehabt hätte, darauf zu achten, dass die Löhne in Europa nicht nach unten gedrückt werden, gemerkt, meine sehr ge­ehrten Damen und Herren!

Ich muss sagen, ich war eigentlich ziemlich perplex, dass sich unsere Regierung, die doch diese Ratspräsidentschaft innehat, im Grunde genommen und vor allem auch am Anfang sehr stark gegen dieses Projekt gestellt hat. Und jetzt kommt eine EU-Arbeits­behörde, die in Wirklichkeit in abgespeckter Form kommt. Das zeigt wieder einmal ei­nes: Im Grunde genommen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Bundes-


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regierung, sind Ihnen die österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer so etwas von wurscht, nämlich dahin gehend, ob sie unter Konkurrenz kommen oder ob der Druck auf sie steigt – es ist Ihnen wirklich egal, denn sonst hätten Sie sich viel stärker für die Schaffung dieser EU-Arbeitsbehörde eingesetzt. Das haben Sie nicht getan, und da war ich sehr enttäuscht von der Sozialministerin. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben es ja heute auch vom Bundeskanzler gehört, er hat die ganze Zeit von der Stärkung der EU-Wettbewerbsfähigkeit geredet. Ja, was heißt das im Grunde ge­nommen? – Ich erwarte mir nicht, dass die Europäische Union Wettbewerb nach unten bedeutet. Unsere Stärke besteht in unseren hohen und guten Sozialstandards, an denen sich andere Staaten orientieren und keine Abwärtsspirale nach unten in Gang setzten sollten.

Daher, meine sehr geehrten Damen und Herren: Diese Bilanz der Ratspräsidentschaft ist für mich eine traurige, denn die Europäische Union steht heute gespaltener und zerrütteter als je zuvor da, und Sie von der Regierung, Sie hätten doch die Chance ge­habt, sich für mehr sozialen Zusammenhalt in der EU einzusetzen. Sie haben das nicht getan, Sie haben diese Chance in Europa verspielt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Abschluss möchte ich folgenden Ent­schließungsantrag einbringen (Zwischenruf des Abg. Neubauer):

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Steuer­vermeidung bekämpfen – Finanztransaktionssteuer und Digitalsteuer abschließen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler, soll sich auf europäischer Ebene

- für die Einführung einer breit bemessenen Finanztransaktionssteuer einsetzen, die über eine reine Aktiensteuer hinausgeht und sowohl Wertpapier- als auch Derivatgeschäfte erfasst, und diese durch eine Einigung zum Abschluss bringen;“

(Abg Neubauer: ... der SPÖ haben Sie vergessen!)

„- für eine Digitalsteuer als schnell umsetzbare Übergangslösung, bis zu einer Einigung für die Verankerung von digitalen Betriebsstätten im internationalen Steuerrecht, ein­setzen, die dafür sorgt, dass große (Internet) Konzerne mit bestimmten digitalen Um­sätzen endlich Steuern dort zahlen, wo sie auch erwirtschaftet werden;

- dafür einsetzen, dass endlich Steuergerechtigkeit in Europa hergestellt wird;

- dafür eintreten, dass Großbritannien nach einem EU-Austritt zu keinem Niedrigststeu­erland in Europa werden kann, da dadurch die Unternehmensbesteuerung aller EU-Mitgliedstaaten unterlaufen würde.“

*****

Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

12.32

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Leichtfried, Kai Jan Krainer, Genossinnen und Genossen

eingebracht in der 55. Sitzung des Nationalrates im Zuge der EU-Erklärung des Bun­deskanzlers gemäß § 74b Abs. 1 lit. b GOG-NR (TOP 1)


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betreffend Steuervermeidung bekämpfen – Finanztransaktionssteuer und Digitalsteuer abschließen

Begründung

In den vergangenen Jahren haben die Europäische Kommission, der Rat und das EU-Parlament nachhaltige Maßnahmen gesetzt, um Besteuerungslücken durch uner­wünschte Gewinnverschiebungen bzw. Steuervermeidungsmodelle im Anwendungsbe­reich des internationalen Steuerrechts zu schließen. Die traditionellen Steuersysteme knüpfen an die physische Präsenz eines Unternehmens für die Erhebung der Gewinn­steuern an. Durch die digitalen Geschäftsmodelle entsteht eine große Gerechtigkeits­lücke, nicht nur innerhalb der Unternehmensbesteuerung, sondern auch im Vergleich zu der Besteuerung von Arbeitseinkommen, die abgabenrechtlich jedenfalls immer bis auf den letzten Cent erfasst werden.

Ein Aspekt der Steuergerechtigkeit betrifft den finanziellen Beitrag des Finanzsektors zur Behebung der Kosten der zurückliegenden Finanzkrise.

Die Europäische Kommission hat mit Vorschlägen zur Finanztransaktionssteuer und zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft Maßnahmen erarbeitet, die durch die steuer­liche Erfassung der Gewinne von Unternehmen der digitalen Wirtschaft und Transak­tionen von Finanzmarktakteuren, den Steuerbeitrag dieser Branchen auf ein faireres Niveau anheben würden und die Gelegenheit bieten, die Besteuerung von Arbeits­aufkommen zu senken. Es ist daher von dringender Notwendigkeit mithilfe der Finanz­transaktionssteuer und der Digitalsteuer neue Einnahmen für den Unionshaushalt zu lukrieren.

Die Finanztransaktionssteuer hat bereits eine lange Vorlaufzeit und die österreichi­schen Bundesregierungen der letzten Jahre sind immer ein Vorreiter auf diesem Ge­biet gewesen. Während die Europäische Kommission erstmals im Jahr 2011 einen Vorschlag für eine eben solche Finanztransaktionssteuer machte, liefen in Österreich schon im Jahr 2008 die Vorarbeiten und Vorbereitungen für eine europäische Finanz­transaktionssteuer.

Bereits im Jahr 2008 wurde aus diesem Grund das Österreichische Institut für Wirt­schaftsforschung mit einer Studie zum Thema Finanztransaktionssteuer beauftragt.

In einem Entschließungsantrag zur „Einführung einer Finanztransaktionssteuer“ (50/UEA) hatten sich alle Fraktionen am 10.12.2008 dafür ausgesprochen, dass sich die Bundes­regierung für eine allgemeine FTT auf EU- und internationaler Ebene einsetzen soll.

Unter den ehemaligen ÖVP-Finanzministern Pröll, Fekter, Spindelegger und Schelling wurde zuerst eine EU-weite Finanztransaktionssteuer weiterverfolgt und auch, als die­se aussichtslos erschien, im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit eines Teils der Mitgliedstaaten weiterhin an einer Finanztransaktionssteuer gearbeitet.

Nun ist gerade unter der österreichischen Vorsitzführung das langjährige Projekt der Finanztransaktionssteuer de facto beendet worden.

Auch bei der Digitalsteuer hat es jüngst unter der österreichischen Vorsitzführung nicht mal zu einer Einigung auf einen deutsch-französischen Kompromiss gereicht, und das obwohl dieses Vorhaben laut der Bundesregierung von sehr hoher Priorität war. Die Bundesregierung hat im Programm des österreichischen Ratsvorsitzes festgeschrie­ben, dass die öffentlichen Haushalte vor schädlichem Steuerwettbewerb und Steuer­vermeidung geschützt werden müssen, und die begonnenen Arbeiten der EU zur Be­steuerung der digitalen Wirtschaft unter österreichischem Ratsvorsitz vorangetrieben werden sollen, um Gewinne dort zu besteuern, wo sie anfallen.


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Zu sehen ist davon bis heute nicht viel.

Mit dem bevorstehenden Austritt von Großbritannien ergibt sich eine neue Dynamik und eine neue Chance um Steuergerechtigkeit in der Europäischen Union herzustellen. Die Finanzwirtschaft, die Banken und auch die (Internet-) Konzerne müssen endlich europaweit einen gerechten steuerlichen Beitrag leisten, das würde für mehr Steuer­gerechtigkeit in Europa sorgen.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler, soll sich auf europäischer Ebene

- für die Einführung einer breit bemessenen Finanztransaktionssteuer einsetzen, die über eine reine Aktiensteuer hinausgeht und sowohl Wertpapier- als auch Derivatge­schäfte erfasst, und diese durch eine Einigung zum Abschluss bringen;

- für eine Digitalsteuer als schnell umsetzbare Übergangslösung, bis zu einer Einigung für die Verankerung von digitalen Betriebsstätten im internationalen Steuerrecht, ein­setzen, die dafür sorgt, dass große (Internet) Konzerne mit bestimmten digitalen Um­sätzen endlich Steuern dort zahlen wo sie auch erwirtschaftet werden;

- dafür einsetzen, dass endlich Steuergerechtigkeit in Europa hergestellt wird;

- dafür eintreten, dass Großbritannien nach einem EU-Austritt zu keinem Niedrigst­steuerland in Europa werden kann, da dadurch die Unternehmensbesteuerung aller EU Mitgliedstaaten unterlaufen würde.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Kira Grünberg. – Bitte.


12.33.15

Abgeordnete Kira Grünberg (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Europa ist mein Leben – im wahrsten Sinne des Wortes. An eine Welt ohne die Europäische Uni­on kann ich mich gar nicht erinnern. Wie denn auch? – Beim EU-Beitritt Österreichs war ich noch nicht einmal ein Jahr alt.

Die Europäische Union hat uns so viel ermöglicht; wir sollten uns redlich darum be­mühen und uns noch mehr anstrengen, dass das auch so bleibt.

Der österreichische Ratsvorsitz war und ist ein Meilenstein, wenn es darum geht, den Österreicherinnen und Österreichern die EU näherzubringen – im übertragenen wie im direkten Wortsinn. Eines der deklarierten Ziele der Ratspräsidentschaft war, die EU näher an den Bürger zu bringen, was man zum Beispiel in Form von zahlreichen regio­nalen Veranstaltungen verwirklicht hat.

Ich finde es besonders wichtig, der Bevölkerung zu zeigen und zu erklären, welche Vorteile die EU hat, denn leider wird noch viel zu oft am Stammtisch über die EU ge­lästert. Anscheinend habe sie nichts Besseres zu tun, als die Gurkenkrümmung und die Farbe der Pommes zu regeln. Dabei wird vielfach vergessen, dass sich die EU all


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diese Dinge nicht in einem Kämmerchen ausdenkt, sondern dass das alles Reaktionen auf Einwände und Beschwerden sind, die man zu lösen versucht.

Meine KollegInnen haben es schon angesprochen: das Grundprinzip der Subsidiarität. Wir brauchen ein Europa, das die großen Fragen im Blick hat und die kleinen Fragen wieder vermehrt den Mitgliedstaaten überlässt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.) Europa kann und muss sich auch nicht um alles kümmern.

Einen Punkt möchte ich als junge Abgeordnete noch besonders hervorheben, und zwar die Annahme der neuen EU-Jugendstrategie 2019 bis 2027 durch den Rat der Jugendministerinnen und Jugendminister. Jugendpolitik ist eine klassische Quer­schnittsmaterie, was eine solide und breit angelegte Strategie umso notwendiger macht. In diesem Zusammenhang hat Österreich neue Akzente gesetzt, mit informellen Ministertagungen, denn erstmals seit 2006 gab es wieder ein Treffen der Jugendminis­terinnen und Jugendminister und erstmal seit 2011 wieder ein Treffen der Gleichstel­lungsministerinnen und -minister.

Beide Tagungen wurden mit Konferenzen kombiniert, einerseits mit der EU-Jugend­konferenz, andererseits mit der EU-Konferenz Gender Equality and You. So gelang der direkte Austausch unter den Ministerinnen und Ministern sowie mit der Zivilgesell­schaft. Zusammenfassend muss ich sagen, dass sich die Bilanz jedenfalls sehen las­sen kann.

Österreich ist es gelungen, diese Ratspräsidentschaft zu nutzen und sich entsprechend souverän und professionell zu präsentieren. Österreich hat sich erneut als Brücken­bauer, Vermittler und konstruktiver Partner einen Namen gemacht. In knapp drei Wo­chen, wenn das Jahr endet, endet auch unsere, die dritte EU-Ratspräsidentschaft, auf die wir, so denke ich, mit sehr viel Stolz zurückblicken können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Was aber mit Sicherheit nicht enden wird, ist weiterhin unser Einsatz für Europa. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

12.37


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr.in Griss. – Bitte.


12.37.25

Abgeordnete Dr. Irmgard Griss (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Debatte ist schon weit fortgeschritten, da kann man vielleicht eine Art Zwischenbilanz ziehen: auf der einen Seite überschäumendes Lob, auf der anderen Seite vernichtende Kritik. Die Wahrheit wird, so wie meistens im Le­ben, irgendwo in der Mitte liegen. Es war nicht alles überwältigend und es war nicht al­les grottenschlecht. Auf Beamtenebene – Claudia Gamon hat das schon angespro­chen – ist einiges erreicht worden.

Für mich geht es aber in erster Linie darum, zu fragen: Ist es der Ratspräsidentschaft gelungen, uns Europa – meine Vorrednerin hat das auch erwähnt – näherzubringen? Ist es gelungen, die Beziehung der Österreicherinnen und Österreicher zu Europa zu vertiefen? Denken wir jetzt anders über Europa, positiver? Oder hat sich eigentlich nichts geändert, oder ist es vielleicht sogar schlechter geworden?

Dazu ein Denkanstoß: Auf meiner Laufstrecke komme ich immer wieder bei einem Haus vorbei, an dessen Balkongeländer eine Europafahne hängt. Da wohnt ein ehe­maliger Unternehmer, er ist jetzt in Pension, und ich habe ihn gefragt: Warum haben Sie eine Europafahne aufgehängt? Das ist ja eigentlich nicht üblich. – Er hat mir ge­sagt: Ich habe als Kind noch den Zweiten Weltkrieg erlebt. Ich kann mich noch gut an dieses Gefühl der Unsicherheit, an dieses Gefühl der Angst erinnern, als die Bomben-


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flieger gekommen sind, an dieses Gefühl der Rechtlosigkeit und des Ausgeliefertseins. Er hat mir von einem Erlebnis erzählt, als ein Mann zu zwei Buben, die ihn mit dem Hitlergruß begrüßt haben, gesagt hat: Ihr könnt aber schon Grüß Gott sagen! – Und der hat dann im Gefängnis darüber nachdenken können.

Was diesem Mann mit der Europafahne gelingt, ist, so wie mit mir auch mit anderen Menschen, mit Spaziergängern, mit Nachbarn über Europa ins Gespräch zu kommen. Das ist eigentlich das Wichtige. Es ist ja nicht so, dass nicht über Europa gesprochen wird, aber meistens wird geschimpft. Das ist ja auch unterhaltsamer. Und meistens wird gesagt: Da gibt es die Krise und die Krise und die Krise.

Es gab und gibt ja auch immer wieder Krisen; aber für ein solch heterogenes Gebilde wie die Europäische Union sind Krisen der Normalzustand. Durch Krisen werden ja auch immer Kräfte mobilisiert; es wird gesehen, worum es geht. Die Krise hilft dabei, sie auch zu überwinden. Der Europäischen Union ist das gelungen: Sie ist aus Krisen immer gestärkt hervorgegangen. Wir haben nicht weniger Europa gehabt, sondern mehr Europa.

Daher ist es ganz entscheidend, dass sich jeder von uns im Gespräch mit Menschen für die Europäische Union einsetzt, das Positive bewusst macht, klarmacht, worum es geht und welches Glück wir heute haben, dass wir in einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts leben, dass das nicht selbstverständlich ist. Das ist etwas, was wir uns jeden Tag wieder erwerben müssen. – Danke. (Beifall bei den NEOS, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abg. Zadić.)

12.41


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Ernst Gödl. Herr Abgeordneter, 2 Minuten sind noch Restredezeit. – Bitte.


12.41.49

Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Alle Zuhörerinnen und Zuhö­rer! Ich werde die letzten 2 Minuten Redezeit für meine Fraktion dazu verwenden, noch kurz das Thema Afrika anzusprechen.

Ich möchte eingangs aber doch auf die SPÖ hinweisen, darauf, dass es schon eigenar­tig ist, dass man hier quasi mit dem Bihänder herauskommt und es angesichts einer sehr, sehr guten Performance unseres Bundeskanzlers und der gesamten Regierung in Fragen des Ratsvorsitzes nur dabei belässt, alles zu kritisieren und schlechtzureden. (Zwischenrufe der Abgeordneten Einwallner und Greiner.)

Ich glaube, Kanzler Kurz hat gezeigt, dass er die richtige Einschätzung hat, bei Dingen, die regional und national zu lösen sind, den Fokus der Politik auf den Staat zu legen, aber auch international eine ganz, ganz starke Performance hinzulegen. Das Sahne­häubchen des EU-Ratsvorsitzes folgt schlussendlich nächste Woche, wenn von den Themen, beim Brexit beginnend, zum Abschluss das Thema Afrika im Vordergrund steht. Wir sind uns, glaube ich, alle darin einig, dass der Wohlstand und die Sicherheit in Europa ganz stark mit einem stabilen Afrika verknüpft sind.

Die Europäische Union hat derzeit um die 512 Millionen Einwohner, aber 50 Prozent aller Sozialleistungen weltweit werden in Europa ausbezahlt. In Fragen der Migration hat das natürlich eine Sogwirkung. Das heißt, wenn wir wollen – da stimmen wir mit meinem Vorredner von den Freiheitlichen überein, es ist eine nicht so gute Formulie­rung im UNO-Pakt, wenn dort steht, Migration sei eine Quelle des Wohlstands und der Innovation –, wenn wir wollen, dass Europa stabil bleibt, wenn wir für unsere Kinder und Kindeskinder eine gute Zukunft wollen, dann brauchen wir ein stabiles Afrika.


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Dieses EU-Afrika-Forum in der nächsten Woche soll ein guter und wichtiger Beitrag sein. Auch als Antwort auf Herrn Pilz, der jetzt nicht da ist: Ja, das ist ein Beitrag für die Hilfe vor Ort, nämlich in dem Sinn, dass sich Unternehmen aus Europa mit Unterneh­men aus Afrika zusammenfinden, um diesen afrikanischen Raum zu stärken, dass es vor Ort Arbeitsplätze gibt, dass Arbeitsplätze entstehen, dass bessere Lebensbedin­gungen entstehen. Daran müssen wir dringend arbeiten, wenn wir eine gute Zukunft für Europa wollen. Daher ist das EU-Afrika-Forum ein ganz guter Schlusspunkt dieser Ratspräsidentschaft Österreichs.

Ich glaube, unser Bundeskanzler und die gesamte Regierung können auf eine ganz gelungene und sehr gut durchdachte Ratspräsidentschaft zurückblicken. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

12.44


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Gerald Loacker. – Bitte.


12.44.35

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ja, der Standort bestimmt den Standpunkt. Aus unserer Sicht war die Performance der Bundesregierung im Zuge dieses Ratsvorsitzes bes­tenfalls lauwarm. Eine besonders traurige Figur hat dabei das Sozialministerium ge­macht. Ich erinnere an die Absage des Sozialministerrats wegen angeblich zu hoher Reisekosten.

Die Frau Ministerin hat sich am 6. Dezember feiern lassen und hat selbst die Einigung bezüglich der Einrichtung der Europäischen Arbeitsagentur gefeiert. Der Herr Vize­kanzler hat das heute Früh auch gelobt, dass nun diese Europäische Arbeitsagentur kommt. Das ist deswegen bemerkenswert, weil das für die Freiheitliche Partei eine 180-Grad-Wendung darstellt.

Die Sozialministerin hat am 6.12. Folgendes ausgesendet: „Die Europäische Arbeits­agentur wird es Arbeitnehmern und Arbeitgebern erleichtern, mit den komplexen As­pekten von grenzüberschreitender Arbeitsmobilität umzugehen.“

Was sie nicht sagt: Es gibt auf europäischer Ebene bereits vier Agenturen und Be­hörden, die im Grunde dieselben Aufgaben erfüllen, zum Beispiel die European Plat­form tackling undeclared work. Die hat de facto dieselben Aufgaben wie diese neue ELA, die Europäische Arbeitsagentur, nämlich: den Zugang zu Informationen bei grenzüberschreitendem Arbeiten zur Verfügung stellen; Informationsaustausch und Ko­ordination zwischen Behörden; Mediation zwischen Mitgliedstaaten, wenn es um grenzübergreifende Arbeitsmarktstreitigkeiten geht; Unterstützung bei der Bekämpfung von Sozial- und Lohndumping in den Mitgliedstaaten.

Also: Das gibt es schon und jetzt macht man das noch einmal unter österreichischem Ratsvorsitz – eine großartige Errungenschaft!

Das Regierungsziel Bürokratieabbau, das Regierungsziel Vereinfachung der Struktu­ren gilt offensichtlich für den Ratsvorsitz nicht. Sogar die sozialdemokratische Europa­abgeordnete Evelyn Regner hat die ELA als „verwässertes Bürokratiemonster“ kriti­siert. Das passt auch nicht ganz zur Linie der sozialdemokratischen Fraktion im Sozial­ausschuss, wo Kollege Muchitsch immer laut gestampft hat, diese ELA müsse unbe­dingt nach Wien kommen. Er kann sich jetzt nicht wehren, weil er nicht da ist, darum führe ich das jetzt nicht weiter aus.

Jedenfalls hat auch die Ministerin im Ausschuss mehrfach gesagt, dass es diese Agentur nicht brauche und es wichtig sei, dass ein Mehrwert der Arbeitsbehörde im


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Vergleich zu bestehenden, bewährten Strukturen und Gremien auf EU-Ebene notwen­dig sei. – Diesen Mehrwert kann jetzt niemand zeigen.

Hartinger-Klein sagte: „Wichtig ist, dass die Kompetenzen nationaler Behörden vom Vorschlag nicht berührt werden dürfen und kein bürokratischer Mehraufwand betrieben wird.“

Ja, sie hat sogar davon gesprochen, dass man statt dieser ELA die Eures, die Arbeits­marktvermittlungsbehörde, in ihren Kompetenzen ausdehnen könnte. Nichts davon ist passiert! Wir haben jetzt eigentlich mehr Fragen als Antworten, nämlich: Inwiefern wird jetzt durch die Schaffung der ELA der bürokratische Aufwand reduziert? Was macht jetzt diese europäische Behörde, was nationale Behörden nicht mehr machen müs­sen? Wo fällt etwas weg? Oder was macht eine der anderen vier zuständigen europäi­schen Behörden nicht mehr, das jetzt die ELA macht? – Gar nichts dergleichen!

Wir feiern also eine Einigung, die auf europäischer Ebene mehr Bürokratie bringt. Das ganze Gefasel von Subsidiarität, das ganze Gefasel von nationaler Souveränität, wie wir es von Sebastian Kurz immer hören, diese Entbürokratisierungsgeschichte ist eine leere Showpolitik: null Substanz, null Kraft und vor allem null Umsetzung. (Beifall bei den NEOS.)

12.48


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Efga­ni Dönmez. – Bitte.


12.48.51

Abgeordneter Efgani Dönmez, PMM (ohne Klubzugehörigkeit): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister Blümel! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte ZuseherInnen auf der Galerie und zu Hause vor den Fernsehbildschir­men! Ich möchte in die Fußstapfen der Frau Dr. Griss treten, die das vollkommen rich­tig gesagt hat: hier Lob, da vernichtende Kritik. Die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte.

Es wurden schon sehr viele Aspekte angesprochen. Ich möchte diese jetzt nicht wie­derholen und nicht dazu beitragen, dass Ihre Füße einschlafen. Ich möchte nur zwei Bereiche herausgreifen, die unsere Bundesregierung primär angesprochen und in An­griff genommen hat, und zwar einen sehr wichtigen und wesentlichen Aspekt: die He­ranführung des Balkans an die Europäische Gemeinschaft.

Nimmt man das Wort Balkan, setzt es sich im Türkischen aus zwei Wörtern zusam­men – wir wissen, dass sehr lange Zeit die Osmanen dort waren –, einerseits bal, ins Deutsche übersetzt Honig, und kan, ins Deutsche übersetzt Blut. Diese Region war im­mer von kriegerischen Auseinandersetzungen, Konflikten und Spannungen geprägt, bis in die Gegenwart. Und wenn wir den Fokus auf den Balkan richten, dann sind diese Spannungen heute größer denn je. Deshalb ist es ganz, ganz wichtig, dass man eine Beitrittsperspektive einräumt, da die Europäische Union in ihrem Geist eben auch ein riesengroßes Friedensprojekt war und ein Friedensprojekt ist.

Es stimmt mich äußerst bedenklich, wenn durch unterschiedliche Interessen auf inter­nationaler Ebene der Versuch gestartet wird, diese Europäische Union, diese Errun­genschaft zu schwächen, aber auch von innen heraus, wenn rechtsextreme oder isla­mistische Kräfte versuchen, unsere Gesellschaft zu torpedieren. Dem dürfen wir nicht nachgeben. Wir müssen diese Errungenschaften unserer Großväter, die sehr viel Leid auf sich genommen haben, zu schätzen wissen, wir müssen sie zu erhalten wissen – gerade auch im Kontext der Türkei. Da ist auch unsere Bundesregierung eine der wenigen, die ganz klar gesagt haben, dass eine Beitrittsperspektive der Türkei zur Eu­ropäischen Union unter dieser Regierung der AKP nicht möglich ist und die Beitritts­gespräche zu beenden sind. (Beifall bei der ÖVP.)


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Das ist meiner Meinung nach eine wichtige und richtige Erkenntnis. Sie ist zwar relativ spät gekommen, denn ich habe schon vor Jahren gesagt, dass mit diesen Islamisten kein Staat zu machen ist und diese schon gar nicht Zugang zur Europäischen Union bekommen sollten und dürfen. Wir müssen uns aber auch immer vor Augen halten, dass in der Türkei viele liberale, säkulare Kräfte massiv unter Druck geraten sind und gerade diese die Solidarität und die Unterstützung der Europäischen Union benötigen würden.

Wir wissen auch, dass wir der Türkei jährlich Hunderte von Millionen Euro als Bei­trittsheranführungshilfen zur Verfügung stellen, damit die Rechtsstaatlichkeit, die De­mokratie und die Grundrechte ausgebaut werden. Und was passiert? – Der Rechts­staat wird abgebaut, die kritischen Stimmen werden weggesperrt, eine Jugend, die kaum Perspektiven vorfindet, die hoch gebildet ist, versucht das Land zu verlassen – und wir sponsern das mit öffentlichen Steuergeldern! Das ist für mich eine Beleidigung der Intelligenz.

Daher ist es wichtig, dass wir hier ganz klar neue Kooperationen mit der Türkei an­denken. Wir brauchen die Türkei in Fragen der Sicherheit, wir brauchen die Türkei in Fragen des Flüchtlingspaktes, und wir müssen die wirtschaftlichen Beziehungen auf eine neue Beziehungsebene stellen. Ganz wichtig hierbei ist, dass wir uns die Zoll­union genauer ansehen und diese Zollunion auch im Interesse der Türkei und nicht nur in unserem eigenen Interesse ausbauen, um eine Partnerschaft auf Augenhöhe zu be­kommen, denn eine starke Türkei wird auch der Garant für eine Stabilität in einer sehr unruhigen und instabilen Region sein, aber auch Garant dafür sein, dass Europa stabil bleibt.

Daher plädiere ich, dass wir auch in Zukunft gute Beziehungen zur Türkei pflegen, aber diesen Islamisten die rote Linie ganz klar aufzeigen. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP.)

12.54


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Michael Bernhard. – Bitte.


12.54.20

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Als ich 2013 das erste Mal im Hohen Haus zur Frage des Klimawandels spre­chen durfte, haben uns Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft davor ge­warnt, dass wir irgendwann in die Situation kommen, dass es mehr Hitzetote als Ver­kehrstote geben wird. Sie haben uns davor gewarnt, dass die Wirtschaft und die Men­schen in diesem Land jedes Jahr durch Unwetter, Hitze und auch durch Kälte einen ökonomischen Schaden in Milliardenhöhe erleiden werden.

Jetzt im Jahr 2018 haben wir eine Bundesregierung, von der ein Teil noch immer daran zweifelt, ob der Klimawandel von Menschenhand gemacht und beeinflusst ist. Die Wis­senschaft hat hier eine sehr klare Antwort. Gottfried Kirchengast vom Grazer Wegener Center für Klima und Globalen Wandel sagt, „das gegenwärtige Tatsachenwissen habe sich selbst gegenüber 2014 derart weiterentwickelt, da könne man sich seine Haltung nicht mehr aussuchen, die Bekämpfung des Klimawandels sei daher eine Aufgabe, der man sich ‚stellen muss‘“.

Es ist keine Glaubensfrage mehr, ob wir den Klimawandel bekämpfen und uns auf die Auswirkungen einstellen müssen, es ist auch keine Frage der Ideologie mehr, sondern es ist tatsächlich ein Gebot der Stunde, dass die Politik handeln muss. Genau aus diesem Grund gibt es einerseits die Ziele der Europäischen Union bis 2030. Man hat sich Ziele bei der Reduktion der Emissionen, bei der Gewinnung der Energieeffizienz


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und der erneuerbaren Energie gesetzt. Andererseits gibt es die Ziele vom Klimagipfel in Paris, wo man sich darauf verständigt hat, dass man bis 2050 aus der fossilen Ener­gie aussteigen möchte.

Österreich hat zwei Dinge geschafft. Österreich hat es erstens während der Ratspräsi­dentschaft geschafft, Ziele zu präsentieren, die weder den selbstgesteckten Zielen der Ministerin Köstinger von diesem Jahr im Frühling, der #mission 2030, entsprechen, noch den europäischen Zielen, noch dem Ziel des Pariser Klimaabkommens. Das be­deutet – und dafür haben wir auch eine Auszeichnung bekommen, das „Fossil des Ta­ges“, nach Brasilien, nach Russland –, dass wir nicht genug Maßnahmen setzen, um tatsächlich auch unserer Bevölkerung und deren Bedürfnissen gerecht zu werden.

Meine Damen und Herren, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ich will jetzt nicht auf­zählen, was Sie in den letzten sechs oder zwölf Monaten alles nicht gemacht haben. Mein Appell geht dahin, dass wir aus dem Leugnen herausmüssen, wir müssen auch heraus aus dem Ignorieren, und wir müssen auch heraus aus der permanenten Spi­rale, ob uns höhere Kosten durch das Nichthandeln oder höhere Kosten durch das Handeln entstehen. Wir wissen vom Nachhaltigkeitsministerium, dass uns, dem Staat bis 2030, wenn wir nicht handeln, 1,7 bis 8,7 Milliarden Euro zusätzlich an Kosten ent­stehen werden.

Ich rufe Sie, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, auf, dass wir gemeinsam die Zuver­sicht nähren, nicht weiter in die Vergangenheit schauen, sondern gemeinsam glaub­würdige und funktionierende Konzepte für Österreich und für die Europäische Union auf den Plan bringen. Das erwarten die Menschen von uns: nicht weiter wegschauen, sondern zupacken! – Vielen Dank, meine Damen und Herren! (Beifall bei den NEOS.)

12.58

12.58.03


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Mag. Meinl-Reisinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Gleichstellung von Unionsbürger_innen und britischen Staatsbürger_innen nach dem Brexit“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für diesen Entschließungsantrag ausspre­chen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „faire Arbeitsbedingungen in Eu­ropa – Lohn- und Sozialdumping bekämpfen“.

Wer spricht sich für diesen Entschließungsantrag aus? – Das ist die Minderheit. Ab­gelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Mag. Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Steuervermeidung be­kämpfen – Finanztransaktionssteuer und Digitalsteuer abschließen“.

Wer spricht sich für diesen Entschließungsantrag aus? – Das ist die Minderheit. Ab­gelehnt.

12.59.252. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (373 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, die 5. Schulorganisationsge­setz-Novelle, das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz, das Schul­unterrichtsgesetz, das Minderheiten-Schulgesetz für das Burgenland, das


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Pflichtschulabschluss-Prüfungs-Gesetz, das Schulunterrichtsgesetz für Berufs­tätige, Kollegs und Vorbereitungslehrgänge, das Schulpflichtgesetz 1985, das Schulzeitgesetz 1985, das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz, das Privat­schulgesetz, das Hochschulgesetz 2005 und das BIFIE-Gesetz 2008 geändert werden (Pädagogikpaket 2018) (450 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Ich begrüße Herrn Bundesminister Faßmann.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Sonja Hammerschmid. – Bitte.


12.59.49

Abgeordnete Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zu­schauer auf der Galerie und vor den Fernsehbildschirmen! Lassen Sie mich mit den positiven Aspekten dieses Pädagogikpakets beginnen:

Der Förderunterricht ist in Zukunft für alle Schulstufen – in der Volksschule, in der Neu­en Mittelschule, in der Polytechnischen Schule oder auch in den Berufsschulen – ver­pflichtend, wenn die Lehrerinnen und Lehrer feststellen, dass Schülerinnen und Schüler Defizite haben. Das ist gut so. Außerdem werden auch in diesen Schulen re­gelmäßig Gespräche zwischen Kindern, Lehrerinnen und Lehrern und Eltern geführt. Auch das ist gut so und wird ganz sicher einen wesentlichen Fortschritt bringen. Der Pilot dafür waren die Neuen Mittelschulen, das möchte ich hier schon auch festhalten. Der einzige Wermutstropfen an diesen beiden Punkten ist, dass die AHS-Unterstufe im Besonderen ausgenommen ist – warum, weiß ich nicht. Der dritte positive Punkt ist, dass die Schülerinnen und Schüler, die die allgemeine Schulpflicht an berufsbildenden mittleren und höheren Schulen abgeschlossen haben, ein freiwilliges zehntes Schuljahr an Polytechnischen Schulen bekommen, um sich einfach orientieren zu können. Auch das ist gut so und ich danke dafür. (Präsidentin Kitzmüller übernimmt den Vorsitz.)

Herr Bundesminister, leider ist aber der Rest des Pakets für mich nicht so positiv zu sehen und doch ein Stück weit wirklich enttäuschend, denn es ist in vielerlei Hinsicht ein Rückschritt, ein Rückschritt ins 20. Jahrhundert. Diesen Umstand haben zahlreiche Expertinnen und Experten, Pädagoginnen und Pädagogen und auch Eltern im Zuge der Begutachtung immer wieder lautstark kundgetan. Viele Eltern wollten Ihnen eigent­lich Unterschriften übergeben, können Sie aber leider nicht erreichen. Vielleicht hören Sie sie doch an, denn ich glaube, Sie haben sehr viel dazu beigetragen. Aus diesem Grund haben wir auch ein Expertenhearing im Unterrichtsausschuss gefordert und auch bekommen.

Was ist konkret das Thema? – Bleiben wir bei der Volksschule: Die Ziffernnoten wer­den ab der zweiten Klasse Volksschule wieder eingeführt. Wenn Ihr Kind im Septem­ber 2016 mit der Volksschule begonnen hat, dann konnten Sie als Elternteil im Schul­gemeinschaftsausschuss mitentscheiden, ob das Kind eine alternative Leistungsbeur­teilung bekommt oder mit Ziffernnoten beurteilt wird. Worum geht es in dieser alter­nativen Leistungsbeurteilung? – Sie sagt Ihnen sehr treffsicher, wo die Kinder Stärken und wo die Kinder Schwächen haben. Sie können als Elternteil handeln. Nehmen wir Deutsch her: Befriedigend – was sagt Ihnen das? – Nicht wirklich viel. Eine alternative Leistungsbeurteilung sagt Ihnen, dass Ihr Kind vielleicht sehr stark im Schreiben von Aufsätzen ist, aber Rechtschreibfehler macht oder vielleicht nicht lesen kann. Das er­fahren Sie aus der alternativen Leistungsbeurteilung (Abg. Hauser: Das ist ja auch möglich!), aber sicher nicht aus der Ziffernnote. (Beifall bei SPÖ und JETZT.)


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Warum wurde dieser Weg 2016 gewählt? – An 2 000 von den 3 000 Volksschulen, die wir haben, haben sich sehr viele Pädagoginnen und Pädagogen zu dieser alternativen Leistungsbeurteilung wirklich etwas überlegt und machen das sehr treffsicher und sehr gut. Im Hearing des Unterrichtsausschusses hat der Direktor der Integrativen Lern­werkstatt Brigittenau Josef Reichmayr dazu folgerichtig gesagt: „Da werden tausende Modelle, die Lehrer entwickelt haben, einfach wegradiert. Das ist eigentlich auch eine Entmündigung.“

Was beinhaltet dieses Pädagogikpaket noch? – Ab der zweiten Klasse Volksschule können Kinder wieder sitzen bleiben. Auch das haben wir erst 2016 geändert, sodass bis zur 3. Schulstufe kein Sitzenbleiben mehr möglich ist, und nun gibt es das wieder ab der zweiten Klasse. (Abg. Deimek: Aber der Erfolg des Systems ist, dass es keine gescheiten Lehrlinge mehr gibt! Wenn sie rechnen können, können sie nicht schrei­ben!) Professor Eder, der Sprecher der Gesellschaft für Forschung und Entwicklung im Bildungswesen und einer der Experten im Ausschuss, hat deutlich gesagt: Es gibt „kei­ne Hinweise, dass Klassenwiederholungen eine förderliche Wirkung haben“. Das zei­gen im Übrigen auch die OECD-Studien dazu. Ein Kind in der zweiten Klasse Volks­schule kann doch nicht zwischen einer negativen Beurteilung seiner Leistung in einem Schulfach und seiner Person unterscheiden – da das so lapidar in den Raum gestellt wurde –, das Kind bezieht diese Wertung immer zuerst auf sich selbst. Professor Eder hat davon gesprochen, dass das zu einem niedrigen Selbstkonzept von Schülerinnen und Schülern führt, das Kind wird aus seinem Klassenverband gerissen und jedenfalls demotiviert. – Das wissen wir. (Beifall bei SPÖ und JETZT.)

Der dritte Punkt, den ich ansprechen möchte, betrifft die Neuen Mittelschulen, die jetzt nur mehr Mittelschulen heißen. Man führt hier wieder den A- und B-Zug – so tituliere ich es einmal, da jeder weiß, was damit gemeint ist – ein. Ab der 6. Schulstufe gelten zwei Leistungsniveaus, Standard und Standard AHS, und damit auch zwei unter­schiedlich ausführliche Lehrpläne. Herr Bundesminister, auch wenn ich weiß, dass Sie immer die Durchlässigkeit betonen, die Sie jedenfalls dadurch auch gegeben sehen, frage ich mich schon, wie denn das gelingen soll. Die Kinder im Standard-Teil lernen nur einen Bruchteil dessen, was Kinder im Standard-AHS-Teil lernen. Wie sollen diese Kinder aufschließen können, ohne dass ein Wunder passiert? Das ist ja ein immenser Aufwand, eine immense Forderung.

Schauen Sie nach Finnland! Finnland sagt von sich selbst in den Studien, in den Eva­luierungen, dass erst, als die letzte Leistungsgruppe aus dem System verschwunden ist, der Bildungserfolg in Finnland seinen Lauf genommen hat. Wir wissen, dass Finn­land zu den Pisa-Gewinnern und zu den Bildungsgewinnern gehört. (Beifall bei SPÖ und JETZT.)

Abschließend bleibt mir zu sagen, dass es sehr bedauerlich ist, dass es offensichtlich keinen Willen gibt, auf Expertinnen und Experten, auf Pädagoginnen und Pädagogen zu hören, sie ernst zu nehmen, denn nach dem Expertenhearing wurde nichts an dem Pädagogikpaket verändert. (Abg. Deimek: Es gibt für jeden Experten, der etwas will, einen, der das Gegenteil will!) Dabei zeigen uns internationale Beispiele ganz andere Wege vor, aber Sie bewegen sich leider weg von evidenzbasierter Bildungspolitik. Dieses Pädagogikpaket ist ideologische Parteipolitik auf dem Rücken der Kinder, auf dem Rücken der Eltern. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und JETZT.)

13.06


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Taschner. – Bitte.


13.06.33

Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ho­hes Haus! Sehr geehrte Frau Kollegin Hammerschmid, zu Finnland: Von Finnland wird


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jetzt eigentlich relativ wenig gesprochen, seitdem man weiß, dass in Finnland die Ju­gendarbeitslosigkeit bei 17 Prozent liegt, wir aber eine sinkende Jugendarbeitslosigkeit haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.) So toll ist das finnische Modell also beileibe nicht, wie damals die Bildungsexpertinnen und -experten geglaubt haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin selbstverständlich, von der Wissen­schaft kommend, ein Verfechter wissenschaftlicher Expertisen. Bitte glauben Sie mir aber, selbst bei seriösen wissenschaftlichen Expertisen – was man bei der Bildungs­politik manchmal nicht findet, weil da viel Ideologie mit hineinschwingt – würde ich im­mer raten, sie wie ein Parfum zu behandeln: Man soll daran riechen, aber bitte das Zeug nicht schlucken! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Natürlich ist unsere Entscheidung, die wir hier für das Pädagogikpaket treffen, eine politische Entscheidung, denn es behandelt die Polis, es behandelt den Staat, die Ge­sellschaft. Darauf kommt es an, wir wollen eine politische Entscheidung treffen – Herr Kollege Hoyos-Trauttmansdorff, eine politische, keine parteipolitische. Es ist eine Ent­scheidung für die Gesellschaft, und natürlich haben wir uns das überlegt und natürlich haben auch wir Menschen gehört, die Expertisen haben. Wir haben in den genannten Ausschuss einen Experten eingeladen, der als Einziger wirklich nicht nur ein ausgewie­sener Bildungsexperte, sondern auch ein Mann der Praxis ist, Herr Professor Rauscher von der Pädagogischen Hochschule in Baden, und der weiß, was wirklich nottut, weil er die Nöte und Sorgen der Lehrerinnen und Lehrer kennt. Seine Worte zu hören war sehr lehrreich. (Zwischenruf des Abg. Jarolim.)

Wenn Sie dann sagen, die Ziffernnoten kommen wieder, erinnert mich das an eine Aussendung von „derstandard.at“, wo gleichsam anklagend geschrieben worden ist, dass Bundesminister Faßmann die Ziffernnoten wieder einführen will. Darüber war ein Bild von einem Zeugnis, und auf dem Zeugnis ist gestanden: Sehr gut, Gut, Genügend, Befriedigend, Befriedigend, Sehr gut. – Ich frage mich: Wo war die Ziffer? – Da war keine Ziffer! Der Punkt ist natürlich der: Mit diesen Noten wird eine klare und präzise Aussage getroffen, man traut den Lehrerinnen und Lehrern zu, gutachterliche Tätigkeit zu vollziehen. Auch das sollen sie ja machen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der FPÖ.)

Ziffernnoten gleichsam den Lehrern nicht zuzutrauen bedeutet, ihnen Misstrauen ent­gegenzubringen: Ihr werdet ja das Kind ohnedies nicht beurteilen können, ihr könnt halt nur darüber sprechen, gleichsam in einem nebulosen Gerede. Das ist zu wenig. Die Ziffernnote ist eine gutachterliche Tätigkeit der Lehrerin und des Lehrers und ist tat­sächlich eine Beurteilung einer Leistung, nicht eines Kindes.

Eine Lehrerin oder ein Lehrer ist natürlich dazu befähigt und kann dem Kind mitteilen – weil sie oder er die Persönlichkeit jedes einzelnen Kindes ernst nimmt –: Du, das ist deine Leistung. – Sogar einem kleinen Kind kann man sagen: Das ist noch nicht so weit, du musst dich noch anstrengen. So weit haben wir dich jetzt einmal gebracht, und jetzt musst du schauen, dass du weiterkommst.

Ich darf Ihnen verraten – ich habe selbst unterrichtet –, wenn ich ein Nicht genügend gegeben habe, habe ich gesagt: Ich habe etwas falsch gemacht; ich auch, weil es mir nicht gelungen ist – in der Schule. Auf der Hochschule ist das ganz anders. Da ist die Situation ein bisschen anders. Da ist das Fach im Mittelpunkt. Aber in der Schule ist der Mensch im Mittelpunkt, die Persönlichkeit jedes Kindes. (Zwischenruf der Abg. Ham­merschmid.)

Selbstverständlich wird es in den Neuen Mittelschulen, die ja dann Mittelschulen hei­ßen werden, Leistungsniveaus geben. Das ist sinnvoll. Es ist kein irgendwie gearteter sozialer Abstieg oder Aufstieg, wenn ich sage: Ich bin in Mathematik im Standard AHS


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und in Deutsch bin ich im Standard. – Ja selbstverständlich kann das der Fall sein. Diese Durchlässigkeit ist gegeben. (Abg. Hammerschmid: Wie?) Sie wird immer wie­der vorhanden sein. Das ist tatsächlich etwas, wo man sagen kann, jetzt wird endlich eine Mittelschule hingestellt, von der wir hoffen können, dass es eine gute Mittelschule ist. Wir wollen die gute Mittelschule haben! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Wö­ginger: So ist es!)

Wir wollen Schulen haben, aus denen auch junge Leute hervorgehen, die dann später in die Lehre gehen und sich dort bewähren können. Die haben auch eine Chance für eine Karriere. Die jungen Damen und Herren (in Richtung Besuchergalerie), die oben auf der Galerie sind: Ich darf Ihnen mitteilen, dass Sie jetzt, wenn Sie in der Schule sind, die Chance haben, alles von Ihren Lehrerinnen und Lehrern wegzunehmen, was sie Ihnen an Wissen und Können bieten können. Das müssen Sie aufnehmen können, denn es wartet nach der Schule niemand auf Sie. Wir wollen Ihnen alles geben, damit Sie Karriere machen können.

Darum wollen wir ein Gerüst schaffen. Das Pädagogikpaket ist eigentlich nur ein Ge­rüst. Wir werden das dann noch mit Leben erfüllen. Wir werden noch einiges Weiteres in der Bildung weiterbringen. Ich freue mich schon auf die Dringliche Anfrage, die Sie stellen, weil wir da sagen können, dass noch viele, viele, viele Pfeile im Köcher sind. Wir wollen die anspruchsvolle Schule haben, eine Schule, die Ansprüche stellt und An­sprüche an sich stellt.

Die Lehrerinnen und Lehrer, die in diesen Schulen sind, wollen eine Struktur sehen, in der sie gut unterrichten können. Diese Struktur schaffen wir jetzt mit diesem Pädago­gikpaket. Darum ist es ein gutes Paket, auf das sich viele Österreicherinnen und Ös­terreicher schon lang gefreut haben. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und Beifall bei der FPÖ.)

13.12


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Hoyos-Trauttmansdorff. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.12.30

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Herr Kollege Taschner (dem von der ÖVP weiterhin Beifall ge­spendet wird), ich warte schon auf die Standing Ovations für Sie. Sie sind ja ein Held innerhalb Ihrer Fraktion, so wie sich das anhört.

Herr Kollege Taschner, Sie haben sich eigentlich selber entlarvt. Sie haben die Exper­ten und Expertinnen alle als nicht hinreichend bezeichnet (Ruf bei der ÖVP: Stimmt ja nicht!), haben gemeint, die haben alle keine Expertise (Abg. Winzig: Stimmt nicht! Das hat er nicht gesagt!), außer Ihrem Experten. Dementsprechend ist das natürlich eine parteipolitische Entscheidung. Wenn der einzige, der laut Ihnen ein Experte ist, von Ih­rer Partei kommt, dann ist es nichts anderes als parteipolitisch. (Beifall bei NEOS, SPÖ und JETZT.)

Ich gebe Ihnen aber in einem Punkt recht, das ist der Befund, dass wir im Schulsystem längst etwas machen müssen. Ich glaube, da sind wir uns einig. Ich glaube, dass sich da alle Parteien treffen. Das ist einmal das Positive, das man voranstellen muss. Was halt nicht genügt, sind Retroschritte und rückwärtsgewandte Politik, die hier betrieben wird. Nur wieder Tafeln auszutauschen bei der Neuen Mittelschule, auf der jetzt nur noch Mittelschule statt Neue Mittelschule draufsteht (Abg. Wöginger: Sie ist ja nicht mehr neu!), und wieder Ziffernoten einzuführen, das kann es doch nicht sein! Das ist doch nicht alles, was wir haben wollen, um Bildungspolitik im 21. Jahrhundert ankom­men zu lassen. Das ist alles inhaltsleer, was da geboten wird, und ist nichts anderes als Symbolpolitik. (Abg. Steinacker: ... haben Sie nicht gelesen!)


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Ich glaube und bin zutiefst davon überzeugt, dass wir viel stärker auf die Pädagogin­nen und Pädagogen vor Ort vertrauen müssen. Die sind die Expertinnen und Experten vor Ort. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Denen müssen wir vertrauen, da bin ich bei Ih­nen. – Wir machen es aber nicht. Wir geben Ihnen nicht die pädagogischen Freiheiten. Wir geben Ihnen einen Stempel mit und sagen: Ihr müsst jetzt diese Noten  eins, zwei, drei, vier, fünf – verteilen und dann noch Standard und Standard AHS. Das ist das, was wir machen. (Abg. Hauser: ... richtig informieren! ... beides möglich! – Zwi­schenruf des Abg. Wöginger.) Wir geben Ihnen eben nicht die pädagogische Autono­mie, die sie dringend brauchen würden, und übrigens auch kein Vertrauen. Das Ver­trauen, das wir da in sie setzen, ist relativ gering.

Ich möchte nur noch kurz zum Expertenhearing kommen, wozu schon einiges gesagt wurde. Es sind ja nicht nur die Expertinnen und Experten, die bei uns im Ausschuss waren, die ihre Meinung gesagt haben, sondern auch andere haben in den Medien und anderswo breit publiziert. Ich habe nur zwei Zeitungsartikel aus den letzten zwei Tagen mit. Schulexperte Schratz hat am 10. Dezember, also vor zwei Tagen, gesagt, er sehe keine Fortschritte in der Bildungspolitik in Österreich. Ziffernnoten, Sitzenbleiben und Halbtagsschulen seien gestrig. – Das ist das, was ein weiterer Experte sagt. (Zwi­schenruf des Abg. Taschner.) Das ist ein weiterer Experte.

Noch eine Expertin, die heute im „Kurier“ geschrieben hat, ist Frau Spiel. Ich denke, dass Sie sie kennen. Der „Kurier“ ist kein böses linkes Medium, wie Sie jetzt wahr­scheinlich behaupten werden, sondern ist durchaus eher, sagen wir einmal, der Raiff­eisen-Hälfte des Landes zuzuordnen. Sie sagt, es sei kein einziger Bildungswissen­schaftler bekannt – und ich glaube, dass Frau Spiel durchaus gut vernetzt ist –, der die Gesetzesänderungen gutheiße. Sie frustriert das. – Das sind ihre Worte. Das steht heute im „Kurier“.

Dann kommt meine Lieblingsüberraschung zum Thema Evidenz heute hereingeflattert: Ich hätte nicht damit gerechnet, aber wir haben heute die Anfragebeantwortung zu un­seren Fragen, welche Evidenz dahintersteht, welche Meinungen vom Herrn Minister einbezogen wurden, bekommen. Zu Frage Nummer 1, ob es Gespräche mit ExpertIn­nen gegeben hat, wird Folgendes aufgezählt: „Expertinnen und Experten der Bildungs­direktionen“ – die Bildungsdirektionen, von denen wir alle wissen, dass sie politisch be­setzt wurden, weil die Landeshauptleute sich überall zu den Präsidenten gemacht ha­ben; das ist politische Entscheidung –, „Landesbildungsreferenten“ – die sind natürlich auch politisch besetzt; die Schulpartnerschaft und die Elternverbände möchte ich da explizit ausnehmen, allerdings wurde das Thema mit ihnen nur im Rahmen einer Sit­zung des Elternbeirats besprochen, das wurde halt so mitgenommen, nach dem Motto: Müssen wir halt die Eltern und die Schulpartner auch hineinnehmen –, und die „Ge­werkschaft Öffentlicher Dienst“. – Das ist alles Parteipolitik! (Zwischenruf des Abg. Taschner.) Es tut mir leid, das ist eine parteipolitische Reform. Es sind nur parteipoli­tische Institutionen beziehungsweise Personen eingeladen worden.

Zur Frage 2 (Abg. Taschner: Sie sind im falschen Tagesordnungspunkt!) – nein, ich bin nicht beim falschen Tagesordnungspunkt –, ob wissenschaftliche Studien zur Hand genommen wurden, ist im ganzen Text keine Studie erwähnt, sondern es steht ganz groß, dass das im Regierungsprogramm 2017 bis 2022 alles drinnen steht. (Heiterkeit bei NEOS, SPÖ und JETZT.) Wie weit sind Sie gekommen, dass Sie Ihr Regierungs­programm als wissenschaftliche Grundlage nehmen? (Beifall bei NEOS, SPÖ und JETZT.) Da würde es mir als Wissenschaftler den Magen umdrehen, das muss ich Ih­nen ehrlich sagen. Ich bin fassungslos gewesen. Auch sonst steht in dieser Anfra­gebeantwortung nicht wirklich etwas darüber, dass es einen fundierten inhaltlichen Background dieses ganzen Pakets gibt.

Ich finde es eigentlich beschämend, dass wir hier so über die Köpfe der jungen Men­schen hinwegschauen. Wir wissen alle, dass die jungen Menschen, unsere Schüle-


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rInnen – und Sie haben es selber gesagt – unsere Zukunft sind. Das hat auch einer der Experten im Ausschuss gesagt, nämlich ein Schüler – der übrigens auch praktische Erfahrung hat. Er hat gesagt: 12,5 Prozent der Österreicher sind SchülerInnen, aber sie sind 100 Prozent der Zukunft. – Genau das muss Ihnen bewusst werden. Sie ent­scheiden hier über die Zukunft, und das nur parteipolitisch und ohne Evidenz. Das ist nicht zu akzeptieren. (Beifall bei NEOS, SPÖ und JETZT.)

13.18


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mölzer. (Abg. Jarolim: Eine ausgezeichnete Rede!) – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.18.21

Abgeordneter Wendelin Mölzer (FPÖ): Sie (in Richtung Abg. Jarolim) wissen ja noch gar nicht, was ich sagen werde. (Allgemeine Heiterkeit. – Beifall bei der FPÖ.) Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und vor den Fernsehbildschirmen! Frau Kollegin Hammerschmid, Sie haben davon gesprochen, dass ein Kind demotiviert sein könnte, wenn es beispielsweise eine Klasse wiederholen muss oder die Leistung nicht so passt. – Das mag sein. Auf jeden Fall demotiviert ist ein Kind aber dann, wenn es mit 15 Jahren nicht sinnerfassend le­sen kann. Da sind wir uns, glaube ich, alle einig. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Da komme ich zu einem wesentlichen Punkt: Das ist etwas, wofür Sie – das wissen Sie genau, das habe ich Ihnen schon öfter gesagt, Sie gestehen es sich natürlich nicht wirklich ein – und Ihre VorgängerInnen mit zehn oder elf Jahren sozialistischer Bil­dungspolitik verantwortlich sind, nämlich dass die Kinder diese schlechte Ausbildung haben. Da haben wir ein massives Problem.

Da kommen wir zu einem Punkt: Jetzt haben wir gerade über Experten hin und Exper­ten her diskutiert. Die einen sagen so, die anderen sagen so, nach dem Motto: Wenn ich nicht mehr weiter weiß, bilde ich einen Arbeitskreis. (Zwischenruf des Abg. Stöger.) Da muss ich sagen: Wir wissen weiter. Wir haben uns dazu durchgerungen – Kollege Taschner hat es ja schon sehr schön ausgeführt –, nicht nur im Regierungsprogramm, sondern wir haben es dann auch entsprechend in unsere Politik einfließen lassen, dass wir uns zu einer Kursumkehr bewegen haben lassen.

Wir sind dabei, den Weg einer meines Erachtens ideologiemotivierten Schulpolitik zu verlassen, um wieder hin zu einer pragmatischen Annäherung an die Problemlösung zu kommen. Abseits von irgendeiner Kuschel- und Wohlfühlpädagogik, die im 68er-Stil vollführt wird, gehen wir eben hin zu pragmatischen Lösungen. Wir haben nicht nur Ex­perten oder Menschen, die im System arbeiten – Lehrerinnen, Lehrer, Eltern, derglei­chen fort –, die diesen Weg begrüßen, sondern auch, glaube ich, den Sachverstand und einfach, ja, die Ratio hinter uns stehen.

Ich glaube, wir müssen klar festhalten, das Leben ist nun einmal kein Ponyhof, des­wegen muss man auch Leistung erbringen. Das fängt leider Gottes auch mit sechs, sieben Jahren in der Schule an. Es ist mir schon klar, dass wir da keine – sage ich ein­mal – spartanische Schule einführen werden oder ein System wie in Asien, wo die Leistungen der Schüler zwar sehr gut sind, das aber sicher kein Zuckerschlecken ist.

Man muss aber trotzdem sagen: Leistung muss irgendwo eingeordnet werden, sie muss auch bis zu einem gewissen Grad festgestellt werden. Jetzt ist die ganze Diskus­sion über die Ziffernnoten natürlich gewissermaßen nur eine symbolhafte, aber es geht schon auch darum, Orientierung zu schaffen und entsprechend auch Symbolpolitik zu machen, um zu zeigen, Leistung kann sich lohnen, muss sich lohnen, um Ehrgeiz zu wecken, Neugier zu wecken, et cetera pp. Nur aus dieser Neugier, aus diesem Ehrgeiz wird auch eine gewisse Schaffenskraft erwachsen.


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Natürlich soll Lernen Freude machen, aber es ist, glaube ich, ganz klar, dass man na­türlich auch einen gewissen Fleiß braucht. Ich habe erst gestern einen schönen Artikel über einen Kärntner Landsmann von mir gelesen, der wirklich ein Mathematikgenie ist, der auch sagt, dass er als solches ja nicht vom Himmel gefallen ist, sondern es war viel Fleiß notwendig, um sozusagen seinen Genius zu wecken. Das gilt nicht nur für das Genie, das gilt für uns alle, nämlich dass man auch einen gewissen Fleiß braucht. (Bei­fall bei FPÖ und ÖVP.)

Warum ist dieser Kurswechsel notwendig gewesen? – Ich habe es schon erwähnt, die Volksschule bringt nicht die Basis, die wir brauchen, um Kinder gut auszubilden. Die NMS ist in mehrfacher Hinsicht gescheitert, ist sie doch irgendwo ein Ideologieprojekt gewesen. Das hat uns auch der Rechnungshof bestätigt, dass bei immer höher wer­dendem Mittelaufwand immer schlechtere Ergebnisse gekommen sind. (Zwischenruf der Abg. Greiner.)

Was machen wir? – Wir steuern dagegen, wir schaffen beispielsweise eben im Bereich der NMS wieder eine Leistungsdifferenzierung, wir verbessern, glaube ich, mit den Zif­fernnoten die Übersichtlichkeit. Das sind auf jeden Fall richtige Schritte in die richtige Richtung. Dazu kommen noch Dinge wie ein Kinder-Eltern-Lehrer-Gespräch, das wir in der Volksschule einführen, um einfach ein Verbessern der Betreuung der Kinder zu er­möglichen. Es sind also wirklich einige Punkte, die hier kommen.

Dazu kommt noch eine Kleinigkeit, die Sie auch lobend erwähnt haben, Frau Kollegin Hammerschmid, nämlich eine langjährige freiheitliche Forderung, das freiwillige zehnte Schuljahr, das jetzt endlich rechtlich auf solide Beine gestellt wird. Das ist deswegen ein schönes Beispiel, weil, Frau Kollegin Hammerschmid, Sie das soeben lobend er­wähnt haben und wir uns offensichtlich alle einig sind, dass das gut ist: Warum haben Sie es eigentlich nicht geschafft, das in den letzten zehn Jahren umzusetzen, als wir das immer wieder gefordert haben? Das frage ich mich schon an dieser Stelle. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie schwach Ihre Bildungspolitik war.

Wie auch immer, wir tragen mit diesem Pädagogikpaket dazu bei – davon bin ich über­zeugt –, dass wir eine ideologiefreie Schulpolitik machen und – das ist ganz wichtig – unsere Kinder für die Herausforderungen der Zukunft rüsten. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

13.23


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Cox. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.23.22

Abgeordnete Stephanie Cox, BA (JETZT): Frau Präsidentin! Herr Minister! Kollegin­nen und Kollegen! Herr Mölzer, ich habe jetzt schon schmunzeln müssen über Ihren Spruch: Wenn ich nicht mehr weiter weiß, bilde ich einen Arbeitskreis. (Abg. Mölzer: Das tun wir eben nicht!) – Wenn mich Evidenz nicht interessiert, dann bleibe ich stur und mache eine Bildungsdiktatur! (Beifall bei JETZT. – Abg. Mölzer: Politik muss auch Entscheidungen treffen!) Auf die Evidenz komme ich noch zurück.

Fangen wir bei den Gemeinsamkeiten an! (Ruf bei der FPÖ: Das ist immer gut!) Schule soll auf jeden Fall Werkzeuge mitgeben, damit wir Kinder und Jugendliche zu selbst­bewussten, mündigen Menschen bilden, damit wir ihnen die Möglichkeit geben, dann in Zukunft nicht nur gesellschaftlich beizutragen, sondern auch durch ihre Talente, Fä­higkeiten und Ideen. Ich hoffe, dass wir gleicher Meinung sind, dass die Schule dafür Nährboden sein sollte.

Wo wir uns aber unterscheiden, ist, wie wir dorthin kommen, wie wir zu diesem Ziel kommen, dass sie ein Nährboden sein kann. Bei den Grundkompetenzen denken wir


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beispielsweise, es ist klar, dass das eine Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe ist, dass eine positive Grundhaltung gegenüber dem Lernen ein wichtiges Element für die Bildung ist, für die Neugierde, für das Erlernen von Neuem. Vor allem glauben wir, wenn man sich jetzt anschaut, dass zwei Drittel der Jobs, die die Schülerinnen und Schüler in Zukunft haben werden, im Moment noch nicht da sind, dass sie Fähigkeiten wie Empathie, Kreativität, Lösungskompetenz brauchen werden. Wenn ich mir bei­spielsweise das Pädagogikpaket oder was die Regierung hier im Moment macht, an­schaue, dann erinnert mich das eher an Law and Order und nicht daran, dass wir Kin­der und Jugendliche für die Zukunft wappnen, weil die anders sein und andere Fähig­keiten fordern wird.

Was ich bis jetzt gesehen habe, ist, dass der Druck auf Schüler und Schülerinnen er­höht wird, auf Lehrer und Lehrerinnen, auf Eltern – das ist das Umfeld der Schüle­rinnen und Schüler, das ist sehr, sehr wichtig. Ich spreche davon, dass Strafen für das Schuleschwänzen erhöht werden. Es wird nicht geschaut, wie man eigentlich Schüler und Schülerinnen für das begeistern kann, was in der Schule ist, wie man sie dazu bringen kann, dass sie in die Schule gehen möchten, dass sie gerne in die Schule ge­hen. Es wird eher auf der anderen Seite geschaut, wie man sie noch mehr bestrafen kann, wie man noch mehr Law and Order in diesem Kontext walten lassen kann.

Deutsch: Wer nicht perfekt Deutsch spricht, wird einfach in eine andere Klasse abge­schoben.

Ziffernnoten und das Sitzenbleiben – wir haben es heute schon des Öfteren gehört – sind Teil des Pädagogikpakets. Das ist ein Rückschritt, da waren wir ja schon einmal. Wir wollen doch einen Ort schaffen, der für die Zukunft wappnet, und Ziffernnoten und das Sitzenbleiben sind ein Schritt zurück. Glauben Sie ernsthaft, dass Sie mit diesen Maßnahmen den Spaß am Lernen, die Neugierde der Kinder stärken? (Ruf bei der ÖVP: Ja!) Nein, da sind wir anderer Meinung (Abg. Steinacker: Wieso sind dann ...!), vor allem wenn ich mir dann anhören muss – gerade bei den Ziffernnoten –, dass Kin­der und LehrerInnen, vor allem Kinder, sie fordern. (Abg. Steinacker: ... jemals sel­ber ...? Nein!) Immer wenn wir gefragt haben, warum wir diesen Schritt zurück gehen, hat es geheißen, die Kinder und Jugendlichen fordern das.

Die Evidenz zeigt: Die ExpertInnen – auch im Ausschuss – haben uns anderes berich­tet. Mir war es auch wichtig, dass wir einen Schüler als Stimme der Jugend in den Aus­schuss als Experten einladen. Es ist aber nicht nur der eine Schüler, sondern wir ha­ben mit einer unabhängigen Organisation, dem Verein YEP, zusammengearbeitet, und dieser hat einen Partizipationsprozess mit Jugendlichen gestartet, mit unabhängigen Jugendlichen, die kein Parteibuch haben. Diese haben gemeinsam ein Positionspapier ausgearbeitet, nachdem sie sich das Pädagogikpaket angeschaut haben. Dann haben sich mehr als 500 Jugendliche online beteiligt und ihre Meinung kundgetan. Schülerin­nen und Schüler sind die Betroffenen. Es ist sehr, sehr wichtig, sie zu Wort kommen zu lassen. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Genau das haben wir getan. Wir haben Gabriel Bremer dann als Vertreter im Aus­schuss gehabt. Er kann jetzt leider nicht hier stehen, deswegen werde ich drei der For­derungen, die in ihrem Positionspapier drinnen sind, kurz erläutern.

Erstens, Ziffernnoten in der Volksschule – ich habe das schon erwähnt –: Von den Ju­gendlichen wurde mir mitgegeben, dass es sich hier um ein abgewähltes System han­delt. Die Kinder und Jugendlichen haben gefragt, warum, wenn sich fast 70 Prozent der Schulen für alternative Leistungsbeurteilung entschieden haben, hier ein Schritt zu­rück gewählt wird. Es haben sich 66 Prozent dieser über 500 Jugendlichen gegen Zif­fernnoten ausgesprochen. Vor allem ist die Frage, warum wir jetzt schon den Schritt zurück machen, obwohl erst 2016/17 der Schulversuch gestartet wurde, bei dem El-


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tern, LehrerInnen und SchülerInnen in den ersten drei Volksschuljahren selbst ent­scheiden können, welche Notengebung sie haben wollen. – Das zu den Ziffernnoten.

Zweitens, die zwei Leistungsniveaus; dazu haben mir die Jugendlichen Folgendes mit­gegeben: Dauerhaft getrennter Unterricht in Leistungsgruppen spaltet die Klasse, und eine Beobachtungsfrist von nur zwei Wochen, in denen man entscheidet, in welche Leistungsgruppe, ob Standard oder Standard AHS, ist zu kurz. Das haben mir die Kin­der und Jugendlichen, die Betroffenen, mitgegeben. (Abg. Mölzer: Da ist ja vorher ein Jahr Schule! Zwei Wochen sind ein Blödsinn!) – Herr Mölzer, wir wissen beide, dass es Lehrerwechsel gibt, wir wissen beide, dass es in der Realität oft anders ausschaut und die Lehrer die SchülerInnen in dieser Zeit noch nicht so gut kennen. (Beifall bei JETZT.)

Dritter Punkt, Statement der Jugend: Warum macht man große Veränderungen in der NMS, ohne zu evaluieren, was die letzten Jahre passiert ist und welche Folgen die ver­schiedenen Maßnahmen hatten? – Es scheint so, als wäre die Mittelschule quasi ein Versuchslabor.

Man versucht einfach immer wieder, Verschiedenes zu probieren, diesen Schritt zurück zu machen, weil man einfach parteipolitisch gerade Lust darauf hat und es eher dem entspricht, was man denkt und – wir haben es gerade gehört – nicht dem, was die Evi­denz sagt, nicht dem, wie es in der Realität aussieht.

Es braucht ein Gesamtkonzept. Es braucht Ressourcen für diese Schulen. Es braucht Schulpsychologen und Personen, die die LehrerInnen unterstützen, und nicht diese ständigen Änderungen, die im Endeffekt ein Schritt nach hinten sind. (Beifall bei JETZT.)

Nur eine Umbenennung reicht eben auch nicht. Das ist kein Schritt, den man gehen sollte, wenn man nach vorne schreiten möchte.

Minister Faßmann, Sie haben den Satz schon im Ausschuss von Gabriel Bremer ge­hört, aber ich rufe ihn Ihnen gerne wieder in Erinnerung: Er hat davon gesprochen, dass circa 1,7 Millionen Menschen in Österreich unter 20 Jahre alt sind. Das sind zwar nur 20 Prozent der Bevölkerung, aber 100 Prozent der Zukunft. Diese 100 Prozent der Zukunft sind ganz, ganz wichtig, weil das die Kinder und Jugendlichen sind, die die Zu­kunft gestalten werden, denen aber auch die Fähigkeiten dazu in der Schule vermittelt werden müssen. (Abg. Steinacker: Ja, eh! Eben!) Diese brauchen den Raum des Ler­nens, diesen Bildungsraum, der ihnen Mut, Inspiration und Neugierde gibt und sie für die Zukunft wappnet.

Beziehen Sie bitte die Interessen von unabhängigen Schülerinnen und Schülern in Zu­kunft noch mehr ein! Das haben wir zu zeigen versucht, und das ist uns, glaube ich, geglückt, das haben wir im Ausschuss gesehen. Machen Sie Bildungspolitik bitte nicht für Ihre Bildungsinteressen, sondern für die Zukunft (Abg. Hauser: Nicht für Bildungsin­teressen?!) und vor allem im Sinne des Fortschritts und nicht des Rückschritts! (Beifall bei JETZT. – Abg. Neubauer: Das war zumindest ein Befriedigend!)

13.31


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Kuss-Bergner. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.31.53

Abgeordnete Angelika Kuss-Bergner, BEd (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister, ich überlasse es Ihnen, auf meine Vorrednerinnen und Vorredner zu replizieren. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer! Wir haben heute den ersten Teil des Pädagogikpakets zur Beschlussfassung vorliegen, und ich möchte meine Redezeit dafür verwenden, um meine Worte an die


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Pädagoginnen und Pädagogen zu richten, die tagtäglich in der Klasse stehen und für unsere Zukunft, für unsere Kinder arbeiten. (Beifall bei der ÖVP.)

Geschätzte Pädagoginnen und Pädagogen, ich darf mich von hier, aus dem Hohen Haus, als Mitglied des Unterrichtsausschusses bei Ihnen herzlich für Ihren Einsatz für unsere Schülerinnen und Schüler bedanken. Ihr Einsatz, Ihre Motivation und Ihr Herz­blut sind die Basis für die Lernkultur, die unsere Schülerinnen und Schüler für das Le­ben prägt. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Mölzer und Lintl.)

Zum Pädagogikpaket möchte ich drei Punkte ansprechen, und zwar erstens die ge­setzlichen Rahmenbedingungen, die im Ausschuss diskutiert wurden. Unsere Aufgabe vonseiten der Politik ist es nicht, Steine in den Weg zu legen, sondern gesetzliche Grundlagen zu schaffen, die Sie, geschätzte Pädagoginnen und Pädagogen, bei der tagtäglichen Arbeit, die mitunter sehr herausfordernd sein kann, unterstützen.

Die Auskunftspersonen, die die Parteien für den Unterrichtsausschuss nominieren, er­staunen mich immer wieder aufs Neue. Direktor Reichmayr, Neuer Mittelschuldirektor, sprach als Auskunftsperson der SPÖ von Etikettierung, er sprach von Auf- und Ab­stufen der Schülerinnen und Schüler. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ich war selber bei Schulleiterinnen und Schulleitern, aber diese Art der Wortwahl wäre mir nie untergekommen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Mölzer und Lintl.)

Wir wissen seit Jahren, dass wir den unterschiedlichsten Entwicklungen unserer Schü­lerinnen und Schüler gerecht zu werden haben. Wenn es der Entwicklung des Schülers entspricht, dann wird auf das entsprechende Lernjahr umgestuft. – Ganz genau: Es wird umgestuft. Es wird nicht sitzengeblieben, wie das in jener Wortwahl immer wieder vorkommt. Dem kann ich wirklich nichts abgewinnen. Meine Damen und Herren, reden Sie bitte mit den Pädagoginnen und Pädagogen, welche Fördermaßnahmen, welche Unterstützungsmaßnahmen, wie viele Lehrer-Eltern-Gespräche stattfinden, bevor die­ses Thema im Raum steht! Sollte diese Maßnahme getroffen werden, dann einzig und allein zum Wohle des Kindes. Aus meiner eigenen Erfahrung als Lehrerin weiß ich, wie förderlich es sein kann, einem Kind ein Jahr Zeit zu geben. Jeder, der Kinder hat, weiß ebenso, dass keines mit dem anderen vergleichbar ist und dass die größte Heraus­forderung darin besteht, Kinder nicht zu vergleichen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Ab­geordneten Mölzer und Lintl.)

Damit zum zweiten Thema, der Leistungsbeurteilung: Mit dem Pädagogikpaket werden wir dem gerecht, was uns die Praxis zeigt. Ab der 2. Schulstufe wollen die Eltern eine Ziffernnote für ihr Kind. Die Frage stellt sich immer: Wie gehen wir mit dieser Ziffern­note um, wie gehen die Eltern damit um? In der Volksschule haben wir verpflichtend Elternsprechtage, bei denen sich die Eltern ganz genau über den Lernfortschritt ihres Kindes informieren können. Dieses wertschätzende Gespräch zwischen Lehrern, El­tern und Kindern gibt einen sehr aufschlussreichen Einblick über den Lernfortschritt.

Zum dritten Thema, liebe Pädagoginnen und Pädagogen, der Weiterentwicklung der Neuen Mittelschule zur Mittelschule: Das ist für mich ein sehr wichtiger Schritt. In den nächsten Monaten werden unsere Schülerinnen und Schüler wieder auf Skikurs fahren oder Tagesausflüge auf unsere Pisten machen. Warum sage ich das? – Für jeden von uns ist klar, dass die Kinder beim Skifahren nach ihrem Können eingeteilt werden. Ich habe noch nie erlebt, dass Fahranfänger mit Skikönnern in die gleiche Gruppe gesteckt werden, mit der Erwartung, dass nach einer Woche, nach einem Tag ein Lernfortschritt zu sehen ist. Stellen Sie sich einmal diese absurde Situation vor! Die Entscheidung, in der Mittelschule leistungsdifferenzierte Gruppen zu ermöglichen, ist für mich der rich­tige Weg. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Mölzer und Lintl.)

Wenn ich noch einmal auf die Skifahrer und Nichtskifahrer zurückkommen darf: Wissen Sie, wie frustrierend es für Kinder sein muss, wenn die beiden in einer Gruppe sind und beide nichts davon haben?


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Liebe Pädagoginnen und Pädagogen, ich freue mich, dass wir eine gesetzliche Grund­lage schaffen, die es Ihnen ermöglicht, das Beste für unsere Schülerinnen und Schüler zu tun. Ich vertraue auf Ihre Expertise. Unser Pädagogikpaket gibt die passende Grund­lage dafür. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Mölzer und Lintl.)

13.37


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Kovacevic. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.37.18

Abgeordneter Christian Kovacevic (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich denke auch, dass wir alle hier dieselben Ziele verfolgen (Abg. Hauser: Na, das glaube ich nicht!), aber die Ansichten über die Wege, wie wir dort hinkommen, unterscheiden sich wohl. Ich betone noch einmal, auch die SPÖ ist selbstverständlich dafür, dass Schulabgänger oder jene, die die Schulpflicht hinter sich haben, lesen, schreiben und rechnen können. (Abg. Neubauer: Das ist das Mindeste!) Genau deshalb haben wir zahlreiche Bildungskonzepte entworfen, immer unter Berücksichtigung von Expertinnen und Experten aus der Bildungswissenschaft und aus der Praxis. (Zwischenruf des Abg. Taschner.) Das muss man an dieser Stelle auch einmal festhalten. (Beifall bei der SPÖ.)

Schauen Sie, das Problem bei der ÖVP und vor allem bei der FPÖ ist, dass es für Sie nur eine Wahrheit gibt, und zwar die Ihre. Gegen alle anderen Argumente sind Sie re­sistent und gehen nicht darauf ein. (Ruf bei der FPÖ: Da reden die Richtigen! Und was seid ihr?!) Dann kommt immer sofort die ideologische Keule, indem Sie uns vorwerfen, dass wir linksideologisch motiviert sind. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Sogar Bundes­kanzler Kurz und Vizekanzler Strache sagen heute in einer Pressemeldung: Schluss mit den linksideologischen bildungspolitischen Experimenten! (Abg. Neubauer: Ja, bravo!) – Das ist eine Verhöhnung! (Anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

Das ist eine Verhöhnung gegenüber allen Expertinnen und Experten, gegenüber allen Beamten, die mitgearbeitet und über Jahre versucht haben, die Bildung in Österreich zu reformieren. Dafür sollten Sie sich schämen. Das ist eine Verhöhnung.

Im Gegenzug machen Sie jetzt nichts anderes, als Meinungen, die man eigentlich von den Stammtischen importieren könnte, hierher zu bringen. (Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ.) Diese setzen Sie hier um, nur um die Wählerstimmenzahl zu maximie­ren. (Ruf bei der FPÖ: Die Stammtische kennt ihr nicht mehr!)

Es geht, wie die Vorrednerin gesagt hat, darum, die Zukunft unserer Kinder zu stärken. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Darin, glaube ich, stimmen wir überein. Es geht darum, die bestmöglichen Bildungschancen für alle Schülerinnen und Schüler zu ge­währen (Abg. Neubauer: Das sind Plattitüden! Bildungschancen für alle hören wir seit 20 Jahren schon!), und das, was Sie hier vorlegen, ist nichts anderes als ideologisch. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

Frühe Auslese: Ja, Sie drehen sinnvolle und breit anerkannte Maßnahmen ab, nur weil sie nicht in Ihr Weltbild passen und vielleicht mancherorts nicht zu 100 Prozent um­gesetzt werden. Viel besser wäre es gewesen, sehr geehrte Damen und Herren, die bestehenden Konzepte auszubauen und auch die Lehrer dementsprechend besser zu schulen, zum Beispiel im Teamteaching oder wie sie verbal besser benoten können. Frühe Auslese erzeugt Leistungsdruck, das ist nun einmal wissenschaftlich bewiesen, nicht nur von unseren Experten oder Wissenschaftern, sondern von der Mehrheit der ExpertInnen. (Abg. Neubauer: Ihr habt nur Experten in der Arbeiterkammer!) Sie hat viele verschiedene negative Auswirkungen auf Kinder. Es gibt zahlreiche Studien dazu. Das, was Sie hier vorlegen und in Zukunft umsetzen wollen, ist unzuverlässig, segre-


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gierend und unökonomisch. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Ihr habt ein Problem mit dem Leistungsgedanken!)

13.40


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Hauser. – Bit­te schön, Herr Abgeordneter.


13.40.18

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Mi­nister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich muss einmal Luft holen. Es ist sehr gewagt (Ruf bei der FPÖ: Genau!), was der SPÖ-Vorredner jetzt gerade von sich gegeben hat. Ich kann es aber fast nicht glauben: Ein System (Zwischenrufe bei der SPÖ – Abg. Leichtfried: Glauben Sie’s einfach!), das zu 100 Prozent gescheitert ist, hier vom Rednerpult aus noch zu verteidigen und zu sagen, wir müssen mehr von dem machen, was gescheitert ist – das ist ja unglaublich! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ihr, die SPÖ, die Linken, ignoriert, dass 25 bis 30 Prozent unserer Schüler nach der Pflichtschule nicht einmal sinnerfassend lesen können, nicht schreiben und rechnen können, und jetzt wollt ihr mehr vom Gleichen tun. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Eure Bil­dungspolitik ist massiv gescheitert! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Da kann man sich
nicht hierher stellen und sagen, wir müssen mehr vom Gleichen tun! (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Wir haben nicht nur demotivierte und frustrierte Schüler. Wir haben demotivierte Leh­rer – in den Neuen Mittelschulen in den Städten –, die nicht mehr bereit sind, weiter im System zu bleiben, die frustriert sind, weil sie nicht mehr unterrichten können, weil sie nicht verstanden werden, weil ein Großteil der Schülerinnen und Schüler in der Neuen Mittelschule im städtischen Bereich die deutsche Sprache nicht beherrscht. So soll Unterricht stattfinden? – Das ist nicht möglich, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Hören Sie auf, Ihre Bildungspolitik zu verteidigen! Sie ha­ben das System mit Ihrer Bildungspolitik ideologisch an die Wand gefahren. Das ist die Wahrheit! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Nun zum Inhalt, zur Leistungsbeurteilung: Wieso sagen Sie von diesem Rednerpult aus nicht die Wahrheit? – Die Wahrheit ist (Ruf bei der SPÖ: Sie haben die Wahrheit abgeschafft! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ) – und ich sage Ihnen jetzt einmal die Wahrheit, damit auch der Konsument die Wahrheit hört –: Wir haben die Beurteilung verbreitert. Es ist zukünftig neben der Ziffernnote die verbale Beurteilung selbstver­ständlich möglich. Beides ist möglich, und erklären Sie bitte den Zuhörern, wieso bei­des schlechter sein soll! Sagen Sie doch die Wahrheit! Wir haben die verbale Beur­teilung nicht abgeschafft (Zwischenrufe bei der SPÖ), wir haben nur die Möglichkeit geschaffen, zusätzlich zur verbalen Beurteilung auch eine Ziffernnote einzusetzen. Das ist eine Verbreiterung der Beurteilung und kann doch nur positiv sein. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Beides gehört eingesetzt. Wenn ich heute sage, ein Kind hat ein Befriedigend und da­zuschreibe: Deine Rechtschreibung hat sich verbessert oder verschlechtert, dann ist das positiv, man kennt sich aus. Eine Beurteilung hat den Sinn, dass der Schüler weiß und die Eltern wissen, wo er steht. – Das haben wir geschafft. Wir haben das wirklich verbreitert.

Im Ausschuss hat Mag. Helga Reiter, die Pflichtschulinspektorin aus Kärnten, prakti­sche Beispiele gebracht, wie Zeugnisse in der Vergangenheit mit der ausschließlichen verbalen Beurteilung ausgeschaut haben. (Ruf bei der SPÖ: Das war Geschichte, kein Mathematik ...!) Ich zitiere den von Religion, Deutsch, Mathematik bis hin zum Turnen immer gleichen Satz, der wie folgt gelautet hat: „Erfassen und Anwenden des Lehrstof­fes“ und eigenständiges „Durchführen von Aufgaben“ sowie „selbständiges Anwenden


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auf neuartige Aufgaben“. – No na! Jetzt kenn ich mich aus! Das war also wirklich eine pauschale verbale Notengebung, die überhaupt keine Substanz hat. Genau das wollen wir verhindern. Wir haben also beides, wir haben die Breite eingeführt, und das ist ein immenser Fortschritt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Noch ein kurzes Wort zur Neuen Mittelschule: Sie ignorieren auch immer wieder die Rechnungshofberichte. Der Rechnungshof hat in einem seiner Berichte festgestellt, dass die Neue Mittelschule, so wie sie von euch, von der SPÖ, konzipiert wurde, das teuerste System ist: 7 400 Euro pro Kopf und Schüler; Gymnasium – die AHS‑Unter­stufe wolltet ihr abschaffen –: 4 600 Euro; und die Hauptschulen waren damals mit 6 600 Euro noch wesentlich billiger als die Neuen Mittelschulen. Auch da spricht der Rechnungshof Klartext.

Die Neue Mittelschule, so wie sie konzipiert war, ist ebenfalls gescheitert. Das System jetzt, mit der Mittelschule und der Leistungsdifferenzierung, mit Standard und Stan­dard AHS, ist ein wirklicher Fortschritt, weil damit auch der Umstieg in die AHS und so weiter möglich sein wird. Wir wollen Kinder motivieren! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

13.45


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Preiner. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.45.44

Abgeordneter Erwin Preiner (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuhörer auf der Galerie – es sind viele Schüler hier! Werte Fernsehzuseher vor den Fernsehapparaten zu Hause! Im Gegensatz zu meinem Vorredner habe ich zur Schule, zur Bildung und zur Pädagogik einen positiven Zugang. Ich denke, das ist in einer gesellschaftlich herausfordernden Zeit auch not­wendig. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich danke daher sehr herzlich allen KollegInnen, allen PädagogInnen für ihre wertvolle pädagogische Arbeit in den Schulen, oftmals auch außerhalb der Unterrichtsstunden.

Das vorliegende Pädagogikpaket 2018 ist meiner Meinung nach über weite Strecken ein Rückschritt, einfach Retrobildungspolitik. Ich zitiere kurz Herrn Kollegen Taschner aus dem Ausschuss. Er hat gemeint, durch die Note wird eine Leistung beurteilt, kein Mensch. Ich habe nicht diesen Zugang, denn eines ist klar: Über die Beurteilung der Leistung, egal ob verbal oder durch die Note, wird immer auch der Mensch, in unserem Fall der Schüler, als Person beurteilt. Das steht außer Diskussion, denn Pädagogik umfasst immer den ganzheitlichen Menschen. Das lehrt uns bereits der Humanismus. (Zwischenruf des Abg. Taschner.) Ich denke, Humanismus ist auch hier im Plenum gefordert. Diesen Humanismus dürfen wir im Sinne der modernen Pädagogik, des mo­dernen Unterrichtens, aber auch im Sinne der Schülerinnen und Schüler nicht verges­sen, Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der SPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren! Sitzenbleiben in der Volksschule löst keine Probleme, sondern schafft Probleme. Ich zitiere hier auch einen Experten aus dem Ausschuss. Dieses Zitat lautet: Sitzenbleiben hat dann Sinn, wenn Schüler besondere Förderungen bekommen. – Zitatende. Dies meint ein Experte aus dem Unterrichtsausschuss. Herr Bildungsminister, ich frage Sie: Wie soll diese besondere Förderung unter dem Aspekt, dass Sie für 2019 die Finanzmittel für die Besoldung der Pflichtschullehrer um 14 Mil­lionen Euro gekürzt haben, aussehen? Da stimmt etwas nicht zusammen. (Beifall bei der SPÖ.)

Weiters erfolgt durch die Umbenennung der Neuen Mittelschule in Mittelschule nur eine Änderung, was das Etikett betrifft. Durch die sogenannte Reform ab der 6. Schul­stufe, was Standard und Standard AHS betrifft, wird meiner Meinung nach der erste


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und zweite Klassenzug – ehemals, aus dem vorigen Jahrhundert – durch die Hintertür wieder eingeführt, nach dem Motto: Vorwärts, es geht zurück! – Das kann es natürlich nicht sein.

Herr Minister, ich frage Sie: Wie geht es eigentlich mit dem Teamteaching weiter? Wir wissen, dass sich das Teamteaching in der Neuen Mittelschule bewährt hat. Wie schaut es diesbezüglich aus, wenn die Mittelschule in der Praxis umgesetzt wird? Hal­ten Sie das Teamteaching noch aufrecht oder lassen Sie es klammheimlich auslaufen?

Zum Schluss möchte ich noch die sogenannten KEL‑Gespräche ins Treffen führen. Das sind die Kind-Eltern-Lehrer-Gespräche, die sich in der Neuen Mittelschule ausge­zeichnet bewährt haben. Ich halte es übrigens für positiv, dass diese KEL‑Gespräche für die Volksschule und auch für das Polytechnikum verpflichtend ausgeweitet werden. Wie aber schaut es in der AHS‑Unterstufe aus? – Dort gibt es keine diesbezügliche Verpflichtung.

Das gesamte Pädagogikpaket 2018 nimmt die AHS‑Unterstufe fast kein einziges Mal in den Mund. Ich frage mich: Gibt es für die AHS‑Unterstufe eine andere, bessere Pä­dagogik oder überhaupt keine Pädagogik? Ich darf uns in Erinnerung rufen, dass die PädagogInnenausbildung für Pflichtschule und AHS-Unterstufe einheitlich ist, nicht nur was den Inhalt der Ausbildung betrifft, sondern auch was die Besoldung betrifft. (Abg. Mölzer: Das ist ein schwerer Fehler!) Daher müsste es meiner Meinung nach auch eine Verpflichtung für KEL‑Gespräche in der AHS‑Unterstufe geben.

Eines noch zum Schluss: Der Übertritt von der MS in die BMHS ist mit dem Übertritt von der AHS‑Unterstufe in die BMHS alles andere als ident. Hier gibt es überhaupt kei­ne Gleichbehandlung, sondern genau das Gegenteil ist passiert, nämlich Ungleichheit und Diskriminierung den Schülern der MS gegenüber.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Abschließend meine ich, dass das sogenannte Pädagogikpaket 2018 auch die Schulautonomie zu Grabe trägt. Eltern, Lehrer und Schüler haben sich bei Weitem viel bessere Weihnachtsgeschenke verdient als diese Mogelpackung, die jetzt vorgelegt wird, das Pädagogikpaket 2018. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Hauser: Unglaublich! So ein Blödsinn!)

13.50


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Salzmann. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.50.46

Abgeordnete MMMag. Gertraud Salzmann (ÖVP): Sehr geehrter Herr Minister Faß­mann! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und auch daheim an den Fernsehgeräten! Schule bewegt alle, das erleben wir heute wieder einmal live. Lassen Sie mich vorweg noch zu den Experten ein Wort verlieren: Die wahren Experten, nämlich die, die tagtäg­lich in der Schule stehen, die Lehrerinnen und Lehrer, sitzen auch in unseren Reihen, und ich gehöre auch dazu. (Abg. Hammerschmid: Herr Preiner ist auch einer!) In die­sem pädagogischen Paket, Herr Minister, haben Sie in einem langen Prozess alle Schulpartner – Lehrer, Eltern und Schüler – sehr, sehr gut eingebunden, so wesentlich eingebunden, wie es bis jetzt, in der letzten Zeit selten der Fall war. Das möchte ich auch ganz klar sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

An die Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ: Ich möchte schon darauf verweisen, dass Sie zumindest zehn Jahre Zeit hatten, Ihre Bildungspolitik und Ihre Ideen umzu­setzen. (Abg. Jarolim: Wir sind 100 Jahre zurück! Das ist ja das Problem!) Die Tes­tungen zeigen uns, dass die Ergebnisse leider immer weiter nach unten gehen. Es gibt Probleme im Bildungsbereich. Wir müssen auf diese Probleme schauen und wir dürfen


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sie nicht aufschieben, meine Damen und Herren! Wir schauen die Probleme an, wir schauen hin und bieten Lösungen an. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Unsere Lösungen schauen ein bisschen anders als Ihre aus, aber das sei uns auch ge­stattet. Mit dem pädagogischen Paket setzen wir einen wesentlichen Schritt – es ist ja ein erster Teil – einer sinnvollen Weiterentwicklung der Bildung in Österreich. Von uns gibt es ein klares Bekenntnis zu unserem bewährten differenzierten Bildungssystem, das auch die AHS in der Langform beinhaltet. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der FPÖ.)

Wir wollen die Kinder bestmöglich fördern. Es gibt eine große Herausforderung für die Lehrerinnen und Lehrer, die tagtäglich in der Klasse stehen. Wir haben eine große He­terogenität zwischen sehr schwachen Schülern und sehr begabten Schülern und wir bieten jetzt die Möglichkeit – nicht die Verpflichtung –, in der Mittelschule, die wir stär­ken und weiterentwickeln wollen, wirklich auch leistungsdifferenziert zwei Standards einzuführen: die Standard-Gruppe und die Standard-AHS-Gruppe. Bitte bedenken Sie, das ist nicht verpflichtend!

Frau Minister Hammerschmid – a. D., Sie sind es ja nicht mehr (Abg. Hauser: Gott sei es gedankt!) –, Sie hatten wirklich eine gute Idee damit, die Schulautonomie zu stär­ken. Das ist auch wichtig, und damit bleiben Sie uns auch stark in Erinnerung. Meine Damen und Herren, wir treiben diese Schulautonomie voran, wir bauen sie aus. Wir sagen den Lehrerinnen und Lehrern vor Ort: Ihr wisst am besten, was in der Schule für eure Schülerinnen und Schüler das Wichtigste ist, und darum entscheidet ihr bitte, welche Möglichkeit der Leistungsdifferenzierung ihr an der Schule anbietet. (Abg. Era­sim: Warum schafft ihr dann die Wahlfreiheit ab?) Das ist gelebte Schulautonomie. Wir zwingen die Kinder nicht in eine Gesamtschule, die die Mehrheit der Eltern nicht will. Wir gewährleisten die Wahlfreiheit in der Bildung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der FPÖ.)

Herr Bundesminister, ich gratuliere Ihnen zu diesem pädagogischen Paket. Sie haben viele der Expertinnen und Experten vor Ort, in den Schulen, auf diesem Weg mitge­nommen. Es ist ein ganz wichtiger Schritt in die richtige Richtung, so wie es auch die Deutschförderklassen sind. Auch da haben Sie nicht mehr länger hingeschaut, denn da brennt es wirklich sehr unter den Nägeln, dass wirklich etwas gemacht werden muss.

Jedes Kind, das zurückbleibt – und da sind wir sicher alle einer Meinung –, ist eines zu viel, und das sollte nicht passieren. Herzlichen Dank auch für die gute Zusammenarbeit mit uns. Ich bezeichne mich auch als eine, die in der Praxis steht, ich bezeichne mich aber nicht als Expertin. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Jarolim: Sie schaffen ja damit eine Schuldiktatur! Das ist das Problem! – Ruf bei der FPÖ: Geh bitte!)

13.55


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schan­dor. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.55.32

Abgeordneter Dipl.-Ing. Christian Schandor (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher auf der Galerie und zu Hause an den Bildschirmen! Vieles wurde schon ausgeführt, ich möchte trotzdem noch einmal die vier wesentlichen Ziele dieses Pädagogikpakets 2018 wie­derholen. Das erste Ziel: klare Notensystematik und transparente, kriterienorientierte Leistungsbeurteilung; zweitens: bestmögliche Förderung entsprechend den individuel­len Voraussetzungen; drittens: Verbesserung der Außenwirkung der Mittelschule, wo­bei die positiven Entwicklungen der Neuen Mittelschule beibehalten werden; viertens:


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Verbesserung der Durchlässigkeit im österreichischen Bildungssystem. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte auf den Vorredner, Kollegen Kovacevic, eingehen, leider ist er jetzt nicht im Saal. (Abg. Kovacevic: Doch!) – Danke für das Handzeichen! Herr Kollege, meine Meinung stammt nicht vom Stammtisch, meine Meinung stammt aus der tagtäglichen Arbeit eines Lehrers an einer Schule. Ich unterrichte nach wie vor zwei Tage in der Woche von der ersten bis zur fünften Klasse an der HTL in Fürstenfeld, in diesem Schuljahr die vierte und fünfte Klasse. Ich lade Sie zu mir an meine Schule ein, ma­chen Sie sich einmal ein Bild! Kommen Sie vorbei und sehen Sie sich an, wie der Stan­dard von jenen Schülern aussieht, die wir von der Neuen Mittelschule oder zukünftig von der Mittelschule an unsere Schule bekommen! Ich glaube, wenn man eine Fehl­entwicklung erkennt, ist es legitim, dass man diese aufgreift, korrigiert und in eine bes­sere Richtung bringt. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Hammerschmid: Das muss man zuerst evaluieren!)

Ich halte es für einen Fehler, den falschen Weg einzuschlagen und dann noch Gas zu geben. Das finde ich nicht in Ordnung.

Daher möchte ich auf dieses freiwillige zehnte Schuljahr an den Polytechnischen Schu­len eingehen. Ich finde, es ist höchst an der Zeit, das ist eine Forderung, die schon viele Jahre besteht, die leider unter Ihrer Führung nicht umzusetzen war; das bedauere ich. Das gibt jenen Schülern, die die 9. Schulstufe in einer mittleren oder höheren Schule nicht erfolgreich abschließen konnten, die Chance, ein Zeugnis zu bekommen, das nicht von mehreren Nicht genügend strotzt, und sie bekommen damit auch die Chance, eine Lehrstelle zu finden. Das ist das Ziel. (Beifall bei der FPÖ und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

Bis dato war es, wenn ein Schüler, eine Schülerin erkannt hat, dass er, dass sie in der falschen Schule ist, nur möglich, noch vor Weihnachten einen Schulwechsel durchzu­führen. Jetzt ist es eben möglich, freiwillig ein zehntes Schuljahr zu absolvieren.

Eine Korrektur an die Kollegin Cox, was dieses Anforderungsniveau Standard und Standard AHS ab der 6. Schulstufe, also ab der zweiten Klasse in der Mittelschule, be­trifft: Der Beobachtungszeitraum ist ein Jahr, und ich glaube, das muss man den Kol­leginnen und Kollegen in der Mittelschule auch zugestehen, dass es nach einem Jahr möglich sein muss, das zu beurteilen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Preiner.)

Ich darf all jenen, die hier mitgearbeitet haben, meinen Dank aussprechen. Ich halte es für absolut notwendig und richtig, diese Ziele zu verfolgen. Ein Ziel, das wir nicht aus den Augen verlieren dürfen, ist, dass die Chancen und Möglichkeiten, die unseren Kin­dern geboten werden sollen, verbessert werden. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.00


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Niss. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.00.11

Abgeordnete Dr. Maria Theresia Niss, MBA (ÖVP): Frau Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Sehr verehrte Zuseherinnen und Zuseher! Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir. Gesagt hat der Philosoph Seneca ja eigentlich genau das Gegenteil, aber ich fühle mich teilweise auch so, wenn ich heutzutage in eine Schule gehe. Das, meine Damen und Herren, ist das Ergebnis einer jahrelangen verfehlten so­zialdemokratisch geprägten Bildungspolitik. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Krainer.)


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Bei einer Schuldiskussion wurde ich einmal gefragt, was für mich die optimale Schule ist. Meine Antwort war: Das ist einerseits eine Schule, die Freude macht, in die junge Leute gerne gehen, in der sie motiviert werden, es ist aber auch eine Schule, in der wir auf unser Leben und vor allem auch auf die Berufswelt vorbereitet werden. Beides se­he ich aber heutzutage nicht, und deswegen ist dieses Pädagogikpaket, mit dem wir heute den ersten Schritt machen beziehungsweise beschließen, überfällig.

Dieses Paket enthält zwei Maßnahmen, die es den Schülern ermöglichen sollen, ne­ben einer Allgemeinbildung auch eine entsprechende Berufsorientierung zu erhalten. Das soll ihnen danach helfen, einen Job zu finden, den sie mögen, für den sie talentiert sind und der sie auch erfüllt, denn genau das ist es, worauf es ankommt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Eine geplante Maßnahme ist dabei die Möglichkeit, Schüler zukünftig in der Mittel­schule entsprechend ihren Leistungsniveaus in Gruppen zusammenzufassen. Das soll gemeinsam mit anderen Fördermaßnahmen ermöglichen, dass die Kinder ihren Fähig­keiten entsprechend gefördert und gefordert werden. Das stärkt die Stärken und fördert im Bereich der Schwächen. Mit dieser vorgesehenen Durchlässigkeit zwischen den Gruppen werden wir auch erreichen, dass mehr Kinder am Ende fit für die Lehre sind oder in eine höhere Schule weitergehen können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der FPÖ.)

Genau das ist es, meine Damen und Herren, was diese Regierung will, nämlich den jungen Leuten ein Rüstzeug mitgeben, damit sie ihr Leben selbst in die Hand nehmen können und wenig in die Abhängigkeit vom Staat fallen. Das haben wir auch gestern von unserem Bundeskanzler gehört. Sozial ist nämlich nicht, was in Abhängigkeit hält, sondern sozial ist, was stark macht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Von Gleichmacherei halten wir anders als andere Parteien relativ wenig. Von der So­zialdemokratie wissen wir das, aber dass die NEOS heutzutage auch schon gegen Leistungsdifferenzierung sind, verstehe ich wirklich nicht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Preiner: Weil Sie den falschen Zugang haben! – Zwi­schenruf der Abg. Erasim. – Ruf bei der FPÖ – in Richtung NEOS –: Ihr seid zu weit nach links abgerückt!)

Die zweite Maßnahme ist die Einführung des zehnten Schuljahrs an einer Polytechni­schen Schule, darüber hat mein Kollege Schandor vorhin schon ausführlich gespro­chen. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir damit einigen jungen Leuten, Härtefällen, eine zweite Chance geben, damit sie das Schuljahr positiv abschließen können. Mir ist schon klar, dass die Polytechnische Schule natürlich auch eine Reform braucht. Wir müssen unbedingt den Ruf verbessern, wir müssen den Austausch zwischen den Leh­rern und der Praxis, aber auch zwischen den Schülern und der Praxis intensivieren.

Meine Damen und Herren, natürlich brauchen wir auch weitere Schritte, um eine moti­vierende, eine optimale und eine auf das Leben vorbereitende Schule zu schaffen. Es bedarf dringend einer Überarbeitung der Lehrpläne, es bedarf einer Überarbeitung der Pädagogenausbildung und auch der Einführung einer klug ausgearbeiteten Bildungs­pflicht, die den jungen Leuten genau das gibt, was sie jetzt seit Jahren oft nicht er­halten haben, nämlich eine optimale Vorbereitung auf das Leben.

Ich freue mich darauf, meine Kinder werden davon profitieren. Heute gehen wir den ersten Schritt, gehen Sie ihn mit uns! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Krainer.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 100

14.04


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Hofinger. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.04.24

Abgeordneter Ing. Manfred Hofinger (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es freut mich, dass wir hier über Bildung sprechen und jeder das Beste für unsere Kinder will. Das ist wirklich schön, aber wir können Bildungspolitik machen, wie wir wollen, das Beste ist ein motivierter Lehrer. Die motivierten Lehrer leisten sehr viel, und dafür ist ihnen auch Dank auszusprechen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Manche verzweifeln aber, weil in den vergangenen Jahren immer so ein bildungspoli­tischer Regenschirm darüber gespannt worden ist. Es hat sich in den vergangenen Jahren so viel geändert, dass manche wirklich die Motivation verloren haben. Darum freut es mich umso mehr, dass wir heute dieses Pädagogikpaket beschließen können, bei dem die Pädagogen, die Lehrerinnen und Lehrer, die Eltern und die Schülerver­treter ganz viel mitsprechen haben können. Das ist ein Paket, das die Praxis wider­spiegelt und das gebraucht wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wenn man mit den Lehrerinnen und Lehrern spricht, dann könnte man schon auch sagen, dass wir es in der Bildungspolitik jetzt mit unserem Regierungspartner etwas schöner als in den vergangenen Jahren haben. (Zwischenruf des Abg. Noll.) Es ist eigentlich ein Abgehen davon, dass wir in den vergangenen Jahren immer sogenannte bildungstechnische Versuche an unseren SchülerInnen und an unseren Kindern durch­geführt haben, die nicht funktioniert haben. (Zwischenruf des Abg. Preiner.) Darum freut es mich umso mehr, dass wir jetzt wirklich praxisgerechte Dinge umsetzen. (Bei­fall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Hammerschmid: Evaluieren war das Thema!)

Ich möchte meine Sichtweise zu den drei meiner Meinung nach wichtigsten Punkten darlegen. Ziffernnoten versus verbale Beurteilung: Beides hat seine Berechtigung. Wenn ein Lehrer nicht unbedingt motiviert ist und den Schüler verbal beurteilt, kann das schon auch genauso negativ ausgehen. Wir beschließen jetzt, dass jeder Lehrer in der ersten Klasse entscheiden kann, ob er verbal oder ziffernmäßig benotet. Wir müssen schon auch so realistisch sein, zu sehen, dass die Schule eine Vorbereitung für das Leben ist, und die Lehrer, genauso aber die Schüler und vor allem die Eltern möchten wissen, wo ihre Kinder stehen. (Abg. Rosenkranz: Richtig!) Das ist, glaube ich, einer der wesentlichsten Punkte überhaupt, und es freut mich, dass wir das so umsetzen können.

Zur Mittelschule ganz kurz noch – Neue Mittelschule, Mittelschule –: Gerade in diesem Bereich erhalte ich sehr viele positive Rückmeldungen aus der Praxis. Vor allem Be­triebe, die Schüler aus der Mittelschule als Lehrling einstellen, sagen, dass sie sich dann endlich wieder auskennen, wo der Schüler tatsächlich einzuordnen ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Auch von der früheren Bildungsministerin Hammerschmid positiv hervorgehoben und auch ein wesentlicher Punkt ist das freiwillige zehnte Schuljahr im Poly. Das betrifft schon sehr viele. In der heutigen Gesellschaft ist es oft so, dass Eltern versuchen, die Kinder in eine höhere Schule zu stecken, obwohl sie vielleicht nicht das Zeug dazu haben. Wenn sie dann in einem Borg oder im Gymnasium oder in einer HTL nicht weiterkommen, umsteigen möchten und einen Schulabschluss haben möchten, ist es ab jetzt wieder möglich, in das Poly zu gehen, das übrigens eine sehr hervorragende Arbeit für die Vorbereitung auf die Lehre in den Betrieben macht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Abschließend möchte ich mich nochmals herzlich beim Ministerium, bei unserem Bun­desminister und bei unserem Regierungspartner dafür bedanken, dass wir in einer so kurzen Zeit bei der Bildung so viel umgesetzt haben wie in vielen anderen Jahren nicht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

14.08



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 101

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Wurm. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.08.47

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Wer­te Zuseher! Frau Minister Hammerschmid, Sie haben das Schulpaket im Grunde ge­nommen gelobt und haben es dann aber summa summarum doch als einen Schritt zu­rück bezeichnet. Ich muss Ihnen sagen, es ist vielleicht manchmal ganz gut, einen Schritt zurück zu machen, weil ein Schritt zurück eigentlich heißt, dass man die Dinge auch einmal besser sehen kann. Die Probleme der Schule, die wir immer noch haben und in den letzten Jahren hatten, haben wir ja gemeinsam auch sehr oft diskutiert.

Jetzt haben wir unterschiedliche Voraussetzungen, und die Problemanalyse, glaube ich, ist klar: Wir haben das Problem, dass jedes Jahr 10 000 Schüler eigentlich verlo­ren gehen. Für sie ist das größte Problem, dass sie keine Chancen mehr haben, um im Berufsleben weiterzukommen. Da kann der Staat nicht zuschauen und ein Rezept, das offensichtlich falsch ist, weiterführen.

Deshalb ist das auch einmal der erste Ansatz, ein System zu verändern, und zwar mit der Zielsetzung, für die Schüler eine Verbesserung zu erzielen. Das ist die Zielsetzung, die wir haben. Ich glaube, es ist auch legitim, neue Ansätze zu finden oder vielleicht auch Ansätze herzunehmen, die sich früher schon bewährt haben. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Wenn Sie es so kritisieren, dass wir die Noten und das Sitzenbleiben wieder einführen oder dass wir das Schulschwänzen bestrafen, dann darf ich Ihnen schon sagen: Diese Regeln haben sich auch früher bewährt. Es ist auch notwendig, jungen Menschen klarzumachen, dass sie eine Verpflichtung haben, wie auch im Berufsleben. (Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) Ich kann auch im Berufsleben nicht schwänzen und sagen, ich tauche nicht auf oder komme nicht. Genau diese grundproblematischen Einstellungen haben wir in den letzten Jahren in der Gesellschaft, und bei den jungen Menschen ganz massiv, leider Gottes beobachten müssen.

Ich darf Ihnen schon auch noch etwas sagen, weil Sie die Leistungsgruppen auch so kritisiert haben (Zwischenruf des Abg. Preiner): Ich bin selber ein lebendes Beispiel, ich habe damals eine Integrative Hauptschule – so hat das geheißen, eingeführt von der Sozialdemokratie – besucht, und wir hatten diese Leistungsgruppen schon in den Siebzigerjahren – mit großem Erfolg! In den drei Hauptfächern hat es eine unterschied­liche Beurteilung gegeben.

Genau diese Differenzierung führen wir wieder ein, weil es natürlich Sinn macht, weil jeder unterschiedliche Stärken hat. Man kann in Englisch gut sein (Zwischenruf des Abg. Preiner) und in Mathe vielleicht weniger. Es macht natürlich Sinn, es hat auch damals Sinn gemacht und hat den damaligen Schulabgängern, und zwar allen, ein Be­rufsspektrum eröffnet. Sie konnten alle Karriere machen, schulisch oder beruflich. Das ist jetzt ein Versuch, das wieder herzunehmen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Vielleicht abschließend auch noch Folgendes: Ich war letzte Woche in einer Schule zu Besuch, das war eine Neue Mittelschule oder Mittelschule, ein Neubau in Hall in Tirol, eine sehr große Schule. Diese habe ich besucht, ich habe mit dem Direktor ausführlich gesprochen. Dieser Direktor ist sehr, sehr froh über die Veränderungen, die jetzt kom­men, er begrüßt diese ausdrücklich. Auch in dieser Schule – man darf es sagen – gibt es einen Migrationsanteil von 42 Prozent, und auch dieser Direktor hatte vorher in der alten Schule unzählige Problemstellungen. Er empfindet auch für die Schüler, die nicht Deutsch als Muttersprache haben, diese Änderungen als positiv. Dieser Lehrer, dieser Direktor sagt selber, er hat dadurch Möglichkeiten, für die Schüler mehr zu machen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Das macht natürlich auch Sinn, und in dieser Schule wird es einen Schwerpunkt auf die Mint-Fächer geben. Ich habe mir die Schule angeschaut, dort gibt es einen Werk­raum, der ist eins a. Das heißt, wenn ein Schüler vier Jahre dort ist, dann hat er die Möglichkeit, danach auch einen Lehrberuf zu ergreifen und dementsprechend auch wirklich eine Zukunft zu haben. Genau diese Zukunft werden wir, wird diese Regierung den Schülern bieten, sie wird das ganz massiv erweitern und verbessern.

Ich sage es zum Schluss auch noch einmal, weil dieses Stichwort gefallen ist: Natürlich ist es wichtig, dass man motivierte und gute Lehrer hat. Ich darf aber schon auch ganz wertfrei sagen: Es darf kein Zufall sein, ob ich als Schüler einen guten und motivierten Lehrer habe. Es muss in Österreich schon ein System geben, wonach grundsätzlich alle Kinder in allen Schulen die Möglichkeit haben, nach neun Jahren wirklich eine Schulbildung mitzunehmen. Das werden wir als Regierung sicherstellen. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Preiner.)

14.13


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Jetzt darf ich das Wort Herrn Bundesminister Dr. Faßmann erteilen. – Bitte, Herr Bundesminister.


14.13.31

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich bedanke mich für die Diskussion, ich bedanke mich auch für die unterschiedliche Reflexion über das Pädagogikpaket. Das ist klarerweise wertvoll.

Ich denke, dass wir insgesamt mit dem vorliegenden Gesetzentwurf eine klare Noten­systematik mit transparenten und kriterienorientierten Leistungsbeurteilungen sicher­stellen. Ich denke auch, dass wir mit dem Gesetzentwurf die Außenwirkung der Neuen Mittelschule – oder in Zukunft Mittelschule – sicherstellen können und auch eine Leis­tungsorientierung in diesen Schultypus integrieren. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich persönlich war in unserem Ausschuss, mit den anwesenden Experten, überrascht über die Qualität der Diskussion, die wir dort hatten. Ich sah gar nicht so sehr die große Diskrepanz. Der Rektor der PH Niederösterreich, Rauscher, lobte den Wert der Noten als eine klare Rückmeldung an Schüler und Schülerinnen, die Schulinspektorin Helga Reiter ebenso – ein Wort aus der Praxis –, und der Sektionschef Riegler-Picker war ebenso einer positiven Meinung.

Kollege Eder ist den Noten gegenüber skeptisch, weil er sagt: Mit den Noten kann man nicht zu 100 Prozent die Leistung messen, da spielen auch andere Faktoren eine Rol­le. – Jeder, der in der Praxis steckt, weiß, dass das nicht falsch ist. Eder selber hat aber in einer Arbeit aus 2005 gezeigt, dass die Korrelation zwischen Note und Leistung auf einem Niveau von 0,7 steckt – es gibt also einen sehr hohen Korrelationskoeffi­zienten zwischen den beiden Dimensionen.

Insgesamt, glaube ich, ist dieses Paket ein rundes Paket. Es geht ja, wie meine Vor­redner und Vorrednerinnen zu Recht erwähnt haben, nicht um ein Entweder-oder, son­dern um ein Sowohl-als-auch. Ziffernnoten plus verbale Beurteilung sind, glaube ich, eine vernünftige Form der Rückmeldung, insbesondere auch an jene Eltern, die viel­leicht nicht die Nuancen der Sprache verstehen. Eltern mit Migrationshintergrund fra­gen dann oft am Ende: Na, und welche Note hat jetzt mein Kind und welche verdient jetzt mein Kind?

Wir sagen auch, dass diese Kinder-Eltern-Lehrer-Gespräche gut sind, um eine Rück­meldung zu geben. Förderunterricht, wenn er angesetzt wird, sollte dann auch besucht werden, denn Lehrer und Lehrerinnen strengen sich da an.


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Wir sagen auch, dass manchmal eine Klassenwiederholung sinnvoll ist. Denken Sie nur auch an jene Fälle, wo ein Kind vielleicht längere Zeit krank ist und dann sagt: Ei­gentlich müsste ich es wiederholen, um nicht in Rückstand zu geraten.

Die Weiterentwicklung der Neuen Mittelschule mit einer Leistungsorientierung halte ich ebenso für sinnvoll, denn wir sehen den starken Druck der Eltern, die dann sagen: Mein Kind muss unbedingt in die AHS gehen, das ist das einzig Seligmachende. – Wenn es uns gelingt, auch zu vermitteln, dass die Mittelschule eine leistungsstarke Schule ist, dann werden wir einiges zuwege bringen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Schließlich: Das freiwillige zehnte Schuljahr an Polytechnischen Schulen habe ich heute in der Früh bei der Anfragebeantwortung schon einmal erwähnt. Eigentlich findet das unisono Lob, auch von allen hier vertretenen Parteien.

Insgesamt muss ich sagen: Meine Damen und Herren, wir erhöhen die Handlungs­spielräume der Schulen! Wir verstärken deren autonome Möglichkeiten. Das ist ein rundes Paket; ich kann Ihnen, sehr geehrte Abgeordnete, nur die Annahme dieses Pa­kets empfehlen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

14.17

14.17.42


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe die Debatte.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 373 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zei­chen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung zu­stimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Somit ist der Ge­setzentwurf in dritter Lesung angenommen.

14.18.203. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 341/A(E) der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schulstartpaket (451 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nun zum 3. Tagesordnungspunkt.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Kucharowits. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.18.45

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Der erste Schultag ist eigentlich etwas ganz Besonderes und ist oftmals sehr aufregend. Die Kinder gehen mit ungemein viel Wissbegier und Neugier in die Klasse oder auch in ein neues Schuljahr. Ganz besonders ist es natürlich, wenn es der allererste Tag ist.

Neben dieser Neugier und auch Nervosität der Eltern ist man aber sozusagen auch mit etwas anderem konfrontiert, nämlich oftmals mit einer finanziellen Belastung, die am Anfang des Schuljahres vorhanden ist, und natürlich auch mit einer zeitlichen Belas­tung. Sie wissen alle, es gibt im Moment ein Schulstartgeld von 100 Euro. Wir wissen


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auch, dass Eltern in der Regel pro Kind am Schulstart rund 200 Euro oder auch mehr ausgeben.

Deshalb haben wir in unserem Antrag konkrete Realitäten, konkrete Themen zum The­ma gemacht, aber daraus auch konkrete Lösungen abgeleitet. Wir fordern zum einen eine Verdoppelung des im Moment gültigen Schulstartgelds von 100 auf 200 Euro. Das wäre einmal eine wirkliche finanzielle Entlastung, nämlich gerade am Schulbeginn. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir fordern auch, dass es für jeden Elternteil am Schulbeginn einen zusätzlichen Ur­laubstag gibt. Sie wissen alle, wie schwierig das ist: Der erste Schultag, die erste Schulwoche, es gehört alles organisiert, aber man hat in der Regel nur fünf Wochen im Jahr Urlaub. Deshalb fordern wir pro Elternteil ein Urlaubstag mehr. Das wäre einfach auch ein Beitrag, zumindest ein kleiner Beitrag, um Kind und Job ein bisschen besser vereinbaren zu können.

Apropos Kind und Job wirklich leben oder vereinbaren zu können: Geschätzte Kollegin­nen und Kollegen, es reicht einfach nicht aus, den Status quo bei den Kinderbildungs­einrichtungen beizubehalten, so wie das jetzt der Fall ist. Die 140 Millionen Euro für die 15a-Vereinbarung, was den Ausbau der Kinderbildungs- und Kinderbetreuungseinrich­tungen anbelangt, sind eindeutig zu wenig. Wir fordern einen Rechtsanspruch auf ganztägige kostenfreie Kinderbildungseinrichtungen, und da braucht es ganz einfach mehr als 140 Millionen Euro – denn ehrlich gesagt: Bildung ist ein Kinderrecht. Da braucht es auch ganz einfach mehr. Wir dürfen nicht immer um jeden Cent ringen müs­sen! (Beifall bei der SPÖ.)

Es braucht außerdem einen bundesweiten Qualitätsrahmen. Sie wissen das: Die Schließtage, die im Moment vorhanden sind, die Öffnungszeiten passen überhaupt nicht mit den Arbeitsrealitäten zusammen. Ganz besonders unfassbar finde ich es ei­gentlich, dass eine ÖVP und eine FPÖ, die sich jahrelang gegen einen Qualitätsrah­men ausgesprochen haben, der nämlich die Schließtage regeln würde, jetzt auch noch einen 12-Stunden-Arbeitstag und eine 60-Stunden-Arbeitswoche beschlossen haben. Das ist wirklich, wirklich unfassbar! (Ruf bei der FPÖ: Unfassbar ist, so viel Unsinn zu reden! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Wir fordern außerdem den Ausbau von ganztägigen Schulformen. Es soll einfach für jedes Kind möglich sein, denn – wie wir alle wissen – es ist einfach am besten für die Kinder und für die Eltern, in der Schule Freizeit erleben zu können, ein Musikinstru­ment erlernen zu können, in der Schule Sport machen zu können und damit auch dem für die Eltern ganz normalen Arbeitsalltag nachgehen zu können. Es braucht diesen Ausbau dringend, und es ist wirklich beschämend, dass Sie diesen Ausbau nach hin­ten verschoben haben.

Mit unserem Antrag – das wäre ein Gesamtpaket, wenn Sie dem zustimmen würden – würden Sie Frauen, Männer und Kinder wirklich unterstützen. Er würde sehr viel Stress abbauen, er würde finanziell entlasten, und sie hätten viel mehr Zeit füreinander. Es ist wirklich traurig, dass der Antrag im Ausschuss schon abgeschmettert worden ist. Es ist aber auch nicht wirklich verwunderlich, weil die Regierungsfraktionen jetzt einen völlig anderen Weg gehen.

Ich hätte mir im Jahr 2018 nie gedacht, dass noch mehr Druck, noch mehr Noten, noch mehr Differenzierung, noch mehr Leistungen ohne Einbeziehung der Schülerinnen und Schüler um sich greifen. Sie haben das vorhin leider auch beschlossen. Sie nehmen damit den Kindern und Jugendlichen Freude am Lernen, und Sie nehmen ihnen auch die natürliche Wissbegier.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP! Sie machen wirklich einen unge­meinen Rückschritt – und die Leidtragenden sind Kinder und Jugendliche. Sie tragen


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dafür aber die Verantwortung, und das sollte Ihnen bewusst sein. – Vielen Dank. (Bei­fall bei der SPÖ.)

14.23


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Pfurtscheller. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.23.11

Abgeordnete Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zu­schauer auf der Galerie und vor dem Fernsehschirm! Geschätzte Frau Kollegin Ham­merschmid, ich wundere mich ein bisschen über diesen Antrag und möchte ihn ganz gerne als Sammelsurium bezeichnen, denn die meisten Punkte, die in diesem Antrag angeführt sind, fallen überhaupt nicht in das Ressort des Bildungsministeriums. Darum wundere ich mich ein bisschen, weil Sie ja als ehemalige Bildungsministerin eigentlich ganz genau wissen, was ins Ressort fällt und was nicht.

Ich möchte Ihnen nur ein paar Beispiele geben. Das höhere Schulstartgeld, das Sie fordern, fällt nicht ins Bildungsministerium, das gehört ins Familienministerium. Der Sonderurlaubstag wird auch nicht vom Bildungsminister bestimmt oder vom Bildungs­minister unterstützt, sondern das gehört ins Sozialministerium. Der Kindergarten ist ganz eindeutig Ländersache und gehört auch nicht ins Bildungsministerium. Die Rück­nahme des 12-Stunden-Tages zum Beispiel ist natürlich auch nicht im Bildungsminis­terium zu verhandeln. Von daher meine ich, da hat sich jemand relativ wenig gedacht, als er dieses Sammelsurium so eingebracht hat. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das ist ein Mitgrund dafür, warum wir das so auch ablehnen.

Jetzt inhaltlich zu ein paar Themen: Schulstartgeld gibt es schon – 100 Euro vom Fa­milienministerium für jedes Kind, das in die Schule kommt; automatisch, es braucht dazu keinen Antrag. Natürlich darf es immer mehr sein, das kann man verstehen, es muss aber auch finanziert werden. Ich möchte schon erwähnen, dass es noch sehr viele andere Unterstützungen für Schülerinnen und Schüler, die in die Schule kommen, gibt. Zum Beispiel gibt es bei uns in Tirol auf Antrag für sozial benachteiligte Familien 150 Euro. Es gibt in vielen Bundesländern Unterstützungen für Schulausflüge und Ähn­liches. Es ist also nicht so, dass die Menschen allein auf diese 100 Euro angewiesen sind.

Was den Sonderurlaubstag betrifft, kann ich das als Mutter natürlich auch verstehen. Der Schulanfangtag ist immer ein sehr hektischer Tag, auch mit sehr viel Aufregung verbunden, aber so etwas kann man planen, finde ich. Man hat ja über das ganze Jahr Urlaub zur Verfügung, den muss man sich eben auch ein Stück weit einteilen, denn es gibt einfach auch viele andere Besonderheiten im Familienleben, für die man einmal frei braucht und für die man nicht auch jedes Mal einen Sonderurlaubstag verlangen kann, zum Beispiel, wenn es Krankheitsfälle gibt, wenn ein Unfall passiert, wenn ir­gendetwas in der Wohnung oder im Gebäude ist. Jedes Mal gleich einen Sonderur­laubstag zu verlangen, das können wir, glaube ich, so nicht unterstützen.

Was die Nachhilfe betrifft, ist bekannt, dass sehr viel Nachhilfe gegeben wird oder von den Eltern veranlasst wird. Es sollte aber schon, glaube ich, unser Bestreben sein, dass wir Schulen und Pädagogik so gestalten, dass es keine Nachhilfe braucht, und nicht so, dass einfach alle gratis Nachhilfe bekommen.

Insgesamt glaube ich bei all diesen Themen, Gesamtschule und Nachhilfe, schon, dass man darüber diskutieren muss, dass es zumindest dann, wenn Geld zur Verfü­gung gestellt wird, für jene Menschen ist, die es auch wirklich notwendig haben, weil sie sozial schwach sind, und nicht einfach mit der Gießkanne über alle drübergegossen wird.


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Was den 12-Stunden-Tag betrifft, will ich jetzt gar nicht anfangen, dagegen zu argu­mentieren, denn da würde ich nicht nur 3 Minuten Redezeit brauchen, sondern 30. Ich kann Ihnen aber aus meiner Erfahrung in der Privatwirtschaft – und das sind doch über 30 Jahre – sagen: Es gibt sehr viele Mütter und sehr viele Väter, die sich freuen, wenn sie 12-Stunden-Tage absolvieren können, dafür an anderen Tagen wieder frei haben und das dann innerhalb der Familie mit der Kinderbeaufsichtigung besser einteilen kön­nen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

14.27


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mölzer. – Bit­te, Herr Abgeordneter.


14.27.32

Abgeordneter Wendelin Mölzer (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ich teile Ihre Verwunderung über diesen Antrag, Frau Kollegin Pfurtscheller. Wenn man sich den anschaut – Schulstartpaket nennt er sich –, dann kommt mir zuerst der Gedanke, dass die SPÖ vielleicht besser einen Oppositionsstartpaket-Antrag braucht, um da einmal richtig durchzustarten.

Was Sie hier im Unterrichtsausschuss eingebracht haben, lehnen wir deswegen klar ab, weil das – Frau Kollegin Pfurtscheller hat es ja schon schön ausgeführt – nichts anderes als ein Sammelsurium mit verschiedensten Forderungen ist, die eigentlich of­fensichtlich, glaube ich, vom SPÖ-Parteitag kommen und dort wahrscheinlich zu propa­gandistischen Zwecken entsprechend dargeboten wurden.

Sie haben hier in diesem Antrag – glaube ich, ich weiß es nicht – gefühlte hundertmal das Wort „gratis“ drinnen. Das ist eine typisch sozialistische Mentalität: Gratis, gratis, gratis! Sie wissen schon: Was nichts kostet, ist nichts wert, und es gibt natürlich Dinge im Leben, die einfach etwas kosten und auch nicht vom Staat ganz gratis gestellt wer­den können.

Mir ist schon klar, die Probleme, die Sie ansprechen, will ich nicht schmälern. Das ist überhaupt keine Frage. Da haben wir wirklich viel Aufholbedarf, sei es Nachhilfe, sei es Kinderbetreuung et cetera, nur: Diese permanente Gratis-Mentalität ist sicher das Fal­sche.

Ein weiterer Punkt ist ganz klar: Wer hat denn die Bildungspolitik maßgeblich gestal­tet? – Ich muss das an dieser Stelle schon wieder sagen, Sie vergessen das offen­sichtlich immer: Das waren Sie! Und wer hat denn in den letzten zehn, fünfzehn Jahren da relativ ineffizient gearbeitet? Da müssen wir – und da sind wir natürlich dran, Herr Bildungsminister – entsprechend darauf schauen, dass wir dieses Geld wieder effizient verteilen, dass wir das Geld im System besser an den Schüler, an die Schülerin brin­gen, um in weiterer Folge das System besser zu machen.

Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen von den Sozialdemokraten! Legen Sie Ih­re sozialistische Turbomentalität ab, lernen Sie konstruktive Opposition! Dann können wir über viele Maßnahmen reden. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

14.29


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Hauser. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.29.35

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minis­ter! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ja, wir wissen, Weihnachten steht vor der Tür. Wisst ihr, was aber passiert, wenn Weihnachten, Ostern, Geburtstag, Namenstag zusammenfallen? – Dann sind wir bei diesem SPÖ-Antrag.


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Das ist ein Wunschkonzert der SPÖ in Bezug auf die Bildungspolitik, und ich frage mich heute hier: Wieso hat das die SPÖ in den vergangenen Jahren, als sie für die Bildung zuständig war, nicht umgesetzt? Wieso habt ihr das nicht gemacht? (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Kuntzl: Die Rede haben Sie gestern schon gehalten! – Zwischenruf der Abg. Kucharowits.)

Bis vor einem Jahr habt ihr die Bildungsministerin gestellt, und jetzt kommt ihr mit ei­nem Forderungspaket daher, mit einem Sammelsurium, das niemand auch nur ansatz­weise finanziell umsetzen kann und bei dem jede finanzielle Bedeckung fehlt.

Zum Inhaltlichen: Sie fordern ein höheres Schulstartgeld, lehnen aber die größte fami­lienpolitische Maßnahme, die diese Regierung gesetzt hat, nämlich den Familienbo­nus Plus mit 1,5 Milliarden Euro, ab. Erklären Sie das bitte Ihren Wählern! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Sie fordern eine Gratisganztagsschule (Abg. Kucharowits: Richtig!), und Sie wissen, dass die Regierung bis zum Jahr 2032 750 Millionen Euro in den Ausbau der Ganz­tagsschulen investiert – 750 Millionen Euro! (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Kucha­rowits.) Das muss man auf die Reihe bringen (Abg. Greiner: Ab wann? Die Frage ist, ab wann!) und noch zusätzlich Probleme lösen. (Abg. Greiner: Lächerlich!)

Sie fordern eine kostenlose Förderung für Nachhilfe und sagen, die 100 Millionen Euro, die derzeit für die Nachhilfe ausgegeben werden müssen, sind zu finanzieren. Ich sa­ge, wir machen eine bessere Bildungspolitik, damit die Schüler zukünftig weniger Nachhilfe notwendig haben. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Das erwarten wir uns von der Schule, und wir haben die wichtigste bildungspolitische Maßnahme mit der Einführung der Deutschförderklassen gesetzt, nämlich: Man muss dem Unterricht folgen können, und damit man das kann, muss man die Unterrichts­sprache, nämlich Deutsch, verstehen. Das ist die wichtigste bildungspolitische Ein­richtung! Auch diese Maßnahme haben Sie abgelehnt. (Beifall bei Abgeordneten von FPÖ und ÖVP. – Bravoruf bei der FPÖ.)

Sie sagen „Vom Gratis-Schulbuch bis zum Gratis-Tablet“ – ja, ist richtig; wir setzen um. Es wird ein Masterplan für diesen Bereich erstellt, und wenn wir in den Rechnungs­hofbericht hineinschauen, sehen wir, dass der Rechnungshof feststellt, dass Sie – In­frastrukturministerium, SPÖ-Ministerium, geführt bis vor einem Jahr – die Breitband­milliarde nicht umsetzen konnten und die Ziele der Regierung nicht erreicht haben – auch da wieder eine perfekte Selbstanklage!

Sie fordern einen „Rechtsanspruch auf ganztägiges, gratis Kinderbetreuungsangebot“ und sagen, die 140 Millionen Euro, die die Regierung dafür zur Verfügung stellt, sind zu wenig. Sie hatten 130 Millionen Euro, wir legen noch 10 Millionen Euro drauf; 140 Millionen Euro sind für Sie zu wenig – no na net!

Zum Schluss wollen Sie noch haben, dass die 12 Stunden zurückzunehmen sind, mit dem Argument: Auch die 10 Stunden, die Sie eingeführt haben, sind schon zu viel.

Also dass Ihnen niemand mehr etwas glaubt und dass Sie nicht nur bildungspolitisch von den Wählern nicht ernst genommen werden, braucht Sie nicht zu wundern. (Zwi­schenruf der Abg. Kucharowits.) Dieses Paket hat nämlich mit Seriosität überhaupt nichts zu tun, weil jegliche Finanzierung fehlt und diese Dinge so überhaupt nicht um­zusetzen sind.

Wissen Sie, Sie selber haben uns im Jahr 2016 ein Bildungsbudget vorgelegt, das mit 191 Millionen Euro unterdeckt war. Sie haben damals, als Sie zuständig waren, nicht einmal die strukturelle Lücke schließen können, und kommen jetzt mit einem Wunsch an das Christkind daher, der nicht ansatzweise zu finanzieren ist. (Zwischenruf der Abg. Hammerschmid.)


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Sie wissen, wir machen Bildungspolitik (Abg. Rossmann: Aber die strukturelle Lü­cke ... immer noch!), damit zukünftig die Schülerinnen und Schüler tatsächlich die Chance haben, in das Berufsleben einzusteigen, und wir machen ein Paket, das es den Lehrerinnen und Lehrern ermöglicht, einen guten und einen sinnvollen Unterricht zu machen. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

14.33

14.33.58


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Unterrichtsausschusses, seinen Bericht 451 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihn zur Kenntnis nehmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

14.34.264. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 494/A(E) der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend Integra­tions- und Neutralitätspaket (452 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hoyos-Trauttmansdorff. – Bitte.


14.34.51

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Mi­nister! Hohes Haus! Wir haben diesen Antrag mit einem gewissen Hintergrund gestellt, weil wir der Meinung sind, dass von der Regierung immer wieder Showpolitik und Ein­zelmaßnahmen kommen. In diesem Zusammenhang wurde auch immer wieder ange­kündigt und auch vom Herrn Minister mehrfach gesagt: Wir wollen hier zusammenar­beiten, wir wollen, dass eine Lösung vom Parlament kommt.

Da gab es auch die Bekundungen, zumindest über die Medien, dass die Regierungs­parteien immer verhandlungsbereit sind; leider ist auf uns nie jemand zugekommen. Wir haben auch gesagt, Integration und Bildung gehören eng zusammen, und deswe­gen präsentieren wir hier auch ein umfassendes Paket.

Ich finde es durchaus enttäuschend, dass da gar nichts von Ihnen gekommen ist (Bei­fall bei den NEOS) und Sie damit ganz deutlich zeigen, dass es Ihnen auch weiterhin nicht um Lösungen geht, sondern weiterhin darum, Showpolitik zu machen und Schein­lösungen zu produzieren.

Wir haben in diesem Paket 750 Millionen Euro. Auch die wachsen nicht auf Bäumen – wir wissen alle, dass das Geld nicht auf den Bäumen wächst –, aber die sind da. Das ist Geld, das da ist, das aus der Bankenabgabe für die Ganztagsschulen und für genau solche Maßnahmen zurückgelegt wurde, um auch unser Schulsystem einen Schritt weiterzubringen. Da ist Integration, wie gesagt, ein ganz besonderes Anliegen, um in die Zukunft zu investieren.

Ich möchte auf ein paar Punkte eingehen, die wir in diesem Paket drinnen haben. Der erste ist die Schaffung von Ganztagsplätzen an Brennpunktschulen. Wir wissen alle, dass Integration dann funktioniert, wenn Menschen zusammenkommen, und je länger man zusammenkommt, je intensiver man zusammenkommt – wenn man auch die Frei-


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zeit teilweise miteinander verbringt –, desto stärker verbindet einen das ein Stück weit. Dementsprechend ist das eine ganz wichtige Maßnahme, die nicht nur von uns, son­dern auch von vielen Expertinnen und Experten immer wieder gefordert wird.

Darüber hinaus ist uns das Thema Ethik und Religionen ein wichtiges Anliegen. Ich bin der tiefen Überzeugung, dass man über Religionen diskutieren muss, dass man über Religionen sprechen muss. Da brauchen wir auch einen gemeinsamen Unterricht, in dem wir möglichst eng über die verschiedenen Religionen und über den Umgang der verschiedenen Religionen diskutieren können, weil da eine gewisse aufklärerische No­te etwas sehr Wichtiges ist.

Es sind noch weitere Punkte enthalten, wie die Integrationsstiftung Bildung – mit der Innovationsstiftung für Bildung als Vorbild –, um sich Maßnahmen wirklich gebündelt anzuschauen, um sich anzuschauen: Was sind die besten Modelle, die wir in Öster­reich anwenden können?

Ich möchte zum Schluss kommen. Eine weitere Maßnahme, die auch sehr wichtig ist und die auch zeigt, dass dieses Problem mehrere Dimensionen hat und Integration im­mer mehrere Dimensionen hat, ist, dass wir der Meinung sind, dass es eine Antidis­kriminierungsstelle geben soll, und zwar nicht nur für Schülerinnen und Schüler, son­dern auch für Lehrerinnen und Lehrer, weil natürlich alle Personengruppen immer wie­der von Diskriminierung betroffen sein können und man entsprechend schauen muss, dass es für alle auch die beste Möglichkeit gibt, Ansprechpartner zu finden.

Alles in allem, wie gesagt, ist es sehr enttäuschend, dass von Ihnen nichts weiter kommt als Scheinlösungen. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, Sie haben ja noch ein paar Minuten Zeit, es sich anders zu überlegen. (Beifall bei den NEOS. – Ruf bei der FPÖ: Sie sind ja noch jung!)

14.38


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Kuss-Bergner. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.38.08

Abgeordnete Angelika Kuss-Bergner, BEd (ÖVP): Frau Präsidentin! Werter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer!
Wir beschäftigen uns heute mit dem Antrag des Herrn Hoyos-Trauttmansdorff von den NEOS betreffend „Integrations- und Neutralitätspaket“, und ich durfte den Medien entnehmen und jetzt hier vernehmen, dass der Regierung vorgeworfen wird, Über­schriften zu produzieren und eine Showpolitik zu machen (Heiterkeit bei SPÖ und NEOS), und in dem Antrag steht auch irgendetwas von Scheinlösungen. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Herr Hoyos-Trauttmansdorff, ich muss Ihnen ehrlich sagen: Wie polemisch Ihr Antrag formuliert ist, sucht seinesgleichen, und der Gipfel der Polemik ist, dass drinnen steht, die Bundesregierung verantwortet „eine ganze ,Generation von Abgehängten‘“ – meine Damen und Herren, eine ganze Generation der Abgehängten!

Herr Hoyos-Trauttmansdorff, ich habe drei Kinder in der Schule. Gehören jetzt meine drei Kinder auch zur Generation der Abgehängten? (Abg. Meinl-Reisinger: Die gehö­ren definitiv dazu!) Polemisch bis dorthinaus (Abg. Meinl-Reisinger: Das ist aber so!), und ich glaube, die Pädagoginnen und Pädagogen haben es sich nicht verdient, in ein Licht gerückt zu werden, wie es in Ihrem Antrag passiert.

Ich empfehle Ihnen, die Broschüre – unter anderem vom Bildungsministerium – zum Thema „Werte leben, Werte bilden“ zu lesen (eine Broschüre mit dem Titel „Werte le­ben, Werte bilden“ in die Höhe haltend), eine sehr klar formulierte Broschüre, die auf­zeigt, wie bemüht die Elementarpädagoginnen und -pädagogen tagtäglich sind, die


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nächste Generation auf die Herausforderungen vorzubereiten. Ihnen zu unterstellen, sie produzieren eine Generation von Abgehängten, finde ich sehr verwerflich. (Abg. Meinl-Reisinger: Na ja, eigentlich Ihre Politik!)

Sie reden da auch von Chancenkindergärten und einem zweiten Gratiskindergartenjahr für Kinder, die es brauchen. 94 Prozent der Vierjährigen sind in elementaren Bildungs­einrichtungen, und in diesen Bildungseinrichtungen ist ein hohes Maß an Förderung gegeben. Wir haben mit der 15a-Vereinbarung konkrete Maßnahmen wie die Sprach­förderung und eine Verbesserung der Qualifikation von Pädagoginnen und Pädagogen vorgesehen.

Im Bereich der Schulsozialarbeit darf ich Sie darauf hinweisen, dass der größte Bedarf im Pflichtschulbereich besteht, wofür wiederum die Länder zuständig sind und Verant­wortung tragen.

Viele der von Ihnen geforderten Maßnahmen befinden sich in Umsetzung oder sind mit der Möglichkeit der Schulautonomie – diese Schulautonomie ist auch etwas, was die NEOS immer wieder fordern – umsetzbar.

Sie sprechen in Ihrem Antrag auch über die Schule als neutralen Raum. Möchten Sie damit ausdrücken, dass Sie für die Abschaffung des Konkordats und damit für die Ab­schaffung des Religionsunterrichts sind? (Abg. Meinl-Reisinger: Nein, das ist ein Antrag! Sie sind sicher des Lesens mächtig!) – Sie wissen, in Österreich ist aufgrund des Konkordats seitens des Staates Religionsunterricht in den Schulen zu ermögli­chen. (Abg. Loacker: Aus welchem Jahr stammt das Konkordat, Frau Kollegin?)

Sie sprechen von Einzelmaßnahmen und Scheinlösungen seitens der Regierung. Ich stelle mich entschieden dagegen. Beim Kopftuchverbot handelt es sich nicht um eine Religionsfrage, sondern es geht um den Schutz einzelner Kinder vor Segregation in der Schule.

Abschließend möchte ich zum Antrag sagen (Abg. Meinl-Reisinger: Stimmen Sie zu! Haben Sie Mut!): Das Gegenteil von gut ist gut gemeint, und wir werden ihn ablehnen. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)

14.41


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Hammerschmid. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.41.46

Abgeordnete Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor allem liebe NEOS! Viele der Punkte, die Sie im Antrag ansprechen, tragen wir natürlich sehr gerne mit, weil auch wir der Meinung sind, dass Integration nur gelingen kann, wenn wir ein Bündel an Maß­nahmen anbieten. Da hilft keine Einzelmaßnahme, sondern es braucht ein breites Set an Maßnahmen, um Integration leben zu können.

Ich möchte hier ganz kurz auf die positiven Aspekte eingehen. Sie sprechen das zweite Gratiskindergartenjahr an; Sie sprechen es aber für die an, die es „brauchen“, Kinder, die es „brauchen“. – Wir möchten für alle Kinder den Anspruch haben, dass sie ein zweites Gratiskindergartenjahr bekommen, weil das ganz wichtige Jahre sind (Beifall bei der SPÖ), weil es Jahre sind, in denen sie insbesondere Sprachkompetenz erwer­ben, in denen sie soziale Kompetenzen erwerben, in denen sie motorische Kompeten­zen erwerben. Das möchte ich keinem Kind vorenthalten.

Nächstes Thema, der Chancenbonus: Natürlich unterstützen wir diesen; darüber ha­ben wir heute auch schon gesprochen. (Abg. Hammer: Familienbonus könnt ihr unter­stützen!) Schulen mit jenen Ressourcen auszustatten, die sie brauchen, um alle Kinder bestmöglich zu fördern und zu fordern, ist ganz klar immer unsere zentrale Forderung


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gewesen, und mehr Lehrerinnen und mehr Lehrer zu diesen Schulstandorten zu be­kommen ist ein zentrales Anliegen.

Sie, liebe Regierungsparteien, haben den Integrationstopf, der in den letzten Jahren dafür gesorgt hat, dass die Ressourcen dort ankommen, wo sie gebraucht werden, ein­fach gestrichen. Sie haben Hunderte Lehrer aus dem System gekippt, die speziell für Deutsch als Zweitsprache ausgebildet waren, Sozialarbeiter rausgekippt, Integrations­pädagogen rausgekippt, Psychologinnen und Psychologen rausgekippt – 80 Millionen Euro, einfach weg! Das hat aber den Schulen geholfen. Ich höre es ganz oft, wenn ich mit Pädagoginnen und Pädagogen rede, dass ihnen genau diese Ressourcen massiv abgehen. (Zwischenruf des Abg. Rädler.)

Der nächste Punkt im Antrag, die ganztägige Schule: Na klar, das ist natürlich ein The­ma, das für uns ganz, ganz zentral ist. Deshalb haben wir auch die 750 Millionen Euro aus der Bankenabgabe dafür gesichert. Aber was tun Sie? – Sie strecken die Mittel, halbieren die Mittel pro Jahr und strecken bis 2032. (Ruf bei der FPÖ: Das geht schon!) – Das geht überhaupt nicht, weil es genau diese Schule ist, ganztägig geführt, die es möglich macht, mit Kindern zu arbeiten. Es ist nämlich Zeit da, mit den Kindern zu arbeiten, sie zu fördern, den Förderunterricht, von dem wir heute auch schon gehört haben, den wir gelobt haben, auch wirklich ins Leben zu bekommen und die entspre­chenden unterstützenden Maßnahmen zu setzen.

Wir wollen diese ganztägige Schule aber für alle Kinder – nicht so, wie Sie sagen, für die, die es brauchen, sondern wir wollen die Angebote und die Wahlfreiheit für alle Kinder haben –, denn für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist jedes Kind gleich viel wert und hat die beste Bildung und die beste Förderung verdient. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Cox und Zadić. – Zwischenruf des Abg. Neubauer.)

Und das Set an Maßnahmen für gelingende Integration geht weit darüber hinaus. Wir brauchen viel, viel pädagogische Weiterbildung, Ausbildung, hin zu interkulturellen Kompetenzen, Diversitätskompetenzen, Deutsch als Zweitsprache verpflichtend. Es braucht ein didaktisches Gesamtkonzept für durchgängige Sprachenförderung. Es braucht Maßnahmen für die Elternarbeit, sodass die Eltern viel, viel stärker auch an die Schule gebunden werden und genau wissen, was sie an dem Schulsystem haben und wie sie ihre Kinder unterstützen können. Da könnte ich jetzt noch eine ganze Reihe aufzählen, da braucht es sehr viel mehr dazu. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ so­wie den Abgeordneten Cox und Zadić.)

14.45


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mölzer. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.45.33

Abgeordneter Wendelin Mölzer (FPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich finde das lustig: Die NEOS bemühen sich so, in Richtung sozialistisch-linke Bildungspolitik zu rutschen, und dennoch lehnt die SPÖ diesen Antrag ab. Das finde ich durchaus span­nend; aber zum Ernst der Dinge. (Abg. Meinl-Reisinger: Sie haben es wirklich ver­standen! – Abg. Rendi-Wagner: Ganz lustig!) – Na ja, darüber können wir dann noch länger während der Behandlung eurer Dringlichen Anfrage reden. (Zwischenruf des Abg. Loacker.)

Zu dem konkreten Antrag: Mehrere Punkte sind völlig richtige Problemerkennung – da brauchen wir überhaupt nicht zu diskutieren, dass wir diese Probleme haben –, aber diese Polemiken weise ich auf das Schärfste zurück. Dass wir als Bundesregierung verlorene Generationen produziert hätten, stimmt einfach so nicht. Das geht sich rein zeitlich einmal nicht aus. Im Gegenteil! Wir haben, glaube ich, erkannt, dass wir höchs­ten Handlungsbedarf haben, und versuchen, richtige Maßnahmen zu setzen.


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Es wurde heute schon häufig die Deutschpflicht genannt, die ganz wesentlich ist, mei­nes Erachtens vor allem die standardisierten Sprachtests und die entsprechenden För­dermaßnahmen. Wir haben ja, wie Sie wissen, keine Einzelmaßnahme – ist schon klar –, aber durch eine Maßnahme versucht, im Kindergarten Verbesserungen hinzubekom­men, auch wieder mit Sprachstandserhebungen.

Wir werden natürlich auch darüber reden, das ist überhaupt keine Frage, über bei­spielsweise weitere Verpflichtungen im Rahmen des Kindergartens. Nur sehen wir in der aktuellen Lage, dass das eine verpflichtende Gratiskindergartenjahr nicht wirklich Verbesserungen gebracht hat, und wir wissen auch aus der Praxis – das hat just das Expertenhearing zur Deutschpflicht im Frühling gezeigt –, dass viele Kinder – das trifft vor allem die Bundeshauptstadt Wien, ich möchte jetzt nicht mutmaßen, ob das an der SPÖ liegen könnte – drei Jahre lang in einen öffentlichen Kindergarten gehen und trotzdem so große Defizite in der deutschen Sprache haben, dass wir wissen, die Maß­nahme allein, Pflicht: zwei Jahre Kindergarten, für die, die es brauchen, wird es nicht sein. Das ist viel diffiziler, da wird es um verschiedenste Bereiche gehen.

So, wie Sie das vorschlagen – auch im Hinblick auf das Kopftuch oder diese neutrale Schule, wie Sie sich das wünschen; das ist ein Gedanke, den man vielleicht versuchen kann, zu verfolgen –, wird das halt nicht funktionieren.

Wir setzen Schritt für Schritt wesentliche Maßnahmen, ich lade Sie weiterhin dazu ein. Das Kopftuchverbot werden wir im neuen Jahr entsprechend verhandeln oder weiter­verhandeln. Ich lade Sie weiterhin ein, an den Verhandlungstisch zu kommen (Abg. Meinl-Reisinger: Ha, „weiterhin ein“ ist lustig!), nicht irgendwelche Junktimierungen zu treffen, mit Dingen, die direkt gar nichts damit zu tun haben. Ich lade Sie ein, da in konstruktive (Abg. Meinl-Reisinger: Wir sind noch nie eingeladen worden!) – natürlich, Sie haben den Antrag bekommen – Verhandlungen einzutreten, und dann schauen wir weiter.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den NEOS, Polemik alleine wird Ihnen in der Op­position nicht reichen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

14.48


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Mühlberghuber. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.48.15

Abgeordnete Edith Mühlberghuber (FPÖ): Frau Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Besucher auf der Besu­chergalerie und vor den Bildschirmen zu Hause! Die Punkte zum verpflichtenden zwei­ten Kindergartenjahr sind ja schon einige Male angesprochen und die anderen Punkte ausführlich besprochen worden, und es ist auch erklärt worden, warum dieser Antrag auch im Ausschuss schon abgelehnt worden ist.

Seit der Einführung des verpflichtenden Kindergartenjahres für Fünfjährige im Kinder­gartenjahr 2010/2011 ist die Betreuungsquote bis heute auf 98,8 Prozent, fast 99 Pro­zent, gestiegen; aber zur besseren Förderung der Kinder hat es nicht geführt. Das hat die Sprachstandserhebung ergeben (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek) und ist auch im Kindergarten erkenntlich. Deshalb hat man sich auch im Rahmen der neuen Bund-Länder-Vereinbarung bewusst für eine Sprachförderung bei Vierjährigen in ele­mentaren Bildungseinrichtungen entschieden. Diese frühe sprachliche Förderung im Kindergarten soll Deutschfördermaßnahmen in den nachfolgenden Volksschulen er­sparen.

Auch die Ausbildung für das Personal in elementaren Einrichtungen wird mit der 15a-Vereinbarung verbessert werden. Darüber hinaus ist es im Rahmen der 15a-Verein-


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barung gelungen, ein bundesweit einheitliches Mindestmaß an Fort- und Weiterbildung verbindlich festzulegen.

Die Punkte, die in diesem Antrag unter Chancenkindergarten angeführt sind – diese sollen auch gefördert werden –, spiegeln sich alle in der neuen 15a-Vereinbarung wi­der, die wir bereits im November hier im Hohen Haus beschlossen haben. Daher leh­nen wir diesen Antrag auch ab. – Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

14.50

14.50.31


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe die Debatte.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Unterrichtsausschusses, seinen Bericht 452 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihn zur Kenntnis nehmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

14.51.015. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 446/A(E) der Abgeordneten Stephanie Cox, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kostenmonitoring an Schulen (453 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir kommen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erste ist Frau Abgeordnete Holzleitner zu Wort gemeldet. – Bitte schön.


14.51.26

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Frau Präsidentin! Werte Kollegin­nen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Bildung ist in Österreich nach wie vor ein großer Kostenfaktor und vor allem am Schulstart eine finanzielle Belastung. Ge­rade für Familien ist diese finanzielle Belastung oftmals immens. Schulmaterialien, Bas­telbeitrag, Druckkostenbeitrag, Schulausflüge – die Liste der Anschaffungen ist lang.

Um diese Herausforderungen genau abbilden zu können, wäre eine aktuelle Erhebung der Schulkosten, die auch regelmäßig – am besten in drei- bis fünfjährigen Abstän­den – aktualisiert wird, sehr begrüßenswert. Nicht nur im Bereich der Schule, sondern ganz generell wäre eine Kinderkostenanalyse in Österreich wieder längst überfällig. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Cox.)

Warum aber braucht es solche Analysen? – Die Antwort ist eigentlich klar: um die tat­sächlich anfallenden Kosten für jede Schülerin und jeden Schüler und jede Schulstufe zu erheben und darzustellen und in der Folge die Familien und vor allem die Kinder bestmöglich zu unterstützen. Wenn man weiß, wo der Schuh drückt, dann kann man natürlich die Förderungen und den Support optimal anpassen. Eine Schulkostenerhe­bung der AK hat gezeigt, dass die Kosten in der Volksschule pro Schuljahr und Schul­kind bei circa 855 Euro liegen. Die Schulkosten für ein Kind in der Oberstufe des Gym­nasiums betragen schon 1 299 Euro.

Es geht dabei um Bildung, aber es geht auch um soziale und gesellschaftliche Teil­habe an Schulausflügen, Museumsbesuchen, Wandertagen et cetera. Kinder dürfen aufgrund des Börserls ihrer Eltern nicht im Klassenzimmer von Stigmatisierung betrof­fen sein. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der FPÖ.)


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Eine Kostenerhebung trägt dazu bei, zu zeigen, wie stark Eltern finanziell wirklich durch den Schulbesuch ihrer Kinder belastet sind. Durch eine solche Erhebung kann man auch Unterstützungsleistungen wie beispielsweise das Schulstartgeld einfach besser einteilen. Für die Umsetzung wäre natürlich zu bedenken, wie oft diese Kosten­erhebung gemacht wird und welche Kriterien zu berücksichtigen sind, damit man eine repräsentative Stichprobe hat und das auch mit einem bürokratisch machbaren Auf­wand umsetzen kann.

Wir würden diese Maßnahme prinzipiell begrüßen. Ich möchte nur generell festhalten, dass wir als Sozialdemokratie vor allem für eine kostenlose Bildung einstehen, denn Bildung ist enorm wichtig – wichtig für die Zukunft der Kinder und Jugendlichen in un­serem Land –, und der Zugang zur Bildung soll auf jeden Fall nicht vom Börserl und der finanziellen Situation der Eltern abhängig sein. (Beifall bei SPÖ und JETZT.)

14.54


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Hofinger zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.54.23

Abgeordneter Ing. Manfred Hofinger (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätz­ter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Stephanie Cox, ich schätze dein Engagement für die Bildungspolitik wirklich sehr, ich muss dir aber schon sagen, bei diesem Antrag ist der Wille gut, schlussendlich ist er aber fast nicht prakti­kabel, und zwar deswegen, weil wir schon auch sehen, dass die Pädagoginnen und Pädagogen heute schon von der Bürokratie her ziemlich überlastet sind.

Du forderst ja, die Kosten für die Schüler zu erheben und daraus eine bedarfsorien­tierte Unterstützung herauszuarbeiten. Das wird, glaube ich, etwas schwierig werden. Einerseits brauchen wir, wenn wir eine bedarfsorientierte Unterstützung wollen, das El­terneinkommen. Wer erhebt dieses Elterneinkommen? – Das müssten wie gesagt die Schulen oder die Pädagogen selber machen, was sich meiner Meinung nach schon allein mit dem Datenschutz nicht vereinbaren lassen würde. Zudem ist die Erhebung der Kosten für die Schülerinnen und Schüler, wie ich glaube, schon sehr zeitaufwendig. Auf die Lehrerinnen und Lehrer würde damit ein sehr, sehr hoher bürokratischer Auf­wand zukommen. Das würde ich unseren Lehrerinnen und Lehrern lieber ersparen.

An sich gebe ich aber Ihnen und euch recht, denn es ist schon so, dass die Kosten für die Schule sehr steigen, das stimmt – die AK hat entsprechende Berechnungen durch­geführt. Wenn wir uns aber generell die Situation in der Gesellschaft, in Familien mit Kindern ansehen, sehen wir, dass meistens auch andere sehr hohe Kosten anfallen, die man schon auch in Relation damit sehen darf oder muss. Wenn man an Handy, Kleidung und so weiter denkt, zeigt sich, dass sich die Wertigkeiten schon etwas ver­schoben haben. Daher möchte ich auch meinen Redebeitrag etwas in diese Richtung verschieben.

In der vorangegangenen Debatte ist schon vom Schulstartpaket gesprochen worden: Es gibt seitens des Bundes bereits diese Unterstützung durch das Schulstartpaket. Das sind 100 Euro, die automatisch mit der Kinderbeihilfe im September ausbezahlt werden.

Zudem ist es auch zu begrüßen und sehr wertzuschätzen, dass fast alle Bundesländer weitere Unterstützungen anbieten. Die höchsten Kosten fallen meistens dann an, wenn die Schüler auf Projektwoche, in den Skikurs oder die Sportwoche fahren. Genau dort fallen die hohen Kosten an. Die Länder sind da sehr kreativ und geben auch bedarfs­orientiert aufgrund der Anzahl der Kinder Unterstützung. Manche Länder lassen sich sogar vor allem im touristischen Bereich einiges einfallen, zum Beispiel, dass die Kin­der keine Liftkarten bezahlen müssen, wenn sie im Bundesland bleiben, und so weiter und so fort.


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Es gibt also wirklich schon viele Unterstützungen, die sehr bemerkenswert sind. Ich glaube, der Antrag ist insgesamt sehr positiv gemeint, aber etwas schlecht durchdacht und – wie es ganz oft bei der Opposition der Fall ist – leider unter fehlender Einbindung der Eltern, Pädagogen und Schüler gemacht. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.57


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Ich unterbreche nun die Verhandlungen über den Tagesordnungspunkt 5, damit die verlangte Behandlung einer Dringlichen Anfrage ge­mäß der Geschäftsordnung um 15 Uhr stattfinden kann.

Die Sitzung ist unterbrochen.

*****

(Die Sitzung wird um 14.58 Uhr unterbrochen und um 15 Uhr wieder aufge­nommen.)

*****

15.00.07Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend „ein Jahr Regierung – ein Jahr vergebene Chancen für die Zukunft unserer Kinder“ (2417/J)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka (den Vorsitz übernehmend): Ich darf die unterbro­chene Sitzung wieder aufnehmen.

Wir gelangen nun zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 2417/J.

Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich die Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Bildung dient der Entfaltung und Selbstermächtigung des Menschen. Sie stärkt in jedem von uns das Potenzial, mit Verstand und Tatkraft das eigene Leben zu gestalten und das Leben anderer Menschen zu bereichern. Das menschliche Leben entfaltet sich im Spannungsbogen zwischen Freiheit und Verantwortung. Wenn die österreichi­schen Schulen ein Ort der Lebendigkeit – der lebendigen Entfaltung – sein sollen, dann müssen wir für sie diesen Bogen zwischen Freiheit und Verantwortung neu spannen.

Der Bildungsstandort Österreich gerät aber leider zunehmend in Bedrängnis. Versäum­nisse in struktureller Hinsicht verbinden sich mit bedrohlichen und rückwärtsgewandten Zukunftsszenarien dieser Regierung.

Vergleicht man das System Schule mit anderen gesellschaftlichen Teilsystemen (z.B. mit der Arbeitswelt in der Privatwirtschaft und im Non-Profit-Bereich), so zeigt sich, dass die Schule vielfach in alten Mustern und verkrusteten Strukturen gefangen ist. Die in Österreich stark ausgeprägte Weisungs- und Misstrauenskultur im Bildungsbereich versucht den Schulalltag von oben bis ins kleinste Detail mittels Gesetzen zu regle­mentieren. Dieses bedrohliche „Mindset“ wird unter dieser Regierung weiter forciert. Sämtliche Eventualitäten sollen berücksichtigt und kontrolliert werden. Das regulative Korsett ist eng zugeschnürt und die Schulen sind oft polit-taktisch motivierten, außer­schulischen Einfluss- und Zugriffsmöglichkeiten ausgeliefert. Das Ergebnis: Eine auf­geblähte Bürokratie, politische Interventionen und ein unüberschaubarer Verordnungs-


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dschungel binden Ressourcen, blockieren die Selbstorganisationskräfte des Systems Schule sowie individuelles Engagement und frustrieren Systemteilnehmer_innen, pri­mär die Schulleitungen und die Lehrer_innen, in weiterer Folge Schüler_innen und El­tern.

Die Bundesregierung ist offensichtlich nicht willens, die anstehenden Herausforderun­gen mit zukunftsorientierten und nachhaltigen Strategien anzugehen. Symptomatisch dafür ist auch, dass die Schüler_innen einem Leistungsbegriff untergeordnet werden sollen, von dem diese Regierung selbst nicht weiß, was er bedeutet, außer der guten alten Besitzstandswahrung. Mit diesen verkrusteten Glaubenssätzen werden wir die zukünftigen Generationen nicht auf die Welt von Morgen vorbereiten können. Vielmehr brauchen wir Leistungsträger_innen, die den Antrieb haben, sich mehr anzustrengen als unbedingt nötig. Es ist davon auszugehen, dass bereits für die nächsten Jahre siebzig Prozent der Jobs noch gar nicht erfunden sind, ist beispielsweise Gerd Leon­hard überzeugt. Die Arbeitnehmer_innen und Unternehmer_innen von morgen brau­chen also völlig neue Skills. Sie werden ihre Berufe teilweise sogar erst selbst erfinden müssen. Der Motor dafür ist die Neugier, das Handwerkszeug kritische Vernunft und Kreativität. Die Leistungsträger_innen von morgen sind mündige Menschen, die sich mutig und selbstbewusst den Herausforderungen der Zukunft stellen und keine abge­richteten, gehorsamen Systemerhalter.

Diese Regierung präsentiert aber leider immer wieder nur Einzelmaßnahmen und Scheinlösungen, die diametral einer innovativen und zukunftsorientierten Entwicklung entgegenstehen, von den Deutschklassen bis hin zu Verschärfungen beim Schul­schwänzen. Die zuletzt präsentierte Wiedereinführung von Noten und Sitzenbleiben in der Volksschule sowie den Rückbau der NMS zur Hauptschule als Pädagogikpaket zu verkaufen, treibt lediglich die Spaltung der Gesellschaft rasant weiter voran, sorgt aber für keinerlei innovative Impulse. Ganz im Gegenteil: Durch die daraus resultierenden sozialen Trennwände verantwortet diese Bundesregierung eine ganze „Generation von Abgehängten“. Von mehr Chancengerechtigkeit für unsere Kinder, von Innovation und einem modernen zukunftsorientierten Leistungsbegriff kann in Österreich aktuell nicht die Rede sein.

Dieses Szenario zeigt sich von der Elementarpädagogik bis zur Hochschule. Einige Problembereiche möchten wir exemplarisch herausstreichen:

Parteipolitik

Das erste und größte Problem ist sehr einfach auf den Punkt gebracht: Der Bildungs­minister macht den gleichen Fehler wie seine Vorgänger_innen. Was immer schon of­fensichtlich war und auch alle wussten, gibt Minister Faßmann sogar in einem Interview am 11. Oktober dieses Jahres zu. Die Offenheit mag erfrischend sein, ändert aber an der Tatsache nichts: Der Bildungsminister der Republik trifft politische und ideologische Entscheidungen, in deren Mittelpunkt eben nicht die Kinder oder Lehrer_innen stehen, sondern parteipolitisches Kalkül gemischt mit dem rückwärtsgewandten bildungspoliti­schen Minimalkompromiss dieser Koalition. Garniert mit blinder Pakttreue und befeuert von einer mächtigen PR-Maschine entsteht so ein verhängnisvoller Cocktail für unser Schulsystem, der die engagierten Lehrer_innen weiter verunsichert, in ihrer Profession beschneidet und hilflos zurücklässt.

Minister kommt aus dem Lateinischen, von ministrare, und bedeutet soviel wie dienen. Doch wem dient Heinz Faßmann? Den Kindern, besorgten Eltern, Lehrer_innen oder machtpolitischen Interessen? Ist er Bildungsdiener oder Regierungsdiener? Bedauerli­cherweise fühlt sich Heinz Faßmann offensichtlich veralteten und parteipolitischen Ideologien verpflichtet.

Jedenfalls ist klar: Bildungspolitik bleibt Machtpolitik. Was für die letzten Regierungen galt, bleibt auch für Schwarz-Blau gültig. Die bürokratische und parteipolitische Gänge-


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lung der Schulen bleibt umfassend. Das ist nicht im Sinne der Schüler_innen, Leh­rer_innen oder Eltern. Wir fordern nachdrücklich, dass sich die Macht- und Parteipolitik aus der Schulverwaltung sowie dem gesamten Bildungsbereich zurückzieht. Diesem gemeinsamen Bekenntnis müssen sich die Bundesregierung sowie alle Parlaments­fraktionen verpflichten.

Das Ziel: Die Politik konzentriert sich darauf, verlässliche, rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen sicherzustellen und gibt den Schulleitungen sowie den Pä­dagog_innen die umfassende Freiheit und Verantwortung zur Umsetzung und Gestal­tung.

Die Elementarpädagogik wird verkannt und nicht ernst genommen

Bildung beginnt nicht erst mit dem Schuleintritt eines Kindes, sondern viel früher: Ele­mentare Bildungseinrichtungen agieren im Spannungsfeld zwischen hohen Bildungser­wartungen sowie ihrer ungerechtfertigten, breiten Wahrnehmung als „Betreuungsstät­ten“. Elementarbildung stellt den ersten Baustein des Bildungsfundaments dar und bil­det damit die Grundlage für jeden weiteren Bildungsweg. Gleichzeitig ist sie erster ins­titutioneller Ansatzpunkt, verfolgt einen klaren Bildungsauftrag und nimmt eine Schlüs­selposition beim Übergang der Kinder von der Familie in Krippe/Kindergarten bzw. vom Kindergarten in die Schule ein. Hier sind Investitionen ins Bildungswesen nicht nur am dringendsten erforderlich, sondern nachweislich auch am wirksamsten.

Im Kern benötigen wir einheitliche Qualitätsstandards für alle Kinderkrippen und Kin­dergärten, eine Reform der Aus- und Weiterbildung der Pädagog_innen und einen neu­en Zugang zum Thema Sprachförderung, insbesondere auch in der Erstsprache der Kinder. Die kürzlich beschlossenen 15a Vereinbarung ist im Wesentlichen nicht mehr als die Fortsetzung des Status quo.

Mitunter hat diese Regierung auch gute Ansätze in ihrem Regierungsprogramm ste­hen. Leider scheitert sie an diesen meist eindrucksvoll, so auch in diesem Fall: Es gibt kein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr für die, die es brauchen, wieder keinen gesetzlich verbindlichen bundesweiten Rahmenplan und nach wie vor ist die Elemen­tarpädagogik nicht ausreichend im Bildungsministerium verankert. Vielmehr entsteht der Eindruck, dass hier die linke Hand nicht weiß, was die rechte Hand tut.

Zudem hat diese Regierung die Ende 2016 beschlossene Aufgabenorientierung aus dem Finanzausgleichsgesetz gestrichen. Während sich Ex-Finanzminister Hans Jörg Schelling bei dessen Implementierung noch besonders erfreut über diesen Schritt gezeigt hatte, wurde der Passus rückwirkend per 1. Jänner 2017 einfach aus dem Ge­setz gestrichen. Dabei wäre gerade dieser aufgabenorientierte Finanzausgleich ein sehr wichtiger Schritt hin zu mehr Qualität und Planbarkeit gewesen. Dieser sah vor, dass die gesamten Mittel für Kindergärten ab 2018 kriteriengebunden vergeben wer­den. Entscheidende Faktoren wären etwa die Anzahl der Kinder, Öffnungszeiten, aber auch der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund gewesen. Auch hier hat diese Regierung versagt. Offensichtlich konnte man sich nicht mit den Ländern auf entspre­chende Kriterien verständigen. Im Gesetz war zudem vorgesehen, dass ab Jänner 2019 die Aufgabenorientierung als Pilotprojekt auch auf den Bereich der Pflichtschulen aus­geweitet werden hätte sollen. Auch dieses innovative Projekt wurde von dieser Regie­rung abgedreht.

Lehrermangel: Das Lehrerdienstrecht und die Pädagogenbildung Neu verkommen zur beklemmenden Dauererregung

Im Zentrum gelingender Schule steht ein wertschätzender, vertrauens- und zugleich anspruchsvoller Blick auf die Rolle der Lehrpersonen. Sie sind die „Bildungsexper­t_innen der Praxis“, die eigenverantwortlich pädagogische Entscheidungen treffen sol­len und müssen. Wie wir Schule erleben und wie viel wir von ihr profitieren, darüber


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entscheidet am allermeisten die Lehrperson. Diese Erfahrung teilen wir fast alle, egal wie kurz oder lang der Schulbesuch zurückliegt. Große internationale Bildungsstudien bestätigen diese Erkenntnis. "Gute Pädagog_innen" müssen also ein zentrales Ziel der Bildungspolitik sein. Das Thema Personalentwicklung ist ein wichtiger Hebel für mehr Bildungsqualität. Der Lehrer_innenberuf ist mit großen Herausforderungen und hoher Verantwortung verbunden. Wir sind es der Zukunft der Kinder schuldig, die Besten dafür auszuwählen. Das Lehramtsstudium müsste eigentlich mit einem vielschichtigen, selektiven Aufnahmeverfahren ausgestattet werden, das vor allem auf soziale Kompe­tenzen abzielt. Um Personalengpässen vorzubeugen, sollten zugleich verstärkt Wege zum Quereinstieg berufserfahrener Akademiker_innen geöffnet werden.

An Österreichs Schulen ist, von den Schulwarten abgesehen, meist nur eine einzige Berufsgruppe am Werk: die Lehrer_innen. Fachkräfte aus anderen Berufen, etwa So­zialarbeiter_innen, Psycholog_innen und Verwaltungskräfte sollten ins Team jeder Schule geholt werden, damit Schüler_innen besser betreut und Lehrer_innen für ihre Kernaufgaben freigespielt werden. Bisher stehen wir beim Supportpersonal im interna­tionalen Vergleich besonders schlecht da und überlasten damit Lehrer_innen mit Auf­gaben, die andere besser und kostengünstiger erfüllen können.

Zudem müssten wir das Berufsimage aufwerten. Das Image des Lehrer_innen-Berufes ist in der öffentlichen Wahrnehmung sehr durchwachsen. Durch immer wiederkehrende und teilweise inszenierte Diskussionen wird das Berufsimage zusätzlich beschädigt. Wir wollen in ein positives Berufsimage investieren, um in der Gesellschaft mehr Wert­schätzung für den Pädagog_innen-Beruf zu erreichen. Dazu braucht es aktive Öffent­lichkeitsarbeit, um den Lehrer_innen-Beruf als das abzubilden und zu positionieren, was er ist: eine Expert_innen-Profession und einer der verantwortungsvollsten und wichtigsten Berufe in unserer Gesellschaft. Wir müssen unsere Bemühungen und Kräfte darauf richten, die Profession und das Selbstverständnis der Lehrer_innen zu stärken und zu fördern.

All das liegt seit Jahren klar auf der Hand, diese Regierung begnügt sich aber damit, die Lehrer_innen immer weiter zu bevormunden. Sie werden auch weiterhin in der Aus­übung ihres Berufes umfassend und detailreich reglementiert, bürokratisiert und mit­unter parteipolitisch gegängelt. Zudem wird der Beruf durch das neue Lehrerdienst­recht und die neue Pädagog_innenbildung zunehmend unattraktiv gemacht und die he­rangehenden Lehrer_innen nicht ausreichend gut auf ihren späteren Beruf vorbereitet. So steuert auch diese Regierung weiter im Blindflug auf den drohenden bzw. bereits realen Lehrer_innenmangel zu.

Chancen, die sich ergeben, werden zudem leider einfach nicht ergriffen. Zuletzt ge­schehen bei den rund 1200 - durch den Sparkurs dieser Regierung - arbeitslos gewor­denen AMS-Trainer_innen. Diese könnte man als dringend benötigtes Zusatzpersonal in Brennpunktschulen einsetzen. Je nach Qualifikation könnten sie als Sprachlehrer_in, Unterstützungslehrer_in oder administratives Personal eingesetzt werden und auf den pädagogischen Hochschulen fortgebildet oder sogar umgeschult werden können.

Chancen, die sich bieten, unbürokratisch ergreifen? Leider Fehlanzeige bei dieser Re­gierung.

Die freien Schulen bleiben nach wie vor brutal diskriminiert

Um die Innovationskraft freier Schulen optimal zu nutzen und für Schüler_innen und Eltern die freie Schulwahl zu stärken, sollten die nicht-konfessionellen Privatschulen mit den konfessionellen Privatschulen gleichgestellt werden. Während die öffentliche Hand bei konfessionellen Privatschulen rund 80 Prozent der Kosten übernimmt, liegt dieser Anteil für nicht-konfessionelle Schulen bei einem Bruchteil davon. Besonders in­novative Schulleitungen, besonders beherzte Pädagog_innen und besonders enga­gierte Eltern werden so von der Republik bewusst und hoch verlässlich „abgestraft“.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 119

Die öffentliche Hand könnte hier sofort Chancengerechtigkeit herstellen und damit en­gagierte sowie kreative Kräfte im Schulsystem – und damit die Vielfalt des Schulange­bots - stärken.

Für Innovation im Bildungssystem sorgen? Leider Fehlanzeige. Diese Regierung bringt lieber - mit verklärtem Blick auf die „gute alte Zeit“ - die Antworten von vorgestern zu­rück in die Schule.

Die Bildungsreform verkümmert

Mit der fortschreitenden Umsetzung der Bildungsreform wird zunehmend klar: Diese Reform wird den damit verbundenen Erwartungen in keiner Form gerecht, dafür al­lerdings den schlimmsten Befürchtungen. Die größte Gefahr des Entwurfes, die Neu­gestaltung der Behördenstruktur hat sich leider wie von uns angekündigt entwickelt.

Von der Möglichkeit des Landeshauptmanns, sich quasi selbst zum Präsidenten der Bildungsdirektion zu ernennen, wird hemmungslos Gebrauch gemacht. Die Funktion dieses Präsidenten dient offensichtlich nur der politischen Einflussnahme. Damit wurde der ausgeprägte Wille zur politischen Einflussnahme gesetzlich verankert. Die mäch­tigsten Personen in der Bildungsverwaltung des Landes sind bzw. bleiben damit die Landesfürsten.

„Der Kompetenzwirrwarr“ wird nun mit der Bildungsdirektion als Zwitterbehörde mit zwei sachlichen Oberbehörden und unterschiedlichen Weisungszusammenhängen ge­setzlich festgeschrieben. Den Empfehlungen des Rechnungshofes wurden damit in keiner Weise Rechnung getragen - von Entparteipolitisierung keine Spur.

Das ist aus unserer Sicht ein Anschlag auf die Zukunft der nächsten Generationen an Schüler_innen. Wir dürfen die Schulen nicht noch stärker unter machtpolitische Kuratel stellen. Wir fordern, dass sich die Parteipolitik aus der Schulverwaltung zurückzieht. Es kann nicht sein, dass der Bund zahlt, während die Landeshauptleute anschaffen. Diese Art des Spendierföderalismus tut uns im Gesundheitssystem nicht gut und es schadet uns im Verwaltungsbereich. Diese auf Machterhaltung abzielenden Strukturen und Handlungsmuster machen eine Partizipation der Betroffenen unmöglich.

Die positiven Aspekte dieser Reform sind demgegenüber bisher kaum spürbar. Die Verpflichtung der Länder zur Nutzung eines einheitlichen, vom Bund bereitgestellten IT-Verfahrens für die Besoldung der Landeslehrer sowie die Erfassung der Daten zu Schulorganisation und Lehrfächerverteilung auch für Pflichtschulen ist anscheinend noch nicht implementiert. Dabei wäre das einer der dringlichsten Schritte gewesen. Denn gerade in diesem Bereich brauchen wir endlich echte Kostenwahrheit und Trans­parenz.

Dampf machen bei der Umsetzung der Reform und dafür sorgen, dass der parteipoliti­sche Zugriff auf unser Bildungssystem hintangehalten wird? Leider Fehlanzeige, diese Regierung verfolgt lieber ihre eigene Agenda.

Das Budget - Kürzungen durch die Hintertüre

Gerade für Österreich ist der „Faktor Bildungsstandort“ von immanenter Bedeutung. Für ein Land, das kaum über Rohstoffe oder Bodenschätze verfügt, ist Bildung der zentrale und erfolgskritische Umstand für eine gelingende Zukunft. Andere Länder haben das vor geraumer Zeit erkannt und dementsprechend gehandelt. Während in Ländern wie Finnland, den Niederlanden oder auch Dänemark die Ausgaben für Inves­titionen in das Schulwesen als Anteil gemessen am BIP seit Jahren deutlich über dem OECD Mittel liegen, zeigt sich diese Investition in Österreich leider unterdurchschnitt­lich ausgeprägt.

Das Budgetloch wurde diesmal schon früher gestopft. Von mehr Investitionen im Be­reich Bildung kann aber trotzdem nicht die Rede sein, im Gegenteil.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 120

Die Mittel aus dem sogenannten Integrationstopf werden ab 2019 gestrichen. Das Zu­kunftsthema schlechthin, die Digitalisierung, findet im budgetären Blindflug statt. Die Innovationsstiftung Bildung wird komplett ausgehungert. Überall dort wo Mittel für Chancengerechtigkeit und Innovation vorgesehen waren, setzt diese Regierung den Sparstift an.

Dazu kommt, dass vorhandene Budgets - wie für den Ausbau der Ganztagsschule - aus dem Bankenpaket bewusst ausgedünnt werden. Dieses Geld ist bereits vorhanden und großteils überwiesen. Diese Regierung hatte offensichtlich kein ernsthaftes Inter­esse daran, dieses Geld wie vorgesehen in die Hand zu nehmen. Das ist elend.

Schulautonomie gerät ins Hintertreffen. Stattdessen regieren Mistrauen, Bevormun­dung und eine „Law and Order-Mentalität“

Wir sind davon überzeugt, dass eine umfassende Autonomie dem System Schule jene Erneuerungs- und Effektivitätsimpulse geben würde, die wir so dringend brauchen. Au­tonomie gibt Gestaltungsfreiheit und Verantwortung. Sie dynamisiert die konstruktiven Kräfte im System und schafft damit Innovationen.

Autonomie ist dabei nie Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck: Damit wir die Schü­ler_innen besser in ihrer Entfaltung begleiten; damit die Lernergebnisse – und damit die Ernte des Systems Schule – bessere sein mögen, als sie heute sind. Schulauto­nomie nutzt den Wettbewerb der guten Ideen für selbstbewusstes Tun und vielfältiges Lernen. Wenn wir Schulautonomie richtig organisieren, stärkt sie auch und insbeson­dere die konstruktive, schöpferische Zusammenarbeit im Schulsystem, sogar zwischen den Schulen. Lehren und Lernen ist Beziehungsarbeit. Und diese Beziehungen entste­hen vor Ort – zwischen Lehrer_innen und Schüler_innen, zwischen Pädagog_innen und Schulleiter_innen, zwischen Eltern und Schule, zwischen Schulen und anderen Or­ganisationen.

Diese Beziehungen brauchen Freiheit und Verantwortung. Sie brauchen keine obrig­keitsstaatliche Bürokratisierung, keine parteipolitische Gängelung, keine machtpolitisch durchsetzte Misstrauenskultur. Leider sind all das die wichtigsten Werkzeuge aus dem Baukasten dieser Regierung. Schulautonomie wird von dieser Regierung nur dann for­ciert, wenn es darum geht, kostenneutrale und/oder mit Einsparungen verbundene Pro­jekte an die Schulstandorte zu delegieren. Zuletzt beispielsweise bei der kostenneutral umzusetzenden „Digitalen Grundbildung“. Das hat nichts mit dem Gedanken der Schul­autonomie zu tun.

Digitalisierung: Bitte warten!

In unseren Bildungseinrichtungen hält die Digitalisierung auf allen Ebenen Einzug. Aber sie bringt auch einiges an neuem Gefahrenpotential mit sich. Ob sogenannte „Fake News“ oder Cybermobbing, die Bandbreite an möglichen Gefahren ist vielfältig. Wir müssen daher auch dafür sorgen, unsere Kinder so früh wie möglich #digifit zu ma­chen, um mit diesen Gefahren auch dementsprechend umgehen zu können.

Insgesamt ist festzustellen, dass das Bildungssystem nicht Schritt hält mit den rapiden Entwicklungen in diesem Bereich. Sowohl Schüler_innen als auch Lehrende brauchen die nötigen digitalen Kompetenzen, um die Chancen der Digitalisierung zu nutzen, aber auch in der nötigen Tiefe zu durchdringen. Dazu gehört nicht nur die technische, son­dern auch die inhaltliche Kompetenz, Medien zu nutzen. Der kritische Umgang mit Tech­nologie und Information ist ein wichtiges Rüstzeug für die Informationsgesellschaft. Die Anpassung der Ausstattung der Schulen ist für die Digitalisierung nur eine notwendige Voraussetzung. Die pädagogische Sinnhaftigkeit von innovativen Lernmethoden und das Vermitteln von redaktionellen Kompetenzen müssen zu jeder Zeit im Vordergrund stehen. Es reicht nicht nur, Schulbücher durch Tablets zu ersetzen. Es braucht ganz­heitliche Konzepte für den Unterricht der Zukunft.


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Wir fordern zudem einen Fokus auf Medienkompetenz in diversen Testungen, Bil­dungsstandards sowie die Zentralmatura. Unsere Schüler_innen müssen lernen, sich eine sachkundige eigene Meinung aus der Flut an jederzeit abrufbaren Informationen zu bilden. Dementsprechend sollen künftig in Prüfungen moderne Konzepte wie „Open Book Tests“ oder internetfähige Geräte zum Einsatz kommen dürfen.

Von all dem ist kaum etwas zu sehen. Die PR-Maschine der Regierung schickt diese dafür nach Singapur und kündigt dort medienwirksam einen „Masterplan Digitalisie­rung“ an. Dass es bereits eine „Strategie Schule 4.0“ der Vorgängerregierung gibt, die „nur“ mehr umgesetzt hätte werden müssen, interessiert dabei anscheinend wenig. In die Umsetzung gehen, würde natürlich auch mehr kosten als ein Ausflug nach Singa­pur.

Keine Chancengerechtigkeit - Soziale Durchmischung nicht erwünscht

Welche Bildungskarriere und damit auch welchen beruflichen Lebensweg junge Men­schen einschlagen, hängt immer noch vorwiegend davon ab, was ihre Mütter und Väter sind und nicht, was ihre Talente sind. Daran wird sich bei Schwarz-Blau auch nichts ändern. Über das Gymnasium wird die Käseglocke gestülpt. Und damit bleibt alles gut?

Österreich leidet seit Jahren unter einem akuten Fachkräftemangel. Unternehmen ha­ben es immer schwerer, geeignete Fachkräfte zu finden - vor allem der Mittelstand hat zu kämpfen. Mehr als die Hälfte der heimischen Unternehmen klagt bereits über Um­satzeinbußen, die auf Personalnot zurückführen sind. Je weiter man im Land nach Westen kommt, desto schwieriger wird die Personalsuche für die Betriebe. Wir müss­ten endlich den Praxisbezug der Schule stärken und eine echte MINT-Initiative starten, um dem Fachkräftemangel in technisch-naturwissenschaftlichen Berufen entgegenzu­wirken. Insgesamt müssen wir auch endlich den Lehrberuf aufwerten. Mittlerweile rich­tet sogar eine eigene Ministerin aus, dass die Gymnasien oft am Markt vorbeiprodu­zieren.

Natürlich leisten die Gymnasien gute Arbeit bei wenig Geld. Aber zu verhindern, dass auch Gymnasien beim Thema soziale Durchmischung in die Pflicht kommen, gibt Brennpunktschulen weiter Auftrieb und treibt die Spaltung der Gesellschaft voran. Oh­ne konkrete Anreiz-Instrumente für soziale Durchmischung und zusätzliches Geld dafür werden die Herausforderungen im Bildungsbereich nicht zu bewältigen sein. Als kurz­fristige Maßnahme ist es daher notwendig, den Schulstandorten direkt zusätzliche fi­nanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen. Alle staatlichen und staatlich mitfinanzierten Schulen (also auch freie Schulen) können ein Zusatzbudget lukrieren, über das sie autonom verfügen können. Die Kriterien zur Berechnung dieses zusätzlichen Budgets: der Bildungshintergrund der Eltern ihrer Schüler_innen. Diese Maßnahme dient als An­reiz für Schulen, sich stärker als bisher um besondere Herausforderungen und um so­ziale Durchmischung bei den Schüler_innen zu kümmern. Schulen wird kein Geld weg­genommen, sie bekommen zusätzliches Budget, wenn sie Kinder mit einem schwa­chen Bildungshintergrund aufnehmen und entsprechend fördern.

Die kleinen Projekte, die es gibt, werden von der PR-Maschine des Ministeriums aufge­bauscht und gut verkauft. Tatsächlich werden hier nur winzige Pflaster auf klaffende Wunden geklebt. Beispielsweise beim Projekt „Grundkompetenzen absichern“, das sich angeblich an der „London Challenge“ orientieren soll: Obwohl erst 261 Schulen “mit besonderen Herausforderungen” an dem Projekt “Grundkompetenzen absichern” teilnehmen, gibt es bereits zu wenige volle Dreierteams, schildert beispielsweise der Klagenfurter Bildungswissenschaftler Konrad Krainer vom wissenschaftlichen Beirat des Projekts. Auch der Rektor der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule (KPH) Wien, Christoph Berger berichtet, dass die Teams schon jetzt nicht zusammengesetzt seien wie geplant, weil es schlicht an entsprechend ausgebildetem Personal fehle.


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Für mutige Investitionen in unser Bildungssystem und mehr Chancengerechtigkeit sor­gen? Auch hier leider Fehlanzeige. Diese Regierung hatte offensichtlich kein ernsthaf­tes Interesse daran, in mehr Chancengerechtigkeit zu investieren. Stattdessen wird die Spaltung der Gesellschaft, hinterlegt mit dumpfen Sanktions- und Bevormundungsfan­tasien, weiter vorangetrieben.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigenden Abgeordneten folgende

Dringliche Anfrage

Ad politischer Einfluss, Bildungsreform, Autonomie, Innovation und Chancengerechtig­keit

1. Wieso handeln gerade Sie als Wissenschaftler immer wieder gegen jede wissen­schaftliche Evidenz?

2. Sie haben in einem Interview am 11. Oktober dieses Jahres gesagt, dass die Wie­dereinführung von Ziffernoten eine politische und keine evidenzbasierte Entscheidung war. Welche Ihrer weiteren Entscheidungen waren noch politisch motiviert?

3. Warum führen Sie mit der gleichen Argumentation nicht auch gemeinsame Herbst­ferien ein? Es scheint nicht nachvollziehbar, dass die Wiedereinführung von Noten in­nerhalb kürzester Zeit gelingt, während Sie an der Umsetzung von gemeinsamen Herbstferien scheitern.

4. Welche Änderungen am „Pädagogikpaket“ werden Sie aufgrund des Expert_in­nenhearings im Unterrichtsausschuss noch vornehmen?

5. Warum werden nicht auch in der AHS „Leistungszüge“ und die verpflichtenden El­tern-Kind-Gespräche eingeführt?

6. Wäre es für Sie vorstellbar, das Sitzenbleiben in der Volksschule an das Einver­ständnis der Eltern zu knüpfen?

7. Wie definieren Sie den Leistungsbegriff, den Sie mit Ihrer Art der Bildungspolitik for­cieren wollen? Inwiefern bereitet dieser Leistungsbegriff die Schüler_innen im 21. Jahr­hundert auf volatile, ungewisse Herausforderungen und völlig neue Berufsbilder vor?

8. Wie viele Bundesländer haben bereits eine Bildungsdirektion implementiert?

9. Wie viele Bewerber_innen gab es in den einzelnen Bundesländern für die Position des/der Bildungsdirektors/-in?

a. Wie viele dieser Bewerber_innen kamen nicht aus der unmittelbaren Schulbehörde bzw. aus einem parteipolitischen Umfeld?

b. Wie viele und welche dieser Bewerber_innen haben Sie abgelehnt?

10. In welchen Bundesländern wurde im Zuge der Implementierung der Bildungsdirek­tionen der Landeshauptmann bzw. die Landeshauptfrau zum Präsidenten dieser Be­hörde gemacht?

11. Was werden Sie tun, um den parteipolitischen Zugriff auf unser Schulsystem zu unterbinden?

12. Um die Besoldung der Landeslehrer_innen durch das vom Bund bereitgestellte und betriebene System zu ermöglichen, wurde vom Bund das Projekt „IT-Personalma­nagement Landeslehrer_innen“ gestartet. Wie ist hier der Stand der Umsetzung? Wie ist der konkrete Zeitplan für die Umsetzung und wird dieser auch halten?

a. Welche Kosten werden durch dieses Projekt entstehen?

b. Wie hoch sind die erwarteten Einsparungen?


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 123

13. Im Bildungsreformpaket 2017 wurde im § 5 Abs. 4 des Bildungsdirektionen-Ein­richtungsgesetzes folgendes verankert: „Die Bewirtschaftung der Lehrpersonalressour­cen hat sich jedenfalls an der Zahl der Schülerinnen und Schüler, am Bildungsangebot, am sozio-ökonomischen Hintergrund, am Förderbedarf der Schülerinnen und Schüler sowie an deren im Alltag gebrauchter Sprache und an den regionalen Bedürfnissen zu orientieren. Das zuständige Mitglied der Bundesregierung kann zur Berücksichtigung des sozio-ökonomischen Hintergrunds der Schülerinnen und Schüler durch Verord­nung entsprechende Kriterien festlegen.“ Wann ist mit dieser Verordnung zu rechnen? Auf welche sozio-ökonomischen Faktoren werden Sie fokussieren und wie viel „fri­sches“ Budget wird dafür in die Hand genommen?

14. Wie viele Schulen sind aktuell im Rahmen des Projekts „Grundkompetenzen absi­chern“ eingebunden?

15. Wie hoch ist das Budget für das Projekt „Grundkompetenzen absichern“ für das Jahr 2018?

16. Wie hoch ist das Budget für das Projekt „Grundkompetenzen absichern“ für das Jahr 2019?

17. Wie viele vollständige Teams aus Schulentwickler_nnen, Fachdidaktiker_nnen und Schulpsycholog_nnen bzw. Schulsozialarbeiter_nnen gibt es aktuell im Rahmen des Projekts „Grundkompetenzen absichern“?

18. Wie werden Sie in unserem Schulsystem hinkünftig für mehr Autonomie in a) pä­dagogischer b) personeller und c) finanzieller Hinsicht sorgen?

19. Was unternehmen Sie seitens Ihres Ministerium um die Lehre attraktiver zu ma­chen?

20. Gibt es Entwicklungspläne für die polytechnischen Schulen? Wenn ja, welche?

Ad Budget

21. Wie viel Anteil am BIP investierte Österreich in sein Bildungswesen (Bitte um Auf­schlüsselung in elementaren Bereich, Schule und tertiären Bereich) in den Jah­ren 2015 bis 2017?

22. Sollten die Zahlen für 2016 und 2017 nicht verfügbar sein: Wann werden diese ver­fügbar sein und warum dauert es mehrere Jahre, bis sie bekannt sind?

23. Fehlt aus heutiger Sicht im Bildungsbudget für das Jahr 2018 zur Bedeckung aller anfallenden Ausgaben Geld? Wenn ja, wie viel?

24. Wie viele Lehrerstellen bzw. Werteinheiten werden aufgrund der Streichung des In­tegrationstopfes wegfallen?

a. Sind davon nicht vor allem sogenannte Brennpunktschulen betroffen?

25. Wie viele Schulpsycholog_innen und Sozialarbeiter_innen werden aufgrund der Streichung des Integrationstopfes wegfallen?

26. Wird es 2019 noch die sogenannten „Mobilen Teams“ geben?

a. Wenn ja, wie viele davon wird es noch geben und was werden diese kosten?

27. Wird das Bildungsinvestitionsgesetz noch einmal überarbeitet?

a. Wenn ja, in welcher Form und wann ist mit den Ergebnissen zu rechnen?

Ad Elementarpädagogik

28. Ist die Zuständigkeit für Elementarpädagogik bereits, wie im Regierungsprogramm vorgesehen, im Bildungsressort verankert?


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29. Welches Ministerium hat die Verhandlungen rund um die 15a Vereinbarung feder­führend geleitet?

30. Warum wurde die 15a Vereinbarung im Familienausschuss verhandelt, wenn es sich um Bildungsmaterie handelt bzw. laut Regierungsprogramm handeln sollte?

31. Wurden die entsprechenden Budgets bereits aus dem Familienressort in das Bil­dungsministerium überführt?

a. Wenn nein, warum nicht und wann wird das geschehen?

32. Wann wird ein bundesweit einheitlicher und verpflichtender Rahmenplan für die Elementarpädagogik, wie im Regierungsprogramm vorgesehen, eingeführt?

33. Wann wird ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr, für diejenigen die es brau­chen, – wie im Regierungsprogramm vorgesehen – eingeführt und wie hoch werden die Kosten dafür sein?

34. Elementarpädagogik muss endlich als Bildungsmaterie anerkannt, und mit der not­wendigen Ernsthaftigkeit auch institutionell abgebildet werden. Immerhin gibt es 9.297 Kindertagesheime in Österreich. Aus wie vielen Vollzeitäquivalenten besteht die Abtei­lung für Elementarpädagogik in Ihrem Ministerium?

Ad Digitalisierung

35. Warum war es nötig, einen völlig neuen "Masterplan Digitalisierung“ anzugehen, wo doch mit der "Strategie Schule 4.0" bereits ein Plan zur Digitalisierung vorhanden war?

36. In welchen Punkten wird sich dieser "Masterplan Digitalisierung“ konkret von der "Strategie Schule 4.0" unterscheiden?

37. Ist geplant, jede_n Schüler_in mit einem Tablet bzw. einem Laptop auszustatten?

38. Welche Kosten werden insgesamt mit diesem Masterplan Digitalisierung verbun­den sein und wo im Budget ist dieses Geld veranschlagt?

39. Erwerben alle neu einsteigenden Lehrpersonen standardisierte digitale Kompeten­zen bereits seit dem Herbst 2017, wie von Ihrem Ministerium angekündigt?

a. Wie viele Personen haben am dahingehenden Pilotprojekt teilgenommen?

b. Wie viele Pädagog_innen haben diesen Lehrgang bereits im Jahr 2017/18 absol­viert?

c. Welche Kosten sind dadurch entstanden?

40. Wie hoch ist das Budget für Fort- und Weiterbildung von Lehrer_innen explizit im Bereich der Digitalisierung im Jahr 2018?

a. Wie viel Euro sind das pro Lehrer_in?

41. Wie hoch ist das Budget für Fort- und Weiterbildung von Lehrer_innen explizit im Bereich der Digitalisierung im Jahr 2019?

a. Wie viel Euro sind das pro Lehrer_in?

42. Wie werden Sie die Digitalisierung besser in der Lehrer_innenausbildung abbilden?

Ad Lehrpersonen und Lehrer_innenmangel

43. Gibt es aktuell an Österreichs Schulen einen Lehrer_innenmangel?

44. Wie viele bereits pensionierte Lehrer_innen unterrichteten aktiv letztes Jahr an Schulen?

45. Wie viele Lehramtsstudent_innen unterrichteten im letzten Jahr aktiv an Schulen?


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46. Wie viele Überstunden wurden in Österreich von Lehrer_innen im letzten Jahr ge­leistet?

47. Wie schätzt Ihr Ministerium die Situation für die kommenden 15 Jahre ein? Wird es einen Lehrer_innenmangel geben? In welchen Bundesländern/Schultypen/Schulfä­chern ist die dahingehende Gefahr besonders groß?

48. Welche Maßnahmen haben Sie gegen den drohenden Lehrer_innenmangel bisher gesetzt?

49. Welche Maßnahmen planen Sie noch?

50. Welche Initiativen haben Sie bisher gesetzt, um den Lehrer_innenberuf zu attrakti­veren?

51. Welche Imagekampagnen haben Sie bisher umgesetzt?

a. Welche Kosten waren damit verbunden?

52. Gibt es ein einheitliches Assessment Center im Rahmen der Pädagog_innenbil­dung neu bzw. ist ein solches in Planung?

53. Wie viele Personen haben sich im Jahr 2017/18 für die Pädagog_innenbildung an­gemeldet?

a. Wie viele davon wurden auch für die Ausbildung zugelassen?

54. Wie stellen Sie sicher, dass nur die besten Anwärter_innen auch tatsächlich Leh­rer_innen werden können?

55. Wie viele Plätze für die sogenannte Induktionsphase werden für die Jahre 2018-2020 benötigt?

56. Wie viele Lehrpersonen haben bereits einen dahingehenden einschlägigen Lehr­gang im Umfang von mindestens 30ECTS absolviert, um als Mentor_innen tätig sein zu können?

57. Wie werden Sie sicherstellen, dass ausreichend viele Mentor_innen zu Verfügung stehen?

58. Wie viele Betreuungslehrkräfte werden auch als Mentor_innen für die Induktions­phase eingesetzt?

a. Welche Zusatzausbildung/Instruktionen bekommen diese?

59. Gibt es Pläne Ihres Ministeriums, das Unterrichtspraktikum – wie von vielen Leh­rer_innen gefordert – auch weiterhin zu ermöglichen?

60. Gibt es Bereitschaft Ihres Ministeriums, Lehrpersonen, die alle Voraussetzungen für das „Alte Dienstrecht“ erfüllen (Diplomstudium absolviert und noch einen Unter­richtspraktikumsplatz erhalten, welcher mit Juni 2019 abgeschlossen wird) auch noch - trotz abgelaufener Frist - in dieses hineinoptieren zu lassen?

61. Der Umgang mit Diversität und Sprache darf kein "Spezialprogramm" für einzelne Lehrpersonen sein, sondern ist zentrales Thema in der gegenwärtigen Bildungsland­schaft. Wie werden Sie sicherstellen, dass dieses auch im Rahmen der Grundausbil­dung angehender Lehrpersonen ausreichend abgebildet wird?

62. Gibt es Bemühungen Ihres Ministeriums, einige der rund 1200 – durch den Spar­kurs dieser Regierung – arbeitslos gewordene AMS-Trainer als Zusatzpersonal in Brenn­punktschulen einzusetzen?

a. Wie stehen Sie prinzipiell zu diesem Vorschlag?


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63. Mit der PädagogInnenbildung Neu wird interessierten Personen mit einem fachein­schlägigen Studium und Berufserfahrung der Einstieg in das Lehramt als dienstrecht­lich vollqualifizierte_r Pädagogin_in ermöglicht. Das Gesetz sieht vor, dass seit dem Studienjahr 2016/17 die neuen Bachelor- und Masterstudien für die Sekundarstufe nach Bedarf auch als „Quereinsteiger-Studien“ mit nur einem Studienfach konzipiert werden können. Wie viele Personen machen seit der Einführung von dieser Möglich­keit gebrauch? Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesland, Fach und Jahrgang.

64. Welche Pläne haben Sie für die "Leadership Academy"?

Ad Freie Schulen

65. Was würde – bei Hinterlegung der aktuellen Schüler_innenzahl – die Gleichstellung der privaten nicht-konfessionellen mit den konfessionellen Schulen hinsichtlich Finan­zierung durch die öffentliche Hand kosten?

66. Was würde die völlige Gleichstellung aller Privatschulen mit öffentlichen Schulen kosten?

67. Warum verweigern Sie nicht-konfessionellen, freien Schulen bislang Chancenge­rechtigkeit im Bereich der Finanzierung?

68. Unter welchen Voraussetzungen wären Sie bereit, für die nicht-konfessionellen, freien Schulen Chancengerechtigkeit im Bereich der Finanzierung herzustellen?

69. Werden die privaten nicht-konfessionellen Schulen zukünftig im Bildungsinvesti­tionsgesetz wieder förderungswürdig sein?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs 2 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und dem Erstanfragesteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf Frau Abgeordneter Mag. Meinl-Reisinger als erster Fragestellerin zur Begründung der Anfrage das Wort erteilen. – Bitte.


15.00.35

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Schauen wir einmal, ob das da hält (eine Tafel, auf der ein kleiner Bub zu sehen sowie die Aufschrift „Unsere Kinder: 12,5 % der Bevölkerung, 100 % unserer Zukunft!“ zu lesen ist, auf das Rednerpult stel­lend). Da ist sogar eine Kerbe, das ist ja wunderbar, es hält!

Ja, es geht um 14 Prozent der österreichischen Bevölkerung. Ich muss mich ein biss­chen korrigieren, denn es sind nicht die Kinder, sondern die Schülerinnen und Schüler, die genau 14,5 Prozent der österreichischen Bevölkerung (Ruf bei der FPÖ: 12,5 steht da drauf!), aber 100 Prozent der Zukunft ausmachen. (Ruf bei der FPÖ: 12,5!) Ich glaube, ich kann einige davon auch heute hier auf der Galerie begrüßen: Herzlich will­kommen im österreichischen Parlament! Es freut mich, dass ihr da seid!

Das, was Sie hier heute vorgelegt haben – auch mit diesem Pädagogikpaket –, ist ein­fach zu wenig. Das ist nicht der Schritt in die richtige Richtung. Es ist kein Schritt nach vorne, sondern es ist ein Rückschritt, und das ist mehr als bedauerlich. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Wöginger.)

Unsere Schulen haben eine wertvolle Aufgabe – die entscheidende Aufgabe für die Zu­kunft –, nämlich einen Beitrag dazu zu leisten, dass die jungen Menschen – die Zukunft von morgen – in der Lage sind, ihr Leben selbstbestimmt und frei in die Hand zu neh-


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men, kritisch zu denken, ein Leben so, wie man es sich vorstellt, auch leben zu kön­nen, entsprechend an der Gesellschaft, an der Erwerbsarbeit und auch am politischen Geschehen teilzuhaben.

Das ist sozusagen eine umfassende Bildungsaufgabe. Das ist auch unser umfassen­der Bildungsbegriff, der – das möchte ich schon sagen – weit mehr ist als ein Ausbil­dungsbegriff, über den wir ohnehin auch reden müssen. Die Bildung ist mehr als Aus­bildung, und das ist natürlich das, was Schulen leisten müssen. Bildung ist und bleibt nun einmal der Schlüssel zu so vielen Themen. Deshalb – um nun kurz eine Diskus­sion von vorhin wieder aufzugreifen –: Sie können nicht einfach nur eine Kopftuchde­batte führen, sondern Sie müssen eine umfassende Integrations- und Bildungsdebatte führen, wenn Sie es ernst meinen und nicht nur Showpolitik betreiben, weil natürlich auch Bildung der Schlüssel zu einer gelingenden Integration ist. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Kuntzl.)

Sie haben es als polemisch bezeichnet, als wir gesagt haben, die Bundesregierung würde abgehängte Generationen schaffen. Nun, erweitern wir den Begriff und sagen wir: Die Politik in Österreich tut das, vielleicht nicht nur jene des letzten Jahres – wie Sie wissen, gibt es ja unsere Kritik schon länger –, sondern jene der letzten Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte, nämlich der jahrzehntelange ideologisch motivierte Stel­lungskrieg in Österreich, vornehmlich zwischen ÖVP und SPÖ, hinsichtlich der Frage, was gut in unseren Schulen ist.

Diesen Generationen schlagen Sie die Tür vor der Nase zu. Sie produzieren sehr wohl abgehängte Generationen. Das zeigen auch die Zahlen, die mir große Sorgen machen. Seitdem es NEOS gibt, sagen wir – in diesem Sinne möchte ich wirklich sagen, dass ich sehr gerne meinen Vorgänger Matthias Strolz nachahme –: Es gibt kein wichtigeres Thema als dieses Thema, jedem Kind die Flügel zu heben, weil das die entscheidende Zukunftsfrage ist. (Beifall bei den NEOS.)

Wenn man auf die Zahlen schaut: 2006 wurde die Lesekompetenz im Bereich Volks­schulen getestet, 2016 war sie nicht besser. Es hat sich also nichts verbessert, die Le­sekompetenz ist auf dem gleichen niedrigen Niveau. (Abg. Hauser: Ja, wer war da zuständig?!) In Österreich fällt rund jeder sechste Volksschüler (Ruf bei der ÖVP: Wer war da Unterrichtsminister?) – das sind 16 Prozent – in die Gruppe der Risikoschüler, die maximal einfache Leseaufgaben lösen können. Außerdem – das ist dann natürlich schon ein katastrophales Armutszeugnis, wenn uns wirklich alle Kinder etwas wert sind – erreicht knapp ein Viertel der Schülerinnen und Schüler am Ende der 8. Schul­stufe die Bildungsstandards nur teilweise oder gänzlich nicht.

Das sind abgehängte Generationen. Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, machen es sich einfach zu leicht, wenn Sie sich – insbesondere als ÖVP – hierher­stellen und sagen: Wer war denn dafür verantwortlich? – Das ist billig, das ist pole­misch und das ist vor allem nicht lösungsorientiert. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Kuntzl. – Abg. Hauser: Aber das ist die Wahrheit!)

Ich bin ja auch bereit zu sagen: Geben wir Ihnen eine Chance – eine neue Regierung: neue Besen kehren gut –, präsentieren Sie uns hier wirklich einen innovativen Schritt nach vorn! (Zwischenruf bei der FPÖ.) – Was aber haben wir heute hier am Tisch? – Ein Pädagogikpaket, das nichts, aber auch gar nichts in diesen Bereichen nach vorne bringen wird, das keine Innovationen, keine Ansätze von Expertenwissen enthält, das keinen Blick nach außen über den Tellerrand in andere Länder Europas oder der Welt wagt, um sich wirklich anzuschauen, was denn die besten Beispiele sind, wie wir es wirklich sozusagen über alle Kinder hinweg schaffen können, dass die Schule der Ort wird, wo die Kinder zu selbstbestimmten Menschen werden können, die auch bereit und in der Lage dazu sind, in einer digitalisierten Welt ihre Schritte zu gehen. Davon ist


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nichts zu sehen. Es ist ein einziger Stillstand, und es ist sogar mehr als das: Es ist ein Rückschritt.

Mit diesen Sorgen bin ich nicht allein, Herr Bundesminister, das wissen Sie. Ich lese Ih­nen vor, was der Professor vom Institut für LehrerInnenbildung und Schulforschung der Universität Innsbruck, Michael Schratz, in einem Interview gesagt hat: „Wir haben Rückschritte in bestimmten Bereichen. Stichwort Ziffernnoten, an deren Alternativen die Volksschulen lange gearbeitet haben.“

Der Bildungsforscher Stefan Hopmann von der Universität Wien sagt zum Pädagogik­paket: „Die Rückkehr in die ‚gute alte Zeit‘ soll aktuelle Probleme lösen. [...] Es wird vorgetäuscht, dass Leistung objektiv messbar ist. Das ist empirischer Quatsch. Leis­tungsdruck führt nicht zu mehr Leistung. Die Forschung zeigt, dass Sitzenbleiben in den meisten Fällen der Anfang vom Scheitern von Schulkarrieren ist. Alle diese Maß­nahmen machen die Schwachen nur schwächer.“

Sie können das natürlich vom Tisch wischen und sagen – ich höre das ja oft und werde es wahrscheinlich wieder hören –: Das sind ja alles nur Linke, denen muss man nicht zuhören, wir wissen es besser! – Ich frage Sie ernsthaft: Glaubt irgendjemand in Ihren Reihen, dass die Frage von Ziffernnoten in der Volksschule tatsächlich ausschlagge­bend für die Frage einer Leistungsgerechtigkeit ist? (Abg. Wöginger: Na sicher!)

Ich habe eine Tochter in der vierten Klasse Volksschule, und ich kann mir nicht vorstel­len, dass eine Schularbeit in einem Semester tatsächlich Ausdruck dessen ist (Zwi­schenruf bei der FPÖ), dass man wirklich Leistungsgerechtigkeit herstellt. (Zwischenruf des Abg. Rädler. – Abg. Wöginger: Das ist ja nicht nur die Schularbeit!) Verzeihen Sie, aber das ist wirklich zu knapp gedacht. (Weitere Zwischenrufe der Abgeordneten Wöginger und Haider.) Das ist verkürzt gedacht und widerspricht allem, was Exper­tinnen und Experten in den letzten Jahren gesagt haben. (Beifall bei NEOS und JETZT. – Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Uns zu unterstellen – da sind wir als NEOS wirklich die Letzten –, dass wir keine Leis­tungsgerechtigkeit wollen, ist wirklich nur blödsinnig. (Abg. Wöginger: Dann unterstel­len Sie uns das auch nicht!) Glauben Sie wirklich, dass Sie mit diesen Vorschlägen – Ziffernnoten und Sitzenbleiben in der Volksschule – beispielsweise das Thema Begab­tenförderung nach vorne bringen (Zwischenruf bei der FPÖ), dass Sie wirklich Talente dort abholen, wo sie sind?

Ich bin ja sehr dafür, dass wir schauen, was die Leistungen von Schülerinnen und Schülern sind (Abg. Wöginger: Ja, dann haben wir lauter Deppen oder was?), aber dann machen Sie mutige Schritte nach vorne! Schauen wir, dass der Kindergarten Teil des Bildungssystems wird, dass wir nicht anhand eines konkreten Tages im ersten Semester der vierten Klasse Volksschule einen Messpunkt festsetzen und bei neun­jährigen Kindern sagen, dieser zählt! Verzeihen Sie bitte, aber das ist einfach blöd­sinnig. (Abg. Deimek: ... das ganze Jahr!) Wenn Sie über den Tellerrand hinaus in an­dere Länder Europas schauen, dann sehen Sie, dass diese Konzepte schon längst abgeschafft worden sind. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Das ist ideologisch, aber es ist nicht sinnvoll. (Beifall bei NEOS und JETZT.)

Vielleicht sollten Sie Ihre Scheuklappen ablegen und wirklich einmal mit Menschen re­den, die in dieser Hinsicht Verstand haben. (Zwischenrufe der Abgeordneten Deimek und Neubauer.) Es zeigt mir – das muss ich nämlich auch klar sagen (Abg. Wöginger: Oberg’scheit!) –, dass diese Bildungspolitik, wie sie heute hier auf den Tisch gelegt wurde, von parteipolitischem Machtkalkül getragen ist (Zwischenruf der Abg. Kirch­baumer), von der Frage, was der Partei in einer Diskussion von Ideologie vielleicht nutzt, aber sicherlich nicht von dem Ansatz, was evidenzbasiert die beste Lösung ist.


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Herr Minister, Sie müssen sich das gefallen lassen, denn Sie haben das in einem Inter­view auch gesagt (Abg. Neubauer: Haselsteiner gesponsert!), dass Evidenz und die Frage, was Expertinnen und Experten wissen, nicht die Grundlage dieses Pädagogik­pakets waren, sondern der politische Kompromiss des Regierungsübereinkommens. Das ist zu wenig. Da sind keine Studien, da sind keine Expertinnen und Experten, da sind keine Best Practices. Das ist wirklich zu wenig für die Zukunft unserer Kinder (Abg. Deimek: Im Gegenteil!) – 14,5 Prozent in den Schulen, 100 Prozent unserer Zu­kunft! (Beifall bei NEOS und JETZT. – Abg. Wurm: 12,5!) – Verzeihen Sie (die auf das Rednerpult gestellte Tafel lesend): 12,5 Prozent, völlig richtig. (Zwischenruf des Abg. Deimek. – Abg. Wöginger: Das ist der Vorteil der Ziffernnoten!)

Das ist halt das Thema. Wenn Sie daraus jetzt einen billigen Witz machen, wenn es uns tatsächlich um die Zukunftsfragen geht, die Sie nicht lösen, dann sei es Ihnen un­benommen. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Ganz ehrlich: Mit Kalauern werden Sie die Zukunft unserer Kinder auch nicht nach vorne bringen. (Abg. Wöginger: ... muss man auch einmal was aushalten, nicht? Das ist halt einmal so in der Politik! Das ist ja kein Monolog!)

Es muss auch tatsächlich - - (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) – Entschuldigen Sie (Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen), wenn ich hier vorne stehe und eine Rede halte, dann kann ich schon eine Rede halten (Zwischenruf des Abg. Jarolim), und diese ist kein Dialog! Herr Klubobmann. Schauen Sie bitte in der Geschäftsord­nung nach! – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: Der Herr Jarolim, ist eh klar!)

Ich möchte noch kurz zu den Ausgaben, zur Frage des Geldes kommen. Diese Bun­desregierung kürzt: Leistungen aus dem Integrationstopf werden 2019 gekürzt. Wir ha­ben ein großes Integrationsproblem, und was macht die Bundesregierung, was ma­chen die Regierungsparteien? – Sie sozusagen befeuern auch noch den Brand und kürzen die Mittel aus dem Integrationstopf. (Abg. Deimek: ... Assimilation!) Digitalisie­rung findet überhaupt in einem budgetären Blindflug statt. Das Maßnahmenpaket ist nicht mit Geld unterfüttert, und die Innovationsstiftung für Bildung wird von Ihnen aus­gehungert. Wenn das die entscheidende Zukunftsfrage ist – und ich bin sicher, dass Sie das in Sonntagsreden auch immer beschwören: die beste Bildung und Ausbildung unserer Kinder –, dann wissen Sie ja auch, dass wir da mehr Mittel in die Hand neh­men müssen.

Auch der Blick in andere Staaten, beispielsweise Europas, zeigt, dass die Ausgaben für Investitionen in das Schulwesen gemessen am BIP in anderen Ländern sehr wohl in die Höhe geschraubt wurden. Da liegen nämlich andere Länder deutlich vor Öster­reich, und Österreich kürzt da auch noch – und das ist tatsächlich beschämend.

Schauen Sie, vorhin hat eine Kollegin – ich weiß nicht, welche es war –, als von abge­hängten Generationen gesprochen wurde, gefragt, ob wir der Meinung sind, dass ihre Kinder Teil der abgehängten Generationen sind. – Nein, wahrscheinlich nicht, aber ist das der Anspruch Ihrer Bildungspolitik: Unsere Kinder trifft es ja eh nicht!?

Ich meine, Sie müssen das ernst nehmen, wenn wir wissen, dass der Bildungshinter­grund der Eltern, der sozioökonomische Hintergrund der Eltern, durchaus auch die Frage des kulturellen Milieus – und es ist immer, soziologisch gesprochen, eine Milieu­frage – massiv ausschlaggebend dafür sind, wie risikogefährdet die Kinder sind; aber der Ansatz, zu sagen: Unsere Kinder trifft es ja nicht, weil wir die schon irgendwie ins Gymnasium bringen werden!, verzeihen Sie, das ist zu wenig. Das ist nicht verant­wortungsvoll der gesamten Bevölkerung gegenüber und eigentlich ein Schlag ins Ge­sicht für die Schwächsten, um die Sie sich kümmern sollten. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Wöginger: Warum nicht Gymnasium? – Abg. Deimek: Das ist der klassische An­satz des ... Bezirks!)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 130

Zur Autonomie: Wir wissen, und das habe ich heute auch gehört – Herr Professor Taschner hat durchaus zu Recht darauf hingewiesen –, dass Autonomie sozusagen ein Schlüssel zu gelingender Schulpolitik ist; da gab es heute in der Früh eine Frage an den Herrn Minister. Autonomie ist tatsächlich, so zeigt sich das im internationalen Ver­gleich, ein Schlüssel zu besseren Schulen dahin gehend, dass autonome Entscheidun­gen am Schulstandort tatsächliche Leistungsverbesserungen bringen können. Im Übri­gen ist Sitzenbleiben natürlich kein Merkmal für die besten Schulen. In einem wirklich autonomen Ansatz wäre das wahrscheinlich sogar ein Kriterium, wonach leistungs­orientiert bewertet würde, inwieweit Kinder sitzenbleiben, und man Anreize setzen wür­de, dass das eben nicht passiert.

Österreich ist aber keinen entschlossenen Schritt in Richtung Autonomie gegangen, auch die letzte Regierung nicht. Ja, ich habe es heute gehört: Das waren Bekenntnis­se, aber schauen Sie doch, was wirkliche Autonomie heißt: wirkliche pädagogisch-di­daktische Autonomie, wirkliche personelle Autonomie, wirkliche budgetäre Autonomie! Verzeihen Sie, meine Damen und Herren, aber das ist billig! Wir sind wirklich weit da­von entfernt, dass man tatsächlich davon reden kann, dass bei uns in Österreich Schulautonomie verwirklicht ist und die Schulen autonome Entscheidungen treffen kön­nen.

Sie haben wenig Gestaltungsfreiheit, und das können Ihnen ganz viele Direktorinnen und Direktoren, Lehrerinnen und Lehrer, engagierte Personen sagen. Sie sagen: Wir haben zu wenig Gestaltungsspielraum! Wir wüssten, was am Schulstandort am besten ist! Wir am Schulstandort wüssten auch, was wir machen müssten, um Kinder zu för­dern und auch zu fordern, aber wir können es nicht, weil wir in ein System eingebettet sind, das uns die Hände fesselt, das uns budgetär, das uns personell, das uns mit Di­rektiven und Auflagen die Luft zum Atmen nimmt und damit verhindert, die wirklich besten Entscheidungen für unsere Kinder zu treffen! – Da können Sie nicht von Auto­nomie reden! Da müssen wir wirklich entschlossenere Schritte in die Zukunft machen. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Cox.)

Ein Letztes noch – Chancen und Innovationspaket: Natürlich braucht es an Schul­standorten, an denen es besondere Herausforderungen gibt – vulgo Brennpunktschu­len –, mehr Mittel, mehr Ressourcen. Ich weiß – und ich werde es heute wahrschein­lich wieder vor allem von FPÖ-Seite hören –, die wichtigste sozusagen Bildungseinrich­tung sind die Eltern. Da gebe ich Ihnen vollkommen recht. Ich glaube, dass die Eltern den Kindern in den ersten Jahren sehr viel mitgeben. Jetzt schauen wir auf die Be­völkerung und stellen fest, dass das viele Eltern nicht tun.

Ist es nicht die Aufgabe der Politik, dennoch nach Chancengerechtigkeit zu streben und alles daranzusetzen, das auszugleichen, dass eben manche Kinder nicht zu Hau­se gefördert werden und vielleicht 2 Meter Bücherregal zu Hause haben, eine Mutter und einen Vater, die jeden Abend vorlesen? Ist es nicht die Aufgabe der Politik, dafür Sorge zu tragen, dass wir diese Kinder mitnehmen? Und wenn Sie es nicht von mir aus als intrinsische Motivation, als moralische Notwendigkeit, als Frage der Gerechtigkeit sehen, dann sehen Sie es zumindest, Herrgott noch einmal, aus einem Wirtschaftsge­danken heraus, denn das, was Sie hier machen, ist nämlich in Wahrheit auch, arbeits­lose Menschen zu produzieren, die keine Chance am Arbeitsmarkt haben und damit Kosten verursachen werden, wenn Sie das sozusagen nur sachlich und ohne Emotion sehen wollen. (Abg. Deimek: Das ist das alte System; das neue ist besser, und das wissen Sie! – Zwischenruf des Abg. Wurm.)

Es ist in Wahrheit das größte Wirtschaftsverbrechen in Österreich, dass wir es nicht schaffen, jedes Kind mitzunehmen, und schon jetzt wissen, dass wir 16 Prozent der Kinder in der Volksschule als Risikoschüler haben, die es wahrscheinlich auch nicht schaffen werden. (Beifall bei den NEOS.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 131

Wenn Sie das schon nicht aus Ihrem Gerechtigkeitsempfinden heraus machen, dass Sie jedes Kind mitnehmen wollen, dann machen Sie es zumindest aus einem Wirt­schaftsgedanken heraus! Das wäre ganz, ganz notwendig! (Abg. Wurm – in Richtung SPÖ weisend –: Sie schauen falsch! Nach links schauen, bitte!)

Ich schaue gerne auch in Richtung SPÖ. Ich weiß ganz genau, welche Probleme dort entstanden sind. Glauben Sie mir, wir haben genauso auch in Richtung einer sozialde­mokratischen Unterrichtsministerin immer wieder Autonomie eingefordert, budgetäre, pädagogische, personelle Autonomie. Wir haben eingefordert, dass man die Geistes­haltung, dass alle Kinder gleich sind, zugunsten von Talenteförderung, Begabtenförde­rung, individuellen Eingehens auf die Talente, eines solchen Mindsets ad acta legt. (Zwischenruf des Abg. Wurm.) Uns geht es nicht darum, ob ein Vorschlag von links oder von rechts kommt, uns geht es um diese 12,5 Prozent Kinder, die 100 Prozent Zukunft sind! (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Dazu gehören natürlich auch Ganztagsschulen, und das ist wiederum eine ideologi­sche Frage, weil ich weiß, Sie haben immer noch das Familienbild, dass es am besten ist, dass die Mutter gar nicht arbeitet, zu Hause ist, das Kind am Nachmittag in eine liebevolle Familie kommt (Abg. Wurm: Geh, hören Sie auf, das ist ein Klischee!), am besten schon um 12 Uhr von der Volksschule kommt, und dann ist es zu Hause. Die Mutter macht dann mit ihm Hausaufgaben und fördert das Kind eh. (Zwischenruf des Abg. Rädler.)

Es mag Ihnen gefallen oder nicht: Erstens hat sich die Gesellschaft verändert und zweitens sind die Herausforderungen groß. – Ich sage das auch als berufstätige Mut­ter, dass es natürlich notwendig ist, im Bereich der ganztägigen Schulformen massiv auszubauen. Wir wissen, dass das auch ein Schlüssel dazu ist, für wirklich mehr Leis­tung und bessere Bildungsabschlüsse Sorge zu tragen. Da die Mittel zu kürzen und sie nicht, wie ursprünglich vorgesehen, massiv in den Ausbau von Ganztagsschulen zu stecken ist einfach fahrlässig, meine Damen und Herren. Damit gefährden Sie auch Zukunft. (Beifall bei den NEOS.)

Zwei letzte Punkte noch: Wir stehen vor großen Herausforderungen im Bereich Inte­gration – ganz großen Herausforderungen! –, wir wissen aber auch, dass wir, soweit es noch geht, das muss man tatsächlich auch sagen, soweit es möglich ist, in der Politik Anreize setzen müssen, um zu einer besseren Durchmischung zu kommen. (Abg. Rädler: Oberlehrer!) Das geht vielleicht nicht unbedingt in einer Volksschule, wo natür­lich die Wohnortnähe immer sehr ausschlaggebend ist. In Sekundarstufe I und selbst­verständlich auch später gilt es natürlich, Anreize für eine bessere Durchmischung zu setzen: eine bessere soziale Durchmischung, aber auch eine entsprechende Durchmi­schung von Herkunft, ethnischem oder kulturellem Background. (Neuerlicher Zwi­schenruf des Abg. Rädler.)

Auch darüber könnten wir reden und darüber, wie wichtig es wäre, gerade in diesen Fällen die Zahl der Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, Schulpsychologinnen und Schulpsychologen massiv auszubauen. Jetzt kann man natürlich das Spiel spielen: Dafür sind die Länder zuständig!, die Länder sagen aber: Der Bund soll bitte zahlen! – Das ist, verzeihen Sie, aus Sicht der Leidtragenden ein bisschen zu wenig. Ich verste­he schon, dass die Frage, wer das finanziert, sehr wesentlich ist, aber sich immer den Ball gegenseitig zuzuwerfen und zu sagen, für die Schulsozialarbeiter ist jemand ande­rer zuständig, ist einfach zu wenig. (Abg. Deimek: ... ist eine Bringschuld, bis zur As­similation!)

Wo ist der Masterplan, in dem man gemeinsam den Weg festlegt und sagt: Wir wollen in jeder Schule eine Sozialarbeiterin oder einen Sozialarbeiter sitzen haben!, oder zum Beispiel auch: Wir wollen in jeder Schule eine medizinische Versorgung oder einen, ich weiß nicht, Nurser, würde man sagen, sitzen haben!? (Zwischenruf des Abg. Wurm.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 132

Ich sehe diese Visionen nicht, ich sehe auch die Diskussionen nicht, ich sehe nur ein parteipolitisch motiviertes Hickhack: Schwarz-Blau im Bund gegen zum Beispiel Rot-Grün in Wien, Bund gegen Länder, Links gegen Rechts, Ideologie versus Sachpolitik. Damit, meine Damen und Herren, vertun Sie die Zukunft unserer Kinder! Das ist schändlich, das ist schäbig und das ist einfach zu wenig. (Beifall bei den NEOS.)

2011 gab es ein Bildungsvolksbegehren – wir haben gestern über Volksbegehren ge­sprochen. Sie werden wahrscheinlich sagen, das haben nur, ich glaube, irgendetwas über 350 000 Menschen unterschrieben, das ist vergleichsweise wenig. Ich habe mir die Forderungen dieses Bildungsvolksbegehrens wieder durchgelesen. – Es ist be­schämend, wie wenig seit 2011 passiert ist. Seit 2011 gab es kaum Fortschritte, und was Sie heute vorgelegt haben, sind Rückschritte, und das ist sehr bedauerlich und das ist definitiv zu wenig. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

15.20


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Faßmann. – Bitte.


15.20.11

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Präsident! „Der Bildungsstandort Österreich gerät [...] zunehmend in Bedrängnis.“ – So wird die Dringliche Anfrage eingeleitet. Gibt es dazu irgendwelche empirischen Befunde? Die Wissenschaftlichkeit wird ja oft eingemahnt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)

Österreichs Bildungssystem ist ein differenziertes Bildungssystem, aber eines, welches grundsätzlich funktioniert. Es bildet und qualifiziert junge Menschen in einem hervorra­genden Ausmaß. Unsere Jugendarbeitslosigkeit ist eine der niedrigsten in Europa. Wir haben eine prosperierende Wirtschaft, die auf der Tüchtigkeit der meist bei uns ausge­bildeten Menschen basiert. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Woher kommt „Bedrängnis“? – Sachlich begründet oder parteipolitisch motiviert, nach dem Motto: Eine Partei sucht nach dem Abgang ihres Gründers Profil und Auf­merksamkeit? (Abg. Meinl-Reisinger: Oh, aber da ist viel Polemik! – Zwischenruf des Abg. Loacker.)

Die Debatte wurde eingeleitet mit: „ein Jahr vergebene Chancen für die Zukunft unse­rer Kinder“. – Ich bin eigentlich verwundert über die mangelnde Aufmerksamkeit, die wir erfahren haben beziehungsweise ich erfahren habe. Wir haben in den vergangenen zwölf Monaten viele und unterschiedliche Maßnahmen auf den Weg gebracht. Ich erin­nere an die 15a‑Vereinbarung für den Kindergarten mit neuen und höheren Standards für die Sprachförderung, ich erinnere an die verstärkte Wertevermittlung bereits im Kin­dergarten, was für eine pluralistische Gesellschaft unzweifelhaft wichtig ist, ich erinnere des Weiteren an die Deutschförderklassen, die Startnachteile ausgleichen (Abg. Meinl-Reisinger: Das ist die Message ...!), ich erinnere an die Einführung des freiwilligen 10. Schuljahres, an die Verlängerung der Übergangsstufen und schließlich an die Einrichtung der Bildungsdirektionen, die eine echte Chance für das österreichische Bil­dungssystem darstellen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Und wir arbeiten mit Hochdruck an weiteren Maßnahmen. Sie haben berechtigterweise auf die Bedeutung der Digitalisierung hingewiesen: Unser Masterplan für Digitalisie­rung wird eine umfassende konzeptionelle Grundlage für die Implementierung digitaler Kompetenzen im Klassenzimmer darstellen – das bedeutet auch mehr, als nur einen Rechner in die Schule zu stellen.

Sie haben auch auf die Notwendigkeit der Entpolitisierung hingewiesen. Wir fördern Assessmentverfahren, Auswahlkomitees bei der Besetzung von Schlüsselpositionen,


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und wir setzen auch ein völlig neues Schulleiterbesetzungsverfahren um, ohne Einfluss von politisch besetzten Kollegien. – Ich könnte diese Aufzählung fortsetzen.

Was ich mir wünsche, ist ein politischer Diskurs, der weggeht von der Schwarz-Weiß-Darstellung: Alles, was die Regierung macht, ist schlecht, und alles, was Sie einfor­dern, ist gut. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Die Welt ist keine Schwarz-Weiß-Welt, sondern immer eine differenzierte mit vielen Nuan­cen.

69 Fragen in einer angenommenen Sollzeit von 20 Minuten ist auch kein Einstieg – I’m sorry! – in eine seriöse Diskussion, sondern eigentlich ein Ausstieg. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Scherak: Es ist aber schon das Recht des Parlaments, Fragen zu stellen!) Nichtsdestotrotz freue ich mich auf die gemeinsamen Gespräche, um, wie Sie sagen, Chancen für die Kinder zu ermöglichen.

Meine Damen und Herren, ich denke, Sie haben diese Unterlagen (die Dringliche An­frage in die Höhe haltend) vor sich liegen, ich muss daher die Fragen selbst nicht wie­derholen, denn allein das würde meine Sollzeit von 20 Minuten definitiv überschreiten.

Zu den Fragen 1 und 2:

Dass ich gegen jede wissenschaftliche Evidenz handle, ist eine Interpretation Ihrer­seits. Gerade das Expertenhearing zum Pädagogikpaket im Unterrichtsausschuss hat die Diversität der wissenschaftlichen Ansätze zur Notengebung gezeigt. Rektor Rau­scher hat meinen Ansatz sehr unterstützt, Professor Eder hat den prognostischen Wert von Noten kritisch gesehen, aber auch diesbezüglich ein differenziertes Bild gezeich­net. Ausgehend von dieser Debatte im Ausschuss kann ich versichern, dass jeder poli­tischen Entscheidung unseres Hauses eine ernsthafte inhaltliche Auseinandersetzung vorausgeht; aber am Ende jeder Auseinandersetzung muss schließlich auch eine Ent­scheidung stehen, und diese ist dann natürlich auch eine politische.

Zur Frage 3:

An der Thematik der Herbstferien wird intensiv gearbeitet und besonders auch mit den Stakeholdern gesprochen. Wir werden bald eine Lösung haben.

Zur Frage 4:

Es sind keine Änderungen geplant. Auch das Expertenhearing lieferte letztlich keinen Anlass dazu, Inhalte zu ändern. Beispielsweise ist die Kritik, dass die Ziffernnote wenig aussagekräftig ist, hinfällig, da ich von Anfang an beides wollte, und das wird auch so beschlossen: Ziffernnote und verbale Beschreibung. Damit folgen wir letztlich einer Empfehlung der OECD.

Zur Frage 5:

Mit dem vorliegenden Pädagogikpaket 2018 stehen die Volksschule und die Mittel­schule im Mittelpunkt. Im Zuge weiterer Teilpakete werden wir uns sicherlich auch mit der AHS auseinandersetzen.

Zur Frage 6:

Nein, denn das ist eine pädagogische Entscheidung, die als Ultima Ratio ausschließ­lich von den Pädagoginnen und Pädagogen zu treffen ist. Man wird sich aber klarer­weise argumentativ bemühen, bei den Eltern Verständnis für eine getroffene pädago­gische Entscheidung zu erzielen.

Zur Frage 7:

Wir gehen von einem dynamischen Leistungsbegriff aus, der stets eine individuelle, eine soziale und eine an Kompetenzen orientierte Dimension beinhaltet. In der Wis­sensgesellschaft besteht das Problem sicherlich nicht mehr nur im Speichern und Ver-


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mitteln von Wissen, sondern im Entscheiden, Beurteilen und Anwenden. Dies setzt tie­feres Verständnis voraus, mit dem wir unsere Schüler rüsten müssen. Das streben wir unzweifelhaft auch an.

Zur Frage 8:

Mit 1.1.2019 werden alle Bundesländer die Bildungsdirektionen implementiert haben. Die Rechtsgrundlage für die Implementierung der Bildungsdirektionen gilt erst ab 1.1.
2019. Die Führungsfunktionen der zukünftigen Bildungsdirektionen, sprich Bildungsdi­rektor, Präsidialabteilungsleiter/-leiterin, Leiter/Leiterin Pädagogischer Dienst, sind in allen zukünftigen Bildungsdirektionen bereits besetzt, um einen reibungslosen Start zu ermöglichen.

Zur Frage 9:

Kärnten: sieben Bewerbungen; Niederösterreich: drei Bewerbungen; Oberösterreich: elf Bewerbungen; Salzburg: fünf Bewerbungen; Tirol: fünf Bewerbungen; Vorarlberg: vier Bewerbungen.

Burgenland, Steiermark, Wien: Die Amtsführenden Präsidenten wurden mit den Funk­tionen eines Bildungsdirektors/einer Bildungsdirektorin betraut.

Der Bildungsdirektor aus Kärnten kam von der Universität; Niederösterreich: der ehe­malige Amtsführende Präsident; Oberösterreich: Vizerektor private PH; Salzburg: LSI; Tirol: aus der Schulverwaltung; Vorarlberg: ebenso.

Zur Frage 10:

Die Rechtsgrundlage zur Implementierung der Bildungsdirektionen tritt mit 1.1.2019 in Kraft. Aus diesem Grund kann es auch Präsidentinnen und Präsidenten einer Bildungs­direktion erst ab 1.1.2019 geben. Die Einrichtung von Präsidenten hat landesgesetzlich zu erfolgen und liegt nicht in der Zuständigkeit des Bundes.

Zur Frage 11:

Mit den Bildungsreformgesetzen wurden die nach politischen Mehrheitsverhältnissen besetzten Kollegien in den Landesschulräten aufgelöst.

Zweitens: Einführung von objektivierten Auswahlverfahren von Führungskräften.

Drittens: Einführung von verpflichtenden Führungskräfteausbildungen.

Zur Frage 12:

Die Länder haben sich bei der Vollziehung gemäß Art. 14 Abs. 2 des Bundes-Verfas­sungsgesetzes des vom Bund bereitgestellten und betriebenen IT‑Verfahrens für das Personalmanagement zu bedienen. An der technischen Umsetzung wird mit dem zu­ständigen Bundeskanzleramt gemeinsam mit dem BRZ unter fachlicher Mitwirkung meines Hauses intensiv gearbeitet. Die Umstellung betrifft insgesamt 120 000 Landes­lehrpersonen. Grundsätzlich erfolgt die Umstellung im Rahmen eines dreistufigen Roll­outplanes zwischen 1.1.2020 und 2022.

Zur Frage 13 – eine lange Frage –:

Es ist geplant, die Umsetzung rechtzeitig abzuschließen. An der konkreten Ausgestal­tung dieses Index wird derzeit in Kooperation mit dem Bifie und der Statistik Austria gearbeitet. Wir orientieren uns dabei auch an internationalen Modellen. Zusatzmittel sind grundsätzlich aus dem bereits beschlossenen Bundesfinanzgesetz und Bundesfi­nanzrahmengesetz zu bedecken.

Zu den Fragen 14 bis 17:

In das Projekt „Grundkompetenzen absichern“ sind gegenwärtig 261 von insgesamt 501 Schulen eingebunden. Die weiteren Schulen kommen stufenweise zu dem Projekt hinzu.


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Es werden die im Budget befindlichen Ressourcen fokussiert verwendet, insofern als die Pädagogischen Hochschulen als auch die Schulaufsicht ihre Personalkapazität für dieses Projekt bündeln. Zusätzlich investieren wir 200 000 Euro für diese Maßnahme. Grundsätzlich entscheiden beteiligte Schulen, Schulaufsicht und Schulentwicklungsbe­gleitung im Falle jedes einzelnen Schulstandortes gemeinsam im Rahmen von multi­professionellen Teams, welcher Bedarf an unterschiedlichen Professionen vor dem Hintergrund einer Ursachenanalyse besteht. Mehrheitlich sind Teams von zwei Profes­sionen im Einsatz, eine größere Zahl von Schulen wird auch von Dreierteams betreut.

Zur Frage 18:

Autonomie a) in pädagogischer Hinsicht: Autonomie klarerweise in der Unterrichtsorga­nisation, innovative Unterrichtsgestaltung durch flexible Gruppenbildungen, Ausbau von schulautonomen Schwerpunktbildungen, Flexibilisierung der Unterrichtsdauer und Öffnungszeiten der Schulen;

b) in personeller Hinsicht: Schulleitungen an Bundesschulen können seit dem 1.1.2018 ihre Lehrkräfte selbst aussuchen, um die am besten geeigneten Personen für das je­weilige Team zu nehmen. Bei den Pflichtschulen erfolgt ein stufenweiser Rollout der Auswahl der Lehrkräfte durch die Schulleitungen ab dem 1.1.2019, dies ist stufenweise geplant.

Autonomie hinsichtlich finanzieller Gesichtspunkte: Da hat die Bildungsreform keine Änderungen gebracht.

Zur Frage 19:

Attraktivierung der Lehre: Weiterführung des Förderprogramms Berufsmatura, Lehre mit Reifeprüfung, um gerade leistungsstarke Jugendliche für die duale Ausbildung ge­winnen zu können, umfangreiches Angebot betreffend Zusatzqualifikationen im Rah­men des Berufsschulunterrichts, wie zum Beispiel eine Cisco-Qualifizierung, Unterneh­mensführerschein und anderes mehr, zielgruppengerechte Lehrpläne bei verkürzter Lehrzeit, zum Beispiel für MaturantInnen, Forcierung der Teilnahme an Erasmus+-Pro­grammen zur Erhöhung der Attraktivität.

Zur Frage 20:

Einen ersten Schritt haben wir schon mit der Ermöglichung eines freiwilligen zehnten Schuljahres an einer PTS gesetzt. Wir haben folgende weitere Änderungen geplant – meine Aufzählung ist eine exemplarische Aufzählung –: einen zeitgemäßen, kompe­tenzorientierten Lehrplan, Stärkung der transversalen Kompetenzen, Ausbau der Orientierungsfunktion mit Orientierungs- und Spezialisierungsphasen am Schuljahres­beginn, Neufassung der Fachbereiche entsprechend den Anforderungen der Wirt­schaft, Berücksichtigung des Qualifikationsbedarfs in Hinsicht auf Digitalisierung in den neuen Lehrplänen.

Zur Frage 21:

Anteil am BIP der investierten Mittel im Schulbereich: 3,1 Prozent; im gesamten Ele­mentarbereich, Schulbereich, Tertiärbereich und Tertiärausbildung: 5,5 Prozent Anteil am BIP; im Zeitvergleich eine Konstanz, keine Abnahme.

Zur Frage 22:

Die Berechnung des Anteils der Bildungsausgaben Österreichs am BIP für das Be­richtsjahr 2017 ist derzeit noch nicht verfügbar. Die Berechnung wird von Statistik Austria durchgeführt, daher sind dort auch alle öffentlichen Bildungsausgaben gesam­melt. Die Datenbasis kann aber erst nach Vorliegen der entsprechenden Rechnungs­abschlüsse erstellt werden.


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Zur Frage 23:

Nein. Im Bereich der Untergliederung 30 wird im Finanzjahr 2018 mit den eingeräum­ten beziehungsweise im Wege der Rücklagenentnahme disponiblen Mittelverwendun­gen das Auslangen gefunden.

Zur Frage 24:

Im Rahmen des Integrationstopfes III wurden im Schuljahr 2017/18 den Ländern Res­sourcen für die Maßnahmen Sprachförderkurse, Sprachstartgruppen sowie für beglei­tende pädagogische Integrationsmaßnahmen an Volksschulen und Neuen Mittelschu­len zur Verfügung gestellt. Die notwendigen Zusatzressourcen für langfristige Maßnah­men wurden durch die Einführung der Deutschförderklassen in die Regelsystematik übergeführt.

Zu den Fragen 25 und 26:

Der Integrationstopf war grundsätzlich zeitlich befristet vorgesehen. Die finanzierten Projekte Mobile interkulturelle Teams und Schulsozialarbeit sind auch in diesem Schul­jahr garantiert. Mit den Ländern, die ja grundsätzlich für Kinder- und Jugendhilfe zu­ständig sind, laufen Gespräche hinsichtlich der längerfristigen Absicherung. Die Erfah­rungen aus den Projekten des Integrationstopfes sind da eine wichtige Grundlage. Der aktuelle konkrete Bedarf ist vor Ort zu ermitteln.

Zur Frage 27:

Ja, entlang des Ministerratsvortrages vom Juli 2018 wird das BIG gerade überarbeitet. Wir befinden uns derzeit in Gesprächen mit den dafür auch zuständigen Stakeholdern.

Was wollen wir erreichen? – Vereinfachung, Erhalt des bestehenden Angebots, Anreiz für weiteren Ausbau der Plätze, Anreize für den Ausbau des Angebots, etwa bei der Ferienbetreuung.

Wir rechnen mit einer Regierungsvorlage im ersten Quartal 2019.

Zur Frage 28:

Ja, das ist sie. Entsprechende Strukturen wurden in meinem Ressort geschaffen. Mein Ressort ist und bleibt für die Ausbildung des pädagogischen Personals in elementaren Bildungseinrichtungen verantwortlich und kümmert sich darüber hinaus, gemeinsam mit dem Familienressort, um die Abwicklung der Bund-Länder-Vereinbarung.

Zur Frage 29:

Das Familienressort hat dies federführend geleitet, und mein Ressort hat unterstützend zu den Bereichen Sprachförderung, Wertevermittlung und pädagogische Arbeit Stan­dards definiert.

Zur Frage 30:

Die Zuordnung an die unterschiedlichen Ausschüsse nimmt das Parlament vor.

Zur Frage 31:

Wesentlich ist nicht, wo das Budget verortet ist, sondern die Höhe der Mittel, die in diesem Bereich vom Bund investiert werden. Der Bund stellt für die nächsten vier Jahre 142,5 Millionen Euro jährlich zur Verfügung, und die Länder leisten einen Kofi­nanzierungsanteil von 52,5 Prozent für insgesamt 72,5 Millionen Euro. Damit kommen wir auf einen Betrag von jährlich 180 Millionen Euro, die für die Bereiche verpflichten­des Kindergartenjahr, Sprachförderung und den Ausbau zur Verfügung stehen.


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Zur Frage 32:

Wir haben bereits einen Bildungsrahmenplan, der durch die neue 15a-Vereinbarung verpflichtend festgelegt wurde. Das heißt, dass dieser Bildungsrahmenplan verbindlich für die pädagogische Arbeit in den Einrichtungen anzuwenden ist.

Zur Frage 33:

Im Rahmen der neuen Bund-Länder-Vereinbarung haben wir uns bewusst für eine In­tensivierung der Sprachförderung bei den Vierjährigen entschieden. Wir haben dort ei­ne 96-prozentige Besuchsquote, weshalb diese Alterskohorte auch sprachlich intensiv gefördert werden soll, denn Kinder lernen in diesem Alter sehr schnell.

Dieses Mehr an Investitionen in die frühe sprachliche Förderung zu einem frühen Zeit­punkt soll zu einer besseren Vorbereitung auf die Schule führen.

Ich möchte auf noch eine Sache hinweisen – das haben Sie aber in Ihrer Einleitungs­rede erwähnt –: Kindergartenwesen ist verfassungsrechtlich Zuständigkeit der Bundes­länder.

Zur Frage 34:

Wir nehmen den Bereich der Elementarpädagogik sehr ernst, und ich möchte diesen entsprechend gut weiterentwickeln. Wir haben im Sommer eine entsprechende Abtei­lung eingerichtet, die derzeit weiter im Ausbau und Aufbau ist. Wir haben dort insge­samt aktuell vier VZÄ, Vollzeitäquivalente, tätig.

Zu den Fragen 35 und 36:

Ich erlaube mir, diese Fragen zusammenzufassen: Mein Ressort ist seit Jänner 2018 auf allen Ebenen der Ausbildung, von Elementarpädagogik über die Schulen bis zu den Universitäten und Hochschulen, zuständig. Im Zuge der Umstrukturierung haben wir auch über alle Bereiche eine Bestandsaufnahme hinsichtlich der strategischen Kon­zepte und laufenden Initiativen zur Digitalisierung und zur digitalen Bildung durchge­führt und diese auch intern evaluiert.

Der Masterplan für die digitale Bildung berücksichtigt die Vorarbeiten und baut auf den Erfahrungen von Pilotprojekten aus Schule 4.0 auf. Mit dem Masterplan wollen wir nun in die Breite gehen und die digitale Bildung in den Schulen wirksam verankern, damit alle Schüler und Schülerinnen auf die Herausforderungen einer digitalen Welt und ei­ner sich damit verändernden Arbeitswelt vorbereitet werden. Im Zentrum stehen für mich aber weniger die technischen als die pädagogischen Fragen.

Zu den Fragen 37 und 38:

Sicherlich wird es notwendig sein, entsprechende mobile Endgeräte einzusetzen. Mit dieser Frage setzen sich die Arbeitsgruppen gerade auseinander. Die Arbeiten zum Masterplan laufen noch, das habe ich angekündigt und auch schon dargestellt. Die darin besprochenen Maßnahmen werden mit den betroffenen Stakeholdern, Partnern und zuständigen Ministerien abgestimmt. Ich kann daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine genauen Angaben machen.

Zur Frage 39:

Das Pilotprojekt wurde 2017/18 erfolgreich umgesetzt, auf der Plattform digi.folio wer­den insgesamt circa 2 000 Lehrveranstaltungen angeboten. Ab dem Schuljahr 2018/19 müssen alle neu einsteigenden Pädagogen und Pädagoginnen ihre digitalen Kompe­tenzen einschließlich digitaler Fachdidaktik bis zum Ende der Berufseinstiegsphase, drei Jahre ab Berufseintritt, nachweisen. Die Umsetzung erfolgt im Rahmen der Perso­nalentwicklung an den Schulstandorten und liegt in der Verantwortung der Schullei­tung.


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Zu den Fragen 40 und 41:

Das Budget für Fort- und Weiterbildung für die Pädagogischen Hochschulen beträgt 15 Millionen Euro. Das wird den Pädagogischen Hochschulen unter Vorgabe von Schwerpunkten zugeteilt und am Ende eines Studienjahres auch analysiert. Derzeit gibt es Zahlen zum Studienjahr 2016/17. Wir sehen daraus, dass rund 8 Prozent des Budgets für Digitalisierung ausgegeben werden. Diese Zahl enthält aber noch nicht die Maßnahmen der letzten Digitalisierungsinitiative der damaligen Frau Bundesministerin Hammerschmid: Schule 4.0, digi.folio et cetera.

Zur Frage 42:

Folgende Kompetenzen müssen in den Curricula für die Lehramtsstudien verankert werden: Anwenderkompetenzen, digitale Fachdidaktik, innovative Lehr- und Lernfor­men. Darüber hinaus muss das Fach Digitale Grundbildung zumindest als ein Erweite­rungsstudium, Erweiterungscurriculum eingerichtet werden. Digitale Kompetenzen sind bereits in den meisten Curricula für Lehramtsstudien Primarstufe verankert, ebenso in der Sekundarstufe.

Zur Frage 43:

LehrerInnenmangel: An allen Schulen in Österreich und damit auch in allen Klassen konnten die zur Erfüllung des Lehrplans notwendigen Stunden besetzt werden, keine lehrplanmäßige Stunde musste aufgrund eines LehrerInnenmangels entfallen.

Zu den Fragen 44 und 45:

Wir haben 22 beschäftigte pensionierte Lehrpersonen im Bereich der Pflichtschule, im Bereich AHS/BMHS 16. Wir haben im APS-Bereich 545 Lehramtsstudierende, die noch studieren, aber aktiv beschäftigt werden, und 812 im AHS/BHMS-Bereich.

Zur Frage 46:

Überstunden: An allgemeinbildenden Pflichtschulen und Berufsschulen sind im Schul­jahr 2017/18 in Summe 2,2 Millionen besoldungswirksame Überstunden angefallen, an AHS und BHS im gleichen Schuljahr in Summe 3,1 Millionen.

Zur Frage 47:

Das Ministerium stellt regelmäßig Bedarfsprognosen für den Lehrberuf an. Basis sind zum einen die prognostizierten SchülerInnenzahlen, auf der anderen Seite die zu er­wartenden Pensionierungen. Wir sehen dabei hinsichtlich Primarstufe, Sekundarstufe I und II unterschiedliche Tendenzen.

Zu den Fragen 48 und 49:

Die Auflistung bezieht sich auf bereits getroffene Maßnahmen und auf Maßnahmen, die künftig vorangetrieben werden: Wir greifen im Falle eines Falles auf LehrerInnen der Warteliste zurück.

Wir nehmen Bewerbungen von Mangelfächern durch Bildungsdirektionen und PHs auf, die Beschäftigung in der Induktion in einem herabgesetzten Ausmaß und Bewerbun­gen von Quereinsteigerstudien und -programmen.

Zur Frage 50:

Wir haben ein neues Dienstrecht mit dem Pädagogischen Dienst eingeführt. Dieses tritt ab 2019 in Kraft. Es enthält bessere Einstiegsgehälter, insbesondere für Pflichtschul­lehrerInnen, und steigert somit die Attraktivität des Berufs.

Zur Frage 51:

Infokampagnen: keine Kosten.


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Zur Frage 52:

Einheitliches Assessment-Center: Es gibt aktuell kein österreichweit einheitliches Auf­nahme- und Eignungsfeststellungsverfahren, allerdings arbeitet eine ExpertInnengrup­pe unter Leitung des Qualitätssicherungsrates intensiv an österreichweiten Standards für dieses Verfahren.

Zur Frage 53:

Im Studienjahr 2017 gibt es 7 800 Erstsemestrige, 1 800 in der Primarstufe, rund 5 500 in der Sekundarstufe und 519 in der Sekundarstufe Berufsbildung.

Zur Frage 54:

Ein selektives Aufnahme- und Eignungsfeststellungsverfahren wird sicherstellen, dass nur die am besten geeigneten StudienwerberInnen ein Lehramtsstudium aufnehmen. In allen Universitätsverbünden im Rahmen dieses Verfahrens gibt es verpflichtend zu absolvierende Self-Assessment-Tests. Gerade das soll die bewusste persönliche Ent­scheidung für ein Studium und für die zukünftige Tätigkeit unterstützen.

Zur Frage 55:

Hinsichtlich der Induktionsphase gibt es aufgrund des neuen Systems der PädagogIn­nenbildung noch keine Erfahrungswerte. Die Aufnahme in den Schuldienst hängt vom Ausmaß der zu besetzenden Planstellen ab.

Zu den Fragen 56 bis 58:

Derzeit werden MentorInnen in den Hochschullehrgängen ausgebildet, und darauf wird auch in den nächsten Jahren ein Fokus gelegt. Für die nächsten Jahre wird man auf Praxis- und BetreuungslehrerInnen zurückgreifen müssen, wie es durch die dienst­rechtliche Übergangsbestimmung für die nächsten zehn Jahre auch ermöglicht wurde.

Zur Frage 59:

Unterrichtspraktikum: Nein, denn durch die Studienstruktur der PädagogInnenbildung wird die schulpraktische Ausbildung bereits im Studium angeboten. Wir werden aber die Induktionsphase nach dem ersten Durchgang bewerten und anschauen müssen, ob Anpassungen nötig sind.

Zur Frage 60:

Optionsphase: Die Verlängerung der Optionsregelung ist derzeit nicht beabsichtigt, dies auch deswegen, weil die derzeit geltende Regelung eine sehr großzügige Über­gangsfrist vorgesehen hat.

Zur Frage 61:

Diversität und Sprache: Mehrsprachigkeit zählt zu den ausgewiesenen Kernkompeten­zen in allen Curricula der Lehramtsausbildung. Wir haben in der Primarstufe in der Schwerpunktgruppe Sprachen, Medien, Kulturen auch entsprechende Studienangebo­te an insgesamt neun der 14 PHs.

In der Sekundarstufe ist der Themenkomplex Mehrsprachigkeit Inhalt zahlreicher Mo­dule im Studienfach Deutsch sowie in anderen Studienfächern zur Sprachenbildung. Mehrsprachigkeit findet auch bei der Vermittlung inklusiver Kompetenzen Berücksich­tigung.

Zur Frage 62:

AMS-Trainer: Das derzeitige Lehrpersonendienstrecht sieht die Aufnahme von Quer­einsteigerInnen unter bestimmten Voraussetzungen vor. Grundsätzlich geht das Lehr­personendienstrecht davon aus, dass nur jene Personen im Pädagogischen Dienst


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eingesetzt werden können, die auch eine facheinschlägige Ausbildung vorweisen kön­nen. Dazu ist grundsätzlich ein Lehramtsstudium an einer Uni oder PH notwendig. Lie­gen diese nicht vor, dann können Alternativen erbracht werden.

Zur Frage 63 – ich habe es bald geschafft –:

In den Mangelgegenständen besteht die Möglichkeit, den Bedarf durch geeignete Be­rufsumsteigerInnen mit beruflicher Vorpraxis und entsprechender Fachexpertise zu de­cken.

Ich verstehe Ihre Notwendigkeit, zuhören zu können (in Richtung Abg. Meinl-Reisin­ger), weil im Hintergrund so laut gesprochen wird. (Abg. Meinl-Reisinger: Ich bemühe mich, Ihnen zuzuhören, aber es ist sehr laut!) – Ja, ja, ich wollte nur signalisieren.

Zu den Zahlen: Die Zahlen zu erheben ist komplex. Ich kann hier eine gegliederte Dar­stellung der Zahlen nicht vorlegen, ich kann nur sagen: Im Wintersemester 2018 gibt es in der Sekundarstufe Allgemeinbildung 20 Studierende im Quereinstieg Musik und in der Sekundarstufe Berufsbildung 261 Studierende in facheinschlägigen Studien.

Zur Frage 64:

Mit dem Bildungsreformgesetz wurde die Qualifizierung der Schulleiter und ‑leiterinnen auf eine neue Basis gestellt, und wesentliche Elemente der Leadership Academy wur­den in entsprechenden Bildungsmaßnahmen verankert. Dies wurde mit einem bundes­weit verbindlichen Rahmencurriculum auch abgesichert.

Zur Frage 65:

Würde man die rund 6 200 SchülerInnen finanzieren, kann von einem ungefähren Mehrbedarf von 37 Millionen Euro im Bereich des Lehrpersonals ausgegangen wer­den. Das ist aber nur eine ungefähre Größenordnung, da erst die Zuordnung dieser SchülerInnen zu vergleichbaren Schulen aus dem öffentlichen Bereich klare Grundla­gen für eine Hochrechnung gewährleisten würde. Nicht berücksichtigt ist in diesen Zah­len die Abdeckung von Sachausgaben und eines Personalaufwandes im Verwaltungs­bereich.

Zur Frage 66:

Die kirchlichen Schulen sind jetzt schon hinsichtlich der Lehrpersonenfinanzierung durch den Bund den öffentlichen Schulen gleichgestellt. Für die übrigen Schulen ver­weise ich auf meine eben gegebene Antwort.

Zu den Fragen 67 und 68:

Momentan sind im Budget für sogenannte Statutschulen Förderungen im Gesamtaus­maß von 4,5 Millionen Euro vorgesehen. Die Frage, ob eine rechtswidrige Ungleichbe­handlung im Vergleich zu anderen Privatschulen vorliegt, wird gerade von den Gerich­ten geprüft.

Damit ist auch die Frage, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssten, damit eine Subventionierung wie bei den anderen Privatschulen erfolgen kann, abhängig vom Er­gebnis dieser Prüfung.

Zur Frage 69  das ist die letzte Frage –:

Ja, im Zuge der Novellierung des Bildungsinvestitionsgesetzes ist eine entsprechende Regelung vorgesehen.

Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)


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15.51


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Danke für die umfassende Beantwortung.

Zu Wort gelangt Abgeordneter Trauttmansdorff. – Bitte.


15.51.36

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Ich möchte mich vorweg für die ausführliche Beantwortung der Fragen bei Ihnen bedanken und auch bei Ihrem Ministerium, wo man in den letzten 3 Stunden sicher doch einiges an Arbeit gehabt hat. 69 Fragen sind nicht ohne, das ist uns auch bewusst, und für deren Beantwortung auch von uns gleich einmal vorweg ein Dankeschön, weil wir das auch nicht immer so gewohnt sind. (Beifall bei NEOS und ÖVP.)

Sie haben Ihre Ausführungen mit der Frage begonnen, woher wir nehmen, dass das österreichische Schulsystem nicht auf dem Level ist, auf dem es eigentlich sein sollte, und haben diesbezüglich nach der Evidenz gefragt. Ich finde das schon etwas seltsam, insbesondere, weil wir in einer der letzten Debatten hier – zwei Tagesordnungspunkte ist es gerade her – über das Pädagogikpaket gesprochen haben. Jetzt hier von Ihrer Seite die Evidenz zu fordern, finde ich etwas seltsam.

Jetzt aber zum Inhalt: Sie haben unter anderem das Thema Politik raus aus den Schu­len angesprochen. Wir haben dazu ja auch im letzten Ausschuss einen Antrag einge­bracht beziehungsweise einen Antrag zurückgeholt, der schon einmal vertagt wurde, und er wurde wieder vertagt. Sie haben gesagt, dass Sie im Bereich der Schulleitung einführen wollen beziehungsweise verstärkt darauf achten wollen, dass diese nicht mehr parteipolitisch besetzt ist. Da ist jetzt ein Stück weit meine Angst, dass das, was uns im Ausschuss als Paradebeispiel, bei dem das ja so gut funktioniert habe, verkauft wurde, nämlich die Bildungsdirektionen, da als Vorbild genommen wird. Bei den Bil­dungsdirektionen haben wir nämlich ganz klar gesehen, wie es eben nicht funktioniert, Parteipolitik raus aus der Schule zu bekommen.

Ich erinnere hier noch einmal an den Gesetzentwurf oder an das Gesetz, das damals beschlossen wurde. Darin steht: „Durch Landesgesetz kann vorgesehen werden, dass der Landeshauptmann der Bildungsdirektion als Präsident vorsteht.“

Dann geht es so weiter, und dann steht: „In einem solchen Fall ist der Bildungsdirektor an die Weisungen des Präsidenten gebunden.“

Ich meine, das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Was heißt das? – Wir haben hier in einem Gesetz festgeschrieben – ich weiß, dass das die Vor­gängerregierung war, aber Ihre Partei war auch damals in der Regierung –, dass par­teipolitischer Einfluss auf die Schulen weiterhin verankert werden soll. Dementspre­chend gilt: Bitte nehmen Sie sich das nicht als Vorbild, denn das ist alles andere als förderlich für uns! (Beifall bei den NEOS.)

Ein Thema, das uns im Zusammenhang mit Bildung auch immer sehr stark beschäftigt, ist das Thema Chancengerechtigkeit, und da sind wir sehr schnell bei dem Thema der Maßnahmen, der Einzelmaßnahmen und Scheinlösungen, die Sie immer bringen. Es wird nicht genügen, Einzelmaßnahmen wie Deutschklassen, wie die Strafen für Schul­schwänzer, wie Noten oder Sitzenbleiben, was wir heute auch schon diskutiert haben, einzuführen. Das spaltet die Gesellschaft, das bringt uns keinen Millimeter weiter, und es ist genau nicht das, was wir brauchen, nämlich Chancengerechtigkeit, dass jedes Kind am Anfang seines Lebens die gleichen Chancen hat und mit einer guten Bildung auch weiterkommen kann und will.

Wir haben schon vorhin gesagt, das ist aus unserer Sicht ganz klar eine Generation der Abgehängten, und Beate Meinl-Reisinger hat es vorhin auch richtig gesagt: Natür­lich ist das jetzt nicht im letzten Jahr entstanden, sondern da handelt es sich um ein Versagen, das wir in der Bildungspolitik mittlerweile über Jahrzehnte erleben. Die letzte große Bildungsreform war unter Liesl Gehrer – ich kann mich erinnern, da war ich noch


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in der Volksschule! (Heiterkeit der Abg. Meinl-Reisinger.) Das alleine zeigt doch, dass im Bildungsbereich viel zu wenig weitergeht.

Das, was jetzt oft präsentiert wird, sind dann so kleine Pflaster, also eben diese Scheinlösungen. Wir haben klaffende Wunden im Schulsystem, und wir kommen dann mit kleinen Pflasterchen – vielleicht noch mit irgendeinem Dino oben, denn das mögen wir sehr gerne in der Showpolitik – und sagen: Hey, super, jetzt ist alles gelöst! – Ein großes Beispiel dafür, das Sie auch in der Beantwortung der Fragen erwähnt haben, ist das Beispiel Grundkompetenzen absichern, das immer mit der London School vergli­chen wird.

Wir haben aktuell, laut Ihrer Beantwortung unserer Anfrage, 261 Schulen, die das ma­chen. Geplant, glaube ich, waren einmal 500 – davon sind wir weit entfernt. Und wa­rum sind wir davon weit entfernt? – Weil es ein Budgetproblem gibt, weil es ein Perso­nalproblem und ein Budgetproblem gibt.

Sie haben selber gesagt, glaube ich, 200 000 Euro sind es, die Sie da als Budget zur Verfügung haben. Das sind heruntergerechnet ein paar Tausend Euro pro Schule. Damit wird man keine großen Schritte machen können und das muss uns, glaube ich, absolut bewusst sein.

Es fehlen hier mutige Innovationen, die von der Regierung nicht kommen. Wenn etwas kommt, dann die kleinen Dinopflaster über die großen Wunden, die nicht viel bringen. Chancengerechtigkeit wird damit wirklich nicht erreicht – das ist eine Fehlanzeige.

Ein zweites Thema, das mir persönlich sehr wichtig ist, ist das Thema Digitalisierung. Digitalisierung ist längst überall angekommen, in den Kinderzimmern – jedes kleine Kind hat mittlerweile Computer, iPad, iPhone, sonstige Smartphones –, nur in der Schule nicht. Da passiert auch viel zu wenig. Auch wenn Sie uns sagen, wir haben da eine neue Strategie, stellt sich natürlich auch die Frage: Woher kommt jetzt diese Stra­tegie?

Es gab ja schon eine Strategie von der Vorgängerregierung: Schule 4.0. Nur: Was wurde mit der gemacht? – Die wurde einfach einmal auf die Seite geschoben. PR-tech­nisch geht es natürlich besser, wenn man eine neue Strategie präsentiert. Da kann man schön eine Pressekonferenz machen, ein Ministerfoyer nach dem Ministerrat ma­chen und sagen: Hey, super, wir präsentieren da wieder etwas Neues! – Nur: An der Umsetzung hapert es dann immer. Deswegen schieben Sie lieber das Projekt Schu­le 4.0 auf die Seite und sagen: Hey, wir machen da ein neues Konzept! – Neues Kon­zept, schöne Musik, viel Feuerwerk, und am Ende des Tages passiert sehr wenig.

Für die Vorgangsweise im Zusammenhang mit Digitalisierung ist mein Lieblingsbeispiel immer jenes, wie Sebastian Kurz und eine ganze Delegation nach Singapur reisen, man einen ganzen Flieger dorthin schickt, sich dann dort alle anschauen, wie eine Schule dort ausschaut – da gibt es positive Dinge wie auch negative Dinge, das haben Sie auch im Ausschuss einmal gesagt –, und dann kommt man zurück und sagt: Hey, dort in Singapur haben alle ein iPad in der Schule! Ja super, wir machen jetzt Digi­talisierung und es kommen iPads in die Schulen!

Digitalisierung ist aber viel mehr, als nur über iPads zu reden (Abg. Winzig: ... aus dem Zusammenhang gerissen!), und das ist genau diese Showpolitik, die in diesem Bereich immer wieder gemacht wird, die nicht zu akzeptieren ist.

Am Ende des Tages bleibt von dieser Regierung eine Sache über: Diese Regierung macht Showpolitik auf allen Ebenen. Das haben wir in den letzten Tagen mit dem Pä­dagogikpaket, das vorgestellt wurde, wieder einmal gesehen. Es bleibt nichts da, was wirklich langfristig und nachhaltig den Schülerinnen und Schülern zugutekommt.


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Beate Meinl-Reisinger hat es gesagt: 12,5 Prozent, aber 100 Prozent der Zukunft – und auf diese 100 Prozent dürfen wir nicht verzichten. Es ist unsere Aufgabe als Par­lament, hier endlich Maßnahmen zu setzen, und Ihre Aufgabe als Regierung, hier Maß­nahmen zu setzen, damit die Schüler nicht auf der Strecke bleiben, denn das schadet am Ende uns allen. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

15.58


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Taschner. – Bitte.


15.58.38

Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Ho­hes Haus! Sehr geehrte Frau Meinl-Reisinger, ich darf aus Ihrer Dringlichen Anfrage ei­nen Teil vorlesen. Da steht:

„Das regulative Korsett ist eng zugeschnürt und die Schulen sind oft polit-taktisch moti­vierten, außerschulischen Einfluss- und Zugriffsmöglichkeiten ausgeliefert. Das Ergeb­nis: Eine aufgeblähte Bürokratie, politische Interventionen und ein unüberschaubarer Verordnungsdschungel binden Ressourcen, blockieren die Selbstorganisationskräfte des Systems Schule sowie individuelles Engagement und frustrieren Systemteilneh­mer_innen, primär die Schulleitungen und die Lehrer_innen, in weiterer Folge Schü­ler_innen und Eltern.“

Als ich das las, habe ich mir gedacht: Sie kommen zwei, drei Jahre zu spät! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Das hätten Sie vor zwei, drei Jahren durchaus sagen können; und tatsächlich: Wir wer­den das ändern. (Abg. Meinl-Reisinger: Mit dem Paket?) Aber, Frau Meinl-Reisinger, bitte, das geht nicht von heute auf morgen. Wir können das nicht zwischen Jause und Abendessen durchführen, das wird eine gewisse Zeit dauern. (Abg. Meinl-Reisinger: Hat das jemand erwartet?)

Ja, Sie haben uns eine Schule vorgestellt (Abg. Meinl-Reisinger: Ich habe noch nicht einmal gejausnet!), wie Sie sich diese vorstellen. Wir werden die Flügel einmal anspan­nen und dann wird einmal der - - (Abg. Meinl-Reisinger: Sie können sich über alles lustig machen, Sie können es aber auch ernst nehmen!) – Ich nehme Sie sehr ernst, ich nehme Sie wirklich sehr ernst – aber ich nehme Sie nur dann ernst, wenn das, was Sie fordern, auch tatsächlich ernst zu nehmen ist. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Tatsächlich ist nämlich schon viel geschehen, und das dürfen Sie nicht leugnen. Es ist wirklich viel geschehen, und zwar Notwendiges, gleich am Anfang mit den Deutschför­derklassen. Es ist viel geschehen! Heute haben wir das Pädagogikpaket beschlossen, und Sie machen eine Dringliche Anfrage genau zu diesem Thema, sodass ich mich ei­gentlich jetzt hier wiederholen sollte. (Abg. Meinl-Reisinger: ... ein Beispiel, dass die Schulautonomie nicht lebt! Ein klassisches Beispiel für schulautonome Entscheidun­gen, die Deutschförderklassen!)  Die Schulautonomie war heute bei der Fragestunde Gegenstand der ersten Anfrage, und die Frage wurde glänzend beantwortet. Sie kön­nen nicht leugnen, Frau Meinl-Reisinger, dass die Antwort des Herrn Bundesministers, eine lange, sehr konzise und auf jeden Punkt eingehende Antwort, eigentlich Ihre Be­denken wenigstens mildern, wenn nicht wegbringen sollte.

Ich darf vielleicht, wenn ich jetzt die Gelegenheit habe, hier zu sprechen, auf einen Bei­trag von Kollegen Noll von gestern zu sprechen kommen. Er ist leider nicht da, also bitte ihm das mitzuteilen. Ich habe es mir nämlich gemerkt: Was sind denn wirklich die Zukunftsfragen, die wir haben? Und er sprach von der Monetarisierung, von der Kom­merzialisierung und von der Prekarisierung der Gesellschaft, dass die Entwertung aller Werte vorgenommen wird und dass das Hand in Hand mit der Digitalisierung, mit der


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Robotisierung, mit der Automatisierung geht – sehr interessante Bemerkungen nämlich und sehr wichtig!

Es ist tatsächlich so, dass wir in eine Welt hineinschreiten, von der wir – und das steht auch in Ihrer Dringlichen Anfrage – gar nicht wissen, wie sie sich entwickeln wird. Es werden Berufsbilder entstehen, von denen wir nicht ahnen können, wie sie aussehen werden. Wie soll dann in den Schulen unterrichtet werden? Sie stellen ein Konzept vor, aber ich darf es Ihnen sagen: Das wahre Konzept, wie gut unterrichtet wird, das steht bei den Lehrerinnen und Lehrern selbst, die dort unterrichten, und auf diese Personen müssen wir Wert legen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Strukturen und Lehrpläne werden wir auch schaffen, wir werden Standards festlegen, welche Eigenschaften, welche Kompetenzen, welches Wissen die Kinder haben sollen, all das wird geschehen, aber das Hauptsächliche ist, dass wir dafür sorgen, dass die Schulen so gebaut sind, dass dort Lehrerinnen und Lehrer gut unterrichten können.

Ja, und dafür wird einiges geschehen – davon bin ich vollkommen überzeugt –, nicht nur bei den Lehrplänen, sondern auch bei der Entwicklung der Lehrerinnen- und Leh­rerausbildung. Sie haben richtig gesagt: Es ist notwendig, dass wir den Lehrberuf at­traktiv machen. Das ist sehr wichtig, das ist ein ganz entscheidender Punkt, und ich kann Ihnen versprechen, wir werden uns darum wirklich äußerst bemühen, weil tat­sächlich die Zukunft davon abhängt. Das Prekariat, das uns bevorstünde, wenn wir daran nicht arbeiten, wäre uns tatsächlich in gewisser Hinsicht fast ins Haus geflattert, wenn wir jetzt nicht diese Änderung geschafft hätten. (Beifall bei der ÖVP und bei Ab­geordneten der FPÖ.)

Bedenken Sie: 17 Prozent, in Wien 24 Prozent, können nach der Mittelschule, nach der Neuen Mittelschule nicht sinnerfassend lesen! Was werden diese jungen Menschen machen? Wir können sie ja nicht dauernd ins AMS schicken, das geht doch nicht. Wir müssen dafür sorgen, dass wir gut ausgebildete Menschen haben. Diese Ausbildung aber können wir nicht vorbereiten, indem wir sagen, wir wissen genau, wie die Zukunft aussieht, wir wissen es nämlich nicht! Wir können es nur dadurch machen, dass wir Lehrpersonen haben, die wissen, woher sie kommen, was sie unterrichten und wel­ches Wissen sie verbreiten können. Das ist der einzige Punkt, darauf müssen wir uns festlegen!

Wir müssen gewisse Schwerpunkte setzen – und andere Punkte, die Sie in Ihren 69 Fra­gen dann auch aufgezählt haben, sind eigentlich von marginalem Interesse.

Denken Sie darüber nach! Denken Sie darüber nach, dass die Entwertung aller Werte, von der Herr Noll hier gesprochen hat, in den Schulen wieder rückgängig gemacht wird. Hier werden Werte gesetzt, Werte des Wissens und Werte, die Ewigkeitscharak­ter haben – und die haben nichts mit irgendwelchen Tablets, die man mitnehmen kann oder nicht mitnehmen kann, zu tun.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind erst am Anfang. Bitte, Frau Meinl-Rei­singer, machen Sie das in vier Jahren wieder! Sagen Sie wieder: Jetzt ist aber wirklich nichts passiert! Da können Sie dann anklagen, und dann werden wir Asche auf unser Haupt streuen – aber wir werden das nicht machen müssen, denn wir werden eine gute Schule schaffen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)

16.04


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ham­merschmid. – Bitte.


16.05.00

Abgeordnete Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Bildung ist, wie ich meine,


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die wichtigste Stellschraube für ein selbstbestimmtes Leben eines jungen Menschen, ist in Folge auch die wichtigste Stellschraube für ein gesundes Leben für einen jungen Menschen, wie wir aus den Studien wissen. Daher muss jedes Kind die Chance auf die beste Bildung haben, egal wer seine Eltern sind, egal woher sie kommen, egal welchen Namen sie tragen. (Beifall bei SPÖ und JETZT.)

Wir wissen aus den Studien sehr genau – und hier nehme ich als die wichtigste Studie in diesem Feld jene der OECD heraus –, dass Bildung in Österreich viel zu sehr und viel zu stark vererbt wird. Da sind wir fast Schlusslicht in der OECD. (Abg. Neubauer: Sie waren Ministerin!) Die Geburtsurkunde bestimmt in Wahrheit die Bildungskarrieren eines jungen Menschen.

Was es braucht, ist Chancengerechtigkeit: Chancengerechtigkeit, die die Talenteförde­rung, die Potenzialförderung von jedem einzelnen Kind in den Mittelpunkt stellt, und Chancengerechtigkeit, die sich über modernste Pädagogik definiert. Das sind nicht die Leistungsgruppen, sondern modernste, innovative Pädagogik, neue Lehr- und Lernfor­men, begeisterte Pädagoginnen und Pädagogen, die super ausgebildet und auf die Herausforderungen, die sie erwarten, vorbereitet sind; das sind ganztägige Schulen und eine Zuteilung der Mittel, die über einen Chancenindex definiert ist.

Ein zukunftsorientiertes Bildungssystem kennzeichnet einen modernen Staat, eine mo­derne Gesellschaft und vice versa. Das sollte man zumindest meinen.

Der Herr Bundesminister hat gesagt, das Bildungssystem ist eigentlich in einer relativ guten Verfassung – das war so sinngemäß Ihr Wording –, aber anstatt die gesetzten Maßnahmen jetzt konsequent weiterzuverfolgen, sie zu evaluieren, zu verbessern und daran zu arbeiten, schmeißt man ganz, ganz vieles einfach weg, nämlich ohne Evaluie­rung.

Ich denke an die Einführung der Deutschklassen: Man hat es nicht einmal der Mühe wert gefunden, die ganze Sprachstartförderung zu evaluieren, sondern man hat ge­sagt, das macht man in separierten Deutschklassen, das geht angeblich viel besser – die Evidenz dazu fehlt aber.

Oder ich denke an die Neuen Mittelschulen: Die Neuen Mittelschulen wurden 2012 ein­geführt. Das war ein völliger Umbruch im System, weil da der AHS-Lehrplan hinterlegt wurde. (Abg. Bösch: Etikettenschwindel!) Das war eine völlig neue Art des Unterrich­tens: über Binnendifferenzierung und ganz gezieltes Eingehen auf jedes einzelne Kind, auf die Potenziale und Talente eines jeden einzelnen Kindes. Das ist eine völlige Um­stellung des Schulsystems gewesen. (Abg. Haider: Jetzt wird mir klar, warum das Schulsystem so ist, wie es ist!) Man hat das 2015 evaluiert. Und was die FPÖ jetzt so gerne macht, ist, immer so Einzelsätze aus der Evaluierung herauszunehmen. Man sollte sie schon sinnerfassend und ganz lesen, um die Neuen Mittelschulen ehrlich zu beurteilen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Bösch: Ja, sinnerfassend lesen sollten die Kin­der können! Das haben Sie sichergestellt, dass das nicht mehr der Fall ist!)

Da gibt es ganz viele, die wirklich gute Arbeit machen, und ganz tolle Pädagogik, die dort passiert. (Abg. Haider: Zehn Jahre rote Minister – totales Versagen! – Abg. Neu­bauer: Das ist eine Selbstanklage, diese Rede!)

Also ich erwarte, dass hier evaluiert wird und bildungswissenschaftlich fundiert gearbei­tet wird. Das Pädagogikpaket, das wir heute vorgestellt bekommen haben und das hier beschlossen wurde, basiert eben nicht auf bildungswissenschaftlichen Evidenzen, son­dern es wurde schlichtweg parteipolitisch verabschiedet. (Abg. Schimanek: Sie haben nie Parteipolitik in der Schule gemacht!)

Die Beantwortung der Anfrage der NEOS war ja super entwaffnend und einmal mehr, ganz, ganz ehrlich, Herr Bundesminister: Wenn Sie nach bildungswissenschaftlichen


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Studien gefragt werden, dann antworten Sie mit dem Regierungsprogramm. – Ich glau­be, das braucht man nicht weiter zu kommentieren.

Der international renommierte Erziehungswissenschaftler Michael Schratz wurde heute schon mehrfach zitiert. Er ist der Gründungsdekan der School of Education in Inns­bruck gewesen, und er hat dem „Standard“ ein Interview gegeben und eine wunder­bare Analyse gemacht. (Abg. Haider: Zehn Jahre Sozialismus im Bildungssystem kann die Analyse nur gewesen sein!) Er hat gesagt, es geht um innovativen Unterricht, den Erwerb von Kompetenzen, ein Weggehen von unserer jahrzehntelang geübten Praxis von starrer Fächeraufteilung – da reden wir beispielsweise über Science und nicht mehr über die Einzeldisziplinen –, ein Bekenntnis zu ganztägigen Schulformen und ein Abgehen von der frühen Trennung mit neun oder zehn.

Er ist auch Jurymitglied des Deutschen Schulpreises. Das ist ein hochrenommierter in­ternationaler Schulpreis, und was er dazu sagt, ist: „Die preisgekrönten Schulen haben dieselben Bedingungen wie alle anderen. Insofern stehen hier nicht die Rahmenbedin­gungen im Weg, sondern die Fähigkeit, Schule neu zu denken.“ – Schule neu zu den­ken!

„Gute Schulleitungen arbeiten nicht im, sondern am System.“ – Das halte ich für eine ganz zentrale Aussage und einen ganz zentralen Ansatz, um Schulkultur an einer Schule gelingend zu etablieren. Es geht um eine Schule als Begegnungsraum, wo Kin­der miteinander und voneinander lernen, wo sie Fehler machen dürfen, sich gegensei­tig inspirieren, wo Kreativität und Neugier im Mittelpunkt stehen, wo es um Kompe­tenzen geht, die die Kinder befähigen, den Herausforderungen der Zukunft auch wirk­lich zu begegnen. Da ist durch die Autonomie, die in der letzten Legislaturperiode ver­abschiedet wurde, viel passiert.

Diese Schulkultur, Herr Bundesminister, bringt ganz automatisch Leistung. Wir wollen auch Leistung, natürlich, wir wollen die besten Bildungskarrieren für unsere Kinder, und zwar für alle, entsprechend ihren Talenten, und diese positiv motivierende Schulkultur bringt automatisch Leistung. Da geht es nicht um Drill, da geht es nicht um Druck, und da geht es schon gar nicht um Drohen mit schlechten Noten. (Beifall bei SPÖ und JETZT. – Abg. Bösch: Das hört man aber nicht heraus! Das verstecken Sie gut!)

Deshalb ist das, was uns hier in den letzten Tagen präsentiert wurde, was hier dis­kutiert wurde, umso unverständlicher, etwa dass Noten wieder eingeführt werden. Ich will das jetzt gar nicht mehr ausrollen, aber von der Autonomie, die so wichtig ist, um Schule gelingen zu lassen, wird jetzt offensichtlich scheibchenweise wieder abgegan­gen. Die Lehrer werden verpflichtet, Noten zu geben, die Schüler müssen wieder sitzen bleiben, und ich bin gespannt, was noch alles kommt, um die Autonomie zu beschnei­den.

Herr Bundesminister! Vertrauen Sie den Pädagoginnen und Pädagogen, das sind Ex­pertinnen und Experten, die ganz genau wissen, wie sie ihre Schule gelingen lassen können! Jede Schule ist anders, jedes Kind ist anders. Es ist zwingend notwendig, auf die Kinder einzeln einzugehen, und dazu braucht es hervorragende PädagogInnen, die wissen, was zu tun ist.

Last but not least: Schule – wir denken oft an unsere Schulzeit zurück, und was uns dazu einfällt, jeder einzelnen Person, ist immer der Lehrer, der einen begeistert hat, der einen motiviert hat, der leidenschaftlich war und der für das Thema gebrannt hat –, da geht es um Beziehung, da geht es um Beziehungsarbeit, die in den Schulen ge­leistet wird. Ich danke an dieser Stelle den Pädagoginnen und Pädagogen, die das tagtäglich mit Leidenschaft für unsere Kinder tun. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ, NEOS und JETZT.)


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Mehr Mut und weiterarbeiten an den Maßnahmen, die gesetzt wurden – bildungswis­senschaftlich untermauert und evaluiert, bitte! – Danke. (Beifall bei SPÖ, NEOS und JETZT.)

16.12


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Möl­zer. – Bitte.


16.12.32

Abgeordneter Wendelin Mölzer (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und vor den Fernsehbildschir­men! Zunächst darf ich Ihnen, Herr Minister, für die wirklich ausführliche und sachliche Beantwortung der Fragen danken; dies trotz einer teilweise polemischen Dringlichen Anfrage, die hier von den NEOS gestellt worden ist. Auf das mangelnde Verantwor­tungsbewusstsein der SPÖ will ich gar nicht mehr eingehen, nur so viel: Wenn die Sonne der Opposition, in diesem Fall also der SPÖ, tief steht, dann werfen selbst politi­sche Zwerge wie die NEOS lange Schatten. – Das zum Nachdenken. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Somit komme ich schon zur Dringlichen. Auch ich darf etwas aus Ihrer Dringlichen An­frage vorlesen beziehungsweise zitieren, das vielleicht aufschlussreich ist, oder viel­leicht können Sie mir auch weiterhelfen. In Ihrer Dringlichen steht sehr schön – diesen Satz kann ich unterschreiben –: „Wir fordern, dass sich die Parteipolitik aus der Schul­verwaltung zurückzieht.“ – Das wäre sicher wünschenswert, ja.

Ich zitiere weiter: „Es kann nicht sein, dass der Bund zahlt, während die Landeshaupt­leute anschaffen. Diese Art des Spendierföderalismus tut uns“ – und das ist wirklich wortwörtlich – „im Gesundheitssystem nicht gut [...]“.

Jetzt frage ich: Ist Ihnen da irgendetwas reingerutscht, Strg + C vielleicht? Ist das viel­leicht vom Kollegen Loacker, dem Gesundheitssprecher, geschrieben worden? Das kann auch sein – es fehlt die fachliche Kompetenz. Oder kommt das Ganze einfach nur aus Ihrer Polemikabteilung, die einfach schaut, wo die Themen gerade hineinpas­sen? – Ein bisschen aufdrehen, ein bisschen polarisieren, ein bisschen schwarzweiß­malen, zu etwas anderem sind Sie derzeit offensichtlich gar nicht in der Lage.

Ich – und damit komme ich zu dem Punkt, den ich vorher schon angesprochen habe – anerkenne voll die Probleme, die Sie aufzeigen, was den Stand in unserem Bildungs­system betrifft. Das haben wir heute schon ausführlich aufgezeigt; Kollege Taschner hat das schon schön ausgeführt und auch Sie. Was Sie aber machen, ist einfach der Versuch, billige Polemik hineinzubringen, um uns als Regierung schlechtzumachen, anstatt sich – wozu ich Sie auch durchaus in der Lage sehe – intellektuell redlich mit dem Thema auseinanderzusetzen und zu versuchen, sich mit uns konstruktiv an den Tisch zu setzen. Das fehlt mir absolut. Das ist so durchschaubar, und damit dis­qualifizieren Sie sich selbst. Das kann ich – Kollege Taschner hat es schon ausge­führt – einfach nicht ganz ernst nehmen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)

Die Probleme liegen da, das ist klar, und wir tragen dem Rechnung, Frau Kollegin Meinl-Reisinger. Sie haben sich offensichtlich in den letzten zweieinhalb Jahren im Wiener Landtag mit der rot-grünen Partie herumschlagen müssen und nicht ganz mit­bekommen, was in der Bundesregierung beziehungsweise hier im Nationalrat passiert ist, denn da ist schon einiges passiert; das wird halt nicht von heute auf morgen gelöst werden.

Leider Gottes – ich hätte es mir auch gewünscht – haben wir keine grüne Wiese, auf der wir mit 1.1.2018 hätten anfangen können, das Bildungssystem neu zu bauen, son-


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dern wir haben halt, wie Sie x-fach betonen, ein verkrustetes System, das da oder dort wirklich Verbesserungsbedarf hat. Und daran arbeiten wir, wir arbeiten das Stück für Stück ab. Wir machen aber keine leeren Versprechungen dahin gehend, dass wir die Jahrtausendreform schaffen, und dann wird alles gut, sondern wir bemühen uns, die Probleme der Vergangenheit Stück für Stück – angefangen von Integrationsfragen im Bereich Deutschpflicht etwa, ich habe es heute schon einmal gesagt, bis hin zum Pä­dagogikpaket – aufzuarbeiten, um Positives für die Zukunft zu erreichen.

Vielleicht noch ein paar konkrete Geschichten, die Ihren Polemiken entgegenzusetzen sind: Autonomie – ja, wir müssen darüber reden, wie sie funktioniert, wir müssen eva­luieren, was mit dem Bildungsreformgesetz geschehen ist, wie sich das auswirken wird, und wir werden es dann hoffentlich auch verbessern können.

Gleiches gilt natürlich auch für den großen Themenbereich Parteipolitik in der Schul­verwaltung. Ich weiß, dass das ein Problem ist. Ich habe gerade in Kärnten erlebt, wie der rote Landeshauptmann dort wieder einmal mehr oder weniger rot einfärbt. Das brauchen und wollen wir natürlich nicht. (Abg. Scherak: Das würden die Freiheitlichen nie tun!) – Das ist ein Anspruch, den ich schon an mich stelle, dass wir das nicht ma­chen sollten. Deswegen wissen wir, und das gebe ich auch zu, dass hier Verbesse­rungsbedarf besteht; das muss man sagen. (Beifall der Abgeordneten Meinl-Reisinger und Loacker.)

Ein weiterer Punkt in der Frage des Bildungsreformgesetzes ist natürlich die Transpa­renz. Hätten Sie unser Regierungsprogramm gelesen, Frau Meinl-Reisinger – das ha­ben Sie offensichtlich auch verabsäumt –, dann hätten Sie gesehen, dass wir auch da auf mehr Transparenz drängen, dass wir auch in Richtung Evaluierung gehen, um dann eine entsprechende Verbesserung hinzubekommen.

Stichwort ganztägige Schulformen – auch das steht im Regierungsprogramm; natürlich steht das drin, Herr Kollege Loacker (Abg. Loacker: Da steht vieles drin, was nicht kommt! Beispielsweise die Pensionsversicherung für alle!), wer lesen kann, ist klar im Vorteil –: Auch diesbezüglich haben wir verankert, wir sind für einen Ausbau, aber un­ter der Prämisse des Bedarfs und der Wahlfreiheit. Die muss einfach gegeben sein, dann wird das auch passieren.

Über den Kindergarten haben wir heute schon ausführlich gesprochen. Wir haben im Nationalrat mit der 15a-Vereinbarung und den diversen Maßnahmen im Zusammen­hang mit der Integration und dergleichen auch schon entsprechend gehandelt. Ich weiß nicht, wo Sie da Stillstand oder Rückschritte sehen; das ist einfach nicht der Fall. Wir treiben Verbesserungen, dort, wo sie notwendig sind, voran, und wir werden die Dinge, die gut sind, weiterentwickeln, was auch gut ist. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ein letzter Punkt, den Sie schon selbst angesprochen haben, weil Sie wussten, dass sozusagen der Anwurf kommen könnte, ist die ganze Thematik Eigenverantwortung, Bringschuld bei Integration, aber bei Bildung generell. – Ja, die gibt es, und das sehen Sie offensichtlich dann doch auch so, also betonen Sie es auch ein wenig mehr und machen Sie nicht das Gleiche, was die Sozialisten machen! Da habe ich manchmal ein bisschen das Gefühl, Sie sind ein bisschen kryptosozialistisch, was das betrifft, mit ein bisschen einem neoliberalen Anstrich. (Abg. Meinl-Reisinger: Nein, die Kryptosozialis­ten seid ihr!) – Nein, dieses Gefühl beschleicht einen, wenn man sich Ihre ganzen ge­sellschaftspolitischen Ansinnen anschaut.

Benennen Sie diese Eigenverantwortung, appellieren Sie an die Menschen, egal ob Zuwanderer, ob Inländer oder Österreicher, die schon länger hier leben! Es geht da­rum, dass man auch eine gewisse Bringschuld hat, dass man selbst auch etwas wollen muss.


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Darüber hinaus: Werden Sie einfach fair und seien Sie nicht so polemisch, dann kön­nen wir vielleicht konstruktiver miteinander arbeiten! – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

16.18


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Cox. – Bitte. (Abg. Noll: So tief kann die Sonne gar nicht stehen, dass Sie noch einen Schat­ten werfen! – Heiterkeit und Beifall bei JETZT. – Abg. Noll: Sie brauchen sich über die Polemik der anderen überhaupt nicht aufregen!)


16.18.27

Abgeordnete Stephanie Cox, BA (JETZT): Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Hallo auch an die Gäste auf der Galerie, auch an die Schüle­rinnen und Schüler! Ich bin erst seit einem Jahr Abgeordnete hier im Hohen Haus und zuständig für die Schwerpunkte Digitalisierung und Bildung. Spannend gerade in die­sen Bereichen Digitalisierung und Bildung sind auch die Debatten im Ausschuss für Forschung, Innovation und Digitalisierung und im Unterrichtsausschuss.

Im Bildungsbereich, das hat man heute schon gesehen – für diejenigen, die jetzt auf der Galerie zuschauen –, ist die Situation sehr emotional und vor allem auch sehr ideo­logiegeladen. Also der Bildungsbereich ist ein Bereich, der unglaublich ideologiegela­den ist und in dem vor allem – und das ist das Traurige – eine konstruktive Zusam­menarbeit nicht wirklich möglich ist. Es ist eine Art Elfenbeinturmpolitik, die ich hier sehe.

Was passiert? – Nehmen wir einmal das Pädagogikpaket her: ExpertInnen werden, nachdem wir von der Opposition Druck machen, eingeladen, im Ausschuss über die nächsten Schritte das Pädagogikpaket betreffend zu berichten, beispielsweise über die Wiedereinführung von Ziffernnoten, des Sitzenbleibens und so weiter, wie wir heute schon gehört haben.

Es gibt eine klare Meinung, und das ist keine gute. Was passiert aber mit der Meinung der WissenschaftlerInnen, der Menschen aus der Praxis? – Weggewischt! Heute wur­de ein Pädagogikpaket beschlossen, das diese Meinung nicht integriert hat.

Stichwort Anträge: Alle Anträge der Opposition werden vertagt oder abgelehnt.

Schauen wir uns den Masterplan Digitalisierung an! – Es ist unglaublich schade, dass da auch ein bisschen eine Elfenbeinturmpolitik verfolgt wird. Da werden wir weder ein­geladen noch einbezogen, dabei geht es um ein Zukunftsthema. Es geht darum, wie wir die Schülerinnen und Schüler auf die Zukunft vorbereiten. (Beifall bei JETZT.)

Kommen wir zur Evidenz, die heute schon des Öfteren angesprochen worden ist. – Herr Minister, wenn Sie heute bei der Beantwortung der Dringlichen Anfrage meinem Kollegen von den NEOS antworten, dass die wissenschaftliche Evidenz das Regie­rungsabkommen ist, dann können Sie uns nicht böse sein, wenn wir das, was Sie im „Standard“-Artikel gesagt haben, immer wieder zitieren und Ihnen vor Augen halten, weil das anscheinend wirklich die Realität ist. Und was ist da die Realität? – Ich lese vor: „Es ist eine politische Entscheidung, wie vieles, was ich entscheiden muss. Nicht hinter jeder politischen Entscheidung gibt es auch eine wissenschaftliche Fundie­rung.“ – Das zu hören ist sehr, sehr traurig, vor allem in der Bildungspolitik.

Was, denke ich, braucht es? – Es braucht ein Land der Bildung. Es braucht eine ganz andere Priorisierung der Bildung, denn die Bildung entscheidet, wo wir in Zukunft hin­gehen. Sie entscheidet, wie KollegInnen vor mir schon gesagt haben, über die Zukunft der hundert Prozent, und das sind die jungen Menschen, die wir jetzt in der Schule haben (Beifall bei JETZT), die dort sitzen und Werkzeuge mitbekommen sollten, um ihre Zukunft bestreiten zu können.


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Wir müssen uns endlich auf die Reise nach Bildung machen. Was heißt das: die Reise nach Bildung? – Bei diesem Thema heißt das, junge Menschen nicht nur auf der Be­suchertribüne sitzen zu lassen, sondern diesen Schülerinnen und Schüler einen Platz am Tisch zu geben, aber auch eine Stimme, denn das ist ihre Zukunft. Es ist wichtig, dass wir ihre Stimme hören, wenn es um solch wichtige Themen, wie zum Beispiel um jenes, das heute beschlossen wurde, geht. (Beifall bei JETZT.)

Ich habe mich vor fünf Jahren mit meinem Projekt Land der Bildung genau auf diese Reise begeben. Ich bin durch Österreich gehitchhikt, ich habe per Autostopp jedes Bundesland besucht. Ich habe mit BergbäuerInnen, mit SchülerInnen, mit StudentIn­nen, mit alleinerziehenden Müttern, mit Unternehmerinnen und Unternehmern gespro­chen, und das kann man auch online nachlesen.

Was habe ich da mitnehmen können? – Ich gebe Ihnen einmal einen Einblick und sage Ihnen, in diesen fünf Jahren hat sich nichts, hat sich nicht viel verändert. Im Moment ist eher ein Rückschritt zu sehen, und das ist sehr, sehr traurig, weil wir uns gerade nicht auf der Reise nach Bildung befinden, sondern die Reise nach hinten antreten, und das bedeutet Rückschritt, leider. (Beifall bei JETZT.)

Dornbirn: Dort habe ich Klaus getroffen. Er ist seit seiner Geburt im Rollstuhl, und was sagt er? – Wenn wir uns nicht die Chance geben, von Menschen mit Beeinträchtigun­gen zu lernen, um Menschlichkeit und Akzeptanz mit ihnen zu üben, so behindern wir in erster Linie uns selbst.

Das kann ich nur unterschreiben. Was aber macht die Regierung, wenn solche Aussa­gen nicht nur Aussagen sind, sondern die Realität von Menschen mit Behinderun­gen? – Inklusionsklassen? – Es gab lange Diskussionen, ob in Oberösterreich diese Inklusionsklassen, die es dort seit Jahren gibt, weitergeführt werden dürfen.

Ausgrenzung, Absonderung, Separation – ich spreche da von der Stärkung des Son­derschulwesens, von Deutschförderklassen; die Errichtung von Eliteschulen in jedem Bundesland ist ja noch in Planung. Das führt zur Spaltung der Gesellschaft, und das können wir uns im Jahr 2018 nicht leisten. Wir müssen nach vorne schauen und schauen, wie wir die Gesellschaft zusammenführen können, vor allem auch in einem so wichtigen Bereich wie dem Bildungsbereich.

Salzburg: Dort habe ich eine Diskussion mit zukünftigen LehrerInnen und Mitarbeite­rInnen der Pädagogischen Hochschule geführt. Eine/r der zukünftigen LehrerInnen hat mir gesagt: „Kinder kommen hochmotiviert in die Schule – wie kann es sein, dass so vielen von ihnen bis zur Matura die Lust am Lernen vollkommen vergeht?“ Dieselbe Frage stelle ich mir auch: Wie können wir es verantworten, dass wir in den Schulklas­sen den Kindern und Jugendlichen die Lust am Lernen vergehen lassen? – Das ist eigentlich traurig. Schule sollte doch ein Ort sein, wo wir ihre Neugierde wecken, wo wir ihre Fähigkeiten formen, damit sie die besten Werkzeuge haben, um ihre Zukunft zu bestreiten.

Was machen wir? Was beschließt die Regierung? – Sie kürzt das Geld für Psycholo­gInnen, für SozialarbeiterInnen, das heißt, LehrerInnen haben nicht einmal die Möglich­keit, dass sie sich um die Individuen, um diese Kinder, wirklich kümmern, nämlich in der Form, wie es sein sollte und wie sie es brauchen. (Beifall bei JETZT. – Abg. Win­zig: Das stimmt jetzt leider nicht!)

Deswegen blicke ich schon mit Spannung nach vorne, was den Masterplan betrifft. Ich hoffe wirklich, dass es ein Masterplan ist, denn wir brauchen da einen Masterplan. Wir sind in einem Zeitalter, in dem die Digitalisierung entweder eine Brücke sein kann oder etwas sein kann, das uns eher isoliert. Ich glaube, gerade im Bildungssystem brauchen wir eine Brücke in den Klassenräumen, und dafür können wir auf jeden Fall die tech­nologischen Hilfsmittel verwenden.


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Was habe ich noch gehört auf dieser Reise? Was habe ich mitgenommen? – Nichts wurde so oft kritisiert wie die Eigenschaft unseres Bildungssystems, Menschen nach ihren Schwächen anstatt ihren Stärken zu beurteilen. Es wurde oft gesagt, dass der Rotstift regiert, und das ist leider wirklich so. Der Rotstift ist in vielen Alpträumen von Kindern verankert, und das sollte nicht so sein.

Felix, ein Student der MultiMediaArt an der FH in Puch, meinte zum Beispiel: „Die Ta­lente, die wir hier haben, das sind teilweise wirklich außergewöhnliche Künstler. Wenn man die bloß mehr in ihren Stärken fördern, als sich auf ihre Schwächen konzentrieren würde…“

Ich denke, wir haben auch positive Dinge aus dem Pädagogikpaket herausgehoben, aber es ist so – und das ist das Traurige , dass Ziffernnoten und das Sitzenbleiben auf jeden Fall keine geeigneten Elemente sind, um die Stärken in der Form heraus­kommen zu lassen, wie wir es brauchen würden.

Was denke ich, was es braucht? Was denken wir, was es braucht? Was sollte Schule sein? – Schule sollte ein Raum sein, der nicht abhängig vom Kontostand der Eltern ist, also aufgrund dessen nicht besser oder schlechter, sondern sie sollte ein Raum sein, in dem alle Kinder die gleichen Chancen haben. (Beifall bei JETZT.)

Schule sollte ein Raum sein, in dem Kinder keine Angst vor schlechten Noten haben, sondern in dem Talente der SchülerInnen gefördert werden und Lust auf das Lernen gemacht wird.

Was sollte Schule noch sein? – Schule sollte ein Raum sein, in welchem keine Dis­kriminierung stattfindet, sie sollte ein Nährboden für Zusammenhalt und Respekt sein. Die Klasse sollte ein Raum des Fortschritts sein, wo neue Technologien gezielt einge­setzt werden, aber trotzdem das Analoge, das Zwischenmenschliche gefördert wird, und zum Vorteil der SchülerInnen und vor allem auch der LehrerInnen genützt werden.

Schulen, Bildungsstätten, Kindergärten müssen ein Nährboden sein, ein Nährboden für heranwachsende junge Menschen, damit sie selbstbewusst werden, mündige Men­schen, die mitgestalten möchten und können. Dazu braucht es Chancengerechtigkeit und Mut zur Innovation. – Danke. (Beifall bei JETZT.)

16.27


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Michael Bernhard. – Bitte.


16.27.57

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Wenn wir über Bildung sprechen, sprechen wir auch über Krippen, sprechen wir über Kindergärten. Und wenn wir über Kindergärten sprechen, dann sprechen wir von zwei Spannungsfeldern. Erstens: Wenn die Kleinen aus unserer Gesellschaft von der Familie in eine erste Institution kommen, stellen sich Fragen wie: Werden sie be­treut? Werden sie begleitet? Kriegen sie den ersten Zugang zur Bildung? Das zweite Spannungsfeld ist, wenn sie aus der Krippe herauskommen, wenn sie ins Vorschulalter kommen, ins letzte Jahr des Kindergartens und dann ins erste Jahr Volksschule über­treten. Die Frage ist: Wie gut nutzen wir heute schon die Institution Kindergarten für diese Generation, für die Kleinsten in unserer Gesellschaft? – Da kann man sagen: Wir haben sehr viel Luft nach oben, ganz, ganz viel Luft nach oben!

Wir waren auf dem richtigen Weg. Wir haben bereits beschlossen gehabt, dass wir über den Finanzausgleich erstmals eine Aufgabenorientierung für die Kindergärten festlegen wollen. Das heißt, dass ein Kindergarten in Zukunft nach der Größe gefördert worden wäre, nach der Anzahl der Kinder, die im Kindergarten sind, auch nach der An-


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zahl der Kinder mit Migrationshintergrund, nach der Anzahl der Schließtage. Wir dürfen nicht vergessen, es gibt noch immer viele Bundesländer – namentlich kann ich allen voran eines nennen, nämlich Tirol –, in denen die Kindergärten im Durchschnitt 34 Ta­ge pro Jahr zugesperrt haben. Der Arbeitnehmer und die Arbeitnehmerin haben im Schnitt 25 Tage Urlaub. Das bedeutet, das, was wir machen, zerschneidet Familien, das zerschneidet die gemeinsame Familienzeit, die ohnehin oft viel zu rar ist.

Diese Form von finanziellem Anreiz, dass Kindergärten auch leistungsorientierter funk­tionieren, nach außen in der Finanzierung und qualitätsvoller nach innen, hat diese Bundesregierung zurückgenommen.

Ein anderer Punkt, der nicht weniger wichtig war: ein zuletzt erfolgreicher Antrag mei­ner Kollegin Gamon für einen bundeseinheitlichen Rahmen bei den Kinderbetreu­ungen, das heißt, dass wir als Republik Österreich sagen, egal, ob du am Bodensee oder am Neusiedler See aufwächst, es soll einen gemeinsamen Rahmen dafür geben, was du als Kind in der Institution Kindergarten an Kompetenz erwirbst. Das wurde wie­der zurückgestellt. Das gibt es ebenfalls wieder nicht.

Der dritte Punkt, wofür ebenfalls jetzt eine gute Möglichkeit gewesen wäre: das zweite verpflichtende Kindergartenjahr für jene Kinder, die es brauchen. Wir wissen, dass wir eine besondere Herausforderung im Bereich der gemeinsamen Sprache haben, und wir wissen, dass sich in dem zweiten Spannungsfeld, von dem ich vorher gesprochen habe, nämlich dem Gleiten vom Kindergarten in die Volksschule, ganz vieles entschei­det. Wenn es da sprachliche Schwierigkeiten gibt, bedeutet das nicht nur später in der schulischen Karriere einen Knick, sondern es bedeutet auch einen Knick in der Teilha­be der Kinder untereinander.

Wir haben eine Verantwortung dafür, genau diese Chancen zu schaffen, damit Kinder nicht frühzeitig durch das System, das wir kreieren, wieder aussortiert werden.

Genau diese Dinge waren bereits auf dem Weg, und all diese Dinge hat die beste­hende Bundesregierung vernichtet.

Neben dem Punkt beim Übergang vom Kindergarten in die Volksschule, den ich vorher im Zusammenhang mit der Finanzierung erwähnt habe, gibt es einen zweiten wichtigen Punkt, der sang- und klanglos gefallen ist. Die Idee war, den aufgabenorientierten Fi­nanzausgleich zuerst für Kindergärten zu machen und nach einem Pilotprojekt dort ab 2019 eine Ausweitung für die Pflichtschulen vorzusehen. Das hätte bedeutet, dass die Pflichtschulen ebenfalls eine andere Form der Finanzierung erhalten hätten, die sich nach – in dem Fall sind die Öffnungszeiten nicht so relevant – der Leistung, die sie er­bracht haben, nach der Anzahl der Kinder, die dort in die Schule gehen, und auch nach der Anzahl der Kinder mit Migrationshintergrund richtet.

Wenn wir jetzt immer wieder davon reden, dass wir auch im Pflichtschulbereich große Probleme haben, dann muss man auch sagen, diese Regierung hat genau jene Maß­nahmen, die bereits auf dem Weg waren und die zumindest eine Abschwächung der Probleme mit sich gebracht hätten, schlichtweg untergraben. Da fehlt jedes Signal.

Das, was wir brauchen, sehr geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ist, dass wir das Wohl der Kleinsten in unserer Gesellschaft in das Zentrum unserer Arbeit stellen, dass wir nicht allein über Kopftücher diskutieren, dass wir nicht schwarze Schafe in der Branche heraussuchen, sondern dass wir uns gemeinsam überlegen, wie wir die bes­ten Chancen für diese 12,5 Prozent schaffen, die später einmal 100 Prozent unserer Zukunft werden. Da ist die Regierung definitiv am Holzweg. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

16.33


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Kauf­mann. – Bitte.



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16.33.08

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Danke, Herr Präsident, für die Worterteilung! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus, auf der Galerie und vor den Bild­schirmen zu Hause! Wir diskutieren dank der NEOS heute noch ein Stück weiter über das Thema Bildung. Wenn man sich anschaut, was wir heute schon am Vormittag dis­kutieren konnten, auch welche Antworten der Herr Bundesminister gegeben hat, sieht man, dass im vergangenen Jahr unter dieser neuen Bundesregierung im Bildungsbe­reich vieles weitergegangen ist – dafür auch ein großes Dankeschön an dich und dein Ressort. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Bildungspolitik ist auch das, was mich, mittlerweile vor 17 Jahren, motiviert hat, mich politisch zu engagieren, weil ich der Meinung war, es muss sich in unserem System ei­niges verändern. Kaum sind auch viele ehemalige Schülervertreter mit im Nationalrat, kann ein Nico Marchetti schon zwei Anträge einbringen, die eine langjährige Forderung beinhalten: auf der einen Seite, dass das Schülerparlament verpflichtend stattfinden kann, und auf der anderen Seite das Lehrerfeedback. Auch das Lehrerfeedback, werte Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, trägt dazu bei, dass die Qualität in un­seren Bildungseinrichtungen besser werden kann, und ist ein Beweis für die gute Bil­dungspolitik dieser Regierung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Mein Vorredner, Kollege Bernhard, hat über die Elementarpädagogik gesprochen. Ja, die Kinderkrippen, die Kindergärten sind der Schlüssel für unsere Zukunft, sind der Schlüssel dafür, dass wir unseren Kindern eine Chancengerechtigkeit ermöglichen, dass wir ihnen die Startchancen für ein eigenverantwortliches Leben mitgeben können, denn nur, wenn sie die wirklich notwendigen Dinge schon in der Kinderkrippe, im Kin­dergarten und in der Volksschule lernen, haben sie in Zukunft auch ihr eigenes Leben in der Hand. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wenn Kollege Bernhard sagt, wir haben keine Qualitätsstandards in den Kinderkrip­pen, in den Kindergärten, dann muss ich ihn fragen: Ja, und was ist mit dem Bundes­bildungsrahmenplan, wo wir genau das vorgeben? Wenn die NEOS sagen, wir machen nichts im Bereich der Sprachförderung, dann muss ich fragen: Ja, wo wart ihr bei der letzten Sitzung, in der wir die 15a-Vereinbarung diskutiert haben, in der wir genau 20 Millionen Euro für die Sprachförderung beschlossen haben? – weil wir wissen, wie wichtig das ist, dass wir genau in dem Bereich Geld investieren, damit die Kinder mit Schuleintritt die gleichen Startchancen haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordne­ten der FPÖ.)

Ein weiterer wichtiger Bereich sind die Deutschförderklassen, die wir eingeführt ha­ben – auch ein weiterer Grundstein dafür, dass man in der Schule alles mitbekommt und alles lernen kann, was man braucht. – Und dagegen seid ihr auch. Also was soll man denn sonst machen? Die Dinge, die ihr irgendwo irgendwann in einer idealen, per­fekten Welt haben wollt? – Nein, wir haben heute diese Herausforderungen. Wir haben heute in den Kindergärten, wir haben heute in den Schulen diese Herausforderungen, die wir auch heute angehen müssen. Und nein, Herr Kollege Hoyos-Trauttmansdorff, wir machen keine Showpolitik, wir machen Schulpolitik, und das seit einem Jahr in die­ser Regierung, mit 76 Millionen Euro mehr an Budget als zuvor! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Als Lehrlingssprecherin ist es mir aber wichtig, auch noch einen anderen Bereich he­rauszugreifen, wir investieren nämlich auch 20 Millionen Euro mehr im Bereich der Be­rufsschulen. Wir investieren mehr Geld, um auch die Qualität unseres dualen Berufs­ausbildungssystems in Österreich zu verbessern. Im Übrigen handelt es sich dabei um ein System, um das uns viele andere Länder beneiden, das sich viele andere Länder bei uns anschauen, um vermittelt zu bekommen, wie sie dieses System auch in ihren


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Ländern etablieren können, ein System, das manchmal von uns in Österreich zu wenig wertgeschätzt wird. Ich glaube, da haben wir gemeinsam die Verantwortung, dass es uns gelingt, ein System zu stärken, das sowohl Schule als auch duale Berufsausbil­dung nebeneinander gleichwertig und gleich geschätzt zur Verfügung stellt.

Liebe Kollegen von der Opposition, stutzen Sie nicht die Flügel von jungen Menschen, von Kindern (Abg. Lueger: Das machen Sie schon selber! Sie haben die Lehrlings­entschädigung halbiert!), indem Sie permanent sagen, wie schlecht die Ausbildung von Kindern und Jugendlichen in Österreich ist, denn sie ist eine gute und sie wird in den nächsten Jahren von dieser Bundesregierung und von diesem Nationalrat noch ver­bessert werden! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

16.38


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Holzleit­ner. – Bitte.


16.38.28

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Chancengerechtigkeit an Schulen, soziale Durchmischung wird leider noch immer ver­baut. Ein Phänomen, das in Österreich auch noch im Jahr 2018 Realität ist: Bildung wird vererbt. Das zeigt uns auch Jahr für Jahr die OECD-Studie Bildung auf einen Blick: Bildung und der sozioökonomische Status des Haushaltes hängen in Österreich noch immer zusammen. Die aktuellen Schritte, die die Bundesregierung da setzt, be­seitigen diese Hürden nicht, sondern bauen diese eigentlich noch aus und zementieren diese ein.

Der Ausbau einer flächendeckenden qualitativen Kinderbetreuung als erste Bildungs­einrichtung und der Ausbau der Ganztagsschulen sind wesentliche Voraussetzungen für mehr Chancengerechtigkeit, gelingende Integration und die Vereinbarkeit von Fami­lie und Beruf. Solange das nicht funktioniert, brauchen wir eigentlich gar nicht von Ver­einbarkeit von Familie, Beruf und Pflege zu reden, denn davon sind wir noch ganz weit weg. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von NEOS und JETZT.)

Gerade diese Anerkennung von Bildung bereits im ganz jungen Alter ist einer der Schlüssel für eine erfolgreiche Zukunft – Kinderbildung statt Kinderbetreuung –, doch da verkauft die Regierung schon die Rücknahme der Kürzungen beim Ausbau als vol­len Erfolg, einen Rechtsanspruch auf ein zweites Kindergartenjahr sucht man vergeb­lich. Diese frühe Kinderbildung ist aber, wie gesagt, ein entscheidender Faktor für den künftigen Schulerfolg.

Konkrete und umfassende Maßnahmen im Integrationsbereich werden gestrichen, der Ganztagsschulausbau gestoppt. Stattdessen gibt es Debatten über Ziffernnoten, über Strafen für das Schulschwänzen und Eignungstests für Volksschülerinnen und Volks­schüler.

Und noch ein Thema: der Fachkräftemangel. Mit der Ausbildungspflicht und der Ausbil­dungsgarantie gibt es in Österreich eigentlich nur sehr wenige Jugendliche, die nicht in der Schule, im Beruf oder in einer Ausbildung sind – eigentlich eine wirklich große Stär­ke. Aber was passiert auch in diesem Bereich? – Man streicht die Mittel für Ausbil­dungsprogramme für Jugendliche, die Mittel für Integration auf ein Mindestmaß zusam­men.

Expertinnen und Experten der OECD belegen jedes Jahr aufs Neue: Soziale Gerech­tigkeit ist ganz eng mit gezielter Förderung und Chancengerechtigkeit in der Bildung verbunden, von Kindergarten und Schule bis zur Berufsausbildung und Universität. Was hier passiert, und die Regierung macht das leider nicht nur fahrlässig, sondern ei-


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gentlich mutwillig, ist, dass man bestehende Stärken unseres Bildungssystems schwächt und die soziale Spaltung vertieft.

Eines noch zum Abschluss Kollege Taschner hat es in seinem Redebeitrag zum Pä­dagogikpaket schon gesagt : In der Schule steht das Kind im Mittelpunkt. Das ist auch richtig, und deswegen ist es eigentlich für mich unununtragbar, wenn die Wirtschafts­ministerin herkommt und sagt, Gymnasien produzieren an der Wirtschaft vorbei! Pro­duzieren! (Beifall bei der SPÖ.) Es geht um Schülerinnen und Schüler, es geht um Kinder und Jugendliche und nicht um ein Produkt! Schülerinnen und Schüler sind kein Produkt, das sind Menschen! Eine unfassbare Einstellung! (Abg. Wöginger: Das ist eine Überinterpretation der ...! Da muss man nachlesen!)

Wir von der Sozialdemokratie kämpfen auf jeden Fall für ein Bildungssystem, das durchlässig ist, Chancen ermöglicht und Talente fördert, für eine Bildung, die für alle leistbar ist, nicht spaltet und nicht segregiert. (Beifall bei der SPÖ.)

16.42


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hau­ser. – Bitte. (Abg. Neubauer: Die Frau Rendi-Wagner hat ihre Kinder in der Privatschule!)


16.42.29

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ja, es ist gut, dass wir heute einmal intensiv über die Bildung in Österreich diskutieren; Danke auch für diese Dringliche Anfrage.

Was eint uns? – Ich glaube, unser aller Bemühen, dass wir für die Kinder das Maxi­male herausholen müssen. Die Kinder sind im Zentrum der Bildungspolitik, und wir wollen alle das Beste für unsere Kinder. Das eint uns. Was eint uns noch? – Wir alle wollen ideale Voraussetzungen für die Pädagoginnen und Pädagogen, die Infrastruktur muss passen. – Okay?

Wo wird die Luft der Einigkeit schon dünner? – Wir, der Bund, investieren derzeit 8,8 Milliarden Euro in die Bildungspolitik, dazu noch die Länder plus die Gemeinden in Summe 15, 16 Milliarden Euro. Ich glaube, da sind wir nicht mehr der gleichen Mei­nung, wenn wir feststellen, dass wir mit dem Resultat dieser Investition zufrieden sein können. Wir sind es nicht!

Das Nächste, das ich festhalten muss, das uns eigentlich auch einen sollte: Bis vor einem Jahr war die SPÖ hier im Hohen Haus für die Bildungspolitik verantwortlich – und innerhalb eines Jahres sollen wir alle Verfehlungen dieser Bildungspolitik wettma­chen? Das ist ein Ding der Unmöglichkeit! Das schaffen wir trotz intensivster Bemü­hungen nicht. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Plessl: Weil ihr in die falsche Richtung geht!)

Alles, was die SPÖ heute hier vorgetragen hat, geschätzte Kolleginnen und Kollegen der SPÖ, ist daher eine perfekte Selbstanklage. Sie waren zuständig! Alles, was Sie einfordern, hätten Sie umsetzen sollen und müssen. Sie haben es nicht geschafft – Selbstanklage! Ihre Glaubwürdigkeit ist geradezu null, nicht vorhanden. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Aus meiner Sicht noch ein paar Punkte, die aus unserer Sicht falsch laufen: Die Nach­hilfekosten sind, wie angesprochen, hoch. Wir müssen ein Schulsystem haben, bei dem die Nachhilfekosten gegen null gehen. Die Privatschulen boomen. Ich darf Profes­sor Liessmann zitieren, der richtigerweise festgestellt hat: „Wenn politisch Verantwortli­che die Gesamtschule propagieren,“ – das geht in Ihre Richtung (in Richtung SPÖ) – „ihre eigenen Kinder jedoch in die katholische Privatschule schicken, weiß man, was los ist.“


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Denken Sie einmal darüber nach, wieso die Privatschulen boomen! Wir investieren 15, 16 Milliarden Euro inklusive der Gemeinden, da müssen wir es doch schaffen, den Schülern auch ohne Privatschulen weitestgehend das erforderliche Bildungsniveau zu vermitteln.

Was wollen wir tun? – Einige Punkte, die ich jetzt herausstreichen möchte: Wir müssen damit beginnen, die Schule wieder mit Herz anzufassen. Schüler sind überfordert, Eltern sind überfordert, der Bedarf an Nachhilfe steigt. Also was ist zu tun? – Wir müs­sen einmal Lehrpläne reduzieren, weniger ist mehr. Auch diesbezüglich arbeiten wir. (Beifall bei Abgeordneten von FPÖ und ÖVP. – Abg. Plessl: Ein sehr gewagter Zu­gang!) Wir werden bei den Lehrplänen eine wesentliche Verbesserung herbeiführen, damit in der Schule mehr Zeit zum Lernen bleibt, damit man in der Schule auch mehr Zeit zum Üben hat, damit das Üben nicht auf den Nachmittag verlegt wird, wo die El­tern und auch die Schüler überfordert sind. Das ist ein wichtiger Ansatz.

Wir wollen Altbewährtes beibehalten. Wir wollen, dass das differenzierte Schulsystem bestehen bleibt. Für jedes Kind das Beste, das ist entscheidend und wichtig. Deswe­gen war es notwendig, dass wir die AHS-Unterstufe verteidigt haben. (Beifall bei Abge­ordneten von FPÖ und ÖVP.) Deswegen ist es notwendig, die Fehler der Neuen Mittel­schule auszumerzen. Wir haben jetzt wieder die Möglichkeit, in den Hauptfächern dif­ferenziert zu unterrichten und damit auch Schülern der Neuen Mittelschule die Chance zu geben, in eine AHS oder BHS überzutreten. Wir fördern damit ein durchlässiges Bildungssystem. Das ist absolut notwendig und ist auch eine Chance für die Neuen Mittelschulen, die zukünftig Mittelschulen heißen werden. (Beifall bei Abgeordneten von FPÖ und ÖVP.)

Wir wollen keinen Schuleintritt mehr ohne Deutschkenntnisse. Unser Projekt der Deutschförderklassen wurde von Ihnen massiv kritisiert, die SPÖ hat uns angepran­gert, wir wurden auch in den Bundesländern angeprangert. Ich habe einen Bericht der „Tiroler Tageszeitung“ von gestern dabei. Es wurde auch von der Tiroler Bildungslan­desrätin Palfrader die Einführung der Deutschförderklassen kritisiert. So, was stellt sie gestern fest? – Ich zitiere: „Die Maßnahme ist gut angelaufen und wird auch gut ange­nommen.“ – Feststellung Landesrätin Palfrader, entgegen ihrer ursprünglichen Kritik.

Wie schaut die Kritik der SPÖ aus? – Auch der gestrigen Tageszeitung zu entnehmen; SPÖ-Bildungspolitikerin, für Innsbruck zuständig, sagt Folgendes: „In Innsbruck hat sich laut der Bildungsstadträtin trotz der Einführung der Deutschförderklassen ,gar nichts geändert‘.“ Sie behauptet, dass sich nichts getan hat. Also Sie sind wirklich auf beiden Augen blind und Sie ignorieren einfach die Tatsachen. (Beifall bei Abgeordne­ten von FPÖ und ÖVP.)

Wir wollen die Schule modernisieren, wir wollen sie digitalisieren, ein Masterplan Digi­talisierung wird ausgearbeitet. (Abg. Plessl: Wo ist das Geld dafür?) Wir werden der Begabtenförderung wieder einen entsprechenden Stellenwert zuerkennen. Schauen Sie bitte in unserem Regierungsprogramm nach! Wir werden die Ganztagsschulen na­türlich einführen, aber flexibel gestalten, eine Wahlfreiheit und eine nicht verschränkte Form umsetzen. Wir werden die Frühpädagogik intensivieren und wir werden auch bei der PädagogInnenausbildung einiges verbessern.

Also Sie sehen: ein Gesamtpaket, bitte lassen Sie uns arbeiten! Wir sind jetzt ein Jahr bei der Arbeit, und wir werden uns weiterhin konsequent um die Umsetzung dieser Punkte bemühen. (Abg. Plessl: Welches Budget ist vorgesehen? – Das sagen Sie nicht!)

Abschließend: Herr Minister, lassen Sie sich bitte nicht durch Kritik aus der Ruhe brin­gen, Sie haben unsere Rückendeckung! Wir werden helfen, die österreichische Schule


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wieder dorthin zu bringen, wo es notwendig ist, damit wir wieder internationalen Stan­dard erreichen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

16.49


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Zadić. – Bitte. (Abg. Wittmann: Sie blicken hoffnungsvoll in die Vergangenheit! – Abg. Loa­cker: Jetzt freut sich der Faßmann, dass er den Hauser im Rücken hat!)


16.49.37

Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (JETZT): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bun­desminister! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich will in Bildungsfragen und in der Bildung echte Chancengerechtigkeit, und zwar un­abhängig von sozialer Herkunft, unabhängig vom Geburtsort und unabhängig von der Muttersprache; denn jedes Kind muss gleich viel wert sein. (Beifall bei JETZT sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

Jedes Kind verdient die gleichen Chancen. Darauf, dass das in Österreich leider nicht so ist, weisen uns zahlreiche Studien hin. Die OECD-Studie wurde vielfach zitiert und ich möchte auch noch einmal hervorheben, dass Österreich in dieser Studie das Schlusslicht bildet, gerade bei Kindern, die aus einem bildungsfernen Haushalt stam­men. Lediglich 10 Prozent der Kinder, deren Eltern einen Pflichtschulabschluss haben, schaffen einen Universitätsabschluss; kommt ein Migrationshintergrund dazu, halbiert sich diese Zahl.

Ich finde es schade, dass der Herr Bildungsminister nicht da ist, denn ich hätte ihm gerne die Frage gestellt, ob ihm das bewusst ist und ob er sich jemals gefragt hat, wa­rum das der Fall ist. (Ruf bei der SPÖ: Wo ist der Minister?)

Sie reden hier immer wieder von Problemen in Brennpunktschulen, Sie reden immer wieder über die Herausforderungen der Lehrerinnen und Lehrer in Brennpunktschulen, insbesondere in Wien und in Ballungszentren. Ich frage mich, was Sie für diese Lehrer tun. Ich habe mit einigen Lehrerinnen und Lehrern gesprochen, denn ich stamme ja aus dem 15. Wiener Gemeindebezirk, und jeder weiß, dass der 15. Wiener Gemeinde­bezirk einen sehr hohen Ausländeranteil beziehungsweise einen sehr hohen Anteil an Personen mit Migrationshintergrund hat.

Diese Lehrerinnen und Lehrer lassen Sie alleine. Diese Lehrer brauchen mehr: Sie brauchen Schulpsychologen, sie brauchen Sozialarbeiterinnen und -arbeiter, und es braucht einfach viel mehr Sprachtrainerinnen und Sprachtrainer. (Beifall bei JETZT.) Erleichtern Sie die Arbeit dieser Lehrerinnen und Lehrer! Geben Sie ihnen eine Chan­ce, unterrichten zu können!

Was aber machen Sie für die Brennpunktschulen? – Das Einzige, was Sie machen, ist, Deutschförderklassen einzuführen. (Ruf bei der FPÖ: Das ist einmal wichtig!) Meine Damen und Herren, Deutschförderklassen führen nicht dazu, dass Kinder integriert werden. Sie führen dazu, dass sich in Schulen innerhalb einer Klassengemeinschaft eine Parallelgesellschaft bildet; eine Parallelgesellschaft, die Sie in unserer Gesell­schaft in Österreich nicht haben wollen. (Abg. Leichtfried: Genau so ist es! – Abg. Deimek: Integration ist eine Bringschuld!) Kinder mit schlechten Deutschkenntnissen bekommen von Anfang an den Stempel des Förderklasslers aufgedrückt. Ja glauben Sie wirklich, dass ein Kind, das aus einer Deutschförderklasse kommt, so leicht An­schluss findet? (Beifall bei JETZT sowie des Abg. Leichtfried. – Abg. Deimek: Glau­ben Sie nicht, dass Integration eine Bringschuld ist?)

Diese Kinder werden nicht so einfach Teil der Gesellschaft, und diese Kinder werden auch nicht so einfach in einer Deutschförderklasse die Sprache lernen, denn Kinder lernen voneinander. Sie stehlen diesen Kindern die Chance, voneinander lernen zu


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können. Sie sagen immer, Deutschförderklassen würden den Startnachteil ausglei­chen, aber das tun sie nicht – sie verstärken den Nachteil. Ich möchte Ihnen erklären, warum sie den Nachteil verstärken, denn ich bin der festen Überzeugung, dass Kinder mit Wertschätzung aufwachsen müssen und dass Kinder, auch wenn sie die Sprache nicht sprechen, trotzdem Wertschätzung brauchen. In einer gesonderten Förderklasse bekommen sie diese nicht.

Ja, auch ich bin im Alter von 10 Jahren nach Österreich gekommen, und ja, ich habe damals auch kein Wort Deutsch gesprochen. Ich will Ihnen erzählen, wie ich mich damals gefühlt habe, denn vielleicht kann der Bericht über diese Lebensrealität bei Ih­nen etwas bewirken. Als meine Eltern damals mit mir bei der ersten Volksschulklasse angeklopft haben, hat mich die Volksschule gar nicht aufgenommen, weil gesagt wurde, das Kind spricht ja kein Deutsch. Die nächste Volksschule hat mich aufgenom­men, aber es war klar, dass das Kind die Klasse wiederholen wird und es daher weder einen Deutschförderunterricht noch irgendwelche Zuwendungen braucht, und auch sonst hat sich die Lehrerin nicht für mich interessiert.

Was glauben Sie, was das mit einem ehrgeizigen Kind macht? – Selbstverständlich habe ich mich weniger wert als andere gefühlt, selbstverständlich hatte ich nicht das Gefühl, Teil der Gesellschaft zu sein, selbstverständlich wurde ich als die abgestem­pelt, die nicht Deutsch spricht. Die mangelnde Wertschätzung, die ich dort erfahren ha­be, hat aber bei mir kein Unwohlsein hervorgerufen, und das aus einem einzigen Grund: weil ich Glück hatte. Ich habe die Schule gewechselt und ging dann im 15. Wie­ner Gemeindebezirk zur Schule. Diese Schule und diese Lehrerinnen und Lehrer ha­ben gewusst, wie man mit Kindern umgeht, die kein Deutsch sprechen.

Ich habe von Anfang an Deutschförderunterricht bekommen (Abg. Deimek: Jetzt ist es auf einmal schlecht, wenn wir ihn einführen!), von Anfang an war ich Teil der Klas­sengemeinschaft, von Anfang an war ich Teil der Gesellschaft. Diese Wertschätzung, die ich dort erfahren habe, und diese Chance, die ich dort bekommen habe, die möchte ich für alle Kinder. (Beifall bei JETZT, SPÖ und NEOS.)

Diese Aufmerksamkeit will ich für alle Kinder, egal welcher Herkunft, egal welche Mut­tersprache sie sprechen. Verlieren Sie nicht die Generation der Kinder, die heute kein Deutsch sprechen! Zeigen Sie diesen Kindern, dass sie ein Teil der Gesellschaft sind! Zeigen Sie ihnen, dass es egal ist, welche Sprache sie sprechen! Geben Sie ihnen die­se Chance! (Beifall bei JETZT, SPÖ und NEOS.)

Ich würde heute nicht vor Ihnen stehen und würde heute nicht zu Ihnen sprechen, wenn ich diese Chancen nicht bekommen hätte. Ich will, dass morgen wieder eine Alma oder eine Selma oder eine Nurten hier vorne steht und zu Ihnen spricht. – Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei JETZT, SPÖ und NEOS.)

16.56


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schell­horn. – Bitte.


16.56.46

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Frau Staatsse­kretär! (Abg. Wittmann: Wo ist der Minister?) – Der Minister ist leider nicht hier. (Ruf bei der SPÖ: Die ganze Rede schon!) Ich bin nicht Bildungssprecher der NEOS, aber ich bin Unternehmer, ich komme aus der Wirtschaft.

Es ist, wie Kollegin Hammerschmid gesagt hat: Bildung ist die beste Form von Selbst­bestimmung. Jetzt haben wir auf der einen Seite die Wirtschaftsministerin, die erst vor Kurzem in den „Oberösterreichischen Nachrichten“ gesagt hat: „Die Gymnasien produ­zieren oft am Markt vorbei“. Über das Produzieren können wir streiten, aber sie hat die­ses Thema aufgegriffen, und uns muss bewusst sein, wohin es geht.


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Herr Minister Faßmann hat nämlich heute auf Frage 20 – die Frage war: „Gibt es Ent­wicklungspläne für die polytechnischen Schulen? Wenn ja, welche?“ – sinngemäß ge­antwortet: Ja, die 14-Jährigen bleiben die 14-Jährigen. Die müssen sich dann sozusa­gen entscheiden. Was den Polytechnischen Lehrgang betrifft, attraktivieren wir halt ein bisschen, aber hoffen dennoch, dass ihn möglichst viele 14-Jährige besuchen. – Das ist, glaube ich, der falsche Zugang.

Ich glaube, wir müssen uns an die Bedürfnisse der jungen Menschen von heute ge­wöhnen. Wir müssen uns daran gewöhnen, einen eventuellen Fachkräftemangel zu besänftigen, indem wir die 14-Jährigen von heute nicht mehr entscheiden lassen, wel­chen Weg sie gehen müssen. Die Entscheidung für die 14-Jährigen von heute treffen nämlich immer noch die Eltern. Zu 99,9 Prozent sagen sie: Es muss eine Oberstufe sein. Wir wollen nicht, dass du eine Lehre machst.

Faktum Nummer 1: Wir müssen die Lehre attraktivieren. Faktum Nummer 2: Wir sollten daran denken, dass wir nicht Eltern über 14-Jährige entscheiden lassen, sondern dass wir sie selbstbestimmt entscheiden lassen, welchen Weg sie gehen – wenn sie 17 Jah­re alt sind.

Denken wir doch darüber nach, nicht mehr den maria-theresianischen Schulzyklus zu haben, sondern einen anderen Schulzyklus, um einen eventuellen Fachkräftemangel in absehbarer Zeit damit auch abzulindern! Denken wir darüber nach, das Gymnasium nicht unter eine Käseglocke zu stellen, sondern befassen wir uns auch mit anderen Ausbildungsformen, zum Beispiel damit, die Lehre mit Matura zu attraktivieren! (Präsi­dentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Der Hauptfehler aber liegt darin, dass wir 14-Jährigen zumuten, eine Entscheidung treffen zu müssen. Das ist der springende Punkt. Herr Minister, wir können gerne in einem Zwiegespräch oder sonst irgendwie darüber diskutieren, aber Sie werden mir beipflichten, dass die 14-Jährigen auch vor 20 Jahren nicht selbstbestimmt entschie­den haben, nur war damals der Druck der Eltern nicht so groß, und auch das Angebot nicht. Jetzt ist das Angebot viel breiter und die jungen Menschen von heute sind auch viel mehr abgelenkt und nicht mehr selbstbestimmt. Sie wollen selbst bestimmen, aber das erst viel später, mit dem 17. Lebensjahr.

Ich glaube, so können wir beim Fachkräftemangel ein bisschen Druck herausnehmen und auch bei dieser Sogwirkung, bei diesem Pulleffekt betreffend die Universitäten. Wir müssen umdenken und dahin gehen, zu sagen, wir brauchen eine Attraktivierung der Lehre. Wir brauchen ein selbstbestimmtes, junges Österreich, das von sich aus ent­scheiden kann, in welche Richtung es gehen will, und wir brauchen ein viel attrakti­veres Angebot betreffend Lehre, Lehre mit Matura oder auch andere Formen der Ausbildung. Wir leben ja um 20 Jahre länger! Wir sprechen immer vom lebenslangen Lernen: Warum muten wir heute den jungen Menschen immer noch zu, sich mit 14 Jahren zu entscheiden und mit 18 ist die Schule vorbei? Das ist doch ein falscher Zugang. Das wundert mich schon – oder nein, es wundert mich eigentlich nicht, weil die ÖVP eigentlich eine Beamten- und Bauernpartei und keine Wirtschaftspartei ist (Ruf bei der ÖVP: Hallo, hallo!) –, dass hier keiner von der Wirtschaftsfraktion heraus­tritt und sagt, worum es geht. (Beifall bei den NEOS.)

Es geht auch um eine Absenkung und eine Attraktivierung der Lehre. Es geht auch darum, dass wir Schulen nicht für Lehrer haben, für das eigene Klientel, sondern dass wir Schulen für Schüler und deren Bedürfnisse haben; deren Bedürfnisse sind in einem viel späteren Zyklus zu sehen – also nicht mit 14, sondern mit 17. Wenn wir in diese Richtung gehen, dann haben wir die richtige Berufsausbildung, dann haben wir auch die richtige Schulausbildung. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Wöginger: Die Kollegin Kaufmann ist aber Unternehmerin!)

17.01



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Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Alois Rosenberger. – Bitte.


17.01.50

Abgeordneter Dipl.-Ing. Alois Rosenberger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesmi­nister! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kol­legen! Sehr geehrte Zuseher vor den Übertragungsgeräten und hier auf der Galerie! Das Katastrophenszenario, das die NEOS in ihrer Dringlichen Anfrage entworfen ha­ben, kann ich nur fundamentaler Oppositionspolitik und der Tatsache, dass die Bil­dungspolitik das politische Steckenpferd der NEOS ist, zuschreiben.

Ich darf auf Kollegen Schellhorn replizieren: Es gibt die Berufsreifeprüfung für Fach­kräfte, anschließend an den Facharbeiter oder Meister, und ich wüsste nicht, warum je­mand nicht diese Chance ergreifen sollte. Ich möchte der Wirtschaft einen Ratschlag geben, und zwar, dass sie die Gehälter und Löhne der Fachkräfte dem anpasst, was im Verhältnis Akademikern bezahlt wird. Das würde im Sinne von Angebot und Nach­frage die Lehre mit Matura und die Fachausbildung von vornherein äußerst attraktiv machen. Ich denke, darin liegt ein entscheidender Punkt, um genug Fachkräfte zu ha­ben.

Ich darf zum Punkt Ressourcen kommen – die natürlich wichtig sind –: Ein Gutteil der Bildungsdiskussionen endet dort. Natürlich hat das auch damit zu tun, dass Chancen­gerechtigkeit, die vielfach ins Treffen geführt wird, dadurch abgedeckt wird. Es ist eine Verordnung in Planung, dass dort, wo Schwierigkeiten vorhanden sind, wo ein Bedarf an zusätzlichem Lehrpersonal und Ressourcen besteht, diese dort auch hinkommen. Die Verordnung wird nächstes Jahr in Kraft treten.

Ich möchte vier Punkte erwähnen, die für Bildung wichtig sind. Diese sind leicht zu mer­ken, zwei beginnen mit F, zwei mit G.

Erstens: Fördern! Fördern setze ich mit Chancen gleich. Weil immer so getan wird, als hätten wir keine Chancen in unserem Bildungssystem: Sprachförderung im Kindergar­ten wurde implementiert, Deutschförderkurse, Deutschförderklassen – vorübergehende Trennung, Crashkurs, anschließend sofort wieder in der Gruppe und eben integrativ lernen –, das wird zielführend sein, Talentecheck zur Beratung über die weitere Berufs­laufbahn, Kind-Eltern-Lehrer-Gespräch, zum Teil auch verpflichtend implementiert – auch bezeichnend, dass man das machen muss.

Ich sehe auch Förderung und Chancen in dem Bereich, dass die Mittelschule Standard und Standard-AHS anbieten kann. Das müssen keine getrennten Gruppen sein. Es ist genug Autonomie vorhanden, damit man auf die einzelnen Bedürfnisse des Standortes reagieren kann.

Zweites F: Fordern! Ja, zum Fordern bekennen wir uns. Ich möchte die Noten anspre­chen, die hier immer ins Treffen geführt werden: Frau Kollegin Meinl-Reisinger, Sie ha­ben gesagt, dass Leistungen nicht messbar sind. (Abg. Meinl-Reisinger: Nein, das habe ich nicht gesagt! Das ist ein Blödsinn! Hören Sie mir zu!) Wir haben derzeit eine Leistungsbeurteilung aus dem Jahr 1974 – eine Notendefinition von der Volksschule bis zur fünften Klasse einer Mechatronik-HTL –, die eigentlich schon längst von der Bil­dungswissenschaft hätte kritisiert werden müssen. Wir haben derzeit ein Benotungs­system in Planung, bei dem ein Beurteilungsraster mit den Kompetenzen in den ver­schiedenen Stufen Grundlage für die Notenbeurteilung ist, und auch Grundlage für das Kind-Eltern-LehrerInnen-Gespräch. Dieser Beurteilungsraster, dieses Gutachten wird in eine Zahl übersetzt, das ist dann die Note, und die ist etwas vollkommen anderes, verglichen mit 1974. Sie unterstellen dem neuen System diese alte Notendefinition, diese Schätzung – so schwingt das immer mit –, und das ist nicht zulässig, das ist irre­führend. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


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Wir bekennen uns auch zu Grenzen. Ich würde auch nicht Schulpflichtverletzung, son­dern Schulchance nicht ergriffen sagen. Irgendwann muss das Ende der Fahnenstan­ge erreicht sein, auch da sind entsprechende Maßnahmen ergriffen worden. Hätte man das schon vorher gemacht, wäre das Buch „Kulturkampf im Klassenzimmer“ wahr­scheinlich nicht erschienen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Meinl-Reisinger: ...! Hö­ren Sie mal Frau Wiesinger zu, anstatt sie zu instrumentalisieren!)

Vierter Punkt ist das zweite G: Gute Lehrerinnen und Lehrer, die die Kinder gernhaben. Die Lehrpersonen, das wissen wir auch seit der Hattie-Studie – wenn sie nicht ins Kon­zept passt, wird diese Studie nicht mehr zitiert –, die handelnden Personen sind die entscheidenden. Wenn Sie an Ihre Schulzeit zurückdenken, dann sind Ihnen die Lehr­kräfte in Erinnerung, die Sie gefördert haben, gefordert haben, die Ihnen, wenn es not­wendig war, die entsprechenden Grenzen gesetzt haben. Die haben Sie aber auch gerngehabt.

Unsere Bildungspolitik, Herr Bundesminister Faßmann, ermöglicht mit diesen Geset­zen genau diese vier Punkte, und daher gehen wir in diesem Bereich einer guten Zu­kunft entgegen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

17.07


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Christian Kovace­vic. – Bitte.


17.07.18

Abgeordneter Christian Kovacevic (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Frau Staats­sekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich muss an den Beginn meiner Rede eine Klarstellung oder Richtigstellung setzen, weil Kollege Hauser vorhin das Beispiel Tirol erwähnt hat. Ich bin ja auch aus Tirol, deshalb interessiert es mich, was hier zum Thema gesagt wurde beziehungsweise wie das mit den Deutschförderklassen läuft.

Kollege Hauser hat gesagt, Frau Landesrätin Palfrader stehe diesem Projekt jetzt posi­tiv gegenüber. Es steht sehr wohl in der Zeitung: „Die Maßnahme ist gut angelaufen und wird auch gut angenommen“. Daraus lässt sich aber bitte keine inhaltliche Be­wertung oder Bewertung der inhaltlichen Sinnhaftigkeit ableiten. Dass es gut angelau­fen sei ist eine fachliche Stellungnahme, nicht mehr und nicht weniger.

Gerade Sie sollten wissen, dass nicht nur Kollegin Palfrader, sondern auch einige ihrer ÖVP-Politiker-Kollegen im Westen von den Maßnahmen der Bundesregierung nicht wahnsinnig angetan sind. (Abg. Schimanek: Ist die Palfrader jetzt deine Kollegin, Christian?) Das ist auch amtlich. (Beifall bei der SPÖ.)

Betreffend Stadträtin Mayr, Bildungsstadträtin in Innsbruck, hat es nur geheißen, dass sie jetzt sagt, es hat sich „gar nichts geändert“. Da muss man aber dann schon dazu­sagen, was sie sonst noch ausgeführt hat, sie hat nämlich auch gesagt, es hat sich für Innsbruck nichts geändert, weil bereits zuvor mithilfe von integrativem Unterricht sehr viel für den Spracherwerb getan worden sei. Das heißt, die Direktoren haben vorerst das Konzept übernommen. Erst nächstes Jahr, wenn der Lehrplan verpflichtend sein wird, kann man beurteilen, welche Auswirkungen das hat. Im Prinzip wird man sowieso erst in der Zukunft sehen, was genau die Auswirkungen sind.

Mir gefällt das einfach nicht, wenn man hier nur Halbwahrheiten durchsickern lässt, wenn man hier nur einen Teil der Informationen weitergibt und nicht das Gesamte im Kontext darlegt. Ich glaube, das ist nicht okay. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe es auch nicht in Ordnung gefunden, dass Kollege Mölzer einen Großteil sei­ner Rede dafür verwendet hat, auf die NEOS – auf die SPÖ sowieso – loszugehen. Sie haben sehr oft das Wort polemisch verwendet, zum Beispiel wie polemisch dieser An-


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trag sei. Ich habe angefangen, eine Stricherlliste zu machen, wie oft Sie die Kollegen beleidigt haben (Abg. Mölzer: Die SPÖ habe ich nicht erwähnt! Das macht nichts!), und die Zahl der Striche war schon im zweistelligen Bereich. Ich verstehe es einfach nicht. (Abg. Lausch: Sie verstehen vieles nicht!)

Ich glaube, das Thema Bildung ist uns allen sehr wichtig und liegt uns sehr am Herzen. Ich finde es auch gut, dass wir es hier in diesem Hause debattieren.

Ich halte es einfach nicht für angebracht, dass man – wenn es ein bisschen brenzlig wird – ständig wieder diese Variante wählt und sagt, die SPÖ hat zehn Jahre lang Ver­antwortung getragen und ist schuld. (Abg. Lausch: Ja stimmt’s nicht?) – Das ist eine alte Leier, bitte lassen Sie sich etwas Neues einfallen. Es müsste auch Ihnen klar sein, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass auch die Bildung dem Wandel der Zeit unterliegt und dass auch in der Bildung nicht immer alles gleich bleibt, Stichwort Digitalisierung und so weiter. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Lausch. Zwischenruf des Abg. Krainer.)

Ich glaube, dass sich gerade in diesem Bereich sehr viel ändert und wir immer wieder dranbleiben und neue Entwicklungen verfolgen müssen, denn wenn das so einfach wäre, wie Sie das hier sagen, könnten wir Bildungsminister Faßmann nächstes Jahr schon in Pension schicken.

Damit wir aber inhaltlich wenigstens ein paar Punkte anstreifen können: Ich denke, ein wichtiger Bereich aus der Elementarpädagogik ist aufzugreifen, bessere Ausbildung oder ein größeres Ausbildungsangebot für Kindergartenpädagoginnen und ‑pädagogen ist sehr wichtig.

Dann ein Thema, das wir heute auch immer wieder gehört haben, die Schulautonomie: Wir wissen genau, dass die Lehrerinnen und Lehrer, die DirektorInnen vor Ort am besten wissen, welche Bedürfnisse sie haben. Wir sollten ihnen die Möglichkeit geben, die Schulautonomie verstärkt ausnutzen zu können.

Ein sehr wichtiger Punkt, den wir schon seit Längerem fordern, ist der Chancenindex. Wir wissen, dass wir unterschiedliche Bedürfnisse haben, sei es in größeren Schulen im städtischen Bereich oder sei es in kleineren Schulen im ländlichen Bereich, deshalb fordern wir auch schon seit Längerem, dass die Budgetmittel diesen verschiedenen Bedürfnissen angepasst werden.

Wie gesagt, ich glaube, es bringt uns allen nichts, wenn Sie jetzt ständig immer nur diese Karte ziehen und auf die SPÖ hinweisen. Ich sehe schon den nächsten Redner, ich bin gespannt auf Ihre Ausführungen, Kollege Lugar, denn ich kenne das von Ihnen ja besonders gut, dass Sie gerne Ihre Redezeit dazu verwenden, um auf die Verfeh­lungen der SPÖ hinzuweisen. Vielleicht schaffen wir es, konstruktiv über die Inhalte zu reden (Zwischenruf des Abg. Lausch) und uns gegenseitig mit konstruktiven Vorschlä­gen zu ergänzen.  Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

17.12


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Robert Lugar. – Bitte.


17.12.10

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (FPÖ): Jetzt bin ich schon in der Mehrzahl hier, aber es gibt nur einen Redner – zumindest von unserer Fraktion bin ich der letzte, der in die­ser Debatte spricht.

Liebe NEOS, Frau Meinl-Reisinger, ich muss ehrlich sagen, wenn ich Ihre Anfrage hier sehe, dann fehlt mir Matthias Strolz. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. Heiterkeit bei den NEOS.)

Matthias Strolz war ein überzeugter Kämpfer für eine bessere Bildung und hat die Bil­dung sehr ernst genommen, was Sie leider nicht machen. Ihre Anfrage beweist, dass


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Sie das Thema nicht ernst nehmen, denn wer kommt auf die Idee, mitten in einer Bil­dungsdebatte eine Dringliche Anfrage an den Minister zu stellen? – Das ist handwerk­lich schon unterirdisch (Abg. Noll: Sie kennen sich nicht aus!) und beweist nichts an­deres, als dass Sie es nicht ernst nehmen und dass Sie nicht diesen Esprit haben, den Ihr Vorgänger, nämlich Matthias Strolz, damals hatte oder möglicherweise immer noch hat. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Deshalb habe ich mich dazu entschlossen, heute hier ans Rednerpult zu gehen und die Frage zu stellen: Was würde Matthias Strolz heute hier sagen? (Abg. Wittmann: Was würde Stronach sagen?) Was würde Matthias Strolz heute hier sagen? – Er wür­de mehrere Dinge sagen. Er würde erstens sagen: Sehr gut, dass endlich bei den nichtkonfessionellen Schulen etwas weitergeht. (Abg. Wittmann: Was würde Stronach sagen?) Er war ja ein großer Kämpfer für die Autonomie und würde auch sagen: End­lich, endlich geht bei der Autonomie etwas weiter. (Abg. Meinl-Reisinger: Oder er wür­de sagen: Was ist mit Ihnen?)

Bei der pädagogischen Autonomie haben wir schon einige Fortschritte gemacht, das würde er gut finden, und er würde vor allem auch gut finden, dass wir in Sachen Ent­politisierung schon einiges zustande gebracht haben. Wir haben zum großen Teil die Parteipolitik aus der Schule geworfen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Wir haben die SPÖ aus der Schule geworfen, und das ist gut so. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)

Ich kann mich noch gut an die Vorvorgängerin Ministerin Heinisch-Hosek erinnern, die mir – ich war ja auch immer ein Kämpfer für die Autonomie  einmal gesagt hat, das wird unter ihrer Ägide garantiert nicht kommen, nur über ihre Leiche.

Mittlerweile wissen wir, sie hatte recht, die Autonomie ist gekommen und die SPÖ ist draußen aus der Schule, und das ist gut so. Jetzt können wir endlich entpolitisieren (Abg. Wittmann: ... falsche Rede!), denn die SPÖ hat der Schule noch nie gutgetan. Das haben wir auch heute gesehen, als die letzte Bildungsministerin hier ans Redner­pult gegangen ist und allen Ernstes all das kritisiert hat, was sie selbst zu verantworten hat. So viel Frechheit, Kollegin Hammerschmid (Zwischenrufe bei der FPÖ), muss man einmal haben, sich hier herzustellen und alles anzuprangern, was man selbst nicht um­gesetzt hat (Zwischenrufe bei der SPÖ), und uns das dann auch noch vorzuwerfen, obwohl wir mit unserem Minister einiges in die richtige Richtung bewegen.

Wenn Sie sagen, es geht zu wenig weiter: Ja natürlich ist einiges zu tun und natürlich geht das nicht von heute auf morgen. (Abg. Haider: Nach zehn Jahren sozialisti­scher ...!) Das wäre ja genauso, als würden Sie ins Parlament hinübergehen und sich darüber beschweren, dass es noch nicht fertig ist. Sie wissen, eine Baustelle braucht ihre Zeit, und die Bildung ist eine große Baustelle, da ist ganz, ganz viel zu tun. Ich bin der Letzte, der das in Abrede stellt, und auch der Minister hat heute gesagt, dass sehr viel zu tun ist.

Wissen Sie aber, was der Unterschied zwischen der SPÖ und uns ist? – Wir tun es, wir gehen die Probleme an. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Herr Strolz hat immer die Eigenschaft gehabt, rauszugehen und zu kritisieren, wenn et­was zu kritisieren war, keine Frage. Er hat aber auch positive Dinge gesagt, und das fehlt mir bei Ihnen. Es fehlt mir, dass Sie die Dinge, die positiv sind, auch ansprechen. (Abg. Meinl-Reisinger: Was?) Dann können wir gemeinsam über die Dinge reden, die nicht so gut laufen; das ist die Ernsthaftigkeit, von der ich spreche. Diese Ernsthaftig­keit fordere ich von Ihnen ein und bitte Sie, sich ein bisschen mehr anzustrengen, wenn es um die Bildung geht. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. Zwischenruf des Abg. Krainer.)


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17.16


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr.in Irmgard Griss. – Bitte.


17.16.36

Abgeordnete Dr. Irmgard Griss (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Um den Abschiedsschmerz des Herrn Kollegen Lugar ein bisschen zu mildern, werde ich Matthias Strolz zitieren (beide Arme seitlich in die Höhe hebend): Jedem Kind die Flügel heben. (Beifall bei den NEOS.) Das gilt nach wie vor, und deshalb haben wir das heute auch zum Thema gemacht.

Beginnen möchte ich aber mit etwas anderem: 2012/2013 hat der neuseeländische, in Australien lehrende Bildungswissenschaftler John Hattie eine ganz große Studie ver­öffentlicht: 800 Metastudien, 50 000 Einzelanalysen, die Daten von 250 Millionen Schü­lern wurden ausgewertet. Man wollte herausfinden, was guten Unterricht ausmacht. Das Ergebnis war – nicht weiter überraschend, wenn wir selber über unsere Bildungs­biografie und Schulbiografie nachdenken –: Die Lehrer sind es, auf die Lehrer kommt es an. Je besser die Lehrer sind, desto besser ist der Unterricht, desto mehr lernen die Kinder.

Daher glaube ich, dass drei Maßnahmen ganz entscheidend sind. Die erste Maßnah­me ist: Wir müssen alles dafür tun, damit die Besten, die am besten dafür geeignet sind, Lehrer werden (Ruf bei der ÖVP: Das tun wir ja!), und wir müssen sicherstellen, dass sie für diese große Verantwortung, die sie als Lehrer und Lehrerinnen überneh­men, bestens ausgebildet werden.

Ich habe mich sehr gefreut, Herr Bundesminister, als Sie gesagt haben, es gibt ein Assessmentverfahren, man macht etwas, man schaut sich das an. Ich habe das bei Gericht erlebt, da sind verschiedene Verfahren ausgetestet worden. Es gibt immer Grenzen, man kann in keinen Menschen hineinschauen, die Menschen verändern sich auch im Laufe ihres Lebens, aber man hat schon eine gewisse Gewähr, dass man die Richtigen findet.

Um ein guter Lehrer, eine gute Lehrerin zu sein, muss man Kinder mögen, man muss Menschen mögen, man muss offen sein, man muss auf andere zugehen und man muss diese Aufgabe wirklich voll annehmen und sich einsetzen, und man braucht eine gute Ausbildung.

Heute werden an die Menschen ganz andere Anforderungen gestellt als noch zu der Zeit, als ich in die Schule gegangen bin. Menschen müssen flexibel sein, sie müssen sich auf verschiedene Situationen einstellen können. Ich habe mein ganzes Leben lang als Juristin gearbeitet. In Zukunft werden Menschen verschiedene Beschäftigungen haben, sie werden lernen müssen, wie man Probleme am besten erkennt und löst. Ich habe vor Kurzem im Radio einen sehr guten Vortrag von einem Forscher – der kom­plexe Systeme erforscht gehört, und der hat gesagt: Jedes Kind muss bei uns pro­grammieren lernen. Natürlich werden nicht alle IT-Programmierfachleute werden, aber zumindest die Grundbegriffe sollten sie können. – Also Auswahl und Ausbildung sind wichtig.

Das Zweite erfahre ich immer von Lehrern, wenn ich mit ihnen spreche: Sie brauchen ein Unterstützungsnetz, Schulpsychologen, Schulsozialarbeiter, eine Anlaufstelle, an die sie sich wenden können, wenn sie mit den Kindern nicht so zurechtkommen, wie sie sollen. Da sagen sie: Ich möchte eine Stelle haben, ich möchte wo anrufen und sagen können, es soll jemand kommen, der mir dann sagt, wie ich am besten mit die­sem Problem umgehe.

Das Dritte, was notwendig ist, ist, so glaube ich, fast das Wichtigste, weil jedenfalls das Erste – dass es die Besten werden – davon abhängt: Wir alle – die Gesellschaft – müs­sen den Lehrberuf wertschätzen, müssen erkennen, dass da die Zukunft gestaltet wird. Beate Meinl-Reisinger hat es am Beginn gesagt: Das Wichtigste, das Wertvollste, das


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wir haben, vertrauen wir diesen Menschen an. In ihre Hände legen wir die Zukunft un­serer Kinder, damit die Zukunft unserer Gesellschaft.

Ich stünde heute nicht hier und hätte nicht das Glück gehabt, als Richterin arbeiten zu können, hätte ich in der Hauptschule nicht so gute LehrerInnen gehabt. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Zadić.) Ich bin ihnen ewig dankbar. Daher ist das so wichtig, dass wir das wirklich schätzen, damit die Besten sich dazu bereitfinden, diese schöne, verantwortungsvolle, wichtige Aufgabe zu übernehmen.

Ich kann Ihnen, Herr Bundesminister, nur alles Gute wünschen, dass es Ihnen gelingt, Ihre guten Vorstellungen evidenzbasiert umzusetzen. Danke. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten von JETZT.)

17.21


Präsidentin Doris Bures: Zur Dringlichen Anfrage ist nun niemand mehr zu Wort ge­meldet. Die Debatte ist geschlossen.

17.22.00Fortsetzung der Tagesordnung


Präsidentin Doris Bures: Wir nehmen die Verhandlungen zu Tagesordnungspunkt 5 wieder auf.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Stephanie Cox. – Bitte, Frau Abgeordnete.


17.22.12

Abgeordnete Stephanie Cox, BA (JETZT): Frau Präsidentin! Herr Minister! Wir haben heute etliche sehr wichtige Themen im Bildungsbereich abzuhandeln und hatten gera­de eine sehr angeregte Diskussion. Jetzt zurück zu dem Antrag, den ich gestellt habe.

Dabei geht es darum, dass wir ein Kostenmonitoring an Schulen fordern, ich komme gleich dazu. Zuerst aber zur Frage: Warum brauchen wir das?

Die EU-Silc-Studie des Jahres 2017 besagt, dass 324 000 Kinder und Jugendliche in Familien mit Armuts- und Ausgrenzungsgefährdung leben. Was bedeutet das? – Ge­hen wir zum ersten Schultag. Da bedeutet das, dass diese Kinder diejenigen sind, die keine fancy Schultaschen haben, die vielleicht nur begrenzte Materialien haben. Das ist auch in Österreich Realität, aber Gott sei Dank gibt es bei uns ein Schulstartpaket.

Was ist ein Schulstartpaket? – Da bekommt man eine Schultasche, Sportbeutel, Hefte, verschiedene Stifte, Handarbeitskoffer, Malfarben im Wert von circa 100 bis 300 Euro. Dabei bleibt es aber nicht. Es ist bekannt, dazu gab es jetzt eine Studie, dass sehr viele Kosten während des Jahres anfallen. Es sind im Durchschnitt circa 855 Euro, in Gymnasien geht es bis zu 1 299 Euro, das ist ein Monatsgehalt. Wenn man sich das einmal auf der Zunge zergehen lässt, ist es einfach so, dass es für manche Eltern sehr, sehr schwierig ist, das Geld aufzubringen, dass ihre Kinder dementsprechend auch auf Skikurs mitfahren können, dass sie bei der Landschulwoche dabei sein können, dass sie in den täglichen Aktivitäten der Schule in der Form mitmachen können, dass sie auch Teil der Klasse sein können, so wie sie es sich wünschen.

Was bedeutet das? – Hilfsorganisationen gehen davon aus, dass die Kosten im Zeit­alter der Digitalisierung steigen, es werden etliche Investitionen notwendig. Man weiß noch nicht, ob Tablets kommen oder nicht kommen, wer sie finanziert. Ich war schon in etlichen Schulen, in manchen ist es so, dass es von Eltern, die finanziellen Rückhalt haben, finanziert wird, in anderen Schulen gibt es andere Modelle. Ich glaube, da wird sich in Zukunft noch zeigen, wie das ist.

Es ist ja so, dass wir in der glücklichen Situation sind, dass der Schulbesuch in Ös­terreich kostenlos ist. Das ist sehr, sehr wichtig und richtig, aber es fallen, wie gesagt,


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Kosten während des Jahres an. Es gibt eine Grundlage, es gibt eine bedarfsorientierte Unterstützung für Familien, wir haben bereits die SchülerInnenbeihilfe. Nur ist es so, dass die SchülerInnenbeihilfe seit 2007 nicht mehr reformiert wurde, das heißt, sie wurde beispielsweise nicht regelmäßig der Inflation angepasst, was der Fall sein sollte.

Der Antrag ist von meiner Seite deswegen gestellt worden, weil einerseits genau diese Schülerbeihilfe reformiert gehört, weil wir, glaube ich, in der sehr glücklichen Situation sind, dass wir damit Kinder und Jugendliche unterstützen können. Bevor es aber eine Reform gibt, müssen wir in erster Linie einmal wissen, wie viel die Schule – nicht nur am Schulanfang, sondern im Laufe des ganzen Jahres – eigentlich kostet. Deswegen haben wir ein Kostenmonitoring an den Schulen gefordert, denn es geht auch darum, dass wir einmal erheben müssen, wie viel es den Eltern tatsächlich kostet.

Herr Kollege Hofinger, weil Sie gemeint haben, Eltern müssen ihr Gehalt angeben: Das ist im Antrag nicht inkludiert und das haben wir nicht gesagt. Es geht darum, dass wir herausfinden, welche Kosten anfallen, also nicht das Gehalt der Eltern. Das ist mir sehr wohl bewusst, dass das nicht nur hinsichtlich Datenschutz schwierig ist, das ist aber nicht Teil des Antrages.

Ein Punkt, den Sie genannt haben, war auch noch, dass die LehrerInnen damit über­fordert wären, da mehr Bürokratie notwendig würde. Ich glaube, dass wir vielleicht wo­anders Geld sparen sollten und den LehrerInnen SozialarbeiterInnen und anderes zur Verfügung stellen sollten und schauen sollten, wie viel es wirklich kostet. Es muss nicht jedes Jahr gemacht werden, es kann auch alle fünf Jahre sein, dass es als Fundament ein Kostenmonitoring gibt, damit wir darauf basierend eine Reform machen können.

Ich denke, das wäre ein erster guter Schritt. Das wäre ein erster Schritt, damit wir in Richtung Reform gehen können, deswegen bitte ich Sie, dem Antrag zuzustimmen. Es geht darum, dass es eine Dokumentation geben muss. Derzeit gibt es keine in der Form, dass man es tun kann, aber ich denke, es ist höchste Zeit, dass wir die Schüle­rInnenbeihilfe ins Jahr 2018 bringen. (Beifall bei JETZT sowie der Abg. Griss.)

17.27


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Christian Schandor. – Bitte.


17.27.15

Abgeordneter Dipl.-Ing. Christian Schandor (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wenn man von Kostenmonitoring spricht, dann muss man sich einmal die unterschiedlichen Kategorien anschauen.

Ja, Frau Kollegin, es gibt die Möglichkeit, Kosten für Schulveranstaltungen zu erheben. Ich darf da beispielhaft Exkursionen, Schulskitage, Wandertage, Lehrausgänge, Sport­wochen, Sommer- oder Wintersprachreisen, Abschlussreisen, Theaterbesuche und so fort nennen, aber auch Kosten für Arbeitsmittel, Kopierbeiträge, Materialien, Werkstät­tenbeiträge und so weiter lassen sich in den Schulen auflisten und auswerten und ver­gleichen.

Jene Kosten aber, die den Eltern für Nachhilfe, Schultasche, Hausschuhe, Stifte, GZ-Platten, Taschenrechner, Laptop – die Liste können Sie fortsetzen – anfallen, das wird sehr schwierig sein, diese zu erheben und einzufordern, dass Eltern darüber Auskunft geben. (Zwischenruf der Abg. Cox.)

Wenn wir uns aber die finanzielle Seite anschauen, die Unterstützungsleistungen – da geht es ja auch um bedarfsorientierte Unterstützung –, dann muss man auch da zum Beispiel Schulbuchaktion, Schülerfreifahrt, finanzielle Unterstützungen für die Teilneh­mer an Schulveranstaltungen – Sie haben das schon angeschnitten –, Schülerbeihilfe


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oder Ermäßigung des Betreuungsbeitrages für ganztägige Schulformen und für Heime unterscheiden.

Sehr oft helfen auch die Elternvereine und die Gemeinden unbürokratisch und leicht, aber und das ist unser großes Problem, ich sehe das als Lehrer – viele Eltern, deren Kinder nicht auf die Sprachreise oder auf die Abschlussreise fahren können, schämen sich dafür und beantragen das Geld nicht. Da muss man die Klassenlehrer und Klas­senvorstände ermutigen, den Eltern und auch den Schülern zu helfen, damit diese die Möglichkeit haben, an diesen Schulveranstaltungen teilzunehmen.

Der Ansatz, den Sie da gewählt haben, ist durchaus interessant. Das aber bei den Schulen abzuladen oder von den Kolleginnen und Kollegen zusätzlich erheben zu las­sen, halte ich nicht für den richtigen Weg. Ich danke Ihnen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

17.29

17.29.45


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Damit gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Unterrichtsausschusses, seinen Bericht 453 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer sich für dessen Kenntnisnahme ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

17.30.126. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 336/A(E) der Abgeordneten Stephanie Cox, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend stärkere Zusammenar­beit zwischen Hochschulen und Schulen der Sekundarstufe I, um Angebote der Ferienbetreuung auszubauen und weiterzuentwickeln (454 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Melanie Erasim. – Bitte.


17.30.50

Abgeordnete Melanie Erasim, MSc (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich darf heute zum Entschließungsantrag der Abgeordneten Stephanie Cox sprechen, in dem eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den Hochschulen und Schu­len der Sekundarstufe I gefordert wird, um Angebote der Ferienbetreuung auszubauen und weiterzuentwickeln.

Für die Zuseherinnen und Zuseher vor den Fernsehbildschirmen möchte ich kurz erör­tern: Was ist ein Entschließungsantrag? – Mittels eines Entschließungsantrages wird die Bundesregierung, in diesem Fall der Herr Bundesminister, aufgefordert, in einem gewissen Bereich, hier im Bereich der Zusammenarbeit, etwas zu tun und etwas vo­ranzubringen. Wir von der SPÖ verstehen nicht, warum die Regierungsfraktionen die­sem Entschließungsantrag nicht zustimmen konnten, denn meines Erachtens muss man gerade betreffend Ferienbetreuung der Kinderbildungseinrichtungen jede Möglich­keit nutzen, dieses Gesamtmosaik zu verbessern.

Wir als sozialdemokratische Parlamentsfraktionen haben zwei Ergänzungspunkte zu diesem Entschließungsantrag. (Abg. Hammer: Seid ihr mehrere Fraktionen?) Wir werden dem Antrag zwar zustimmen, möchten die zwei Punkte aber bitte auch noch mit auf den Weg geben: Der erste Punkt ist, dass aus unserer Sicht auch die Primar-


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stufe einzubinden wäre. Der zweite Punkt, der zwar nicht so formuliert ist, ist, dass da keine prekären Beschäftigungsverhältnisse geschaffen werden sollen und auch einer entsprechenden Entlohnung für die Studierenden stattgegeben werden soll.

Das wäre eine Win-win-Situation sowohl für die Studierenden, die gerne Praxiserfah­rung sammeln möchten, als auch für die vielen jungen Eltern, die oft nicht wissen, wo­hin sie in den vielen Wochen Ferien mit ihren Kindern sollen. Das muss unsere Direk­tive und die Direktive der Gesetzgebung sein. Ein Best-Practice-Beispiel ist zum Bei­spiel die Vetmeduni Wien, die für einen geförderten Unkostenbeitrag den drei- bis zwölfjährigen Kindern von Mitarbeitern durch zukünftige Pädagoginnen und Pädago­gen der Pädagogischen Hochschule Betreuung ermöglicht. Laut Rückfrage funktioniert das einwandfrei.

Genau diese Best-Practice-Beispiele brauchen wir für dieses Gesamtmosaik einer guten Ferienbetreuung, einer Beseitigung von Hemmnissen für junge Eltern, sodass sie nicht von einer Beteiligung am Berufsleben abgehalten werden. Genau diese Mo­saiksteine brauchen wir, um die Barcelonaziele zu erfüllen und eine zukunftsorientierte Politik im Bereich der Kinderbildung zu machen.

Ich bitte auch die Zuseherinnen und Zuseher, nicht nur an die Luftblasen zu glauben, dass eh alles so gut läuft. Herr Minister, irgendwie tun Sie mir ja leid, denn es muss Ihnen im Herzen wehtun, als Mensch mit fundiertem wissenschaftlichen, höchstwissen­schaftlichen Background hier den ganzen Tag diese Plattitüden zu ertragen. Sie müs­sen selbst schmunzeln. Ich hoffe sehr, dass Sie Ihre Ideen in Zukunft auch noch bes­ser einbringen können und dass im Bereich der Bildungspolitik wieder auf eine wis­senschaftlich fundierte Basis zurückgekommen wird. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.34


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet: Frau Abgeordnete Mag.Ger­traud Salzmann. – Bitte.


17.34.52

Abgeordnete MMMag. Gertraud Salzmann (ÖVP): Sehr geehrter Herr Minister Faß­mann! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Besuchergalerie und auch liebe Gäste vor den Fernsehern daheim! Die nächsten Sommerferien sind zugegebenermaßen noch relativ weit weg. Es kommt aber bald die Zeit, wo die Eltern durchaus überlegen müssen, was sie mit ihren Kin­dern in den neun Wochen unterrichtsfreier Zeit machen. Das ist schon ein dringendes Problem, das gelöst gehört.

In diese Richtung stößt eigentlich der Antrag der Kollegin Cox, die jetzt überlegt, dass man die Lehramtsstudenten, die ja einen Praxiseinsatz im Zuge ihrer lehramtlichen Ausbildung absolvieren müssen, in der Lernbetreuung im Sommer einsetzen soll. Das ist zugegebenermaßen ein durchaus interessanter Antrag, den man sich genau an­schauen sollte. Und das mache ich hier auch sehr gerne.

Der Anspruch an die Pädagoginnen und Pädagogen, meine Damen und Herren, ist in den letzten Jahren massiv gestiegen – unter anderem deshalb, weil der Unterricht in den Klassen mit einer steigenden Heterogenität einhergeht. Das heißt, wir finden in den Klassen als Lehrerinnen und Lehrer eine große Bandbreite vor. Wir haben sehr gute, sehr begabte Schüler. Wir haben auch Schüler, die nur in speziellen Bereichen sehr begabt sind. Und wir haben auch Schüler, die durchaus Schwächen haben.

Alle diese verschiedenen Gruppierungen innerhalb dieser Bandbreite brauchen eine spezielle Förderung und auch eine spezielle Forderung. Kinder und Jugendliche un­terscheiden sich in ihren Lernvoraussetzungen bereits beim Schuleintritt. Die Unter-


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schiede bestehen hinsichtlich des Geschlechts, hinsichtlich der ethnischen, der so­zialen und der kulturellen Herkunft, und sie werden mit zunehmendem Alter immer grö­ßer – und dies trotz des großen Engagements der Lehrerinnen und Lehrer.

Der professionelle Umgang mit diesen Bedingungen in der Klasse ist daher der tägli­che Auftrag an die Lehrer, um die Schüler bestmöglich zu einem Lernerfolg zu führen. An dieser Stelle möchte ich wirklich allen Kolleginnen und Kollegen für ihren Einsatz danken, den sie tagtäglich leisten. Auch im Hinblick auf die anstehenden Weihnachts­ferien wünsche ich wirklich allen, dass sie auch einige Tage der Erholung und der Ru­he finden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Geben wir den Lehrerinnen und Lehrern wieder die Wertschätzung, die ihnen eigent­lich aufgrund ihrer verantwortungsvollen Tätigkeit zusteht! Für diese anspruchsvolle Aufgabe müssen wir aber unsere Pädagoginnen und Pädagogen bestens vorbereiten. Das erfordert ein möglichst frühes Eintauchen in die Praxis des Unterrichtens. Dabei ist es aber wesentlich, dass sie bei ihren ersten Schritten im Unterricht bestens von er­fahrenen Kolleginnen und Kollegen begleitet werden.

Der Einsatz in der Ferienbetreuung, meine Damen und Herren, ist sicher eine gute Möglichkeit, um so die erste Erfahrung im Umgang mit Kindern und Jugendlichen zu sammeln. Eine Ferialbetreuung kann aber niemals Ersatz für die verpflichtende Praxis­ausbildung im Zuge des Lehramtsstudiums sein. Lehramtsstudierende – lassen Sie mich das so sagen! – sind keine Gratisnachhilfelehrer und keine Gratisfreizeitbetreuer. Zudem sind natürlich auch ungeklärte Haftungsfragen damit verbunden. Die Ferienbe­treuung kann auch niemals ein Ersatz für eine Unterrichtserfahrung sein. Das ist we­sentlich.

Lehrerinnen und Lehrer leisten in den Klassen wertvolle Arbeit. Schauen wir darauf, ermöglichen wir ihnen die bestmögliche Lehramtsausbildung! Wir müssen auch schau­en, wer überhaupt ins Lehramt kommt, welche jungen Menschen das sind. Wir müssen eigentlich die Besten ansprechen. Auf den Einsatz in den Klassen müssen sie bestens vorbereitet sein. Gewähren wir ihnen auch die Möglichkeit, durch erfahrene KollegIn­nen begleitet zu werden! – Ich bedanke mich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordne­ten der FPÖ.)

17.39


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste: Frau Abgeordnete Stephanie Cox. – Bitte.


17.39.27

Abgeordnete Stephanie Cox, BA (JETZT): Frau Präsidentin! Herr Minister! Kollegin­nen und Kollegen! Frau Salzmann, haben Sie den Antrag eigentlich auch gelesen? (Abg. Salzmann: Ja!) Ich habe mit keinem Wort erwähnt, dass es gratis sein sollte. Ich habe mit keinem Wort erwähnt, dass es das Pflichtpraktikum sein sollte. Ich habe ledig­lich einen Antrag gestellt, dass es dazu Vorschläge geben soll. Ich denke, das ist ein sehr konstruktiver Antrag, und ich finde es sehr, sehr schade, dass Sie hier Sachen hi­neininterpretieren, weil Ihnen anscheinend nichts anderes einfällt. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich weiß nicht, das ist jetzt schon schade. Das stimmt mich sehr ratlos, muss ich sa­gen, denn grundsätzlich – nur als Erläuterung –: Warum haben wir diesen Antrag ge­stellt?

Es ist nun einmal so, dass Kinder und Jugendliche 13 bis 14 Wochen Ferien haben und es so ist, dass Eltern und Erwachsene nur fünf Wochen Urlaub haben. Das heißt, da haben wir zwei Komponenten, die dann oft nicht zusammenpassen. Sehr oft stellen sich dadurch Eltern oder Erziehungsberechtigte natürlich die Frage: Wer betreut mein Kind? Das ist eine Herausforderung, genau das haben wir uns auch angeschaut.


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Es gab im Jahr 2018 im Jänner einen Bericht des Rechnungshofes, der besagt: „Im Sinne der Vereinbarkeit von Beruf und Familie war die nicht garantierte Ferienbetreu­ung als ein essenzielles Problemfeld der schulischen Tagesbetreuung anzusehen.“ Ge­nau das haben wir uns angeschaut, denn es wird uns als Opposition ja immer vorge­worfen, dass wir nur kritisieren und nicht mit Lösungen kommen. Das ist genau der An­trag, dass wir gesagt haben: Okay, wie könnte man das in der Sekundarstufe I lösen?

Natürlich sollte der Anspruch eigentlich sein: Ein kostenloses und flächendeckendes Angebot in ganz Österreich muss das ultimative Ziel sein. Da haben wir uns seitens des Feedbacks des Rechnungshofes auch die Sekundarstufe I angeschaut, dem aber auch das Pflichtpraktikum gegenübergestellt. Bei den zukünftigen Lehrerinnen und Lehrern wird sehr oft beklagt, dass sie nicht genug Praxiserfahrung haben und sich mehr wünschen würden. Jetzt haben wir gesagt: Okay, wie können wir das lösungs­orientiert zusammensetzen? Wir haben genau geschaut, wenn Studentinnen und Stu­denten dadurch ECTS-Punkte bekommen könnten, dann kann man sich das natürlich überlegen. Und es sollte eine Win-win-Situation sein, in welcher Form man da auch Entgelt ermöglichen kann.

Der Antrag ist lediglich ein Ansuchen oder ein Antrag an die Regierung, an den Mi­nister, einen Vorschlag einzubringen, denn ich glaube, hier geht es in erster Linie da­rum, eine Kooperation zwischen Universitäten und Pädagogischen Hochschulen und Schulen bezüglich der Ferienbetreuung für die Sekundarstufe I zu ermöglichen und einfach Maßnahmen vorzuschlagen. Ich glaube, es gibt sehr viele kompetente Men­schen in den Ministerien, die sich damit auseinandersetzen könnten, damit wir uns ge­nau zwei Herausforderungen auf einmal ansehen und eine Lösung finden.

Deswegen bitte ich um Zustimmung, weil ich glaube, dass das ein sehr konstruktiver Antrag ist. Ich finde es sehr schade, dass da Dinge von meiner Kollegin hineininter­pretiert wurden. Ich denke, dass es auf jeden Fall die Aufgabe des Ministeriums sein sollte, diesbezüglich einen Vorschlag vorzulegen. Ich freue mich schon darauf. (Beifall bei JETZT.)

17.42


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster: Herr Abgeordneter Wendelin Mölzer. – Bitte.


17.42.56

Abgeordneter Wendelin Mölzer (FPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Frau Kollegin Cox, es hat ja niemand gesagt, dass die Idee schlecht ist, aber allein nur, weil die Idee gut ist, heißt das noch lange nicht, dass der Antrag in der Sache dann wieder korrekt ist. (Abg. Cox: Das ist ein Vorschlag! – Abg. Noll: Besser als umgekehrt!) – Ja, es ist ein Vorschlag, den wir aber in dieser Form ablehnen. Wir sind uns einig, dass wir da ein Problem im Bereich der Ferienbetreuung, der ganztägigen Betreuung haben. Das haben wir heute schon länger und ausführlicher diskutiert, aber diese Herangehens­weise ist eben aus unserer Sicht falsch: Lehramtsstudenten dürfen keine Gratisnach­hilfelehrer sein und Lehramtsstudenten sollen auch keine Gratisferienbetreuer sein. Das ist einmal festzuhalten.

Das Problem müssen wir anders lösen, da machen wir uns auch viele Gedanken. Es stehen auch ein paar Ideen dazu im Regierungsprogramm, auf das ich verweisen darf. Zum einen müssen wir hinsichtlich der Ferienbetreuung Überlegungen anstellen, wie wir das verbessern können. Und zum anderen – das habe ich heute schon an dieser Stelle ausgeführt –: Was die ganztägige Betreuung betrifft, wird es auch weiterhin Mit­tel im Sinne der Wahlfreiheit geben, wenn der Bedarf gegeben ist.

Abschließend, weil es, glaube ich, der letzte Beitrag zur Bildungsdebatte ist, die wir heute sehr ausführlich führen konnten und in großen Zügen auch sachlich diskutiert haben: Ich nehme mich da nicht ganz aus, dass man vielleicht da oder dort in Polemik


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kippt. Ich glaube, es ist wichtig, dass man bei allen ideologischen Gräben, die es offen­sichtlich gibt, auch versucht, konstruktiv im Sinne der Zukunft unserer Kinder zu arbei­ten, und versucht, die Polemik hintanzustellen.

Frau Kollegin Salzmann hat es auch angesprochen: Es gäbe noch viele Dinge, die man gerade auch im Zusammenhang mit Lehramtsstudenten diskutieren könnte und bei denen wir uns auch einig sind, dass wir etwas im Bereich Lehrerausbildung, Leh­rerfortbildung tun müssen. Das ist auch ein wichtiger Bereich, der heute vielleicht zu wenig angesprochen worden ist: der Bereich Quereinstieg für Lehrer. Diesbezüglich haben wir uns auch im Regierungsprogramm weitere Maßnahmen zumindest vorge­nommen, weil wir wissen, wir haben einerseits einen drohenden Lehrermangel, ande­rerseits ein Problem, wenn es darum geht, die Lehrer entsprechend zukunftsorientiert auszubilden. Da müssen wir natürlich das, was derzeit in Umsetzung ist, evaluieren und uns dann die weitere Vorgehensweise anschauen.

Das wird ein schwieriger Weg werden, aber eines können wir schon sagen – und das möchte ich auch festhalten, um von eventuellem Lehrer-Bashing und dergleichen Ab­stand zu nehmen –: Ich bin fest davon überzeugt, dass jeder, der den Beruf des Leh­rers oder der Lehrerin ausübt, das mit bestmöglichem Wissen und Gewissen macht. Wir werden versuchen, sie dabei in den Klassenzimmern entsprechend zu unterstüt­zen. Es geht aber immer wieder um die Kinder: Wir werden natürlich alles tun, dass wir die bestmögliche Qualität für die Kinder haben, wiewohl – das muss man auch dazu­sagen, ich habe es heute schon einmal gesagt –: Was nichts kostet, ist nichts wert. Ich höre immer nur gratis, gratis, gratis von der linken Seite. Das wird es halt nicht ganz spielen, das muss man auch klar festhalten. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

17.45

17.45.49


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Damit gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Unterrichtsausschusses, seinen Bericht 454 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer sich für die Kenntnisnahme ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

17.47.087. Punkt

Bericht des Wissenschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (378 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 geändert wird (442 d.B.)

8. Punkt

Bericht des Wissenschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (383 d.B.): Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Niederös­terreich über die weitere Entwicklung der Universität für Weiterbildung Krems (Donau-Universität Krems) (443 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zu den Punkten 7 und 8 der Ta­gesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erste Wortmeldung: Frau Abgeordnete Dr.in Sonja Hammerschmid. – Bitte.



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17.47.09

Abgeordnete Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Donau-Universität Krems soll mit vor­liegender Gesetzesänderung in das Universitätsgesetz, das die öffentlichen Universitä­ten regelt, aufgenommen werden. Zusätzlich soll eine Vereinbarung, es ist eine 15a-Vereinbarung, zwischen dem Bund und dem Land Niederösterreich geschlossen wer­den, die die Finanzierung der Donau-Universität Krems auf neue Beine stellen soll. Das ist eine Vereinbarung, die den Bundesanteil über die nächsten Jahre auf 50 Pro­zent aller Kosten ansteigen lassen soll. – So weit, so gut, so unterstützenswert, auf den ersten Blick.

Bei näherer Betrachtung wird allerdings Folgendes sichtbar: Das in der letzten Legis­laturperiode hart, wirklich hart erkämpfte Universitätsbudget und die Erhöhung dessen um 1,3 Milliarden Euro wird damit gleich wieder ein Stück weit reduziert, nämlich genau um jene Kosten, die diese Budgeterhöhung für die Donau-Universität Krems darstellt. Die Aufnahme der Donau-Universität Krems in den Reigen der öffentlichen Universitä­ten: Ja, aber bitte dafür mit der nötigen Budgeterhöhung für das Universitätsbudget. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

17.48


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Alois Rosenberger. – Bitte.


17.48.40

Abgeordneter Dipl.-Ing. Alois Rosenberger (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Damen und Herren Zuseher hier und zu Hause vor den Übertragungsgeräten! Die entsprechende Vorlage wurde von der Vorrednerin Kollegin Hammerschmid schon geschildert. Die Donau-Uni­versität Krems hat seit 1994 eine enorme Entwicklung gemacht und ist in einem Be­reich tätig, der an sich im Bereich der Weiterbildung unüblich ist, das heißt, das betrifft diejenigen, die sich nach ihrem Studium weiterbilden wollen, um ihre berufliche Kar­riere zu entwickeln, auch unter Entbehrungen, das heißt, dass sie privat für diese Lehr­gänge zahlen, also ihr Erspartes nicht in eine Kreuzfahrt oder in einen Langstrecken­flug stecken, sondern in ihre berufliche Weiterentwicklung.

Die Vereinbarung sieht einerseits vor, dass 50 Prozent des Gesamtbudgets vom Bund übernommen werden, das heißt, es ist jetzt so, dass die Donau-Universität 70 Prozent Drittmittel hat, das wird insgesamt auf 50 : 50 reduziert. Am Ende des Tages können diese Lehrgänge auch entsprechend günstiger angeboten werden.

Ich verstehe eigentlich die Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ nicht, die immer for­dern, dass mehr öffentliche Mittel, größere Geldbeträge in die Bildung hineingesteckt werden, dass hier investiert wird. In diesem Bereich wird das dezidiert gemacht und da wundert es mich tatsächlich, dass keine Zustimmung erfolgt, zumal auch von Landes­seite entsprechend in die Infrastruktur investiert wird, sowohl in neue Gebäude als auch in Mietflächen, insgesamt reden wir von 9 000 Quadratmetern.

Daher bitte ich, das wirklich nochmals zu überdenken, da es auch ein falsches Signal ist, zumal die öffentlichen Universitäten insgesamt, die ebenfalls in § 6 Universitätsge­setz aufgelistet sind, auch eine Budgetaufstockung erfahren. Wir landen dann bei den Universitäten bei 11 Milliarden Euro, das ist also eine Steigerung um 1,3 Milliarden für die öffentlichen Universitäten. Hier sollte die Donau-Universität Krems, die Universität für Weiterbildung durch eine Kooperation von Bund und Land genauso mitziehen kön­nen. Was mich auch erstaunt, ist, dass in den Stellungnahmen die Bundesarbeitskam­mer keine Bedenken und keine Einwendungen hatte, sowohl die 15a-Vereinbarung als


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auch die Gesetzesvorlage zum Universitätsgesetz für gut befunden hat, aber die SPÖ hier nicht mitstimmt.

Ich bedanke mich bei allen anderen Oppositionsparteien, dass sie hier mitgegangen sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

17.51


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Axel Kassegger. – Bitte.


17.51.57

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Von meinen beiden Vorrednern ist jetzt einiges über die Kosten gesagt worden. Ich werde dann in einem Nebensatz auf die Kostensituation eingehen, möchte aber ein bisschen die Entwick­lungsgeschichte, Anamnese dieser Institution der letzten 20 Jahren darlegen.

Dieser Schritt, den diese Bundesregierung heute macht, nämlich die Aufnahme der Do­nau-Universität Krems als 22. öffentliche Universität unter das UG 2002, stellt nämlich in Wahrheit den letzten konsequenten Schritt einer sehr erfolgreichen zwanzigjährigen Entwicklung dar, die 1994 mit der entsprechenden Verabschiedung eines Bundesge­setzes zur Gründung der Donau-Universität begonnen hat. 1995 wurde der Studienbe­trieb aufgenommen. Bereits 2002 konnte die Universität ihren 2 000. Studierenden be­grüßen. 2004 ist dann, auch unter einer Koalition von FPÖ und ÖVP, ein neues Bun­desgesetz über die Universität für Weiterbildung Krems in Kraft getreten, das sich weit­gehend am Universitätsgesetz 2002 orientiert hat. 2004 wurde der 3 000. Studierende begrüßt und 2006 wurden die ersten zwölf Universitätsprofessoren und -professorinnen berufen.

2008 konnte der 4 000. Studierende, 2009 der 5 000. Studierende begrüßt werden. 2010 gab es den 10 000. Absolventen, in dem Fall eine weibliche Studierende, also ei­ne Absolventin. 2010 kam ein neuer Organisationsplan, die Implementierung von ins­gesamt fünf Fakultäten. 2013 folgte die Errichtung eines Christian Doppler Labors, das sich mit innovativen Therapieansätzen in der Sepsis beschäftigt. Im März 2014 wurde per Bundesgesetz das Promotionsrecht zugestanden und 2015 erfolgte die Akkreditie­rung der ersten PhD-Studien.

All das wurde von der SPÖ mitgetragen, und es verwundert mich schon etwas, warum die SPÖ jetzt diesen letzten denklogischen Schritt – aus welchen Gründen auch im­mer, ich will jetzt nicht mutmaßen, möglicherweise aus sachlich nicht besonders be­gründeter Fundamentalopposition – leider nicht mitgeht und so (Zwischenruf der Abg. Erasim – Abg. Rosenkranz: Noch dazu, wo die SPÖ einen Bürgermeister in Krems hat!) dieser Institution sozusagen einen einstimmigen Beschluss des österreichischen Nationalrates in einer doch wichtigen Sache verwehrt.

Ich für meinen Teil heiße die Donau-Universität Krems als 22. Universität herzlich im Kreis der öffentlichen Universitäten willkommen. Das mache ich nicht nur ad per­sonam, das mache ich auch als Wissenschaftssprecher der Freiheitlichen Partei, und das mache ich auch als Obmann des Wissenschaftsausschusses des österreichischen Parlaments. Die Donau-Universität Krems wird auch in Zukunft erfolgreich sein, unter anderem auch deshalb, weil sie eine Institution ist, die ein klares Profil hat, nämlich auch schon im Titel erkennbar, Universität für Weiterbildung, die das enorm wichtige lebenslange Lernen nicht nur plakatiert, sondern tatsächlich sehr erfolgreich in den letzten 20 Jahren auch lebte. Viele Studierende konnten hier parallel zu ihrer berufli­chen Tätigkeit einen akademischen Abschluss erlangen. Wenn ich richtig informiert bin, hat auch der eine oder andere hier unter uns im Hohen Haus einen Abschluss die­ser Institution – also ein Erfolgsweg.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 174

Ich wünsche dem Rektor Friedrich Faulhammer und seinem Team auch für die Zukunft alles Gute und eine weitere Fortbeschreitung dieses Erfolgswegs. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.56


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Claudia Gamon. – Bitte.


17.56.30

Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Frau Präsidentin! Die Donau-Uni Krems war immer so eine Art österreichische Lösung, ein Hybrid. Ich glaube, man kann diese Debatte jetzt dogmatisch oder pragmatisch anlegen, ich werde mich für Letzteres entscheiden. Die Donau-Uni wird ja momentan zum Gutteil aus den Universitätslehr­gängen finanziert. Das hat ihr aber auch ermöglicht, über die Jahre eine beachtliche Forschungskompetenz in vielen Bereichen zu entwickeln, wie zum Beispiel Medizin und Gesundheit, aber auch Bildungsforschung wird dort sehr intensiv betrieben.

Ich bin grundsätzlich der Meinung, die Fakten wurden schon vor langer Zeit geschaf­fen, darüber müssen wir im Nachhinein gar nicht sprechen. Ich halte es für eine saube­re Lösung, wenn das jetzt auch klar geregelt wird. Und was dadurch in Zukunft auch möglich sein wird, ist, dass durch das höhere Globalbudget auch bei den Universitäts­lehrgängen stärker selektiert werden kann und dadurch die Qualität auch in der Lehre gehoben werden kann. Die Stärkefelder der Donau-Uni mit diesem doch beträchtlichen wissenschaftlichen Output können noch zusätzlich gestärkt und im Sinne einer eigen­ständigen Profilbildung weiterentwickelt und ausgebaut werden.

Für mich gibt es einen kleinen Wermutstropfen, da das ja doch ein symbolischer Akt ist, denn bis zu einem gewissen Grad wird dieses Gesetz für die Universität für Wei­terbildung Krems weiterhin bestehen bleiben. Ich glaube, das hätte man gleich alles in einem machen können. Das war vielleicht eine Zeitfrage, da es dazu jetzt auch noch eine Studie zum System der wissenschaftlichen Weiterbildung geben soll, man hätte das aber im Vorfeld eleganter lösen können, um dieses Gesetz gleich obsolet werden zu lassen.

Aber das ist ein richtiger Weg, eine saubere und richtige Lösung. Ich glaube aber, dass wir vielleicht – auch wenn das jetzt nicht der richtige Anlass ist – darüber reden sollten, wie wir mit der Profilbildung und dem ganzen Hochschulstandard generell umgehen. Wir merken ja, dass es eine steigende Zahl an Studierenden gibt – das ist ja auch für die nächsten Jahre so prognostiziert –, aber an sehr unterschiedlichen Standorten. Das ist ja auch etwas, was man in der Debatte um die neue Budgetsystematik an den Unis sehr stark gemerkt hat, dass es nun einmal mehr Studierende gibt, aber nicht überall.

Die Frage ist, wie wir damit umgehen. Ich glaube, dass der gesamtösterreichische Hochschulentwicklungsplan in Zukunft eine stärkere Rolle spielen muss und wir als Wissenschaftspolitiker hier im Parlament stärker Position beziehen müssen, was auch im Sinne eines guten Forschungs- und Wissenschaftsstandortes sinnvoll ist, darüber zu reden, wo Universitäten oder Hochschulen ganz generell besser zusammenarbeiten können.

In diesem Sinne: Ja zur Eingliederung der DUK, aber man muss es dabei nicht be­lassen, der gesamte Sektor braucht in dieser Frage der Koordinierung, der Struktur, des Überblicks mehr Aufmerksamkeit. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

17.59


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag.a Johanna Jachs. – Bitte.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 175

17.59.39

Abgeordnete Mag. Johanna Jachs (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Mi­nister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Donau-Uni wurde 1994 gegründet, die Kol­legen Rosenberger und Kassegger haben die Entwicklung ja schon dargelegt. Mittler­weile hat die Donau-Uni fast 20 000 Absolventinnen und Absolventen hervorgebracht, hat drei Fakultäten und 200 berufsbegleitende Lehrgänge.

Vor dem Hintergrund, dass der Fachkräftemangel Realität ist, ist das lebenslange Ler­nen ein sehr wichtiges Thema und der Schwerpunkt der Donau-Uni ein wichtiger. Das sind gute Gründe dafür, dass wir die Donau-Uni Krems heute als die 22. Universität in das Universitätsgesetz aufnehmen. Die Uni schafft Arbeitsplätze, und das Durch­schnittsalter der Studierenden an der Donau-Uni ist 40,4 Jahre. Was sagt uns das? – Das sagt uns, dass die Studierenden dort berufsbegleitend studieren, im Job stehen und neben der Familie in ihre Zukunft und in die Karriere investieren. 50 Prozent der Studierenden sind weiblich.

Warum die SPÖ den hohen persönlichen Einsatz dieser Studentinnen und Studenten und die Leistungen, die sie da bringen, die oft über das durchschnittliche Maß hinaus­gehen, nicht unterstützt, und auch die Einrichtung, die Donau-Uni, heute nicht unter­stützt, kann ich nicht nachvollziehen. Ich kann es insbesondere deswegen nicht nach­vollziehen, weil wir gestern hier das Frauenvolksbegehren diskutiert haben. (Abg. Era­sim: Haben Sie das Frauenvolksbegehren unterschrieben?) Heute beschließen wir mit diesem Budgetpfad der 50-prozentigen Beteiligung des Bundes eine Maßnahme, die Frauen und Männern in Weiterbildung gleichberechtigt zukommt. (Beifall bei der ÖVP.)

Wie gesagt, ich kann nicht nachvollziehen, dass die SPÖ das nicht unterstützt, und das fällt für mich eher unter das Motto: Wasser predigen und Wein trinken. (Abg. Deimek: Sie predigen roten Wein saufen!) Liebe Kollegen von der SPÖ, lebenslanges Lernen ist ein wichtiges Thema für jede und jeden Einzelne/n und auch für die Politik. Nehmen Sie sich das zu Herzen! (Beifall bei der ÖVP.)

18.02


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Klubobmann Dr. Walter Rosen­kranz. – Bitte.


18.02.12

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Als Kremser möchte ich mich dazu schon auch zu Wort melden. Ja, es war ein langer Weg und wurde am Anfang durchaus auch skeptisch betrachtet. Es hat diverse Witze und Ähnliches gegeben. Mit viel Skepsis auch bedacht, hat sich diese Institution suk­zessive, Jahr für Jahr, Jahrzehnt für Jahrzehnt entsprechend hinaufgearbeitet.

Wenn Sie manchmal Fernseh- oder Radiodokumentationen zu besonderen Themen unterschiedlichster Natur hören, wenn oft wirtschaftliche und wissenschaftliche Exper­tise gefragt wird, dann hört man den einen oder anderen Experten aus der Wissen­schaft von der Donau-Universität Krems. Das ist der derzeitige Befund, und es wurde schon viel Historisches erwähnt, was diese Institution bis zum heutigen Tag geleistet hat und auch weiterhin leisten wird.

Was das Geld betrifft, das Frau Kollegin Hammerschmid hier herangezogen hat: Für die drei Jahre 2019, 2020 und 2021 macht das Universitätsbudget ungefähr 11 Milliar­den Euro aus. Die Donau-Universität bekommt bisher schon 30 Millionen Euro, und durch diesen Schritt soll dieser Betrag für die drei Jahre auf 40 Millionen Euro erhöht werden. Das ist ein Minibetrag, wenn man das 11-Milliarden-Euro-Budget insgesamt sieht.

Dazu kommt noch, dass sich aufgrund dieser Entscheidung auch das Land Niederös­terreich entschlossen hat, für die Infrastruktur – also ein, unter Anführungszeichen,


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 176

„Drittmittel“ – auch mehrfache Millionenbeträge – wenn ich es richtig in Erinnerung habe, sind es 30 bis 40 Millionen Euro – zusätzlich zu investieren. Also zusammenfas­send handelt sich um eine gute Institution der Wissenschaft.

Wissenschaft war ein Thema beim Tagesordnungspunkt zuvor. Frau Kollegin Erasim hat in Richtung des Herrn Bundesministers gefragt, ob er nicht mehr wissenschafts­basiert tätig sein will. – Ja, das ist an sich auch ein guter Ansatz, wissenschaftsbasiert zu denken, zu tun, zu handeln, aber die graue Theorie scheitert oft auch an etwas an­derem. Und missachten Sie bitte eines nicht: Allein, wenn ich in diesem Hohen Haus – ich habe es mir jetzt auf der Liste nicht genau angesehen – den Kollegen Preiner, den Kollegen Hauser, den Kollegen Schandor, den Kollegen Rosenberger, die Kollegin Salzmann sehe, stelle ich fest, dass sie alle aus dem Lehrberuf kommen. Sie kommen aus einem Bereich, nämlich der Praxis, und ich glaube, auf die sollte man auch drin­gend hören. Wissenschaft und Praxis gehören mit ihrer entsprechenden Expertise zu­sammen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Vielleicht ist das ein sehr drastisches Beispiel, aber ich glaube, wenn man nur auf die Wissenschaft gehört hätte, dann hätten wir in Österreich wahrscheinlich mehr Atom­kraftwerke in Betrieb, und das Risiko kennen Sie alle. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – War das jetzt ein Ja für die Kernkraft? Auch gut.

So, jetzt komme ich wieder zur Donau-Universität in Krems zurück. Mir ist wirklich nicht klar, aus welchem Bestemm Sie bei diesem Budget wegen dieser 3 Millionen Euro pro Jahr dieser wirklich tollen, großartigen Institution in Bezug auf den Status der 22. öf­fentlichen Universität eine Abfuhr erteilen wollen – aber keine Sorge, ich werde das beim Kremser SPÖ-Bürgermeister rühmend erwähnen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

18.06


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Bundesminister Dr. Heinz Faßmann zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.


18.06.11

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Hohes Haus! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich möchte meinen Vorrednern nachfol­gen und drei Punkte in aller Kürze ansprechen.

Wir sprechen viel von Lifelong Learning. Ich übersetze das ja lieber mit lebensbeglei­tendem Lernen und nicht mit lebenslangem Lernen, denn lebenslang ist manchmal auch eine strafrechtliche Kategorie und Lernen soll Freude bereiten. Also viele spre­chen von Lifelong Learning, und da gibt es eine Institution, die sich darauf spezialisiert hat. Ich finde das ganz ausgezeichnet, da sie sehr gute Arbeit leistet, wie es die Ab­geordneten vor mir schon gesagt haben.

Ich darf den zweiten Punkt erwähnen: Es gibt im Hintergrund eine 15a-Vereinbarung mit dem Land Niederösterreich, in der eine 50-prozentige Kostenbeteiligung dargestellt wird. Das ist im Prinzip eine Win-win-Situation, sowohl für den Bund als auch für das Land. Alle anderen Bundesuniversitäten muss der Bund zu 100 Prozent oder nahezu 100 Prozent finanzieren. Also ist das auch eine günstige Situation.

Mein drittes Argument ist: In diesem Fall sagt ein Bundesland, wir wollen keine 22. all­gemeine Universität haben, mit Ausbau von diesen und jenen Fakultäten, und die Universität sagt zu Recht, wir sind eine spezialisierte Universität, und dabei möchten wir auch bleiben.

Es gibt also drei wirklich gute Argumente, und ich werbe noch einmal, wie meine Vor­redner und Vorrednerinnen, um breite Zustimmung. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

18.07

18.07.49



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 177

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 7: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 geändert wird, samt Titel und Eingang in 378 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer auch in dritter Lesung dem Gesetzentwurf die Zustimmung gibt, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung mit Mehr­heit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 8: Antrag des Wissen­schaftsausschusses, dem Abschluss der Vereinbarung gemäß Artikel 15a Bundes-Verfassungsgesetz zwischen dem Bund und dem Land Niederösterreich über die wei­tere Entwicklung der Universität für Weiterbildung Krems (Donau-Universität Krems) in 383 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Wer sich hierfür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit an­genommen.

18.09.109. Punkt

Bericht des Wissenschaftsausschusses über den Antrag 485/A der Abgeordne­ten Mag. Dr. Rudolf Taschner, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hochschul-Qualitätssiche­rungsgesetz geändert wird (444 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Rudolf Taschner. – Bitte, Herr Abgeordneter.


18.09.43

Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ho­hes Haus! Das Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz gewährleistet, dass ein verpflich­tendes Meldeverfahren für ausländische Angebote besteht.

Das ist vorher in einer privatwirtschaftlichen Art durchgeführt worden. Der Verfassungs­gerichtshof hat das beanstandet, und es soll jetzt in ein hoheitliches Verfahren über­geführt werden. Das soll der Transparenz dienen, damit man weiß, um welche Studien es sich handelt und wie diese Studien qualifiziert werden.

Wir sind sehr dankbar dafür, dass es durch Verhandlungen gelungen ist, dass dieses Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz in dieser neuen Fassung wohl jetzt einstimmig verabschiedet werden wird. Das ist ein gutes Zeichen für die Bemühungen, die auch der Wissenschaftsausschuss durchgeführt hat. Ich danke jedenfalls dafür, dass dieses Gesetz jetzt seinen Lauf nehmen wird. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 178

18.10


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag.a An­drea Kuntzl. – Bitte.


18.10.57

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Taschner hat bereits erläutert, worum es in der Sache geht. Wir haben in der Dis­kussion im Ausschuss drei Punkte für eine Verbesserung des Gesetzes eingebracht. Wir begrüßen, dass das Gesetz nicht ersatzlos ausläuft, sondern dass eine Ersatzre­gelung gefunden wurde.

Ich freue mich, dass aus diesen Anregungen ein Allparteienantrag geworden ist, ein Abänderungsantrag, den ich jetzt einbringen darf. Ich lese ihn vor und erläutere ihn:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Dr. Rudolf Taschner, Mag. Andrea Kuntzl, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Claudia Gamon, MSc (WU), Dr. Alfred Noll, Kolleginnen und Kollegen be­treffend den Gesetzesantrag im Bericht des Wissenschaftsausschusses über den An­trag 485/A der Abgeordneten Mag. Dr. Rudolf Taschner, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hochschul-Quali­tätssicherungsgesetz geändert wird (444 d.B.)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

1. In Z 6 lautet der § 27 Abs. 7:

„(7) Mit der Entscheidung über die Meldung der Studien ist keine Feststellung der Gleichwertigkeit mit österreichischen Studien und entsprechenden österreichischen akademischen Graden verbunden. Die Studien und akademischen Grade gelten als solche des Herkunfts- beziehungsweise Sitzstaates der Bildungseinrichtung. Ausländi­sche Bildungseinrichtungen sind verpflichtet“ – und das ist jetzt der Punkt – „, im Rah­men ihrer Marktkommunikation und ihres Außenauftrittes in Österreich auf diesen Um­stand in schriftlicher und optisch hervorgehobener Form hinzuweisen.“ – Das ist der Versuch einer besseren Information für die potenziell Studierenden.

„2. In Z 6 wird dem § 27 folgender Absatz 12 angefügt:

„(12) Studierende an ausländischen Bildungseinrichtungen sind berechtigt, sich zu In­formations- und Beratungszwecken an die Ombudsstelle für Studierende zu wen­den.“ – Das war in den Erläuterungen vorgesehen und kommt jetzt ausdrücklich ins Gesetz, dass das eine Anlaufstelle ist.

„3. In Z 9 lautet § 36 Abs. 7:

„(7) Meldungen und Bestätigungen, die vor dem 31. Dezember 2018 gemäß § 27 in der Fassung des BGBl I, Nr. 45/2014 erfolgten oder erteilt wurden, bleiben ab Ausstellung fünf Jahre gültig.“ – Das ist eine Verkürzung der Übergangsfrist und somit der Versuch, das ein bisschen schneller in den Griff zu bekommen.

*****

Ich möchte mich bedanken. Dieser Abänderungsantrag ist nicht die Welt, aber im­merhin ein Pflänzchen für lebendigen Parlamentarismus. (Beifall bei der SPÖ.)

18.13

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 179

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Rudolf Taschner, Mag.a Andrea Kuntzl, Dr. Axel Kassegger, Claudia Gamon, MSc, Dr. Alfred Noll, Kolleginnen und Kollegen

betreffend den Gesetzesantrag im Bericht des Wissenschaftsausschusses über den Antrag 485/A der Abgeordneten Mag. Dr. Rudolf Taschner, MMMag. Dr. Axel Kas­segger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hoch­schul-Qualitätssicherungsgesetz geändert wird (444 d.B.)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

1. In Z 6 lautet § 27 Abs. 7:

„(7) Mit der Entscheidung über die Meldung der Studien ist keine Feststellung der Gleichwertigkeit mit österreichischen Studien und entsprechenden österreichischen akademischen Graden verbunden. Die Studien und akademischen Grade gelten als solche des Herkunfts- bzw. Sitzstaates der Bildungseinrichtung. Ausländische Bil­dungseinrichtungen sind verpflichtet, im Rahmen ihrer Marktkommunikation und ihres Außenauftrittes in Österreich auf diesen Umstand in schriftlicher und optisch hervorge­hobener Form hinzuweisen.“

2. In Z 6 wird dem § 27 folgender Absatz 12 angefügt:

„(12) Studierende an ausländischen Bildungseinrichtungen sind berechtigt, sich zu In­formations- und Beratungszwecken an die Ombudsstelle für Studierende zu wenden.“

3. In Z 9 lautet § 36 Abs. 7:

„(7) Meldungen und Bestätigungen, die vor dem 31. Dezember 2018 gemäß § 27 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 45/2014 erfolgten oder erteilt wurden, blei­ben ab Ausstellung fünf Jahre gültig.“

Begründung

Durch diese Abänderung sollen ausländische Bildungseinrichtungen verpflichtet wer­den, in ihrer Marktkommunikation und ihrem Außenauftritt darüber zu informieren, dass eine Entscheidung über die Meldung der Studien in Österreich keiner Feststellung der Gleichwertigkeit mit österreichischen Studien und entsprechenden österreichischen akademischen Graden entspricht und dass es sich bei diesen Studien und akademi­schen Graden um solche des Herkunfts- bzw. Sitzstaates der Bildungseinrichtung han­delt.

Die Beratungs- und Informationsaufgaben der Ombudsstelle für Studierende an aus­ländischen Bildungseinrichtungen werden ausdrücklich im Gesetz normiert.

Die Reduktion der Gültigkeit auf fünf Jahre von bereits erfolgten und erteilten Meldun­gen und Bestätigungen vor Inkrafttreten dieser Novelle erhöht die Rechtssicherheit für Konsumentinnen und Konsumenten.

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Axel Kassegger. – Bitte.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 180

18.14.03

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ja, es ist im Wesentlichen von den Vorrednern das meiste schon gesagt worden, weswegen ich ganz kurz noch einmal auf den Inhalt dieses Gesetzes eingehe, nämlich den § 27 Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz.

Worum geht es? – Es geht um ein Meldeverfahren für ausländische Studiengänge, die in Österreich angeboten wurden. Das alte Meldeverfahren – ich kürze es jetzt ab – ist vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig aufgehoben worden, und es musste binnen Frist bis 31.12.2018 ein neues Gesetz beschlossen werden, andernfalls hätten wir da eine Lücke gehabt. Dies ist uns in einem entsprechenden parlamentarischen Prozess gelungen, der, wie meine Vorredner schon gesagt haben, durchaus als Musterbeispiel für funktionierenden Parlamentarismus gelten kann – insoweit, als dass von den Regierungsparteien eine Vorlage im Ausschuss vorgelegt wurde, von den Op­positionsparteien noch Anregungen und durchaus Verbesserungen zur Diskussion ge­stellt wurden und die Regierungsparteien, ja, in Wahrheit, sämtliche Anregungen aus dem Ausschuss in Form eines Allparteienabänderungsantrags jetzt Gesetz werden las­sen.

Frau Kollegin Kuntzl hat es schon gesagt: eine erhöhte Veröffentlichungsverpflichtung für die anbietenden Institutionen insoweit, als auf die Vergleichbarkeit hingewiesen wird, was eben nicht Gleichwertigkeit heißt – also wir reden hier von ausländischen akade­mischen Graden, die verliehen werden. Das Ganze ist auch entsprechend, ich zitiere, „in schriftlicher und optisch hervorgehobener Form“ von den Anbietern zu kommuni­zieren. Die Ombudsstelle für Studierende ist jetzt auch drinnen, und die Übergangsfrist ist von sechs auf fünf Jahre verkürzt worden.

Mir bleibt als Obmann des Wissenschaftsausschusses, allen Mitgliedern des Wissen­schaftsausschusses für diesen konstruktiven Prozess zu danken. (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie des Abg. Scherak.)

18.16

18.16.41


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 444 der Beilagen.

Hierzu haben die Abgeordneten Dr. Taschner, Mag.a Kuntzl, Dr. Kassegger, Gamon und Dr. Noll einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetz­entwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Dr. Taschner, Mag.a Kuntzl, Dr. Kassegger, Gamon und Dr. Noll ha­ben einen Abänderungsantrag betreffend Ziffer 6 und Ziffer 9 eingebracht.

Wer dem seine Zustimmung erteilt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig so angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussbe­richtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Auch das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 181

Ich bitte auch jene Damen und Herren, die in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung einstimmig ange­nommen.

18.18.1010. Punkt

Bericht des Wissenschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (353 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Studentenheimgesetz geändert wird (445 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag.a Andrea Kuntzl. – Bitte.


18.18.35

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): So konsensuell wie vorhin geht es jetzt leider nicht weiter. Wir waren ja sehr optimistisch, als wir gehört haben, dass an einer Novelle gearbeitet wird, um etwas bei den Studentenheimen zu verbessern. Wir haben uns gedacht: Was gibt es da zu verbessern? – Zwei Dinge: Die jungen Leute, das wissen wir aus vielen Gesprächen, aber auch aus der Studierenden-Sozialerhebung, müssen immer mehr arbeiten, um sich die Lebenshaltungskosten zu finanzieren. Das Wohnen ist natürlich – wie bei allen, bei den Studierenden ganz besonders, weil sie weniger Geld haben – ein riesengroßer Brocken. Also haben wir uns gedacht, das We­sentliche ist, dass hier Schritte hinsichtlich der Frage, wie man den Studierenden die finanzielle Situation beim Wohnen erleichtern kann, unternommen werden. Das Zweite ist die Mitsprache in den Heimen. Sie war vorhanden, aber verbesserungsfähig; da hät­te man etwas tun können.

Wir haben ehrlich gestanden unseren Augen nicht getraut, als wir gesehen haben, dass das eine Vorlage ist, die für die Studierenden nichts verändert. Was die Wohn­kosten betrifft, ist es so, dass es früher eine Förderung gegeben hat – 11 Millionen Euro im Jahr –; diese ist leider nicht mehr vorhanden. Wir wissen, dass die Studieren­den, die in den Heimen leben, besondere Steigerungen bei den Wohnungskosten ha­ben und dass seit sage und schreibe zehn Jahren kein gemeinnütziges Heim mehr er­richtet worden ist, weil eben die Unterstützung fehlt.

Es wäre ganz dringend gewesen, diesbezüglich etwas einzuführen (Beifall bei der SPÖ), um sozial schwächeren Studierenden, die in eine andere Stadt gehen, um dort zu stu­dieren, unter die Arme zu greifen. Das passiert leider gar nicht.

Es gibt bei den Kosten keine Obergrenzen. Es wäre ganz wichtig, bei Studierendenhei­men, die mit öffentlichen Mitteln – seien es Bundes- oder Landesmittel  unterstützt werden, eine Deckelung vorzusehen. Diese Chance wurde leider versäumt.

Bei der Mitbestimmung hat es früher geheißen: Durchflutung aller Lebensbereiche mit Demokratie. – Damit ist jetzt offensichtlich Schluss, auch da wird das Rad der Zeit zurückgedreht. Es wird nicht ausgebaut, sondern es gibt Regelungen, von denen man gar nicht glaubt, dass es so etwas gibt: dass zum Beispiel bei Heimen mit weniger als 31 Bewohnern oder Bewohnerinnen die Wahl einer Heimvertretung untersagt werden kann. Die Sinnhaftigkeit einer derartigen Regelung steht völlig - - (Ruf bei der SPÖ: Un­fassbar!) Man kann es einfach nicht nachvollziehen, es fehlen einem die Worte, wie Sie merken. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Heimvertretung muss ganz schnell gewählt werden. Kaum ist man eingezogen, muss man sie schon wählen. Wenn das in zwei Monaten nicht erledigt ist, kann das auch eigenmächtig untersagt werden. Die Betreiber werden eigenmächtig ein Heim-


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statut erlassen, es wird nicht mehr die Heimvertretung eine Heimordnung beschließen und so weiter und so fort.

Sehr geehrte Damen und Herren, das ist eine riesige vertane Chance und eine große Enttäuschung. (Beifall bei der SPÖ.)

18.21


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Nico Marchetti. – Bitte.


18.22.00

Abgeordneter Nico Marchetti (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Das bisherige Studentenheimgesetz stammte im Wesentlichen aus dem Jahre 1986. Seitdem haben sich natürlich viele Rahmenbedingungen verän­dert, und darauf haben wir mit diesem Gesetz reagiert. Zum Beispiel ist die Mobilität bei Studenten wesentlich höher – Stichwort Erasmus. Durch die Bolognaarchitektur gibt es jetzt auch kürzere Studienzeiten und es wird flexibler hin- und hergewechselt. Natürlich sind auch mehr private Betreiber auf den Markt gedrängt.

Wir haben in einem Prozess, der sehr lange und umfassend war, gemeinsam mit der Österreichischen Hochschülerschaft, aber auch gemeinsam mit den Heimbetreibern eben diesen Vorschlag erarbeitet. Er wurde am 16. Oktober auch gemeinsam mit Ver­tretern der Heimbetreiber und der Österreichischen Hochschülerschaft präsentiert. Ich zitiere da auch Hannah Lutz, die Vorsitzende der ÖH, die gesagt hat: Das ist definitiv ein Schritt in die richtige Richtung. (Abg. Kuntzl: Zitieren Sie die Kritikpunkte auch!)

Das Ergebnis ist, dass die Studierenden – und da geht es um 40 000 Studierende –, die in diesen Studentenheimen leben, mehr Rechtssicherheit haben, weil einige Verträ­ge weder ins Mietrechtsgesetz noch ins Studentenheimgesetz fielen. Diese Grauzonen gibt es jetzt nicht mehr. Es gibt mehr Flexibilität, um auch Studienortwechsel – Stich­wort Erasmus – abzudecken. An den FHs beginnen Studien anders als an den Univer­sitäten, auch das ist damit endlich erledigt. Auch die Unterscheidung zwischen gemein­nützigen und privaten Heimbetreibern ist, glaube ich, sehr, sehr wichtig und bringt auch eine gewisse Genauigkeit in dieses Gesetz.

Was nicht in dem Gesetz steht, Frau Kuntzl, ist auch klar, nämlich eine Preisobergren­ze. Ich habe manchmal das Gefühl, Sie wollen in das Gesetz hineinschreiben, dass die Mieten nicht 300 Euro sein dürfen. Das lernt man im Volkswirtschaftskurs 1 (Zwischen­ruf des Abg. Stöger), dass das nicht möglich ist, vor allem, wenn Sie auf der anderen Seite wollen, dass mehr gebaut wird und mehr Studentenheime entstehen. Das ist ein­fach nur absurd und das wollen wir nicht. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kuntzl: Natürlich gibt es Obergrenzen!)

Wenn wir über soziale Gerechtigkeit sprechen: Wir haben erst vor Kurzem die Mittel für die Studienbeihilfe auf 255 Millionen Euro jährlich erhöht. (Abg. Kuntzl: Das waren wir! – Abg. Heinisch-Hosek: Ihr habt da nichts gemacht!) Damit haben 5 000 Studie­rende mehr die Möglichkeit, diese Studienbeihilfe in Anspruch zu nehmen. Das sind circa 6 000 Euro pro Jahr, und das ist ja nicht das Ende der Fahnenstange. Es gibt auch noch Leistungsstipendien, es gibt auch noch andere Beihilfen. Also da gibt es ein großes soziales Auffangnetz, das Studierende in Anspruch nehmen können, und es ist wichtig, dass wir das auch ausgebaut haben. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeord­neten Kassegger und Rosenkranz.)

Als Fazit: Ich glaube, dass dieses Studentenheimgesetz eben genau die Rechtssicher­heit bringt, die viele Studenten in der Vergangenheit zu Recht vermisst haben. Ich wiederhole: 40 000 Studenten, um die es da geht, haben jetzt eindeutig eine Verbesse­rung.


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Ich möchte mit dem Zitat der Hochschülerschaft abschließen, dass wir damit definitiv die richtige Richtung eingeschlagen haben. (Abg. Kuntzl: Zitieren Sie die Kritikpunkte auch!) – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

18.25


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Alfred Noll. – Bitte.


18.25.26

Abgeordneter Dr. Alfred J. Noll (JETZT): Frau Präsidentin! Herr Minister! Jetzt muss ich zuerst einmal die mir innewohnende Schüchternheit überwinden, um dem, was hier vorgelegt wurde, wirklich angemessen eine Antwort zu erteilen. Dieses Studentenheim­gesetz ist sicher besser als gar nichts. Herr Kollege Marchetti hat recht, es ist insge­samt besser als das, was wir seit Mitte der Achtzigerjahre haben. Wir haben da drinnen aber etwas, das wirklich eine Unmöglichkeit ist.

Schauen Sie sich den § 7 bitte noch einmal an! Vergleichen Sie, was bisher im § 7 ge­standen ist und was jetzt im § 7 dieses Studentenheimgesetzes stehen soll! Dort wird dem Studentenheimbetreiber die Möglichkeit gewährt, eine Heimvertretung zu unter­sagen. Das glaubt man kaum, wenn man es liest. Dann versucht man, durch die Erläu­terungen klug zu werden. Was steht in den Erläuterungen? – Das ist das Produkt pu­ren Lobbyismus mancher Heimbetreiber. Die Regierungsvorlage spricht davon: Tja, bei kleinen Heimen ist der administrative Aufwand einfach zu groß. Deshalb soll der Heim­betreiber bei Studentenheimen mit weniger als 30 Plätzen die Heimvereinbarung – die Grundlage studentischer Mitwirkung in den entsprechenden Heimen – einfach untersa­gen können.

Im Ausschuss hat Kollege Marchetti – und das kann ich Ihnen jetzt hier nicht ersparen, weil Sie es nicht angesprochen haben, obwohl Sie es ganz genau wissen – daherge­plaudert, man könnte sich ja dann nach § 18 an die Schlichtungsstelle wenden und so weiter. – Die ist dafür gar nicht zuständig. Dort, bei der Schlichtungsstelle, gibt es kein Verfahren. Wenn der Heimbetreiber sagt, er will das nicht, dann ist es aus. In der Sa­che ist das genauso, als würde man in unseren Schulen sagen: Na in der Klasse brau­chen wir sicher keinen Klassensprecher, sind ja nur 30 Kinder dort! Was brauchen wir einen Klassensprecher? (Abg. Loacker: Heim... Studierendenvertretung!)

Das ist tatsächlich die Fratze der Entdemokratisierung, die meines Erachtens ganz ge­gen das spricht, was viele von Ihnen persönlich vertreten. Anstatt hineinzuschreiben, der Heimbetreiber solle nach Möglichkeit versuchen, eine Heimvertretung zu ermögli­chen, gibt man denen den Blankoscheck, zu sagen: Gibt es nicht, brauchen wir nicht, machen wir nicht!, und das unter dem Signum einer Regierung, die antritt, für mehr De­mokratie, für mehr Mitverwaltung, für mehr Mitbestimmung, insbesondere bei der Ju­gend, zu sorgen. Genieren Sie sich nicht dafür?

Deshalb haben wir hier getrennte Abstimmung verlangt. Wir hätten gerne die nament­liche Abstimmung; da ist leider die SPÖ nicht mitgegangen, weil sie das nicht für not­wendig hält. Sie sollen tatsächlich jetzt hier ein Votum für weniger Mitgestaltung der Studenten in unserer österreichischen Bildungslandschaft ablegen! Ich finde, das ist wirklich genierenswürdig, und ich nehme Ihnen persönlich nicht ab, dass Sie das wirk­lich wollen. Schauen wir an, wie Sie abstimmen! – Danke. (Beifall bei JETZT.)

18.28


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Jessi Lintl. – Bitte.


18.29.00

Abgeordnete Dr. Jessi Lintl (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Wichtigste an der Novelle des Studentenheim-


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gesetzes ist, dass unsere Regierung endlich, nach 20 Jahren, Rechtssicherheit schafft – sowohl für Studierende als auch für Heimbetreiber.

Seit der letzten Novelle des Studentenheimgesetzes im Jahr 1999 hat sich der Woh­nungsmarkt für Studierende verändert. Es gibt eine wachsende Anzahl von sogenann­ten gewerblichen – also nicht gemeinnützigen – Studentenheimbetreibern. Diese muss­ten sich bis jetzt nicht an die Bestimmungen des Studentenheimgesetzes halten. Be­wohnerinnen und Bewohner solcher Heime hatten nur einen unzureichenden Rechts­schutz, einfach jenen nach dem Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch. Aufgrund die­ses juristischen Schlupflochs war es bisher möglich, die Bestimmungen des Studenten­heimgesetzes zum Nachteil der Heimbewohner zu umgehen. Diese Lücke wurde jetzt auf Initiative der Bundesregierung geschlossen.

Ziel des neuen Studentenheimgesetzes ist es, zukünftig alle Arten von Studentenhei­men zu erfassen. Mit der Neuregelung der Definitionen Heimplatz und Studentenheim­betreiber soll nun sichergestellt werden, dass die Vermietung von Heimplätzen an Stu­dierende jedenfalls unter das Studentenheimgesetz fällt.

Die Studierenden sind in den letzten Jahrzehnten mobiler geworden. Sie wechseln öf­ter den Studienort oder die Unterkunft. Sie sind flexibler, und daher sind auch die Be­nutzungsverträge flexibler zu gestalten. Das neue Studentenheimgesetz geht genau auf diese Punkte ein. Studenten sind nicht mehr so lang an die Verträge gebunden. Sie können auch in einem Zeitraum von unter einem Jahr aus- oder einziehen. Außerdem wurde eine Obergrenze für die Einhebung von Kautionen eingeführt. Kautionen dürfen nur maximal das Zweifache des Benutzerentgelts betragen.

Das neue Studentenheimgesetz bringt somit eine angemessene Antwort auf die Ent­wicklungen der letzten Jahre und, ich glaube, eine klare Verbesserung für die Studie­renden. – Danke, Herr Minister. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

18.31


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag.a Ruth Becher. – Bitte.


18.31.34

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das 1986 entstandene Studentenheimgesetz war auf die Bedürfnisse, aber auch auf die Eigenverantwortung der Entscheidungsträger von mor­gen abgestellt. Ich werde Ihnen nochmals die zwei wesentlichen Gründe zusammen­fassen und nennen, warum die Bundesregierung mit dieser Gesetzesvorlage das bis­herige System zerschlägt und auf neue spekulative Anlageformen für Investoren redu­ziert.

Von den 370 000 Studenten sind etwa 9 Prozent auf Studienplätze angewiesen. Bei den gemeinnützigen Heimträgern beträgt die monatliche Miete in etwa 300 Euro für ein Zimmer. Private Betreiber kassieren 700 Euro pro Monat. Das ist doch eine horrende Summe für einen studierenden Menschen! Diese Differenz lässt sich auf eine Geset­zeslücke zurückführen.

Grundsätzlich ist im Studentenheimgesetz die Kostendeckung vorgesehen. Die Betrei­ber können aufgrund von eigenen Satzungen daraus ausbrechen. Diese Bestimmung ist im Gesetz aber nicht einsehbar. Anstatt jetzt mit dem neuen Gesetz diese Lücke zu schließen und zu reparieren, sodass alle dem Kostendeckungsprinzip unterworfen sind, wird das ganze Gesetz an die Wand gefahren.

Zwei Säulen des Gesetzes fallen. Die eine ist schon genannt worden, dass nämlich die Studenten bisher maßgeblich am Heimstatut und an der Heimordnung beteiligt waren. Ihnen wird jetzt die Mitbestimmung erschwert. Bei Konflikten war es so, dass man sie


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intern lösen konnte, jetzt wird ein externer, teurer Mediator bestellt. Damit fällt die Säu­le der Mitbestimmung.

Bisher galt das Kostendeckungsprinzip. Jetzt ist nach Auslaufen der Förderung für ge­meinnützige und private Anbieter eine freie Miete möglich. Somit werden Studierende zu ganz normalen Kunden degradiert, deren wirtschaftliche Lage überhaupt nicht mehr berücksichtigt wird. Es wird kurzum eine neue Anlageform für Investoren geschaffen: freie Mieten mit Sonderbefristungen, denn normalerweise beträgt die Befristung zumin­dest drei Jahre.

Das alles wirkt für mich wie eine Bestrafungsaktion für AkademikerInnen, bei denen die FPÖ nur 7 Prozent Wählerzustimmung genießt. Warum die ÖVP das mitträgt und sich daran beteiligt, kann ich mir nur mit den Interessen der Immobilien- und Großspender erklären.

Das (eine Tafel in die Höhe haltend, auf der ein Wohnturm sowie die Aufschrift „750 € für 20m2. ÖVP und FPÖ zocken $tudierende ab“ zu sehen sind) möchte ich Ihnen auch nicht vorenthalten, das wird hier heute mit diesem Gesetz legalisiert. Dieser Turm, den Sie hier sehen, ist der kleine Bruder des DC Tower 1, des höchsten Wolkenkratzers Österreichs. Es ist keine Konzernzentrale, die da entsteht, es ist ein Studentenheim, in welchem das billigste Zimmer mit 750 Euro angeboten wird. Es gehört einem US‑ame­rikanischen Investor, der es jetzt erworben hat. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

18.35


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Martina Kaufmann. – Bitte.


18.35.23

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus! Werte, noch vereinzelte Zuseher auf der Galerie und zu Hause! Jeder, der einen Teil seiner Zeit in einem Studentenwohnheim verbracht hat, weiß, wie wichtig und wertvoll die Erfahrungen dort sind. Ich selbst hatte auch die Gelegenheit, in der Zeit, als ich in Wien studiert habe, viele dieser Erfahrungen, auch jene der Eigenständigkeit, zu machen. Mit der Schaffung von Studentenwohnheimplätzen an den Studienstandorten in Öster­reich in den letzten Jahren ist es uns gelungen, gerade jungen Menschen den Weg zur Bildung zu ermöglichen.

Ich kann als Grazerin auch sagen: Wir haben mit vier Universitäten, zwei Fachhoch­schulen und zwei Pädagogischen Hochschulen über 60 000 Studierende in unserer Stadt und haben in den letzten Jahren intensiv in den Ausbau der Studentenwohn­heimplätze investiert. An dieser Stelle möchte ich einmal dem Team der Greenbox rund um Stefan Hausberger, das auf eine Initiative von Kurt Hohensinner zurückgeht, ein großes Dankeschön aussprechen. Nur so kann es uns gelingen, für die Anzahl von Studierenden eine Unterkunft zur Verfügung zu stellen und damit auch die Studien­plätze in Graz zu befüllen. (Beifall bei der ÖVP.)

Im Vorfeld dieser Diskussion habe ich heute auf Facebook die Frage gestellt, was die einzelnen Erfahrungen sind, die man mitgenommen hat. Die Bandbreite ist groß: von der Eigenverantwortung, die man gelernt hat, wenn es ums Kochen geht, bis hin zu dem, dass man den Partner, die Partnerin fürs Leben gefunden hat. Das ist, glaube ich, durchaus sehr wichtig.

Mit dem neuen Studentenwohnheimgesetz gelingt es uns, Mobilität, Flexibilität und Trans­parenz zu ermöglichen. Wir leben in einem System von Bachelor und Master, das heißt, ich kann mich dafür entscheiden, in Graz den Bachelor zu machen, dann zum Beispiel nach Wien, nach Linz oder nach Innsbruck zu gehen und dort mit dem Master


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fortzusetzen. Dafür brauche ich auch die Flexibilität in den vertraglichen Regelungen, die dieses neue Studentenwohnheimgesetz garantiert.

Einen weiteren Punkt möchte ich noch ansprechen, weil Herr Kollege Noll sagt, es werde niemand eingebunden, die Studierenden würden außen vor gelassen: Na ja, bei der Erarbeitung der Novelle wurde die ÖH involviert; also wer sollte denn sonst mitar­beiten, wenn nicht die gesetzliche Vertretung der Studierenden? (Abg. Kuntzl: Aber nicht ihre Forderungen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Also ich glaube, das Entscheidende ist, dass die, die es betrifft, auch mitgearbeitet haben. Dank dem Herrn Minister ist es auch gut gelungen, dass diese Änderungen mit den Studierenden im Vorfeld beschlossen wurden. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Es ist aber auch nichts Neues: Kollege Noll – und binnen kürzester Zeit darf ich ein zweites Mal darüber reden – möchte Probleme lösen, die eigentlich überhaupt keine sind. Vielleicht sollte JETZT zu einer anderen Politik kommen und in der Zukunft nicht so weiterfahren.

Danke für dieses Gesetz, schaffen wir mehr Transparenz und Flexibilität für die Stu­dierenden! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

18.38


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Philip Kucher. – Bitte. (Ruf bei der SPÖ – in Richtung Abg. Kucher, der sich zum Rednerpult begibt –: Vorwärts!)


18.39.05

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Das ganze Jahr über ist für die jungen Menschen, die in Österreich studieren, nicht unbedingt viel passiert, wenn man einmal von den Studiengebühren absieht. Damit hat man ja die jungen Menschen, die Vollzeit arbeiten müssen, um sich ein Studium überhaupt leisten zu können, bestraft. Als Belohnung ha­ben sie in Zukunft Studiengebühren zu zahlen.

Nachdem man auch Zugangsbeschränkungen eingeführt hat, weil man möchte, dass gewisse junge Menschen gar nicht mehr an die Uni gehen, habe ich persönlich ge­dacht: kurz vor Weihnachten, ein Studentenheimgesetz – die Regierung wird ja wohl nicht eine gewisse Milde in der Vorweihnachtszeit gehabt haben? Da wird in diesem Packerl doch etwas drinnen sein, man wird sich entsinnen, dass man auch für die jun­gen Leute etwas machen könnte! Ein Dach über dem Kopf ist doch wichtig und es könnte auch leistbar sein – ein leistbares Dach über dem Kopf für junge Menschen.

Dann schauen wir uns dieses Gesetz an und – es ist wirklich so absurd – genau diese Dinge stehen gar nicht drin. Die Kostendeckelung fällt überhaupt völlig weg. Man nimmt auch überhaupt keinen einzigen Euro in die Hand, sodass man sagen könnte, man nimmt vielleicht ein bisschen Geld in die Hand, denn man könnte noch mehr Stu­dentenheime bauen, die auch leistbar sind, oder alte Heime, die nicht mehr so gut sind, sanieren. Nicht einen einzigen Euro gibt es dafür; aber die Kostendeckelung streichen wir und sagen dann: Wir könnten das doch über den freien Markt finanzieren, das wird alles lösen!

Kollegin Becher hat es ja angesprochen, es ist auch sehr sinnvoll und sehr stimmig: Der Staat gibt zusätzlich gar nichts aus, dafür gibt es vom Bund gar kein Geld, aber der private Markt, die amerikanischen Konzerne, die nach Österreich kommen, sind ja nur aufgrund einer gewissen Mildtätigkeit gegründet worden und müssen natürlich sagen: Nein, die 45 Euro pro Quadratmeter sind viel zu viel! Wir sind mildtätig! Es geht ja nicht um Gewinne, machen wir einfach 10 Euro, machen wir 5 Euro daraus! – Der Staat macht gar nichts, aber die Konzerne werden kurz vor Weihnachten draufkommen, dass man für die jungen Menschen etwas machen könnte.


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Es ist leider ein Muster, das wir hier erkennen, dass man in diesem Bereich gerade den Menschen, die es nicht so gut getroffen haben, mit Eltern, die vielleicht nicht das Geld haben, alles zu finanzieren, nicht hilft. Wir kennen die Studierenden-Sozialerhe­bung und merken, wie die Preise in diesem Bereich angezogen haben. Da könnten wir wirklich etwas machen.

Bei der ÖVP muss man sagen: Sie war doch zumindest sehr ehrlich. Sebastian Kurz hat noch ganz offen im Wahlkampf gesagt, dass jeder, der sich eine Wohnung mietet, eigentlich ein bisschen deppert ist, weil eine Wohnung zu kaufen doch viel sinnvoller ist. Das ist sein Zugang und zeigt auch, was seine Lebensrealität ist und wie er das Ganze sieht.

Nur, Kollege Rosenkranz: Es kann doch nicht wahr sein, dass die FPÖ – ihr habt doch jahrelang vom kleinen Mann geredet! – da mitgeht und nicht sagt: Für junge Men­schen, die vielleicht nicht mit einem goldenen Löffel im Mund geboren worden sind, für die Söhne und Töchter des kleinen Mannes, die auch eine Chance haben wollen, zu studieren, da könnte man doch etwas machen! (Abg. Rosenkranz: Die haben alle Chancen!) In diesem Punkt habt ihr euch aber leider in Richtung ÖVP nicht durchge­setzt.

Die ÖVP möchte ja gar nicht, dass gewisse junge Menschen auf die Uni kommen. Man redet dann zwar immer wieder von den Talenten, die entscheiden sollen, in Wahrheit aber geht es dabei leider nur um die Brieftasche. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neubau­er: Das ist ein Unsinn!)

Also dieses Packerl vor Weihnachten ist wirklich peinlich. (Zwischenrufe der Abgeord­neten Obernosterer und Neubauer.) Die einzige Sache, die man dann ganz schlau gemacht hat, hat Kollege Noll angesprochen. Damit sich nämlich niemand beschweren kann, weil die Heime nicht saniert werden oder irgendetwas zu teuer ist, hat man ge­sagt: Streichen wir überhaupt die Mitsprache, denn wenn es niemanden gibt, der mit­sprechen kann, dann gibt es auch keine Beschwerden und alles ist Weltklasse! – Also das ist wirklich ein merkwürdiger Politikstil. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

18.42


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek. – Bitte.


18.42.28

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Lieber Philip, immer wenn du Schnappat­mung kriegst, muss man ein bisschen vorsichtig sein. Bringen wir wieder ein bisschen mehr Realismus in die Debatte! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich sage dir einfach aus meiner Position heraus – und ich war auch jahrelang in einem Heim im 8. Bezirk Heimvertreter –: Das, was du und deine Vorgängerin hier so erzählt habt, ist so nicht wahr. Warum? – Wir sind knapp nach dem ersten Jahr dieser Bun­desregierung, und ich höre von dieser Seite des Parlaments (in Richtung SPÖ wei­send) immer wieder: Es ist zu teuer, es ist Rechtsunsicherheit, und, und, und.

Wir haben am Anfang gehört: Dieses Gesetz ist seit 20 Jahren nicht novelliert worden. Bitte, wer hat in den letzten 20 Jahren da gearbeitet? Wer hat es nicht zusammenge­bracht, Rechtssicherheit zu schaffen? (Abg. Kucher: ... Mitsprache!) Wer brachte es nicht zusammen, diese höchsten Preise für die armen Studenten in irgendeiner Art zu verhindern? Wer konnte die Studenten nicht unterstützen? (Abg. Kucher: Die ÖVP!)

Wenn ihr mit einem Finger auf uns zeigt, zeigen mindestens drei zu euch zurück. Wer war denn in diesem Bereich verantwortlich? Und wo sind wirklich die teuersten Mie-


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ten? – In den sozialistisch regierten Hauptstädten! Das ist leider Fakt! (Oh-Rufe bei der FPÖ.) Das ist leider Fakt: leider für die Studenten, die jetzt wieder herhalten müssen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich kann Ihnen schon sagen, als Student überlegt man es sich – natürlich gemeinsam mit den Eltern –: Wie macht man das wirklich? Wo geht man hin, wo möchte man stu­dieren und was kostet dort das Ganze? Wien war auch damals in den Achtzigerjahren nicht das billige Pflaster, es war auch damals schon teuer. Wenn man aber Qualität wollte, dann hatte man es sich halt aussuchen können: etwas Gescheites oder gar nichts.

Ganz einfach: Alles, was ich von dir, Philip, dazu noch gehört habe, mit der Einsicht­nahme und so weiter, den Preisen, der Studentenvertretung, alles, was du erzählt hast, ist nicht so. Eine Einsichtnahme ist kein Recht für irgendetwas. Alles das, was auch vom Kollegen Noll gesagt worden ist, ist so nicht zutreffend. Das ist eine Pseudobe­gründung.

Wichtig ist vielmehr, dass man es schafft, Wohnraum für Studenten zu errichten, und das werden wir nicht vom Bund aus machen, da wären einmal die Länder gefragt. Und, bitte, Sie haben vor etlichen Jahren auch eine Wohnbaumilliarde verkündet; das Geld ist einfach im Budget versumpert. Mit der Milliarde hätten Sie für Studenten Hunderte Heime bauen können, aber es ist leider nicht passiert. (Zwischenruf des Abg. Kucher.)

Es wird wahrscheinlich an uns liegen, auch in den Ländern durchzusetzen, dass nicht nur für die normalen Bürger, denen es sozial ein bisschen schlechter geht, sondern auch für die Studenten Heime errichtet werden. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

18.45

18.45.34


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Damit kommen wir auch schon zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 353 der Beilagen.

Hierzu liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung des Herrn Abgeordneten Dr. Noll vor.

Ich werde daher zunächst über den vom erwähnten Verlangen auf getrennte Abstim­mung betroffenen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über § 7 Abs. 2 Z 13 in der Fassung der Re­gierungsvorlage, und ich ersuche jene Damen und Herren, die dieser Fassung ihre Zu­stimmung erteilen, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvor­lage. Ich bitte jene Damen und Herren, die sich hierfür aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung des Gesetzentwurfes.

Wer sich in dritter Lesung dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Der Gesetz­entwurf ist somit in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

18.47.0311. Punkt

Bericht des Wissenschaftsausschusses über den Antrag 499/A der Abgeordne­ten Nico Marchetti, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen be-


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treffend ein Bundesgesetz über die Wahltage der Hochschülerinnen- und Hoch­schülerschaftswahlen 2019 (446 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Eva Maria Holzleitner. – Bitte, Frau Abgeordnete.


18.47.36

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Die große Frage, die wir uns bei diesem Antrag im Wissenschaftsausschuss gestellt haben – und das gilt für alle Oppositionsparteien –, ist: Warum? Warum muss man extra eine Gesetzesän­derung vornehmen und kommt stattdessen nicht einfach unkompliziert dem Vorschlag der ÖH nach und hält die Wahlen eine Woche früher ab?

Seit Jahrzehnten war üblich, dass die ÖH den Wahltermin vorschlägt und das Minis­terium diesem zustimmt, wissend, dass die Österreichische HochschülerInnenschaft selbst eigentlich am besten weiß, wann der optimale Wahltermin ist. Es ist ein wirklich unverständlicher Schritt.

Warum aber ist diese Woche eigentlich ungünstig? – Bei den Überlegungen der Hoch­schülerInnenschaft fließen viele Dinge ein: Sind die meisten Studierenden anwesend oder gerade auf Heimurlaub? Prüfungsstress? Gibt es andere Wahlen, die zu diesem Zeitpunkt stattfinden?

Wenn man diese Überlegungen betrachtet, ist es eigentlich offensichtlich, dass die ÖH ein großes Interesse daran hat, dass möglichst viele Studierende vor Ort sind, an der Wahl teilnehmen und man gleichzeitig auch nicht allzu viele Ressourcen für die Durch­führung der ÖH-Wahl braucht.

Die Zusatzkosten, die dadurch aber im kommenden Semester entstehen werden, sind immens und wären bei den Studierenden selbst viel besser investiert. Die Woche, die nun angepeilt wird, 27. bis 29. Mai, Montag bis Mittwoch, ist von einem Feiertag be­grenzt. Mit Donnerstag beginnt ein verlängertes Wochenende, und gerade jene Stu­dierenden, die nicht in dem Bundesland studieren, in dem auch das Elternhaus oder Ähnliches ist, nutzen diese kurzen Wochen, um heimzufahren, um noch einmal Kraft für die kommenden Prüfungen zu schöpfen et cetera.

Auswärtige Studierende sind also mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht an den Universi­täten, um von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Die Möglichkeit der Briefwahl ist auch nur begrenzt ein Trost, denn im Rahmen derer kann man die Bundesvertretung und die Universitätsvertretung wählen, aber um die Wahl der eigenen Studienvertre­tung fällt man völlig um. – Es ist eben nur ein schwacher Trost.

Durch diese Weigerung, dem Wunsch der ÖH nachzukommen, werden im kommenden Jahr vermutlich die teuersten ÖH-Wahlen aller Zeiten abgehalten werden, denn die HochschülerInnenschaft hat sich ja bei ihrem Vorschlag, die Wahl eine Woche früher abzuhalten, prinzipiell etwas gedacht.

Durch den neuen Wahltermin kommt es nämlich zu einer Überschneidung mit der EU-Wahl. Das ist eine große Herausforderung, denn dadurch kann nicht wie sonst auf Wahlurnen und Kabinen der Städte zurückgegriffen werden, sondern man muss jede Urne, jede Kabine et cetera extra anmieten oder kaufen, was zu immensen Kosten füh­ren wird.

Der wahre Skandal ist aber nicht nur der Kostenfaktor und diese organisatorische He­rausforderung, sondern vor allem die Aushöhlung der Demokratie. Für eine starke Stu­dierendenvertretung braucht man einen niederschwelligen Zugang zu Wahlen – und


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dieser Zugang beginnt nun einmal schon beim Wahldatum. Es ist unverständlich, dass die Regierungsparteien die Demokratie an Österreichs Hochschulen so angreifen und dafür extra eine Gesetzesänderung vornehmen.

Wir von der Sozialdemokratie wünschen uns eine starke HochschülerInnenschaft, eine starke Studierendenvertretung und einen optimalen Zugang zur Wahl. Ein Schelm, wer Böses denkt und meint, dass hier eine gezielte Schwächung der Demokratie an Öster­reichs Hochschulen vorgenommen wird. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Höbart: Eben, ein Schelm! – Abg. Neubauer: Gendern hätte man noch können! Eine Schelmin!)

18.51


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Nico Marchetti. – Bitte.


18.51.19

Abgeordneter Nico Marchetti (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Mir ist schon bewusst, dass wir der Nationalrat und nicht der Rationalrat sind; ich versuche trotzdem, das Ganze jetzt einmal mit ein bisschen Vernunft zu be­sprechen. In einem Punkt sind wir uns ja zumindest einig, nämlich dass nächstes Jahr eine besondere Herausforderung ist – aufgrund von ganz vielen Feiertagen, die blöd fallen, aufgrund von der EU-Wahl und vielen anderen Dingen, die schwierig sind. (Abg. Scherak: Das ist ja nicht das erste Mal!)

Deswegen haben wir einfach möglichst konstruktiv versucht, einen Termin zu finden, der auch den objektiven Kriterien entspricht, die uns die ÖH genannt hat. Das wäre zum Beispiel ein Wahltermin im Mai und nicht in der prüfungsintensiven Zeit im Juni oder auch, dass der vorgezogene Wahltag, der eine Woche davor am Samstag oder am Freitag stattfindet, nicht auf einen Fenstertag fällt. Wenn man diese zwei Be­dingungen einmal zusammennimmt, dann bleiben einfach nicht viele Möglichkeiten. Ei­ne davon ist 27. bis 29. Mai, und ich glaube, es ist einfach in Ordnung, die Wahl auch an diesem Datum stattfinden zu lassen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Zusätzlich – das möchte ich noch einmal betonen – hat der Minister ja angekündigt, dass er neben diesen drei normalen Wahltagen und dem einen vorgezogenen Wahl­tag – man hat also vier Tage die Möglichkeit, physisch zu wählen – und der Briefwahl auch noch eine umfassende Informationskampagne zur Möglichkeit der Briefwahl zur ÖH-Wahl machen möchte, aber auch generell dazu, dass man an der Wahl teilnehmen soll.

Außerdem hat er sich auch bereit erklärt, im Wahlkampf für Diskussionen zur Verfü­gung zu stehen und eine möglichst breite Öffentlichkeit zu schaffen, weil es schwierig ist neben einer EU-Wahl, die sicher medial eher im Fokus steht, auch Aufmerksamkeit für die ÖH-Wahl zu erzeugen. Er hat sich auch bereit erklärt, das zu unterstützen. Ich glaube, das ist mehr als konstruktiv. Er hat auch schon gerade beim Studentenheim­gesetz wieder gezeigt, dass er die ÖH bei Gesetzen, die sie betrifft, auch einbindet. Von einer Delegitimierung kann also wirklich absolut keine Rede sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich glaube, es ist in unser aller Interesse, dass die Wahlbeteiligung möglichst gestei­gert wird. Ich glaube, es ist ein guter Weg – da sehe ich auch über das eine oder ande­re Argument hinweg –, dass wir einerseits mit einem Termin, der allen objektiven Kri­terien entspricht, aber auch mit dieser Informationskampagne zur Forcierung der Brief­wahl richtige Schritte setzen. Das können wir tun. Was offensichtlich ihr tun könnt, ist, ein Feindbild zu schaffen. Möglicherweise hilft das auch bei der Mobilisierung. Insofern tun wir also beide etwas, damit mehr Leute zur ÖH-Wahl kommen, und das ist ja auch nicht so schlecht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

18.54



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 191

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Claudia Gamon. – Bitte.


18.54.19

Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Lieber Nico, es geht überhaupt nicht darum, ein Feindbild zu schaffen, wir verstehen es nur einfach nicht. (Abg. Haub­ner: Er hat es eh erklärt!) Feiertage fallen, wie sie fallen, und sie wären eigentlich beim ursprünglichen ÖH-Termin nicht hineingefallen, und das ist das eigentliche Problem. Aus welchem Grund auch immer muss die ÖH-Wahl verschoben werden? In dieser neuen Wahlwoche, die vorgeschlagen oder irgendwie verhandelt worden ist, gibt es jetzt doch einen Feiertag. Damit das Ganze im Nachhinein wieder Sinn macht, müssen wir jetzt beschließen, dass die ÖH-Wahl auch von Montag bis Mittwoch statt wie üblich von Dienstag bis Donnerstag stattfinden kann.

Es ist schon ein bissl seltsam, dass wir das überhaupt hier diskutieren müssen; es zeigt, dass irgendetwas im Vorhinein passiert sein muss. Man wundert sich, die Univer­sitätenkonferenz wundert sich, die Hochschülerschaft wundert sich. Da hängen ja lan­ge Vorbereitungen, zum Beispiel Raumreservierungen, dran. Es ist ja ein großes Pro­jekt, so eine ÖH-Wahl an allen Hochschulen stattfinden zu lassen. Es war bisher immer ein konsensuales Vorgehen, das wird jetzt damit durchbrochen. Das ist unsensibel, un­nötig, man könnte es auch als provokant bezeichnen.

Ich möchte aber die Gelegenheit nutzen, da wir überhaupt einmal einen Tagesord­nungspunkt zur ÖH-Wahl haben: Reden wir darüber, dass das großteils ehrenamtliche Organisationen sind, aber trotzdem ohne jegliche Transparenz alle zwei Jahre unfass­bare Unsummen in diesen Wahlkampf hineingepulvert werden! Das ist eigentlich ab­surd, das sollte man ändern. Wir wollen dagegenhalten, und ich glaube, es sollte auch in unserem Sinne sein, dass auch Wahlen wie die ÖH-Wahlen transparent ablaufen. Deshalb bringe ich auch folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Claudia Gamon‚ MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen betreffend „Transparenzpaket für ÖH-Wahlen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf zuzuleiten, der für höhere Transparenz und eine Deckelung der Wahlkampfkosten bei den ÖH-Wahlen sorgt und damit Chancengerechtigkeit für alle Fraktionen bei den Wahlen si­chert.“

*****

Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

18.56

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Claudia Gamon‚ MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen

betreffend Transparenzpaket für ÖH-Wahlen

eingebracht im Zuge der Debatte in der 55. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Wissenschaftsausschusses über den Antrag 499/A der Abgeordneten Nico Mar-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 192

chetti, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz über die Wahltage der Hochschülerinnen- und Hochschülerschaftswah­len 2019 (446 d.B.) – TOP 11

Der Nationalrat hat 2012 im Zuge des Transparenzpakets beschlossen, dass Parteien in den letzten 3 Monaten vor der Nationalratswahl maximal 7 Millionen Euro an Wahl­kampfkosten aufwenden dürfen. Auch wenn das Gesetz stellenweise zahnlos ist, ha­ben seither die Wähler_innen mehr Einblick in die Wahlausgaben der Parteien bekom­men. Ein solches oder ähnliches Gesetz findet sich für ÖH-Wahlen in der österreichi­schen Rechtsordnung noch nicht. Hinsichtlich zukünftiger ÖH-Wahlen wäre ein adap­tiertes Transparenzgesetz mit Verbesserungen der offenkundig gewordenen Mängel auch für den Hochschulsektor wünschenswert.

Eine Begrenzung der ÖH-Wahlkampfkosten verhindert ein ausuferndes Überbieten der in Konkurrenz stehenden Fraktionen. „Wer befürchten muss, dass die politische Kon­kurrenz in der Intensiv-Wahlkampfphase deutlich höhere Ausgaben tätigt, wird prohi­bitiv selbst höhere Ausgaben als eigentlich erwünscht tätigen. Das führt erfahrungsge­mäß aber zu einer problematischen Verschuldung der Parteien“ so Hubert Sickinger Politikwissenschaftler und Experte für Parteienfinanzierung. Ein weiterer Effekt eines Transparenzpaketes für ÖH-Wahlen wäre die dadurch herbeigeführte Chancengerech­tigkeit zwischen den Fraktionen. Nicht zu vergessen ist, dass es sich zumeist auch um ehrenamtlich betreute Strukturen in den einzelnen Fraktionen handelt. Schlussendlich geht es um einen „Wettbewerb der besten Ideen und nicht um einen Wettbewerb der besten Sponsoren“ so Thomas Drozda zu den derzeit in der Öffentlichkeit diskutierten Überschreitungen der Wahlkampfkosten.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf zuzuleiten, der für höhere Transparenz und eine Deckelung der Wahlkampfkosten bei den ÖH-Wahlen sorgt und damit Chancengerechtigkeit für alle Fraktionen bei den Wahlen sichert."

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Martin Graf. – Bitte.


18.56.22

Abgeordneter Mag. Dr. Martin Graf (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Die ÖH-Wahl ist immer sehr wichtig, deswegen habe ich mich auch gerne zu Wort gemeldet. Ich muss schon sagen, ich bin etwas enttäuscht, dass Kollege Noll, der ja diesem Thema im Ausschuss mit ganz kuriosen Verschwö­rungstheorien sehr viel Raum geschenkt hat, jetzt gar nicht hier ist, aber vielleicht richtet man es ihm ja dann aus, wie das ausgegangen ist. Vielleicht hat er auch ande­res zu tun, aber es wäre interessant gewesen, wenn er seine Worte auch hier wieder­holt hätte.

Ja, die ÖH-Wahl findet alle zwei Jahre statt und wird auch dieses Jahr zum gesetzli­chen Termin – im Gesetz steht ja, dass die ÖH-Wahl alle zwei Jahre zwischen Mitte


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Mai und Mitte Juni stattzufinden hat – stattfinden. Sie wird Ende Mai stattfinden. Nun­mehr mussten wir aufgrund der Feiertage etwas nachschärfen, weil wir den Studenten ja nicht zumuten können, an einem Feiertag wählen zu gehen. Daher kommen wir dem Wunsch nach, dass im Mai gewählt wird, drei Tage lang, halt nicht von Dienstag bis Donnerstag, sondern von Montag bis Mittwoch. Zusätzlich gibt es noch zwei Vorwahl­tage, Freitag und Samstag in der Woche davor, und zusätzlich kann man noch per Briefwahl wählen und alles Mögliche.

Jetzt kann man sich natürlich in einer verschwörungstheoretischen Eskapade verstri­cken und sagen, was diese Regierung schon wieder plant, weil sie den Montag anstel­le des Donnerstags zum Wahltag macht (Abg. Winzig: Da schlafen die Studenten!) und weil sie das in einer Woche, in der Studenten vielleicht nach Hause fahren und Ähnliches mehr, plant. Ja, in einer Zeit oder in einem Land, wo es nahezu jede Woche einen Feiertag gibt, ist es ganz schwierig, eine Woche im Mai oder Juni zu erwischen, in der kein Feiertag ist. Dann versucht man halt das Bestmögliche, um alle Interessen wahrzunehmen.

Viel interessanter ist ja, wer sich bei dieser Wahl beteiligt. (Zwischenruf des Abg. Loa­cker.) Beim letzten Mal im Jahr 2017 waren es 24,5 Prozent der Studierenden. Es gibt, glaube ich, keine Interessenvertretung, keine Zwangskammer, bei der die Wertschät­zung vonseiten der Wählerschaft gegenüber den Funktionären so gering ist wie in der Österreichischen Hochschülerschaft. (Abg. Gamon: Sollen wir gar nicht mehr wählen?)

Man möchte fast glauben, dass die derzeitige links geführte ÖH-Funktionärsriege vom Wählerabwehrdienst ist. Sie finden jetzt natürlich auch wieder ein Haar in der Suppe. Man muss ja Fundamentalopposition betreiben, speziell vonseiten der SPÖ, aber
auch von der Liste JETZT – oder wie auch immer sie jetzt heißen mag – und auch von
den NEOS. (Abg. Kuntzl: Sie sind aber ein schlechter Verlierer! – Zwischenruf der Abg. Gamon.)

Viel wichtiger ist, dass man sich einmal den Kopf darüber zerbricht, wie denn die Funk­tionäre die ÖH-Beiträge ausgeben, die sie zwangsweise von jedem Studenten, egal welcher Gesinnung, auch von freiheitlichen Studenten, sage ich dazu, einnehmen. (Abg. Loacker: Das ist bei der Arbeiterkammer und der Wirtschaftskammer auch so!) Ich glaube, die Delegitimierung betreiben schon die ÖH-Funktionäre selbst, so wie sie vorgehen. (Präsidentin Kitzmüller übernimmt den Vorsitz.)

Kollegin Holzleitner, glaube ich, von der SPÖ hat die Mehrkosten angesprochen, die entstehen könnten, weil man ja jetzt ein Dreivierteljahr vorher andere Räume reservie­ren muss, statt Dienstag am Montag und Ähnliches. Bald ist es ohnehin so, dass es auf den Universitäten mehr Räume als Leute, die zur Wahl gehen, gibt. (Zwischenruf der Abg. Holzleitner.) Es wird also kein Problem sein, die geeigneten Räume zu finden. Mehrkosten entstehen auch nicht, wenn Sie mich fragen.

Schauen wir uns einmal an, wo man Kosten einsparen könnte: Wofür geben denn die ÖH-Funktionäre Geld aus? (Abg. Leichtfried: Redezeit!) – Das ist eine freiwillige Re­dezeit, Herr Kollege! Lernen Sie die Geschäftsordnung! Ich kann noch länger spre­chen, wenn Sie wollen. Sie fordern mich jetzt heraus. Im Jänner hat die ÖH Wien zum Beispiel der militanten Gruppe autonome antifa [w] – [w] steht für Wien – einen Hörsaal gratis zur Verfügung gestellt und auch eine Veranstaltung unterstützt, in dem Fall eine Podiumsdiskussion zum Thema „Strategien und Antworten der radikalen Linken“ – also die Brüder des Herrn Pilz – „in Zeiten von Rechtsruck und Krise“. Der Inhalt wird dann näher beschrieben: praktische Skills für die tägliche antifaschistische Arbeit. (Abg. Haider: Linksextremisten! Gewaltbürger!) – Dafür wird Geld ausgegeben! Das kann man auch in etwas anderes investieren. (Beifall bei der FPÖ.)


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Was meint man denn mit praktischen Skills? – Das wird in der Einladung auch gleich mitausgeführt, wie zum Beispiel – jetzt muss man aufpassen –: Wie denunziere ich am besten Andersdenkende, speziell Nationale? – Geht es noch, Herr Kollege? Finden Sie das in Ordnung, dass dafür Geld ausgegeben wird, Zwangsbeiträge von armen Stu­denten, die sich vielleicht keinen Studentenheimplatz leisten können? (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Neubauer: Die haben eh genug Geld!)

Es geht aber noch weiter – die zweite Erklärung, was dort gemacht werden soll –, es soll dort nicht nur verbaler und symbolischer Aktionismus unter die Leute gebracht wer­den, sondern es sollen die Skills vom Hausfriedensbruch bis hin zu Vandalismus und Sachbeschädigung erläutert werden. Dafür gibt die ÖH Geld aus! (Abg. Neubauer: Un­glaublich!) Dann sagen Sie mir, das Geld fehlt vielleicht bei Wahlen, wenn so etwas un­terstützt wird! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich sage das jetzt nur wegen des Kostenarguments. Es ist von der SPÖ gekommen, und weil es wichtig ist, dass man weiß, wozu es ÖH-Wahlen gibt, denn solche Funk­tionäre sollte man möglichst nicht wählen, würde ich meinen.

Ich nenne drei Beispiele, an denen Sie festmachen können, wie das durch Zwangsbei­träge eingehobene Geld verschwendet wird. Im Oktober wird ein Vortrag von der ÖH gesponsert, der sich „Sexismus, Homophobie und Selbstermächtigung im Fußball“ nennt. Dort schreibt man von Diskriminierung von Frauen und Transsexuellen im Fuß­ballsport. (Heiterkeit der Abg. Winzig. – Abg. Heinisch-Hosek: Es gibt auch Frauen­fußball!) Da Fußball vorwiegend und weitgehend – schreiben diese – professionell von Männern gespielt wird, sind dieser Sport und die damit vorhandenen Institutionen wie zum Beispiel ÖFB, Uefa, Fifa, Askö, Union grundsätzlich sexistisch. – Was sagen Sie dazu, Herr Wittmann, Chef vom Askö, oder Herr Haubner, Chef von der Union? (Abg. Leichtfried: Tun Sie sich nicht so reinsteigern!) Sie sind Sexisten? – Das kann es ja wohl nicht geben. Geht es noch? Geht es noch? (Abg. Greiner: Der Blutdruck steigt! Vorsicht!) – Schauen Sie, das ist für mich ein wichtiges Thema, und deswegen bin ich heute etwas emotionaler. Stört Sie das? – Sie stört nicht, dass dafür das Geld ausge­geben wird, Sie unterstützen das sogar noch. (Beifall bei der FPÖ.) Das ist in Ordnung, ja! Sie unterstützen die Anleitung für Vandalismus und Sachbeschädigung, Sie sind ge­gen Ihren eigenen sozialistischen Funktionär Wittmann, denn das ist ein Sexist und Ähnliches. Das unterstützen Sie ja! Es ist ja wurscht, Hauptsache die Regierung ist schuld. (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

Es geht aber noch weiter – und jetzt rege ich mich wirklich bald auf. Drittes Beispiel, aus dem August: Aktionstage zur Verteilung von Sexcarepaketen, unterstützt und be­zahlt von der ÖH. Inhalt dieser Sexcarepakete: Kondome, Broschüren und sogenann­te – Entschuldigen Sie den Ausdruck, Frau Vorsitzende – Arschlecktücher, die beim verkehrten Oralsex vor Syphilis schützen sollen. (Abg. Höbart: Das ist ja krank! Total krank!) Dieses Thema war der ÖH so wichtig, dass sie im darauffolgenden Semester eine eigene Kampagne zu dem Thema gestartet hat. Das muss man sich einmal vor­stellen – mit Zwangsbeiträgen der Studierenden! (Abg. Neubauer: Unglaublich!) Darü­ber sollte man reden, ob man diese Zwangsbeiträge nicht abschafft. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Höbart: Die haben einen Huscher!)

Wir werden das vielleicht nicht schaffen, weil wir da vielleicht keine Mehrheit haben, weil auch unser Koalitionspartner nicht mitmacht. Der lässt sich von den Leuten, die Zwangsbeiträge einheben, Sexist schimpfen – Kollege Haubner, Sie sind als Funktio­när gemeint. Wenn wir das nicht schaffen, Herr Minister, müssen wir wenigstens Vor­kehrungen treffen, die sicherstellen, dass diese Zwangsbeiträge wenigstens für Bera­tung und Interessenvertretung der Studierenden verwendet werden müssen und nicht für die linksextremistischen Agitationen und die kruden und krausen weltfremden Fan­tasien von (Abg. Haider: Gestörten!) – vielleicht gestörten – Vertretern von Studieren-


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den. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Greiner: Hallo! – Abg. Höbart: Die Arschlecktücher! Beschämend! – Abg. Neubauer: Unfassbar! – Rufe bei SPÖ und NEOS sowie Gegenrufe bei der FPÖ.)

19.06


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Jachs. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.06.19

Abgeordnete Mag. Johanna Jachs (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Mi­nister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um ehrlich zu sein, die Aufregung um den neu­en ÖH-Wahltermin kann ich nicht ganz nachvollziehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.) Ich glaube nämlich, dass es, mit Verlaub gesagt, wichtigere Dinge in Bezug auf die ÖH gibt, die wir besprechen sollten, als, ob Dienstag, Mittwoch, Donnerstag oder Montag, Dienstag, Mittwoch gewählt wird. (Zwischenruf bei der FPÖ. – Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Heinisch-Hosek: Das ist widerlich! – Abg. Höbart: Was ist mit den Arschlecktüchern? Das ist wirklich widerlich!)

Wichtiger wäre nämlich die Wahlbeteiligung – wir haben es ja schon gehört –, die ist in den letzten Jahren gesunken und lag 2017 bei unter 25 Prozent. Kollege Marchetti hat auch schon gesagt, dass natürlich mit den ÖH-Vertretern im Vorfeld vor dieser Termin­findung gesprochen wurde. Diese haben folgende Wünsche geäußert: Erstens, der Termin möge bitte nicht im Juni sein, weil das die prüfungsintensivste Zeit ist, und zweitens, der Termin möge bitte nicht durch einen Feiertag unterbrochen werden. Was haben wir jetzt? – Wir haben jetzt einen Termin, der nicht im Juni ist, sondern im Mai, und wir haben einen Termin, der nicht durch einen Feiertag unterbrochen wird. Zusätz­lich gibt es noch die Möglichkeit der Briefwahl und der vorgezogenen Wahltage. Wer wählen will, wird also auch wählen können, das kann man nicht leugnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Danke auch dem Herrn Bundesminister, dass er eine Informationskampagne im Vor­feld zur ÖH-Wahl starten wird, die hoffentlich auch die Wahlbeteiligung ein bisschen anheben wird.

Liebe Kollegin Holzleitner, ich finde es wirklich letztklassig, dass ihr da jetzt versucht, im Vorfeld präventiv Argumente zu konstruieren, und die Aushöhlung der Demokratie herbeischwört, denn mit der Briefwahl stärken wir sogar die Demokratie. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Holzleitner.)

Ich selbst war auch berufstätige Studierende und ich war selbst in der ÖH aktiv. Ich kann aus meiner praktischen Erfahrung berichten, dass zu meinem damaligen Leidwe­sen der ÖH-Wahltermin in erster Linie die ÖH-Funktionäre selbst beschäftigt und inter­essiert hat. Die normalen Studierenden haben den Termin einfach hingenommen, denn sie richten sich nach den Gegebenheiten.

Der einzige Mehrwehrt der heutigen Diskussion ist für mich folgender: Die ÖH hat eine Woche länger Zeit, um zu mobilisieren, um mehr Studenten zur Wahl zu bringen, und wir schaffen vielleicht ein bisschen mehr Aufmerksamkeit für den Termin der ÖH-Wahl 2019. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

19.09


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Kucher. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Höbart: Vielleicht nimmt er uns ein Tuch mit!)


19.09.19

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Eigentlich kann man nach der Rede des Kolle­gen Graf gar nicht so viel sagen, denn das macht einen wirklich fassungslos. (Zwi­schenrufe bei der FPÖ.)


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Herr Kollege Graf, es wäre ganz einfach: Sie gehen zur nächsten Universität in Wien – da soll es ja einige geben –, inskribieren, zahlen den ÖH-Beitrag ein – Sie könnten ja zum Beispiel dann auch Vorlesungen bei Kollegen Noll besuchen, das wäre ja durch­aus spannend –, schnappen sich dann einen Schemel, stellen sich direkt vor die Uni­versität, halten Ihre Brandreden direkt vor der Uni und kandidieren bei der nächsten ÖH-Wahl. Das wäre doch eine ganz einfache Variante. (Abg. Haider: Das war schon! Das haben wir alles gemacht!)

Wissen Sie, so einfach funktioniert nämlich Demokratie, die jungen Menschen in Öster­reich – in dem Fall sind es Studierende – entscheiden bei den Wahlen, welcher Frak­tion sie ihr Vertrauen geben. Das ist nicht Ihre Entscheidung, sondern die Entschei­dung der jungen Studierenden! (Zwischenrufe bei der FPÖ.) So weit sind wir nicht – wir sind nicht in der Monarchie oder in anderen Formen –, dass dann von oben herab ent­schieden wird, was junge Leute brauchen, was Menschen zu denken haben. Das ist eine demokratische Entscheidung, und so viel Respekt sollte man in Wahrheit haben. (Beifall bei SPÖ und JETZT.)

Aber es ist Ihnen ja unbenommen: Kandidieren Sie, bitte! Jeder von Ihnen kann neben­bei studieren. Der Nachteil ist vielleicht – da seid ihr auch ganz vorne mit dabei –: Ob Sie überhaupt einen Studienplatz bekommen, ist ja nicht mehr so klar, denn ihr habt ja, anstatt die Studienbedingungen in Österreich zu verbessern, lieber Zugangsbeschrän­kungen eingeführt, weil ihr gar nicht wollt, dass zu viele Leute an der Uni studieren.

Zur Beratung: Ich habe auch selbst viele Jahre Sozialberatungen an der Uni durchge­führt. Wenn Sie einmal nachschauen und darüber reden würden, welche Schicksale von jungen Menschen es gibt, die einen sehr, sehr stark prägen, dann könnten Sie nie im Leben auf diese Ideen kommen, dass man Studierende bestraft, die Vollzeit arbei­ten müssen, damit sie sich ein Studium leisten können, indem man für die dann Stu­diengebühren einführt. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Das sind Schicksale von Menschen! Ihr habt die Gespräche nie geführt, dass es Men­schen gibt, die dann ihr Studium abbrechen, weil sie es sich einfach nicht mehr leisten können – ich möchte jetzt keine Ausdrücke verwenden –, weil sie nichts mehr zum Es­sen haben, weil sie sich keine Kleidung leisten können. Das sind Dinge, die ihnen in Österreich passieren. (Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Wir haben es nach jahrelangen Diskussionen geschafft, die Studienbeihilfe zu erhö­hen. Das wären konkrete Dinge, die man machen könnte. Da passiert gar nichts aus eurer Richtung! Im Gegenteil, heute haben wir gerade erlebt, dass euch die Studenten­heimplätze völlig egal sind. Da passiert gar nichts.

Das sind die Punkte, ich darf also bitten: Lassen Sie demokratische Entscheidungen dort stattfinden, wo sie stattzufinden haben! Führen Sie die Debatte vor der Uni! Der Ring Freiheitlicher Studenten soll sich weniger um die Liederbücher kümmern, sondern kandidieren und für die Studierenden arbeiten, dann wird das kein Thema sein. Demo­kratische Entscheidungen der Studierenden sind zu respektieren! (Beifall bei der SPÖ.)

19.11

19.11.51


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung, und zwar über den Gesetz­entwurf samt Titel und Eingang in 446 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein zustimmendes Zei­chen. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, somit ist das in dritter Lesung angenommen. (Unruhe im Saal.)

Meine Damen und Herren, dürfte ich um etwas mehr Ruhe bitten? – Danke schön.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Gamon, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Transparenzpaket für ÖH-Wah­len“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zei­chen. – Das ist die Minderheit, nicht angenommen.

19.12.5612. Punkt

Bericht des Wissenschaftsausschusses über den Antrag 466/A(E) der Abgeord­neten Claudia Gamon, MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen betreffend Lösung des Kettenvertragsproblems an den österreichischen Universitäten (447 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Zarits. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.13.28

Abgeordneter Christoph Zarits (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Kucher ist jetzt leider draußen; ich habe gar nicht gewusst, dass er sich so aufregen kann. Wir kommen jetzt aber zu ei­nem Tagesordnungspunkt (Zwischenrufe bei der SPÖ), bei dem es, glaube ich, mehr Übereinstimmung gibt.

Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass wir die besten Rahmenbedingungen für den Forschungsstandort Österreich schaffen müssen. Das sollte uns allen hier im Hohen Haus ein großes Anliegen sein. Hier im Hohen Haus – ich glaube, ich kann da für alle sprechen – ist es nicht nur unsere Aufgabe, an unseren Universitäten hochqualifizierte Arbeitskräfte auszubilden, sondern wir sollten auch darauf schauen, dass wir den hochqualifizierten Menschen Zukunftschancen geben und sichere Arbeitsplätze im For­schungsbereich bieten. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wenn wir die jungen und hochqualifizierten Forscherinnen und Forscher im Land be­halten wollen, dann müssen wir natürlich auch ab und zu Gesetze ändern, anpassen und an die Praxis adaptieren. Ein modernes Arbeitsrecht im Bereich der Universitäten bedeuten mehr Flexibilität und auch interessante Karriereperspektiven. Natürlich ver­langt es vor allem auch notwendige Rahmenbedingungen, und es braucht auch Anrei­ze, um einen sicheren Arbeitsplatz anzubieten.

Gleichzeitig gilt es aber auch, an jene Forscherinnen und Forscher zu denken, die sich bereits im Ausland aufhalten. Viele sind gerne bereit, wieder zurückzukommen, daher müssen wir natürlich auch attraktive Rückkehrprogramme schaffen.

Die Details der neuen Arbeitsregelung im universitären Bereich sollen aber nicht ein­seitig von der Politik bestimmt werden. Ich halte es für einen durchaus richtigen und wichtigen Schritt, den Dachverband der Universitäten als Kollektivvertragspartner auf Arbeitgeberseite mit einzubeziehen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich bin mir ganz sicher, dass die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung, gemeinsam mit den österreichischen Univer­sitäten ein modernes Arbeitsrecht für Forscherinnen und Forscher ausarbeiten wird,


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 198

natürlich zum Wohle der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an den Universitäten und für mehr Sicherheit im Arbeitsrecht in diesem Bereich. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

19.16


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Kuntzl. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.16.17

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Wir hal­ten es für gut und notwendig, sich die Kettenvertragsregelung für die Universitäten an­zuschauen. Das ist ein durchaus nicht leicht zu lösendes Problem, weil es aus Sicht des einzelnen Forschers, der einzelnen Forscherin natürlich verständlich ist, dass man möglichst lang in einem Vertrag sein will, es aber sozusagen aus der Gesamtsicht he­raus nicht wünschenswert ist, dass an der Universität immer mehr Leute immer länger in befristeten Verträgen arbeiten müssen. Das ist also ein durchaus diffiziles Problem – gut, dass das angegangen wird!

Meinem Vorredner ist offenbar noch der alte Antrag vorgelegen. Wir werden jetzt die­sem Antrag auch zustimmen, weil eine kleine, aber bedeutende Änderung vorgenom­men worden ist, und zwar wird nicht nur mit dem Dachverband geredet, also nicht nur mit der Arbeitgeberseite – wie das ja jetzt leider zunehmend einreißt –, sondern in die­sem Fall ist auf unseren Wunsch ausdrücklich hinzugekommen, dass auch mit der Ar­beitnehmerseite geredet wird. Damit sind wir dabei. (Beifall bei der SPÖ und bei Ab­geordneten der ÖVP.)

19.17


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Deimek zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.17.42

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Herr Bundesminister! Ja, für den jetzt hinzugekommenen Vizekanzler wird es möglicherweise neu sein, aber normalerweise – und diese Debatte zeigt es wieder einmal – haben wir im Wissenschaftsausschuss eine sehr konstruktive, ordentliche und sachliche Zusammenarbeit. Das zeigt dieser Antrag, für den ich mich bei der ursprüng­lichen Antragstellerin, Frau Gamon, bedanken möchte. Gleichzeitig möchte ich mich aber auch beim Herrn Bundesminister dafür bedanken, dass er das so aufgenommen hat. Dieses Thema ist grundsätzlich einmal Teil der Regierungsvereinbarung. Dass wir das gemeinsam sachlich abarbeiten können, zeugt von der Qualität des Ausschusses.

Natürlich ist die Beseitigung der Probleme offenkundig. Wir haben auf der einen Seite die Problematik der jungen Forscher, der jungen Wissenschafter – Assistenten, Leh­renden, was immer sie gerade auf der Uni machen – mit den Kettenverträgen, mit die­sem ungewissen Fortkommen: Wie wird es wirklich nach Ende des bestehenden Ver­trags ausschauen? Wie wird es mit diversen Forschungs- und Förderprogrammen aus­schauen? Kann ich noch in diesem oder jenem Labor und so weiter sein?

Auf der anderen Seite ist natürlich auch die Frage wichtig: Wie kann das Institut oder eben solch ein Labor die Bedürfnisse, die ja von der technischen oder von der wissen­schaftlichen Seite her groß sind – aber leider gibt es halt immer wieder die finanziellen Zwänge –, optimal unter einen Hut bringen?

Ich glaube, mit dem bestehenden Antrag in der vorliegenden Version, kann das gut ge­macht werden. – Ich danke allen Beteiligten. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

19.19



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 199

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt jetzt Frau Abgeordnete Gamon. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


19.19.34

Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Herr Wissenschaftsminister! Es freut mich sehr, dass wir heute diesen NEOS-Vorschlag aufnehmen können und uns auch als Nationalrat dafür aussprechen, dass das Kettenvertragsproblem endgültig gelöst wird.

Ich werte diesen Beschluss, auch wenn es nur ein Entschließungsantrag ist, auch als Garantie dafür, dass mit der nächsten Novelle des UG 2002 auch ein entsprechend gu­ter Vorschlag vonseiten des Ministeriums kommen wird, der sowohl für die Universitä­ten als auch für die Forscherinnen und Forscher praktikabel ist.

Ich möchte kurz zusammenfassen, worum es eigentlich geht. Mit der Novelle 2015 wurde ja bereits probiert, eine praktikable Lösung zu finden, weil die Kettenvertragsre­gelung damals auch auf die Universitäten ausgeweitet wurde. Bei befristeten Be­schäftigungen wurde ein Wechsel als Neuabschluss gewertet, wenn dadurch eine hö­here Karrierestufe erreicht wird, also wenn man zum Beispiel in eine Postdocstelle kommt, oder wenn ein Wechsel zu dieser Stelle mit einem Drittmittel- oder Forschungs­projekt erfolgt ist. Das ist bei sehr vielen der Fall und hat dann letztendlich immer wie­der dazu geführt, dass Forscherinnen und Forscher quasi dazu gezwungen waren, die Universität für kürzere oder für längere Zeit zu verlassen. Das führt natürlich ungewoll­terweise dann auch zu einem Braindrain an den Universitäten, weil man sagt, das ist halt einfach kein Karriereumfeld, in dem man sehen kann, wo man auch hinkommen kann.

Genau deshalb freut es mich, dass wir als Ausschuss und auch als Parlament gemein­sam tätig werden. Das ist ein weiteres gutes Beispiel dafür, wie der Wissenschaftsaus­schuss auf sachlicher Ebene arbeiten kann. Ich habe die Ankündigung erhalten, dass es auch ein modernes, den Bedürfnissen der jungen Forscherinnen und Forscher an­gepasstes Dienstrecht in Zukunft sein soll, das dann mit einer UG-Novelle kommen wird.

Ich glaube, dass wir generell daran arbeiten müssen, wie wir den Wissenschaftsstand­ort auch zu einem attraktiven Karrierestandort für junge Forscherinnen und Forscher machen können. Da gehören einerseits Tenure-Track-Modelle an den Universitäten dazu, und diesbezüglich gibt es natürlich die Aufforderung von unserer Seite, dass die­se von den Universitäten auch stärker genutzt werden sollten. Da gehören natürlich auch andere Dinge dazu, wie zum Beispiel die Vereinbarkeit von Familie und Wissen­schaftskarriere. Das ist besonders für Frauen im österreichischen Universitäts- und Forschungsbetrieb eine große Herausforderung.

Ich denke, es ist uns allen ein Anliegen, dass wir die talentierten, erfolgreichen For­scherinnen und Forscher in Österreich nicht verlieren, sondern dass wir denen eine Perspektive an den Universitäten bieten können. Daher werte ich diesen Beschluss als ein umfassendes Bekenntnis des ganzen Parlaments zum Wissenschaftsstandort und bedanke mich für die konstruktive und positive Zusammenarbeit im Wissenschaftsaus­schuss.

Danke, dass Sie mich noch einmal zur Berichterstatterin gemacht haben. Ich werde die GO-konforme lustige Übung da oben heute nicht wieder machen, aber ich würde mich freuen, wenn das Instrument der Berichterstattung auch sonst wieder einmal anderwei­tig genutzt wird. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)

19.22

19.22.37


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 200

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 447 der Beilagen ange­schlossene Entschließung betreffend „Lösung des Kettenvertragsproblems an den ös­terreichischen Universitäten“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierfür eintreten, um ein entsprechendes Zei­chen. – Das ist einstimmig angenommen. (E 41)

19.23.0813. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (352 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsge­setz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwalt­schaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forst­wirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrperso­nengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrperso­nengesetz, das Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetz, die Reisegebührenvor­schrift 1955, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, das Rechtspraktikantengesetz und das Prüfungsta­xengesetz geändert werden (2. Dienstrechts-Novelle 2018) (464 d.B.)

14. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 315/A(E) der Abgeordne­ten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Angleichung des Dienstrechts öffentlich Bediensteter an den privaten Sektor (465 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nun zu den Punkten 13 und 14 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Loacker. – Bitte.


19.23.44

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Hohes Haus! Die Novelle des Dienstrechts für öffentlich Bedienstete: Je­des Jahr übernehmen wir Bestimmungen aus dem Arbeitsrecht der Privatwirtschaft ins Dienstrecht der Beamten und der Vertragsbediensteten, zuletzt beispielsweise die Wie­dereingliederungsteilzeit oder die Familienhospizkarenz. Das finden wir gut, weil glei­ches Recht für alle gelten soll.

Allerdings handelt es sich da um eine Einbahnstraße. Wenn in der Privatwirtschaft et­was besser ist, dann ist es sehr schnell im Dienstrecht für die öffentlich Bediensteten, aber wenn es darum geht, althergebrachte Privilegien, die im öffentlichen Dienst noch aus dem Jahre Schnee mitgetragen werden, zu beseitigen und auch da eine Anglei­chung zu schaffen, dann ist man schnell fertig mit gleichem Recht für alle. Ich erinnere an das leidige Thema der bezahlten Mittagspause im öffentlichen Dienst.

Wie schon die Staatssekretärinnen Steßl und Duzdar ist auch der Herr Vizekanzler in die Verhandlungen mit der Gewerkschaft um die Gehaltserhöhungen gegangen, ohne eine arbeitgeberseitige Gegenforderung mitzubringen, und hat sich von der GÖD veri­tabel über den Tisch ziehen lassen. Die haben alles bekommen, was sie wollten, und so enthält auch diese Dienstrechts-Novelle wieder eine nette kleine Besserstellung für


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die Beamten, ein kleines, herziges Pensionsprivileg. Es wird ihnen nämlich erleichtert, in Korridorpension zu gehen.

Damit Sie das verstehen, geschätzte Zuschauerinnen und Zuschauer – das ist ein bisschen kompliziert –: Wenn man Beamter ist, dann kann man im Anschluss an die Karenz in eine sogenannte Anschlusskarenz gehen. Es besteht darauf zwar kein Rechtsanspruch, aber man kann bis zum Schuleintritt des Kindes in Anschlusskarenz gehen, und diese Zeit wird zur Hälfte auf die Vorrückungen und auf die Jubiläumszula­gen angerechnet.

Jetzt stellen Sie sich das einmal vor: Sie sind bis zum siebten Geburtstag des Kindes in Karenz! Wir diskutieren in der freien Marktwirtschaft darüber, ob 24 Monate Karenz­zeit auf die Vorrückungen angerechnet werden; im öffentlichen Dienst rechnen wir hin bis zum Schuleintritt!

Jetzt geht es dann auch noch um Folgendes: Wenn jemand so eine Anschlusskarenz in Anspruch nimmt, dann kann er oder sie sich davon sechs Monate anrechnen lassen und leichter in eine Korridorpension gehen. Sie bleiben also länger in Karenz und kön­nen dafür leichter in eine Korridorpension gehen! (Ruf bei der FPÖ: Danke, Herr Vize­kanzler!) Das ist diese Einbahnstraße im Dienstrecht, wie sie der Vizekanzler in würdi­ger Fortführung des roten Beamtenstaatssekretärinnenkurses hier durchführt. (Beifall bei den NEOS.)

Spricht man in den Ausschüssen solche Dinge an, dann heißt es salopp: Na, dann sol­len sich die Unternehmen halt etwas von diesem tollen Dienstrecht des Bundes ab­schauen. – Das verkennt ein bisschen die Lage und zeigt, wie man in Regierungskrei­sen denkt.

Ich möchte das auch der geschätzten Unternehmerschaft und den leitenden Angestell­ten sagen, die zuschauen: Falls sie diese Regierung für unternehmerisch gehalten ha­ben, so erliegen Sie einem Irrtum! Sie werden nachher den Beamtengewerkschafter Herbert hören, und Sie werden die Vertreter der Partei der Bauern und Beamten hören, wie diese dazu stehen, und diese werden diese Beamtenprivilegien mit Zähnen und Klauen und mit großartigen Argumenten verteidigen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Der Staat wird nie demselben Wettbewerb unterliegen wie ein Unternehmen. Nur, der Staat steht auf dem Arbeitsmarkt mit den Unternehmen im Wettbewerb um die Ar­beitskräfte und verschafft sich durch einen solchen Dienstrechtszuschlag Vorteile auf dem Arbeitsmarkt. Und wer darf diesen Arbeitsmarktvorteil für den Arbeitgeber Öffentli­cher Dienst zahlen? – Jene, die den Nachteil haben, nämlich die Steuerzahler in der freien Marktwirtschaft. Dazu kann man wirklich nur sagen: Da wedelt der Schwanz mit dem Hund. (Beifall bei den NEOS.)

Allein schon deshalb wäre es fair, das öffentliche Dienstrecht und das private Dienst­recht der Unselbstständigen einander anzugleichen. Dies nicht im Wege einer Ein­bahnstraße, sondern da muss einfach jeder ein bisschen nachgeben und ein bisschen etwas bekommen, und dann trifft man sich, damit gleiches Recht für alle gilt. Wenn Sie geglaubt haben, das sei die Politik des kleinen Mannes bei der FPÖ, dann haben Sie sich geschnitten.

Eines möchte ich auch noch sagen: Diese Anschlusskarenzgeschichte geht auf Kosten der Jungen, die dann befristete Jobs im öffentlichen Dienst bekommen und sich von ei­ner Karenzvertretung zur anderen hanteln. – Die Klasse der Besitzenden richtet sich’s, und die Jungen zahlen drauf! (Beifall bei den NEOS.)


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19.28


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Ofenauer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.28.32

Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Herr Kollege Loacker hat jetzt leider Gottes eine wenig wertschätzende Rede gegenüber dem öffentlichen Dienst gehalten. Das ist sehr schade, weil wir hier eine wegweisende 2. Dienstrechts-Novelle 2018 beschließen.

Das ist gut so, denn die öffentlich Bediensteten geben tagtäglich ihr Bestes, um den Menschen ein optimales Service zu bieten. Gerade hier, gerade jetzt, gerade zu dieser Zeit ist es einmal Zeit dafür, auch ein herzliches Dankeschön zu sagen, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Die Aufgabe im öffentlichen Dienst ist nicht einfach, es gibt hohe Ansprüche auf Dienstgeberseite, aber auch hohe Ansprüche auf Bürgerseite, und der öffentliche Dienst ist so vielfältig wie kaum ein anderer Bereich. Er reicht vom Straßendienst über Verwaltungspersonal bis hin zum Richter. Eines ist auch klar: Ohne einen funktionie­renden öffentlichen Dienst würde unser Staat nicht so gut dastehen, wie er dasteht.

Ich bin seit jeher für einen starken öffentlichen Dienst eingetreten, aber die Vielfalt der Aufgaben zum einen und der Wandel durch Demografie, Technologie und so weiter zum anderen machen immer wieder Anpassungen nötig. Die Verhandlungen, die hier geführt wurden, waren hart, waren gut und sind zu einem guten Ergebnis gekommen. Da wurde niemand – wie es ausgedrückt wurde – über den Tisch gezogen.

Zu den zahlreichen Optimierungen in dieser 2. Dienstrechts-Novelle zählt zum einen die Wiedereingliederungsteilzeit, die jetzt auch Beamtinnen und Beamte in Anspruch nehmen können. Damit wird den Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit gegeben, nach Unfällen wieder langsam in den Arbeitsprozess einzusteigen. (Beifall bei Abge­ordneten von ÖVP und FPÖ.)

Das 21. Jahrhundert ist auch das Zeitalter der Computerarbeit und Telearbeit; das ist nichts Neues mehr und nicht mehr wegzudenken. Deswegen haben wir auch flexiblere Regelungen geschaffen, sodass der unmittelbar Vorgesetzte in Zukunft auch tagewei­se beziehungsweise situativ solche Telearbeit genehmigen kann.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Möglichkeit, Fachkarrieren zu machen; nicht nur eine Führungslaufbahn einzuschlagen, sondern parallel dazu auch eine Führungskar­riere oder, wenn die Führungsfunktion abgegeben wird, auf eine solche Fachkarriere umzuschwenken. Das ist wichtig, weil sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch langjährige Tätigkeit großes Fachwissen angeeignet haben, und wenn wir sie zu sol­chen Fachexperten ausbilden und vor allem auch halten können, dann wirken wir ei­nem Braindrain und dem Wissensabfluss entgegen, und gerade das ist in der heutigen Zeit immer wichtiger, denn wir wollen auch bis zur Pensionierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf dieses Wissen zurückgreifen können.

Eines der zentralen Elemente dieser Dienstrechts-Novelle ist aber natürlich der Ge­haltsabschluss. Ich denke doch, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentli­chen Dienst durchaus auch einen Anteil am Wirtschaftswachstum haben, weil sie für Stabilität sorgen, weil eine gute Verwaltung in diesem Land einen stabilen Staat, einen berechenbaren Staat schafft, und das macht unser Österreich attraktiv für Unterneh­mer, aber auch für Arbeitnehmer, meine Damen und Herren!

Die Gehälter werden sozial gestaffelt, steigen zwischen 3,45 Prozent und 2,51 Prozent. Das ist ein sehr schöner Erfolg für die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst und – an die­ser Stelle ein Dankeschön an den Herrn Vizekanzler – es ist auch ein Zeichen der Wertschätzung. (Abg. Rädler: Genau!) Ich möchte mich da bei beiden Seiten für die Gehaltsverhandlungen bedanken, zum einen bei der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst,


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zum anderen bei den Vertretern des Dienstgebers. Es wurde hart verhandelt, aber es konnte für beide Seiten ein zufriedenstellendes Ergebnis erreicht werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist eine Verhandlungskultur und vor al­lem eine Ergebniskultur, an der sich andere Berufsgruppen oder andere Vertretungen ein Beispiel nehmen können. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordne­ten der FPÖ.)

19.32


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Noll. – Bitte schön, Herr Abgeordneter. (Ruf bei der FPÖ: ... Beamtenbashing!)


19.32.32

Abgeordneter Dr. Alfred J. Noll (JETZT): Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Hohes Haus! Ich stehe auch nicht an, ich halte dieses Gesetz insgesamt für ein gutes Gesetz. Ich halte auch den Gehaltsabschluss für die Beamten insgesamt für eine gute Rege­lung (Beifall des Abg. Lausch), aber natürlich bin ich als Oppositionspolitiker auch ver­halten, mir das anzuschauen, was nicht so gut ist (Abg. Lausch: Schade! Schade!), und was in diesem Gesetz gar nicht gut ist, ist § 141 Abs. 2. Damit wird in Wirklichkeit die Durchpolitisierung des gesamten Beamtenapparates im Kanzleramt und auch beim Vizekanzler – und bei negativer Lesart, die immerhin nicht ganz ausgeschlossen ist, auch in anderen Ministerien – ermöglicht.

Im § 141 war bisher, in der alten Fassung, durch das Wort Büro ganz klar geregelt, dass von der Ausschreibung Befreite Kabinettsmitglieder sind. Das ist sinnvoll, das ist richtig und ist seit jeher so bedacht worden. Das Wort Büro wird jetzt durch einen Hin­weis auf Einrichtungen gemäß § 7 Abs. 3 Bundesministeriengesetz ersetzt, und wenn man sich diesen § 7 Abs. 3 Bundesministeriengesetz durchliest, dann sieht man, dass bis hinunter zu den Abteilungen und Gruppen im Haus Leute beschäftigt werden kön­nen, ohne dass es einer Ausschreibung bedarf, und das wurde auch im § 25 des Aus­schreibungsgesetzes entsprechend geändert.

Das heißt, der Anwendungsbereich für eine Beschäftigung aufgrund eines ausschrei­bungsfrei besetzten Postens hat sich ganz enorm erweitert. Ich glaube, dass das, was wir im Ausschuss gehört haben, dass es sich da lediglich um die sogenannten Think­tanks und um Beratergruppen und den Staff handelt, der dafür notwendig wäre, Anlass für diese Sache ist. Dieser Anlass ist auch legitim, ich sage das ganz offen, aber die semantische Formulierung, die da gewählt wurde, gibt für ein Misstrauen Anlass, das aus meiner Sicht bisher auch noch nicht zerstreut werden konnte.

Wenn man das nämlich mit nur milder Bösartigkeit liest, dann erlaubt das eine Pa­rallelführung des gesamten Beamtenapparates und die Einsetzung von Politkommis­saren, und wenn auch das, was wir zuletzt aus durchaus informierten Kreisen oder, wie man so schön sagt, durch stichhaltige Gerüchte in Erfahrung gebracht haben, zutrifft, dass der erste Anwendungsbereich nicht ein Thinktank im Vizekanzleramt sein soll, sondern dass ohne Ausschreibung geplant ist, eine Einheit zu bilden, die die drei Nachrichtendienste überwachen und BKA und Vizekanzler darüber berichten soll, dann geht es eher in eine Richtung, die ich mit einem gewissen Misstrauen beobachte.

Deshalb wird es für dieses Gesetz trotz der Worte, die ich einleitend dafür gefunden habe, dass es insgesamt eine Verbesserung des Status des Beamten-Dienstrechtsge­setzes ist, auch, was die Gehaltsvorstellung betrifft, keine Zustimmung geben.

Die sanfte und zarte Ankündigung des Herrn Vizekanzlers im Ausschuss, dass man sich das noch einmal anschauen wird, habe ich vernommen, nur habe ich dann nichts mehr dazu gehört. Wenn man befunden hat, das ist unbedenklich, und ich nehme an, das ist das Ergebnis, denn sonst wäre etwas gekommen, kann ich nur sagen: Dieser


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Gesetzestext muss einen mit Misstrauen erfüllen. Man kann damit sehr viel mehr machen, als vielleicht jetzt intendiert ist, und das stößt mir auf, weil es gegen die Aus­schreibungspflicht und gegen rechtsstaatliche Kontrolle ist. – Danke. (Beifall bei JETZT. – Abg. Lausch: Schade um den guten Start der Rede! Du hättest es so gut ausbauen können!)

19.36


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Lueger. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.


19.36.23

Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Herr Kollege Loacker! Ich glaube, er ist gerade rausgegangen, aber vielleicht können Sie es ihm ausrichten: Das, was er mit seiner Privilegiendebatte immer wieder versucht, ist ganz einfach, den öffentlichen Dienst schlechtzumachen und nach unten zu nivellieren. (Abg. Meinl-Reisinger: Nein!) Das ist nicht Sinn und Zweck der Sache, denn – und das hat sogar der Kollege der ÖVP gesagt – ein Staat funktioniert nur dann gut und die Wirtschaft funktioniert nur dann sehr gut, wenn der Staat stabil ist, und das kann man nur mit einem guten Gesetz machen.

Das, was sich beim Kollegen Loacker aber eigentlich dahinter verbirgt, ist, dass es ihn rasend stört, dass eine starke Gewerkschaft für die Interessen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eintritt. Das stört ihn, denn müssten das die einzelnen Personen machen, dann wäre so ein Erfolg wie jetzt ganz einfach nicht möglich.

Es sind viele positive Dinge drinnen. Die Flexibilisierung der Telearbeit halte ich prin­zipiell für gut, weil man auf mobiles Arbeiten außer Haus auch für einen kurzen Zeit­punkt, für Einzelfälle zurückgreifen kann. Das, was ich aber nicht gut finde, ist, dass die Aussage der ÖVP im Ausschuss war: Das ist besonders gut für Mütter mit kleinen Kin­dern, weil die dann zu Hause Telearbeit machen sollen. – Das lehnen wir in dieser Form ab.

Ein zweiter Punkt hinsichtlich des Zeitguthabens: Die Praxis, die in den Ministerien der­zeit schon durchgeführt wird, wird jetzt gesetzlich angepasst; somit kann man das Zeit­guthaben, das man erwirtschaftet, im Gleitzeitdienstplan länger als einen Monat mit­nehmen.

Zur Wiedereingliederungsteilzeit – und Herr Kollege Loacker, das wäre zum Beispiel so ein Fall, bei dem die Privatwirtschaft zuerst da war, und das ist etwas, das man erst später im Bundesdienstrecht umgesetzt hat –: Die Herabsetzung der Wochenarbeits­zeit für Kolleginnen und Kollegen, die krank sind und wieder selber in den Dienst zu­rückwollen und nicht damit zurande kommen würden, den ganzen Tag zu arbeiten, ist eine gute Einstiegssache.

Ein wesentlicher Punkt ist das beschleunigte Aufnahmeverfahren, zu dem es jetzt zwi­schen dem Bundesministerium für Inneres und dem Bundesministerium für Justiz eine Vereinbarung mit dem Herrn Vizekanzler gibt. Diesbezüglich – und wir brauchen das speziell im Bereich der Exekutive – besteht die Möglichkeit für Kolleginnen und Kol­legen, die sich für den Exekutivdienst bewerben, aber vielleicht den sportlichen Auf­nahmetest nicht bestehen, die Wartefrist für einen Neuantritt zu verkürzen. Das halte ich für sehr positiv, und ich denke, dass das auch ein wichtiger Aspekt für die Einstel­lung neuer, junger PolizistInnen ist und vor allen Dingen auch der Justizwachebeam­ten, die auch aus dem letzten Loch pfeifen.

Die Pflegefreistellung wird für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie praxisnäher ge­staltet, sodass man diese jetzt auch nur halbtageweise verwenden kann. Das ist für mich ein besserer Zugang, denn wenn man zum Beispiel mit seinem Kind zum Arzt muss, der nur am Nachmittag geöffnet hat, kann man am Vormittag seinen Dienst ver­sehen.


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Ein großer Teil dieser Novelle ist natürlich die Umsetzung der Bildungsreform.

Es gibt aber auch zwei kritische Punkte. Das eine ist der Entfall der Kundmachungsver­pflichtung im Amtsblatt der „Wiener Zeitung“ – außer bei den obersten Organen, denn die hat man da entweder vergessen, die sind da irgendwie noch durchgerutscht, oder es fehlen noch Materiengesetze. Wenn ich diese Ausschreibung jetzt nicht mehr in der „Wiener Zeitung“ mache, sondern nur mehr auf der Plattform Karriere Öffentlicher Dienst ausschreibe, ist der Zugang schon ein bisschen eingeschränkt.

Das, was mich eigentlich sehr, sehr gestört hat, Herr Vizekanzler, war Ihre Aussage. Ich habe es fast als zynisch empfunden, dass Sie gesagt haben: Als ersten Schritt schaffen wir jetzt die Ausschreibung in der „Wiener Zeitung“ ab, als zweiten Schritt schaffen wir dann die „Wiener Zeitung“ ab. (Vizekanzler Strache: Das habe ich so nicht gesagt!) – Das haben Sie so im Ausschuss gesagt, und dafür, muss ich ganz ehr­lich sagen, habe ich überhaupt kein Verständnis.

Über Artikel 14, in dem es um die Änderung des Ausschreibungsgesetzes geht, hat Kollege Noll bereits ausführlich berichtet. Wir werden diesbezüglich ein Verlangen auf getrennte Abstimmung stellen. Mein Kollege Wittmann wird sich dazu auch noch äu­ßern.

Abschließend: Es gibt jetzt noch, wie üblich vor Jahresende, den großen 43-seitigen Abänderungsantrag, in dem es um die Gehaltserhöhung geht, bei der unter dem Dach des ÖGB GÖD und Younion in drei Sitzungen ein gutes Verhandlungsergebnis erreicht haben, nämlich ein durchschnittliches Plus von 2,76 Prozent, das die Wertschätzung der geleisteten Arbeit nicht nur mit Worten, sondern auch mit finanzieller Abdeckung zeigt. Aus diesem Grund, damit die Kolleginnen und Kollegen zu ihrer Gehaltserhö­hung kommen, werden wir diesem Gesetzentwurf zustimmen – außer Artikel 14. (Bei­fall bei der SPÖ.)

19.41


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Werner Herbert. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter.


19.41.42

Abgeordneter Werner Herbert (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Da die inhaltlichen Schwerpunkte dieser Dienstrechts-No­velle bereits von mehreren Vorrednern dargelegt wurden, erspare ich mir eine inhalt­liche Vertiefung.

Einen Aspekt in dieser Dienstrechts-Novelle, nämlich die Gehaltserhöhung für die öf­fentlich Bediensteten, möchte ich hier aber trotzdem noch einmal hervorheben, weil es, wie ich glaube, besonders erwähnenswert ist, dass wir in diesem Zusammenhang mit dieser Lohnerhöhung nicht nur einen der besten Gehaltsabschlüsse in den vergan­genen Jahren zugunsten unserer öffentlich bediensteten Kolleginnen und Kollegen erreichen konnten, sondern weil es auch – und das möchte ich an dieser Stelle auch noch einmal betonen – ein Verdienst bedeutet nicht zuletzt des Wirkens unseres Vi­zekanzlers, der auch für das Beamtenressort zuständig ist und der von Anfang an ge­sagt hat, es muss da ein wertschätzender, ein fairer, ein gerechter Lohnabschluss für unsere Vertragsbediensteten und Beamten im öffentlichen Dienst erfolgen (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP), und der das nicht nur angekündigt, sondern schlussendlich in Verhandlungen mit der Gewerkschaft auch umgesetzt hat.

Das ist keine Selbstverständlichkeit, wenn man sich die Lohnabschlüsse der vergange­nen Jahre unter anderen Beamtenministern oder -staatssekretären, insbesondere jene von roter Couleur gesteuerter Seite, anschaut. Das ist ein wichtiger, ein wertvoller Aspekt, der auch zeigt, welche Wertschätzung seitens des Beamtenministeriums und seitens unseres Vizekanzlers unseren öffentlich Bediensteten entgegengebracht wird.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 206

Eine Sache, die ich hier auch noch ansprechen möchte – weil das natürlich auch nicht spurlos an mir vorübergegangen ist –, ist das, was Kollege Loacker hier einmal mehr in seiner Geringschätzung des öffentlichen Dienstes vom Rednerpult verbreitet hat. Es ist ja, glaube ich, kein Geheimnis, dass Herr Loacker mit dem öffentlichen Dienst ein gro­ßes Problem hat, weil er in guter alter kommunistischer Manier offensichtlich nicht den Unterschied zu einem öffentlich-rechtlichen Beamten-, Service- und Dienstleistungsap­parat erkennt, der für den Erhalt des Staates notwendig ist, als Dienstleistungsapparat für die Ministerien, der aber auch als Serviceapparat im Sinne der Bürgerdienstleistun­gen für die Bevölkerung wertvolle Dienste leistet.

Wenn hier schon angesprochen wird, dass man nach Möglichkeit alles gleichschalten möge, so wie sich Kollege Loacker das vorstellt, nämlich Beamtenrechte mit Rechten von Privatangestellten, na dann darf ich ihn daran erinnern, dass die von ihm in seinem Antrag, der hier ja mitverhandelt wird, eingeforderte Streichung der Mittagspause für den öffentlichen Dienst so einfach nicht vom Tisch zu wischen ist, denn immerhin ha­ben die Privatangestellten nach 6 Stunden Arbeit ein Recht auf eine 30-minütige Pau­se. Öffentlich Bedienstete können, dürfen, müssen 13 Stunden durchgehend arbeiten. Das möchte ich an dieser Stelle auch einmal festhalten. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Um Kollegen Loacker in seinen Überlegungen einen weiteren Aspekt auf den Weg mit­zugeben: Beamte bekommen am Ende ihres Arbeitsprozesses keine Abfertigung. Ob­wohl sie wahrscheinlich nicht weniger in das Sozialversicherungs- und Pensionssystem einzahlen, in das Umlageverfahren, bekommen sie keine Abfertigung. Das ist ein we­sentlicher Nachteil, der gegenüber den privatrechtlichen Ansprüchen besteht, und das sollte man auch nicht vergessen, wenn man hier mit dem Zeigefinger auf den Beamten und Vertragsbediensteten hinzeigt und vorhält, was dieser denn nicht für großartige Vergünstigungen hat. Also wenn wir hier schon die Gleichmacherei vonseiten der NEOS betrachten, dann bitte fair und unter Einbeziehung aller Aspekte, auch jener As­pekte, die Ihnen in diesem Diskussionsprozess nicht so gut gefallen.

Noch ein abschließendes Wort zu Kollegen Noll: Wir haben diese Problematik mit der Personalzuteilung für die Thinktank-Bediensteten in den Kabinetten im Ausschuss sehr ausführlich dargelegt, und da wurde auch vonseiten des Vizekanzlers klargelegt, wie die Gesetzeslage tatsächlich ist. Wenn Sie hier vom Rednerpult aus mit Ihren Interpre­tationen neuerlich eine vermeintlich schlechte Personalpolitik (Abg. Wittmann: Können Sie keine Gesetze lesen?! Es wäre notwendig, dass Sie das Gesetz lesen!), um es freundlicherweise so auszudrücken, gegenüber dem Minister oder insgesamt vielleicht gar eine Aushebelung des Rechtsstaates bei zukünftigen Besetzungen auf höchsten staatlichen Ebenen – da wurden auch die Sektionschefs angesprochen – darstellen möchten, dann, muss ich sagen, ist das blanker Unsinn. Das ist so nie intendiert gewe­sen. (Abg. Wittmann: Steht aber drinnen! Steht drinnen!) Es ist so nie im Gesetz ge­schrieben gewesen. Es ist Ihre Interpretation, der bereits im Ausschuss mehrmals, auch vonseiten des Vizekanzlers, klar widersprochen wurde. Also bleiben Sie bei den Fakten!

Alles in allem ist diese Dienstrechts-Novelle ein wertvoller, ein wichtiger Schritt, um un­seren Beamten und Vertragsbediensteten Wertschätzung, Dankbarkeit und Anerken­nung für ihre guten und wertvollen Dienste, die sie gegenüber der Behörde als Be­dienstete des Staates und der Länder, aber auch der Gemeinden erbringen, aber auch im Sinne der Bevölkerung, indem sie ein wichtiger und wertvoller Beitrag zur Bürger­nähe, zum Serviceleistungsbetrieb in den Kommunen, in den Ländern, in den Bundes­dienststellen sind, entgegenzubringen. Ich danke dem Herrn Vizekanzler, dass er sich einmal mehr in dieser guten und geeigneten Form für unsere Beamten eingesetzt hat. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 207

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Herr Abgeordneter, Sie müssen noch einen Abän­derungsantrag einbringen!


Abgeordneter Werner Herbert (fortsetzend): Jessas! Ich darf abschließend noch ei­nen Abänderungsantrag einbringen (Abg. Wittmann: Besser vorbereiten auf die Re­de, weil das ist ...! – Zwischenruf bei der FPÖ), und zwar jenen der Abgeordneten Wer­ner Herbert, Mag. Friedrich Ofenauer, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Ver­fassungsausschusses (464 d.B.) betreffend die Regierungsvorlage eines Bundesge­setzes, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948 und weitere Gesetze im Rahmen der 2. Dienst­rechts-Novelle 2018 (352 d.B.) geändert werden.

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen: In Art. 2 Z 27 eine Korrektur der Tabelle im § 164 - -


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Herr Abgeordneter, der Antrag ist verteilt worden, Sie brauchen nur die Kernpunkte zu erläutern!


Abgeordneter Werner Herbert (fortsetzend): Okay. – Es geht darum, dass redak­tionelle Berichtigungen erfolgen, unter anderem, weil in den Tabellen unrichtige Zahlen genannt wurden, und in Artikel 4 entfällt die Ziffer 14a. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.49

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Werner Herbert, Mag. Friedrich Ofenauer

und Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Verfassungsausschusses (464 d.B.) betreffend die Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehalts­gesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwalt­schaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirt­schaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonenge­setz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz, das Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetz, die Reisegebührenvorschrift 1955, das Pen­sionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bundesbahn-Pensionsge­setz, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, das Rechtspraktikantengesetz und das Prüfungstaxengesetz geändert werden (2. Dienst­rechts-Novelle 2018) (352 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die oben bezeichnete Vorlage wird wie folgt geändert:

1. In Art. 2 Z 27 erhält die Tabelle in § 164 Abs. 1 folgende Fassung:

in der Fixgehaltsstufe

in der Verwendungsgruppe

SI 1

SI 2

FI 1

FI 2

Euro

1

6 493,6

5 447,1

5 208,6

4 385,3

2

7 097,5

6 132,6

5 700,6

4 922,6

3

7 863,6

6 713,9

6 313,0

5 391,1


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 208

2. In Art. 4 entfällt die Z 14a.

3. In Art. 5 wird nach Z 14 folgende Z 14a eingefügt:

„14a. Die Tabelle in § 106 Abs. 2 Z 9 erhält folgende Fassung:

in der

in der Dienstzulagenstufe

Dienst-

1

2

3

zulagen-

gruppe

Euro

I

617,2

659,2

700,2

II

575,0

615,0

652,9

III

473,7

506,1

537,4

IV

421,8

451,0

479,1

V

283,8

302,1

321,5

VI

236,2

252,5

267,6

Begründung

Zu Art. 2, 4 und 5 (Änderungen des GehG, des RStDG und des LDG 1984):

Beseitigung von Redaktionsversehen.

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der Antrag wurde verteilt, in seinen Kernpunkten erläutert und steht mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Salzmann. – Bitte.


19.49.43

Abgeordnete MMMag. Gertraud Salzmann (ÖVP): Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besu­cher auf der Zuschauergalerie – es sind noch einige da –, und liebe Gäste vor den Fern­sehgeräten daheim! Als Dienstrechtlerin freut es mich heute schon, die 2. Dienstrechts-Novelle 2018 vorstellen zu dürfen. Die 2. Dienstrechts-Novelle 2018 bringt wesentliche Regelungen für den öffentlichen Dienst. Ich darf zwei Bestimmungen herausgreifen und Ihnen diese kurz vorstellen.

Wer die Medienberichte der letzten Tage verfolgt hat, dem wird nicht entgangen sein, dass es im Zuge der Lehramtsausbildung Neu an einigen Universitäten zu Problemen gekommen ist. Konkret sind die betroffenen Universitäten bei dieser neuen Lehramts­ausbildung vorgeprescht beziehungsweise – man kann es auch neutraler formulieren – haben sie als Erste in Österreich mit dieser Ausbildung begonnen, und zwar im Jahr 2013. Das ist ja an sich grundsätzlich nicht schlecht, denn die anderen Univer­sitäten sind ja froh, wenn sie Erfahrungswerte haben. Das Problem dabei war nur, dass die Gesetzeslage für diese Implementierung, für das Einsetzen dieser neuen Lehr­amtsausbildung noch nicht zur Gänze gegeben war.

Den betroffenen Universitäten, konkret sind es zwei – ich möchte nicht nennen, wo sie sind, um sie einfach zu schützen, weil ich sie auch nicht an den Pranger stellen möchte –, wurde 2014 im Sommer schriftlich mitgeteilt, dass die beiden Studienpläne für diese Universitäten die Anstellungsvoraussetzungen im Lehramt nicht erfüllen.

Stellen Sie sich vor, meine Kolleginnen und Kollegen, Ihre Tochter, Ihr Sohn, Ihre Schwester oder Ihr Bruder macht vier Jahre lang eine neue Lehramtsausbildung und


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schließt mit Bachelor ab und hat dieses Bachelorzeugnis ganz stolz in der Hand, und zu dem Zeitpunkt, an dem diese junge Kollegin oder dieser Junglehrer eine Anstellung haben möchte, stellt sich heraus: Das gilt nicht. Ich habe zwar einen Abschluss, aber dieser gilt nicht, ich bekomme nur einen Sondervertrag und auch nur für ein Jahr.

Ich wurde im Frühjahr 2018 als Dienstrechtlerin auf dieses Problem angesprochen. Ich habe dann in langwierigen Recherchen versucht, dem Problem nachzugehen, und habe in einigen intensiven Gesprächen mit dem Bildungsministerium herausgefunden, dass Fakt ist, dass diese Curricula nicht stimmen. Für mich, meine Damen und Herren, ist eines klar: Diese Studentinnen und Studenten dürfen wir nicht im Regen stehen lassen (Beifall bei ÖVP und FPÖ), denn die können bei diesen Versäumnissen am wenigsten dafür; das ist klar. Ihnen darf auch kein Schaden entstehen.

Als ich Minister Faßmann dann im Oktober unter vier Augen auf dieses Problem ange­sprochen habe, hat er nicht gezögert und ganz rasch eine Lösung auf Schiene ge­bracht. Diese Lösung liegt uns nun vor. Diese Lösung ist quasi eine Generalklausel, die wir heute beschließen. Ich bitte wirklich alle um ihre Zustimmung. Es geht darum, die mangelhaften Abschlüsse dieser Junglehrer, von denen wir heute schon ganz, ganz viel gesprochen haben, zu sanieren und sie den geltenden Bachelorabschlüssen gleichzustellen. Ich bitte Sie jetzt schon darum, dass Sie da zustimmen.

Einen zweiten Punkt möchte ich auch erwähnen, nämlich die Schulaufsicht Neu. Im Zuge des Bildungsreformpakets von 2017 wurden auch die Bildungsdirektionen, be­ginnend mit 1. Jänner 2019, eingerichtet. Das heißt, das läuft nun alles an. Das war ja ein riesiges Gesamtpaket, das entworfen wurde: Schulaufsicht Neu, Lehramtsausbil­dung Neu, Bildungsdirektionen und dergleichen.

Bei dieser Schulaufsicht war im ursprünglichen Paket, das aus dem SPÖ-Bildungsmi­nisterium kam, die Schulartenspezifität nicht abgebildet. Was heißt das? – Das würde bedeuten: In Salzburg haben wir zwei Bildungsregionen, eine Nord, eine Süd. In der Bildungsregion Nord wird ein LSI aus der AHS der Leiter sein, in der Bildungsregion Süd wird ein Landesschulinspektor der Pflichtschule – aus der Volksschule, aus der Neuen Mittelschule – der Leiter sein. Wir haben eine große HTL in dieser Bildungsre­gion Süd, was heißt, der Pflichtschullandesschulinspektor würde in allen Fragen für die HTL zuständig sein.

Ob das sinnvoll ist, möchte ich einmal dahingestellt lassen. Wir haben uns sehr be­müht, die Schularten in diese Schulaufsicht Neu noch einzubauen, weil es uns für not­wendig und sinnvoll erscheint. Über das Qualitätsmanagement hinaus ist ja die Schul­aufsicht dazu da, die pädagogische Expertise, aber auch das Krisenmanagement in den Schulen zu betreuen. Das funktioniert bis jetzt auch sehr, sehr gut. Daher sind wir sehr froh, dass die Schularten in diese Schulaufsicht Neu nun auch eingebracht wor­den sind.

Ich darf mich in dieser Hinsicht sehr herzlich bei Ihnen, Herr Vizekanzler, bedanken, aber auch beim abwesenden Bundesminister Faßmann, weil mit beiden Ministerien – sowohl mit Ihrem als auch mit dem Bildungsministerium – die Zusammenarbeit in die­sen beiden Punkten – aber auch darüber hinaus bei der gesamten Dienstrechts-No­velle – eine sehr positive war.

Wir sehen die Probleme, meine Damen und Herren, und wir lösen sie auch. – Herzli­chen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


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19.56


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Wittmann zu Wort gemeldet. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter.


19.56.14

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Vizekanzler! Hohes Haus! Ein Wort noch zur Rede des Abgeordneten Graf: Ich finde es wirklich entbehrlich (Abg. Haider: Die war super, die Rede, da ist gar nichts ...!), im höchsten Organ, das gewählt wird, nämlich dem Parlament, ein anderes gewähltes Organ als gestört zu bezeichnen und dafür nicht einmal einen Ordnungsruf zu bekommen. Auch wenn Sie diese Leute nicht mögen, haben Sie zu respektieren, dass diese gewählt sind, und Sie haben sie in dieser Funktion zu beachten. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS. – Zwischenruf bei der FPÖ.) Das Verständ­nis der Präsidentin, dass man das ungestraft hier im Haus sagen kann, halte ich auch für äußerst bedenklich. Das ist ja eigentlich unfassbar, wie man hier vorgeht! (Zwi­schenrufe bei der FPÖ.)

Zum Thema: Der Artikel 14 des Beamten-Dienstrechts ist schon angesprochen wor­den. Für Sie, Herr Kollege Herbert, wäre es nicht schlecht, wenn Sie sich einmal den Gesetzestext anschauen würden. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Kollege Noll hat sehr ausführlich und sehr eindeutig wiedergegeben, was im Gesetz drinnen steht, nicht, was uns der Vizekanzler erzählt hat. Es geht nicht darum, was er uns erzählt, sondern da­rum, was im Gesetz steht. Es geht nicht darum, was Sie gerne hätten und was er gerne hätte, sondern darum, was im Gesetz steht. Er hat sich an das Gesetz zu halten und Sie haben sich an das Gesetz zu halten und nicht an das, was er Ihnen erzählt hat.

Sie sollten irgendwann einmal zu dem Selbstverständnis kommen, dass Sie das Ge­setz auch lesen, das Sie beschließen. (Zwischenruf des Abg. Noll.) Das wäre sehr hilfreich, weil Sie sich dann nicht darauf zu verlassen brauchen, was Ihnen der Vize­kanzler erzählt. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

In diesem Gesetz, im § 25 Ausschreibungsgesetz, steht eindeutig drinnen – im Wort­laut wiedergegeben –: „Für Tätigkeiten im Rahmen des Kabinetts einer Bundesminis­terin oder eines Bundesministers, einer sonstigen Einrichtung gemäß § 7 Abs. 3 des Bundesministeriengesetzes“. – Im § 7 Abs. 3 sind die Gruppen und Abteilungen er­wähnt. Das heißt, vollkommen folgerichtig ist es dann möglich, Abteilungen einzuset­zen, die nicht der Ausschreibung unterliegen – sogenannte politische Abteilungen.

Das heißt ganz einfach, Sie können Hunderte politische Abteilungen machen, ohne dass Sie sich einer Ausschreibung bedienen. Sie können zu jedem Thema eine politi­sche Abteilung machen. Das würde aber unser Beamtensystem vollkommen aushe­beln, denn da würde daneben eine politische Beamtenebene entstehen, die nicht ein­mal ausgeschrieben werden muss. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Ich halte das für nicht angebracht. Herr Vizekanzler, lesen Sie sich das Gesetz durch, das steht eben da drinnen. (Abg. Herbert: Ihre Interpretation!) Wir haben ja nichts da­gegen, dass Sie sich Thinktanks einrichten, aber das Problem ist, dass Sie natürlich den Apparat damit gewaltig aufblähen und nicht im System sparen, sondern es im Ge­genteil verdoppeln. Es ist für mich absurd, was Sie da machen. (Beifall bei der SPÖ.)

Das steht leider im Gesetz drinnen. Sie können erzählen, was Sie wollen (Zwischenruf des Abg. Neubauer), gerichtet und gemacht wird es, wie es im Gesetz steht. Das ist wirklich entbehrlich und daher werden wir eine getrennte Abstimmung verlangen. Den Rest des Beamten-Dienstrechts unterstützen wir, das hat meine Kollegin schon gesagt.

Ist es wirklich notwendig – nun haben Sie sich eh schon ein Körberlgeld zugeschanzt (Abg. Steger: ...! Wir haben das vollkommen klargestellt!) –, sich auch noch eine eige­ne politische Denkschule, die unheimlich vermehrbar ist, eine Parallelstruktur zur Be­amtenstruktur, die Sie nicht ausschreiben müssen, einzurichten? Ich halte das für be­denklich. (Abg. Neubauer: Sie sind schon beratungsresistent!) Sie machen Gesetze,


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die wirklich von Grund auf schlecht sind. (Beifall bei SPÖ und NEOS. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

19.59


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Herr Vizekanzler Strache hat sich zu Wort gemel­det. (Ruf bei der FPÖ: Schwierig mit dem Herrn Wittmann!) – Bitte, Herr Vizekanzler.


20.00.12

Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein­gangs vielleicht einmal ein paar grundsätzliche Dinge zur 2. Dienstrechts-Novelle 2018: Ja, wir sind natürlich in der politischen Verantwortung, wenn es um den öffentlichen Dienst geht. Wir sind laufend gefordert, uns auch weiterzuentwickeln, uns zeitnah adä­quat da oder dort auf die geänderten gesellschaftlichen Verhältnisse einzustellen und die neuen Aufgaben und Herausforderungen – wenn es um technische Änderungen geht – auch entsprechend zu lösen.

Natürlich müssen wir uns weiterentwickeln. Gerade dem Personal der Verwaltung, sprich im öffentlichen Dienst, und dem Management kommt dabei eine ganz wichtige Schlüsselfunktion zu. Da möchte ich schon auch einmal festhalten: Ich bin da als ver­antwortlicher Minister für den öffentlichen Dienst keiner wie vielleicht manch einer mei­ner Vorgänger, der Beamtenbashing lebt. Im Gegenteil, ich habe größte Wertschät­zung und größten Respekt für alle Beamte im öffentlichen Dienst, weil diese Großarti­ges leisten und viele tagtäglich ihren Kopf für unser aller Sicherheit hinhalten. Das hat daher auch mit einer Wertschätzung und einem Respekt den Beamten gegenüber zu erfolgen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

In meiner Verantwortung liegt es, dass wir in all den Bereichen die optimalen organisa­torischen, verwaltungsrechtlichen und verwaltungstechnischen Rahmenbedingungen und letztlich auch den notwendigen Personalstellenplan sicherstellen. Ich werde heute noch ein bisschen darauf eingehen, weil das notwendig ist.

Was wurde mit dieser Dienstrechts-Novelle nun sozusagen möglich gemacht? – Wir bringen damit auch Respekt und Wertschätzung zum Ausdruck. Wir sind nicht über den Tisch gezogen worden, sondern es hat wertschätzende Verhandlungen gegeben – insgesamt drei. Ich habe schon vor Beginn der Verhandlungen gesagt, dass alle Men­schen, die in diesem Land arbeiten – von den Metallern angefangen über die Arbeiter und Angestellten bis hin zu den Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes –, wegen des Wirtschaftsaufschwungs – wir erleben 3 Prozent Wirtschaftszuwachs – und einer Infla­tionsentwicklung von 2 Prozent auch eine entsprechende Anhebung ihrer Gehälter verdienen und man dem nachkommen soll. Das habe ich bereits vor Beginn der Ver­handlung gesagt.

So bin ich auch mit diesem Selbstverständnis in die Verhandlungen hineingegangen, weil es da um Gerechtigkeit, um Anerkennung und um Wertschätzung geht. Alle, die etwas leisten, sollen auch ein Stück dieses Aufschwungkuchens erhalten, und eben genauso die Beamten des öffentlichen Dienstes. Wir haben am Ende ein Ergebnis erreicht, das beide Seiten mittragen, weil es gerecht ist. Dieser Gehaltsabschluss im öffentlichen Dienst, der heute zum Glück hier im Hohen Haus beschlossen wird, ist sozial gestaffelt. Er stellt sicher, dass die kleinen Einkommen eine Anhebung um 3,45 Prozent erhalten und die größeren Einkommen um 2,51 Prozent. Was die Zula­genbezahlung betrifft, werden alle Zulagen grundsätzlich eine Erhöhung um 2,76 Pro­zent erleben.

Das bedeutet, dass ein junger Offizier in der ersten Gehaltsstufe 3,38 Prozent Erhö­hung beziehungsweise 63 Euro mehr pro Monat erhält. Ein junger Polizist mit ein paar Jahren Berufserfahrung in der Gehaltsstufe 5 erhält um 67,8 Euro beziehungsweise


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um 3,27 Prozent mehr im Monat. Das ist fair und gerecht und auch notwendig. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Gleichzeitig haben wir sichergestellt, dass beim Gehaltszuwachs alle öffentlich Be­diensteten über der Inflation liegen – manche weit über der Inflation, aber alle über der Inflation. Der Gehaltsabschluss ist eben der Ausdruck der Anerkennung der hervorra­genden Leistungen, die im öffentlichen Dienst erbracht werden. In den Schulen, in den Polizeiinspektionen, in den Kasernen, bei Katastropheneinsätzen, in den Justizanstal­ten, in den Finanzämtern, Gerichten, Botschaften, Sozialämtern und Arbeitsinspektora­ten wird überall tagtäglich hart gearbeitet, werden wichtige Aufgaben erfüllt, die man nicht geringschätzen soll. Man soll da nicht permanent ein Bashing auf dem Rücken des öffentlichen Dienstes vorantreiben. So gesehen ist mir der Gehaltsabschluss ein großes Anliegen, und ich bin froh, dass das heute beschlossen wird.

Die Rahmenbedingungen im öffentlichen Dienst müssen zeitgemäß und anforderungs­gerecht gestaltet werden. Wir haben einige Modernisierungsmaßnahmen gesetzt, die notwendig sind, zum Beispiel die Einführung der Wiedereingliederungsteilzeit für Be­amtinnen und Beamte, die wichtig ist, damit man, wenn man einmal krank ist, auch im öffentlichen Dienst die Chance hat – im Interesse des Dienstnehmers, eben in der Um­setzung einer Wiedereingliederungsteilzeit für Vertragsbedienstete, die man schon in der Dienstrechts-Novelle sichergestellt hat –, zumindest wieder Teilzeit zu arbeiten.

Aufgrund der gesetzlichen Situation kosten diese den Staat im Krankenstand auch 100 Prozent. Wir haben da nur einen Vorteil und es ist im Interesse beider Seiten, denn so kann der Kranke in einer Situation, in der er noch nicht so fit ist, mittels Teilzeit langsam wieder in ein Vollzeitdienstmodell zurückfinden. Das ist nur gut und richtig.

Wir flexibilisieren die Telearbeit, die sich bewährt hat, und treffen damit notwendige weitere Anpassungen, um den neuen Arbeitsmethoden und den Arbeitsweisen der mo­dernen Zeit im öffentlichen Dienst gerecht zu werden.

Mit der Berücksichtigung von zusätzlichen Kindererziehungszeiten für die Inanspruch­nahme der Korridorpension beseitigen wir in Wahrheit eine bis dato vorhandene Be­nachteiligung von Frauen, Herr Abgeordneter Loacker. Es geht da um maximal sechs Monate mehr pro Kind, die nun auch bei Anschlusskarenzurlauben für die ruhegenuss­fähige Gesamtdienstzeit angerechnet werden. Wir schaffen damit mehr Geschlechter­gerechtigkeit.

Warum? – Weil bis dato die Frauen da einen Nachteil gegenüber den Männern gehabt haben. Sie wissen – oder vielleicht auch nicht –, dass es einen wesentlichen Unter­schied gibt: Frauen im öffentlichen Dienst können erst mit 62 Jahren in Pension gehen und Frauen in der Privatwirtschaft bereits mit 60 Jahren. Damit liegen wir im öffentli­chen Dienst auch durchschnittlich weit über den Privatangestellten, wenn es um das Alter bei den Pensionen geht. Es geht genau darum, diese Ungerechtigkeit auszuglei­chen. Wenn Sie von einem Privileg reden, obwohl Frauen in dieser Hinsicht ungerecht behandelt werden, dann ist das zynisch, ich möchte nicht sagen, frauenfeindlich. Es geht da um einen Ausgleich von Ungerechtigkeit. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Beim neuen Dienstrecht für die Schulaufsicht, welches natürlich in Kooperation mit dem Bildungsministerium erarbeitet wurde, geht es um die Umsetzung der Bildungsre­form, bei der wir ein modernes, regionen- und schultypenübergreifendes Schulquali­tätsmanagement einführen und sicherstellen.

Wir vereinheitlichen auch die Unvereinbarkeitsbestimmungen für Richter in politischen Funktionen. Das ist auch ein richtiger Weg. Ich glaube, darauf brauche ich nicht näher einzugehen, denn das wird von allen mitgetragen.

Wir erweitern die Fachkarrieremöglichkeiten im öffentlichen Dienst, wo es besonders wichtig ist. Statt einer Führungskarriere soll eben auch eine Fachkarriere möglich sein,


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um auf die Qualität und die Fähigkeiten dieser Persönlichkeiten im öffentlichen Dienst weiter zugreifen zu können und um sie nicht unbedingt als Abteilungsleiter, Gruppen­leiter oder auf sonstigen Führungsfunktionsebenen einzusetzen, wo sie eine Mitarbei­terführungsrolle einnehmen würden, die sie vielleicht nicht so gut ausfüllen können. Sie sollen im fachlichen Bereich ihre Qualität einbringen können. Das ist ein guter und richtiger Weg; es sind dadurch mehr Flexibilität im Personalmanagement und zusätzli­che Aufstiegs- und Umstiegsoptionen gegeben.

Gerade vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung haben wir eine beson­dere Verantwortung. Es ist wichtig, das anzumerken, weil wir mit 46 Jahren ein hohes Durchschnittsalter haben, mit dem wir deutlich über der Privatwirtschaft mit 38,3 Jah­ren liegen. Es ist notwendig, dass wir auf diese Gegebenheiten auch entsprechend re­agieren.

Ich habe daher auch vor geraumer Zeit den Auftrag an meine Sektion gegeben, eine Evaluierung sicherzustellen. Wir haben nun eine Aufschlüsselung aller Bereiche bis hinein in die Abteilungen und wissen heute auch, wo die überalterten Strukturen sind und wann und wo die Pensionsabgänge stattfinden werden. Wir wollen darauf auch entsprechend reagieren.

Das haben wir mit den zusätzlichen Dienststellen bei der Polizei, im Bildungsbereich und auch bei der Justizwache bereits gemacht. Das müssen wir weiter ausbauen, um junge Menschen mit neuen, zusätzlichen Planstellen hineinzubringen und den Wis­senstransfer sicherzustellen, damit man, wenn ab 2021 der natürliche Abgang kommt, nicht 50 Prozent der Beamten verliert und keinen Wissenstransfer vorgenommen hat.

Wir werden daher nicht auf die 50 Prozent der Beamten, die in den nächsten 10 Jahren in Pension gehen, verzichten. Es werden in Zukunft vielleicht 25 Prozent weniger sein, was durch Effizienzsteigerung und die notwendige Digitalisierung möglich gemacht wird, wobei die Jungen rechtzeitig besetzt werden sollen, die dieses Wissen dann si­cherstellen und weitertragen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Weil heute von Abgeordnetem Dr. Noll, aber auch von Abgeordnetem Wittmann (Ruf bei der SPÖ: Der ist auch Doktor! – Abg. Rosenkranz: Aber er ist nicht so eitel!) die Regelung für die Mitarbeiter der Thinktanks im Bundeskanzleramt angesprochen wurde, lassen Sie mich bitte Folgendes festhalten, weil ich natürlich dem, was ich im Ausschuss gesagte habe, nachgekommen bin.

Was ist der Hintergrund? – Wir haben in dieser Dienstrechts-Novelle eine dienstrecht­liche Regelung geschaffen, um Mitarbeiter mit Sondervertrag beschäftigen zu können, die im klar abgegrenzten Bereich der Analyse und strategischen Planung den Bun­deskanzler und den Vizekanzler beraten können. Ich habe das bis dato nicht in An­spruch genommen, der Bundeskanzler schon. Er hat dort ehrenamtliche Persönlich­keiten, die im Analysebereich für ihn tätig sind. Im Kabinett stehen diesen Analysten und Fachexperten Mitarbeiter mit nicht zusätzlich geschaffenen Planstellen, sondern mit vorhandenen Planstellen, vorhandene Mitarbeiter – das heißt kein aufgeblähter Ap­parat – zur Seite.

Solche Mitarbeiter sind in den vorangegangenen Regierungen häufig versteckt und mit Leiharbeitsverträgen eingestellt worden. Genau das wollen wir nicht, weil wir für Sau­berkeit, für Transparenz stehen, und wir wollen das im Unterschied zu Vorgängerregie­rungen gesetzlich sauber und auch nachvollziehbar und transparent im Dienstrecht verankert wissen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Das ist vielleicht ein neuer Stil, den manche nicht gewohnt sind, zu dem wir aber auch stehen. (Zwischenruf des Abg. Plessl.)

Nach nunmehr erfolgter nochmaliger Überprüfung der Regelung durch die Fachsektion einerseits und nach Rücksprache mit dem Verfassungsdienst andererseits kann ich


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festhalten, dass keine Bedenken bestehen und Ihre Interpretationen daher auch nicht richtig sind. Es bestehen nämlich keine Bedenken, dass durch die Anwendung des § 7 Abs. 3 des Bundesministeriengesetzes die Ausschreibungspflicht von beliebigen Grup­pen oder Abteilungen in den Ministerien entfallen können oder könnten. Dies gilt auch deshalb, weil der gesetzlich geregelte Anwendungsbereich dieser Ausnahme äußerst eng, nämlich auf die Angelegenheiten der Regierungspolitik, beschränkt und damit ausdrücklich nicht auf die Erledigung von Sachmaterien gerichtet ist.

Daher betrifft das ausschließlich den Bereich der Angelegenheiten der Regierungs­politik, ausschließlich auch den Kabinettsbereich des Bundeskanzlers und des Vize­kanzlers, und es stimmt nicht, wie das von Ihnen fälschlicherweise behauptet oder in den Raum gestellt wurde, dass irgendeine Ausschreibungspflicht, wenn es im Bereich von Abteilungen, Gruppen oder Sektionschefs um Sachmaterien geht, in Zukunft um­gangen würde. Nein, die Ausschreibungspflicht bleibt da, ist gesetzlich auch klar ver­ankert, und da wird nichts in dem Sinn, wie Sie es behauptet haben, verändert. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich darf auch kurz auf die Angelegenheit eingehen, dass im ersten Quartal 2019 das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in zwei anhängigen Vorabentscheidungsverfah­ren zur Vordienstzeitenanrechnung zu erwarten sein wird – wir rechnen diesbezüglich rund um den März mit einem Urteil. Wie Sie wissen, ist das ja ein Erbe – was die Vorrückungstage betrifft –, das ich von den Vorgängerregierungen übernommen habe, das in der Vergangenheit nie ordnungsgemäß repariert wurde, sondern immer Stück­werk blieb, was leider dazu geführt hat, dass wir jetzt vor diesem EuGH‑Urteil stehen.

Der Generalanwalt hat nunmehr am 6. Dezember dieses Jahres seine Schlussanträge in dieser Causa vorgetragen. Er ist der Argumentation Österreichs leider nicht gefolgt. Wir wissen schon aus der Vergangenheit, dass das in 80 Prozent der Fälle auch eine Auswirkung auf ein mögliches Urteil hat. Trotzdem, das finale Urteil ist jetzt abzuwar­ten – das wird, wie gesagt, wahrscheinlich um den März kommenden Jahres ergehen –, und wir bereiten uns natürlich auf alle möglichen Szenarien vor. Wir müssen da mit unterschiedlichen Szenarien rechnen und befinden uns diesbezüglich auch in enger Abstimmung mit dem Verfassungsdienst und dem Finanzministerium. Die weiteren Re­formschritte im Dienst- und Besoldungsrecht – und diese sind notwendig – werden na­türlich erst nach einem EuGH‑Urteil erfolgen. Wir arbeiten bereits daran, aber final wer­den wir sie erst danach festlegen können.

Mit der vorliegenden Dienstrechts-Novelle setzen wir jetzt, das sage ich ganz bewusst, richtige und wichtige Schritte hin zu mehr Flexibilität, Modernisierung und besseren Ar­beitsbedingungen um. Wir stärken die Attraktivität des Dienstgebers Bund und setzen Maßnahmen zur Sicherung des Wissenstransfers. Wir schaffen mehr Rechtssicherheit durch längst überfällige gesetzliche Klarstellungen im Gefolge von höchstgerichtlichen Erkenntnissen, und vor allem bringen wir den Beamten mit dem Gehaltsabschluss für 2019 jene notwendige und wichtige Anerkennung und den Respekt entgegen, den die­se auch verdient haben. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, weil von Frau Kollegin Loacker – Lueger! Entschuldigung; nicht Loacker, Lueger! (Abg. Bernhard: Das ist ziemlich ähnlich!) – heute etwas völlig Falsches gesagt wurde, muss ich das richtigstellen. Sie haben heute behauptet, die Kundmachungspflicht in der „Wiener Zeitung“ gibt es in Zukunft nicht mehr. Sie dürften das Gesetz nicht gelesen haben. Das ist ausdrücklich nicht der Fall, denn die Kundmachungspflicht dort gibt es weiter. (Zwischenruf der Abg. Lueger.) Im Ausschuss haben wir ja darüber gesprochen, dass sie dort weiter bleibt; das war das Thema!

Ich habe gesagt, wenn sie nicht mehr vorhanden wäre, könnte die Zeitung nicht mehr leben und würde vor dem Zusperren stehen. Deshalb gehört die Zeitung auch neu


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aufgestellt, bevor wir das dort ändern. Das also nur zum Thema der Richtig- und Klar­stellung, weil Sie heute hier nachweislich etwas Falsches gesagt haben, sich geirrt ha­ben oder das Gesetz nicht gelesen haben. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Hörl.)

Dann vielleicht noch ganz kurz zum Kollegen Loacker, weil Sie hier immer – und jetzt ist es richtig, es geht um Kollegen Loacker – die Mittagspause der Beamten im öffentli­chen Dienst angesprochen haben. Ich habe das ohnehin schon wiederholt ausgeführt, aber vielleicht darf ich noch einmal die Sachlage darlegen. (Zwischenruf des Abg. Hörl.) Ich meine, es gibt ein Dienstrecht im öffentlichen Dienst, und natürlich unter­scheidet sich der öffentliche Dienst von der Privatwirtschaft – darüber sind wir uns ja einig, ja? – Es gibt Dinge, die sind da oder dort besser, manche auch schlechter, und wir können das daher nicht übereinanderlegen.

Wenn ich mir heute öffentlich Bedienstete im Bereich der Exekutive, des Militärs, der Justizwache, der Gerichtsbarkeit ansehe und mir die dortige Arbeitszeitflexibilität an­schaue, die mit der Gewerkschaft zustande gekommen ist und beschlossen wurde, bei der es nämlich keine gesetzliche Freiwilligkeit für die Beamten gibt, sondern es eine Mussbestimmung ist und sie 13 Stunden arbeiten müssen, dann bin ich über die Freiwilligkeit in der Privatwirtschaft froh. Die Beamten haben keine Chance zu sagen: Nein, ich will nicht, ich kann nicht!, die müssen! Die müssen! – So viel zum Thema der Gewerkschaft und dazu, was diese da für den öffentlichen Dienst möglich gemacht hat. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Diesen Unterschied zur Privatwirtschaft muss man schon einmal herausheben: Dort, wo wir nämlich bewusst auch dafür Sorge getragen haben, dass es in der Privatwirt­schaft die freiwillige Möglichkeit gibt – gesetzlich abgesichert und eben keinen Zwang –, ist das im öffentlichen Dienst eine Schlechterstellung, und da muss man das natürlich auch bei all den All‑in‑Verträgen et cetera miteinbeziehen. Diesen Unterschied der Systeme muss man, wie ich glaube, auch einmal anerkennen und darf das nicht per­manent vermischen.

Auch vom Verwaltungsgerichtshof – das sei bitte noch einmal betont –, und zwar am 21. Jänner 2016 – darauf muss man ja hinweisen –, wurde bestätigt, dass die Ruhe­pausen gemäß § 48b Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 zur Dienstzeit zu zählen sind. Das ist die halbstündige Mittagspause, die in diesem 13‑Stunden‑Paket dabei ist. Das hat der Verwaltungsgerichtshof auch klar so definiert, und die Frage der bezahlten Mit­tagspause ist daher natürlich in einem gesamthaften Kontext zu diskutieren.

Hervorzuheben sind natürlich die Unterschiede, aber letztlich ist diesbezüglich auch der Verfassungsgerichtshof entscheidend, der sich dazu ja bereits in dem Sinne aus­gesprochen hat, dass diese unterschiedlichen Systeme natürlich auch entsprechend berücksichtigt werden sollen.

Ich bitte deshalb, sich nicht immer wieder hier herauszustellen und diese Unterschiede und auch die Erkenntnisse einfach zu negieren. Die gibt es natürlich! Natürlich ist auch die Privatwirtschaft, wenn es da oder dort im öffentlichen Dienst Besserstellungen gibt, nicht daran zu hindern, wenn man das will, auch die eine oder andere der vernünftigen Regelungen des öffentlichen Dienstes zu übernehmen – und vice versa.

Alles gleichzustellen, wo es ungleiche Systeme gibt, ist auf alle Fälle nicht der richtige Weg, und das ist zum Abschluss schon noch festzuhalten. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Rosenkranz: Also wenn der Kollege Jarolim da wäre, würde er jetzt rufen: Ein hervorragender Beamtenminister!)


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20.19


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Lausch zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.19.41

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Ja, ja (in Richtung Abg. Rosenkranz), das würde er sagen!

Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Vizekanzler! Hohes Haus! Unser Vizekanzler hat im Großen und Ganzen schon alles erklärt und gesagt und auch aufgeklärt. Er hat auch gut zu verstehen gegeben, dass ihm die Beamten und Beamtinnen dieser Re­publik ein großes Anliegen und wichtig sind. Ganz anders als bei seinen Vorgängern und Vorgängerinnen, die das eher etwas stiefmütterlich gesehen haben, haben wir jetzt mit Vizekanzler Heinz-Christian Strache einen Beamtenminister, auf den die Beamten dieser Republik stolz sein können.

Ich möchte mich aber auch gleichzeitig bei allen Bundes-, Landes- und Gemeinde­beamten für ihre tägliche Arbeit bedanken, vor allem bei den Exekutivbediensteten der Justizwache und der Polizei, dafür, dass sie für unsere Sicherheit täglich ihren Kopf hinhalten. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Dann – ganz kurz, es wurde alles schon im Detail erörtert, man braucht das jetzt also nicht zu wiederholen – war halt wieder einiges dabei, das weniger der Wahrheit ent­spricht.

Geschätzter Kollege Loacker, es ist eh auch schon alles gesagt, aber wo hast du das mit der Mittagspause her? Wie kommst du auf das? Jetzt war ich doch ein bisschen von den NEOS enttäuscht, als ich gesehen habe, dass wieder dieser Antrag von ihnen durch den Antragsteller Loacker kommt.

Nun waren zum Beispiel die Kolleginnen Krisper und Griss in der Justizanstalt Wien-Josefstadt, aber vielleicht hätte es dir auch nicht geschadet, wenn du dorthin mitgegan­gen wärst, denn dann hättest du gesehen, dass die Exekutive – das macht diese Bun­desregierung jetzt erst wieder gut – unter Personalnot leidet. (Abg. Plessl: Und wer war Justizminister? Wer war Justizminister?) Dein Antrag – jetzt musst du dich natür­lich ein bisschen hineindenken (Abg. Plessl: Keine Antwort ist auch eine Antwort!) – ist natürlich eine Brüskierung für jeden Beamten, für jeden Exekutivbeamten, der Über­stunden macht, keine freien Tage und auch keine Mittagspause hat, wie du es da schreibst. Die hat er eigentlich gar nicht, sondern er hat lediglich 20 bis 30 Minuten Zeit, damit er essen kann, wenn er nicht an seinem Arbeitsplatz essen muss. Das ist die Realität. Du müsstest dir nur anschauen, wie das in der Realität ausschaut, dann würdest du uns mit diesem Antrag verschonen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischen­ruf des Abg. Plessl.)

Ich denke, dieser Antrag stimmt so leider nicht, und man muss sich jetzt eigentlich, weil du Kollege dieses Hauses bist – das mache ich jetzt auch –, in aller Form bei den Bun­desbediensteten und -beamten für diesen Antrag entschuldigen. Ich kann nur sagen: Kollege Loacker weiß es halt nicht besser, es tut uns leid! Dieser Antrag ist eigentlich ein unwürdiger Antrag, weil er in der Praxis überhaupt nicht stimmt.

Ich würde dir auch empfehlen: Leg einmal dieses Pensionisten- und Beamtenbashing ab! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Das steht dir nicht zu, das ist auch nicht notwendig. Von dir kommen hier immer die gleichen Töne! Auch wir beschäftigen uns jetzt nicht mit deiner Kollegin, der Abgeordneten Griss, mit ihrer Pension und mit der Frage, ob das alles so in Ordnung ist. Das tun wir auch nicht! Auch wir machen die Neiddebatte nicht so, wie du das hier lebst. Das steht dir eigentlich nicht sonderlich gut an.

In diesem Sinne: Danke, Herr Vizekanzler, für deine Arbeit für die Bundesbediensteten, für die Exekutive, für die Justizwachebeamten, diese wird sehr wertgeschätzt! Da hast du deinen Vorgängern einiges voraus. – Herzlichen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Plessl: Aber wer war Justizminister? Das hast du noch immer nicht gesagt!)

20.23



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 217

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Gerstl zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.23.50

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Was ist neu bei dieser Dienstrechtsvorlage? – Es wird erst­mals etwas in Anspruch genommen, was die Vorgängerregierungen nie in Anspruch genommen haben (Ruf bei der SPÖ: Körberlgeld! – Abg. Wittmann: Körberlgeld!), nämlich ein Thinktank für den Bundeskanzler. Und dieser Thinktank des Bundeskanz­lers ist das, was Österreich heute braucht, denn wir konzentrieren uns nicht nur darauf, dass wir unsere eigene Expertise einbringen, sondern wir haben ein großes Interesse daran, die besten – auch internationale – Experten heranzuziehen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Meine Damen und Herren, der Herr Vizekanzler hat erklärt, dass die rechtliche Rege­lung eindeutig ist – dies insbesondere schon deswegen, Herr Kollege Wittmann, weil die Regelung, die Sie zitiert haben, aus dem Jahre 1986 stammt. (Abg. Wittmann: ... aber 25 Jahre!)

Es ist nichts Neues (Abg. Plessl: Aber wenn es nichts Neues ist, warum brauchen wir es dann?), § 7 Abs. 3 Bundesministeriengesetz, nur wurde es nie in Anspruch genom­men, meine Damen und Herren – das ist anders! Diese Regierung handelt anders, Herr Kollege, und das ist gut so. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Wittmann: ... pa­rallel lesen, das ist schwierig!)

Wir schaffen eine Strategieeinheit für mittel- und langfristige globale Trends. Wir müs­sen diese untersuchen, wir müssen uns ihnen widmen, und wir versuchen, die besten Personen dafür zu bekommen. Dem Bundeskanzler ist es gelungen, Frau Dr. Mei-Pochtler als Leiterin von Think Austria im Bundeskanzleramt zu installieren. Sie kostet die Österreicherinnen und Österreicher keinen Cent: Sie arbeitet ehrenamtlich – ehren­amtlich, meine Damen und Herren!

Das ist der Unterschied zu früheren sozialistischen Bundeskanzlern: Diese haben erst zu Beratungsunternehmen gegriffen, als sie aus der Politik ausgeschieden sind, und dann wollten Sie damit Geld verdienen. Wir holen uns den Thinktank herein, ohne dass er die Österreicherinnen und Österreicher etwas kostet, aber so, dass er uns einen Mehrwert bringt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Dafür können wir ein großes Dankeschön aussprechen. Im Expertenbeirat sind Ban Ki-moon, Helga Rabl-Stadler, Monika Langthaler, Danielle Spera, Andreas Treichl, Mar­kus Braun, Josef Penninger, Florian Gschwandtner, Wolfgang Ischinger, Andreas Schleicher, Zana Ramadani (Abg. Leichtfried: Ist das jetzt der Einlauf?) – alle ehren­amtlich, meine Damen und Herren, und das ist der Unterschied zu früher.

Sie wollten uns weismachen, dass das die Republik mehr Geld kostet. Ich sage Ihnen aber, was die Republik wirklich mehr Geld gekostet hat: Das waren Ihre Kabinette beim Bundeskanzler (Oh-Rufe bei der SPÖ) – schauen Sie sich die Bereiche an! Sie haben Arbeitsleihverträge gehabt: Von 15 Mitarbeitern beim Bundeskanzler am 1.3.2017 waren sechs über Arbeitsleihverträge beschäftigt, das heißt, 40 Prozent aller Mitarbei­ter beim Bundeskanzler waren über Arbeitsleihverträge beschäftigt. Die haben nicht das verdient, was ein Beamter verdient, die haben das Doppelte verdient, die haben teilweise das Dreifache verdient. (Abg. Rosenkranz: Das ist ja unerhört! – Ruf bei der FPÖ: Silberstein!) Das ist Ihre Verantwortung, die Sie wahrzunehmen haben! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Wittmann.)

Herr Kollege Wittmann, es geht aber noch weiter, denn die Arbeitsleihverträge haben Sie mit Ihrer Partei abgeschlossen. Sie haben von diesen sechs Arbeitsleihverträgen


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50 Prozent mit der sozialistischen Partei, mit dem Sozialdemokratischen Wirtschafts­verband abgeschlossen, meine Damen und Herren. Lassen Sie sich das auf der Zunge zergehen: Sie haben eine Parteienfinanzierung über Ihre Arbeitsleihverträge gemacht! Ich an Ihrer Stelle würde im Glashaus sitzen bleiben und nicht mit Steinen werfen, Herr Kollege! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Es geht noch eine Stufe weiter, Herr Kollege: Im Staatssekretariat Steßl gab es natür­lich auch Arbeitsleihverträge, und zwar mehr als 40 Prozent, aber unter den solcherart Beschäftigten befand sich noch eine Person, die es verdient, beleuchtet zu werden: Barbara Novak, Landtagsabgeordnete in Wien, über einen Arbeitsleihvertrag des So­zialdemokratischen Wirtschaftsverbands im Staatssekretariat beschäftigt. (Zwischen­rufe bei der FPÖ.) Sie verdient doppeltes Geld, dabei gibt es aber gleichzeitig die Ver­antwortung, dass jemand, der in einem Dienstverhältnis zum Bund steht, dies auch zu melden hat. (Abg. Rosenkranz: Herr Bundesminister, wir verstehen die Erregung!) Was hat Frau Kollegin Novak aber gemacht? – Sie hat gesagt: Ich arbeite eh für den Sozialdemokratischen Wirtschaftsverband, ich habe nichts mit dem Bund zu tun!

Meine Damen und Herren, das ist aufklärungswürdig, da wurde geschummelt! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Rosenkranz: Das ist ja der Ruf nach dem Staatsanwalt!) An Ihrer Stelle würde ich den Mund nicht so voll nehmen, Herr Kollege Wittmann. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

20.29


20.29.29Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall. (Ruf: Witt­mann soll herausgehen! – Präsidentin Kitzmüller gibt das Glockenzeichen.)

Wir kommen zur Abstimmung, meine Damen und Herren, die ich über jeden Aus­schussantrag getrennt vornehme. (Unruhe im Saal.) – Geht es schon? Wir können auch gerne noch warten, wenn Sie nicht zu einer Abstimmung bereit sind. Gut.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 13: Entwurf betreffend 2. Dienstrechts-Novelle 2018 in 464 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Herbert, Mag. Ofenauer, Kolleginnen und Kollegen ei­nen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Weiters liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung der Abgeordneten Lueger, Kol­leginnen und Kollegen vor.

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abände­rungsantrag sowie vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile – der Systematik des Gesetzentwurfes folgend – und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Herbert, Ofenauer, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend Artikel 2, 4 und 5 eingebracht.

Wer hiefür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Der Antrag ist mehrheit­lich angenommen.

Wir kommen nun zur getrennten Abstimmung über Artikel 14 in der Fassung des Aus­schussberichts.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich hiefür aussprechen, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussbe­richts.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein beja­hendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Ge­setzentwurf sind, um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Somit ist der Gesetzentwurf in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 14: Antrag des Ver­fassungsausschusses, seinen Bericht 465 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihn zur Kenntnis nehmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

20.32.3615. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 500/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Dr. Peter Wittmann, Mag. Harald Stefan, Dr. Nikolaus Scherak, MA, Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbezügegesetz geändert wird (467 d.B.)

16. Punkt

Bericht und Antrag des Verfassungsausschusses über den Entwurf eines Bun­desgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung parlamenta­rischer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Parlamentsmitarbeiterinnen- und Parla­mentsmitarbeitergesetz – ParlMG) geändert wird (468 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nun zu den Punkten 15 und 16 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Scherak. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.33.28

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Vizekanz­ler! Grundsätzlich beschließen wir hier ein Gesetz, in dem es um die Spesenregelung, insbesondere für Abgeordnete, die in den U-Ausschüssen verdienstvolle Arbeit leisten, geht und darum, dass diese Spesenregelung entsprechend adaptiert wird.

Gleichzeitig haben Kanzler und Vizekanzler vor knapp eineinhalb Wochen angekün­digt, dass sie auf einen Teil ihres Gehalts verzichten wollen, der ihnen an und für sich entsprechend der Erhöhung zusteht. Ich sage es Ihnen jetzt ehrlich, Herr Vizekanzler: Wenn Sie auf einen Teil Ihres Gehalts verzichten wollen, so ist mir das recht, das müs­sen Sie selbst entscheiden. Was mir nicht recht ist, ist die Art und Weise, wie Sie wieder mit einem Marketingschmäh, mit einer Doppelseite in der „Kronen Zeitung“, der Bevölkerung dieses kleine Placebo verkauft haben.

Was Sie nämlich mit diesem Verzicht tun, ist, maximal auf knapp 150 000 Euro im Jahr zu verzichten – es ist wahrscheinlich eher noch weniger. Das ist natürlich deswegen einigermaßen spannend, weil Sie ja immer im System sparen wollen, aber ich sage es Ihnen ganz ehrlich: 150 000 Euro im System zu sparen ist ein bisschen wenig!

Was Sie wiederum – wie immer – nicht tun, ist, dass Sie die Parteienförderung ange­hen. Sie wissen, wir haben die höchste Parteienförderung in Europa, wir haben die zweithöchste weltweit, und nächstes Jahr wird es wiederum so sein, dass sich mit der


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Valorisierung der Parteienförderung die politischen Parteien 1,6 Millionen Euro pro Jahr weiter in die Tasche stopfen. Sich dann vor die Bevölkerung hinzustellen und zu sagen: Wir sparen 150 000 Euro ein, aber die rund 1,6 Millionen Euro nehmen wir wie­der gerne!, ist einigermaßen peinlich. Das ist unerträglicher Populismus. (Beifall bei den NEOS.)

Sie streuen den Österreicherinnen und Österreichern Sand in die Augen, und das ist natürlich dann noch absurder und schamloser, wenn man weiß, dass beim letzten Na­tionalratswahlkampf drei Parteien die Wahlkampfkostenobergrenze überschritten ha­ben: zuerst die ÖVP als unrühmlicher Sieger, die schamlos und rechtswidrig 6 Mil­lionen Euro zu viel ausgegeben hat – 6 Millionen Euro der Steuerzahlerinnen und Steu­erzahler! –, zweiter Platz: FPÖ, mit einer Wahlkampfkostenüberschreitung von 3,7 Mil­lionen Euro – 3,7 Millionen Euro der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler! Den letzten Platz bei der Wahlkampfkostenüberschreitung hat die SPÖ gemacht (Abg. Gudenus: Offiziell, ja!), mit immer noch 400 000 Euro, ebenfalls das Geld der Österreicherinnen und Österreicher! (Beifall bei den NEOS.)

Das sind insgesamt 10 Millionen Euro, die Sie rechtswidrig ausgegeben haben, was Sie nicht hätten tun dürfen, was auf Kosten der Österreicherinnen und Österreicher geht. Und jetzt kommt die Bundesregierung her und sagt: Auf die 150 000 Euro ver­zichten wir aber! – Das ist lächerlich!

Die Freiheitlichen schlagen jetzt dem Fass den Boden aus, indem sie mit einer Scha­denersatzklage gegen den Bund vorgehen. (Abg. Gudenus: Müssen wir machen!) Ich gebe Ihnen recht, dass es Ihnen unter Umständen rechtlich zusteht, die Frage ist aber, ob man sich nicht eher überlegen sollte, die Bevölkerung nicht noch zusätzlich mit 3,5 Millionen Euro – ich glaube, auf so viel haben Sie geklagt – zu belasten.

Fakt ist, Sie streuen der Bevölkerung Sand in die Augen, stellen sich großmütig hin und sagen: Wir verzichten auf 150 000 Euro! – wenn es überhaupt so viel ist –, anstatt dass Sie es endlich angehen und diese unerträglich hohe Parteienförderung, insbe­sondere die jährliche Erhöhung um 1,6 Millionen Euro, endlich abschaffen und den Ös­terreicherinnen und Österreichern ihr Steuergeld zurückgeben. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Gudenus: Haselsteiner ist halt leider nicht überall!)

20.36


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Gerstl. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.36.51

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung hat für 2018 und nun auch für 2019 entschieden, sich selbst keine Gehaltserhöhung zu ge­ben. Warum? – Da geht es nicht um Einsparungen, da geht es um ein klares Zeichen, was ihr wichtiger ist. Es geht ihr darum, dass sie für die Menschen in dieser Republik arbeitet, dass sie das, was sie sich im Regierungsprogramm vorgenommen hat, um­setzt, dass sie das, was sie im Wahlkampf versprochen hat, erledigt. Was diese Bun­desregierung in diesem Jahr gemacht hat, ist, arbeiten ohne zu streiten.

Daher, meine Damen und Herren, ist es so, dass dieser Tagesordnungspunkt, von denen wir sehr viele haben, nämlich 67 in diesen drei Tagen, nur einer in der Mitte ist. Er hat keine besondere Bedeutung, wir wollen damit auch nicht besonders auffallen. Er soll nur zeigen, dass wir dem Ganzen kein Gewicht geben.

Wichtiger sind eben das Symbole-Gesetz, das wir heute beschlossen haben, und die Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger. Wichtiger ist für die Menschen, die Steuern zahlen, der Familienbonus, damit sie endlich entlastet werden. Wichtiger ist


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auch die Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge für kleine Einkommen. Das sind die Dinge, die uns wichtig sind.

Daher, Herr Kollege, glaube ich, dass es an der Zeit ist, dass man für die Menschen ar­beitet. Sie haben viele Jahre mit sozialistischem Bundeskanzler Zeit gehabt, das zu tun. Sie haben es nie getan. Wir tun es jetzt. In diesem Jahr haben wir alleine 29 Ple­narsitzungen, 153 Ausschusssitzungen und 32 Untersuchungsausschusstage. Meine Damen und Herren, wir arbeiten für Sie, Sie können sich darauf verlassen! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

20.38


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Wittmann. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.38.46

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Vizekanzler! Ich kann meinem Vorredner nur beipflichten, es ist eine ein­stimmige Materie. Es ist keine großartige Sache, aber es entlastet jene, die in den Aus­schüssen sitzen, massiv bei ihren Reisekosten. Ich glaube, dass das eine vernünftige Regelung ist.

Lassen Sie mich aber diesen Tagesordnungspunkt auch für ein anderes Thema ver­wenden: Es ist eine etwas unanständige Forderung gekommen, nämlich die Rückfor­derung der Kosten für die Präsidentschaftswahl. Denkt man das zu Ende, dass das von einer Partei, die in der Regierung sitzt, eingeklagt wird, dann muss man sagen: Wenn der Amtshaftungsanspruch anerkannt wird, dann gibt es natürlich die Verpflich­tung zum Regress gegenüber den Beisitzern, wenn man das will – ich weiß es nicht, das fällt ja in den Bereich des Herrn Bundesminister Kickl, vielleicht will er das.

Der Regress gegenüber den Beisitzern ist nicht erlassbar. (Zwischenruf des Abg. Neu­bauer.) Daher halte ist es für unanständig, dass man die Republik klagt, wenn man selber in einer Regierung sitzt. Diesen Anspruch zu stellen halte ich schon für einen moralischen Verfall in dieser Republik. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Ich kann über einen moralischen Verfall entscheiden, wenn ich glaube, dass die Moral, die notwendig ist, um in einer Regierung sein zu können, nicht mehr eingehalten wird.

Führt man den Gedanken zu Ende, stört mich aber noch viel mehr, dass man dann jenen, die freiwillig, zum Großteil unentgeltlich dort sitzen, den Regress in den Raum stellt. Das ist eine Art der Politik, die ich grundlegend verabscheue! Das ist pure Arro­ganz der Macht. (Beifall bei SPÖ und NEOS. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Deswegen bringen wir folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schutz der freiwilligen Wahlbeisitzerinnen und Wahlbeisitzer“

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Inneres werden aufge­fordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die eine gesetzliche Klar­stellung enthält und sicherstellt, dass die freiwilligen Wahlhelferinnen und Wahlhelfer von einem aufgrund der Klage der FPÖ allenfalls drohenden Regressanspruch der Re­publik Österreich ausgenommen sind.

*****


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Sie haben jetzt die Gelegenheit, zuzustimmen oder dagegenzustimmen – dann wissen wir, dass Kickl das will. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Krainer: Da sind wir jetzt ge­spannt! – Abg. Leichtfried: Da werden sie ja wohl mitstimmen?!)

20.41

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Wittmann, Genossinnen und Genossen

betreffend Schutz der freiwilligen Wahlbeisitzerinnen und Wahlbeisitzer

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 16 Bericht und Antrag des Verfassungs­ausschusses über ein Bundesgesetz, mit dem das Parlamentsmitarbeiterinnen und -mitarbeitergesetz geändert wird (468 d.B.)

Das genannte Gesetz regelt die Unterstützung der Abgeordneten und ist daher ein zentraler Bestandteil der parlamentarischen Demokratie auf Bundesebene. Österreich ist eine demokratische Republik. Das ist und bleibt sie nur durch faire und freie Wah­len. Für das Abhalten ebensolcher Wahlen ist die Republik dabei regelmäßig auf das freiwillige Engagement zigtausender engagierter Bürgerinnen und Bürger angewiesen. Ohne diese Menschen, die bei jeder Wahl aufs Neue die Funktionsfähigkeit aller Wahl­lokale gewährleisten, verliert unsere Republik das Attribut demokratisch.

Nunmehr hat die FPÖ eine Klage eingebracht, mit der sie von der Republik 3,4 Millio­nen Euro Entschädigungen für angebliche Mehraufwendungen für die Verschiebung der Wahlwiederholung der Stichwahl zur Bundespräsidentenwahl erlitten habe. Ein solch dreistes, unverschämtes Vorhaben sucht vergeblich seinesgleichen – in der ge­samten Geschichte der 2. Republik.

Sollte die FPÖ mit dieser Klage erfolgreich sein, so könnte die Republik durch eine Zahlungsverpflichtung und um finanzielle Schäden von sich selbst abzuwenden ver­pflichtet sein, Regressforderungen gegenüber betroffenen Organen geltend zu ma­chen. Dies würde nach Aussagen renommierter Verfassungsexperten auch die freiwil­ligen Wahlbeisitzerinnen und Wahlbeisitzer treffen.

Dass eine durch öffentliche Gelder finanzierte Partei, die ihre Wahlkampfkosten beim Nationalratswahlkampf 2017 um rund 50 Prozent des Erlaubten überschritten hat, eine verlorene Wahl ausgerechnet dazu nutzt, um mit öffentlichen Geldern eine Klage zu finanzieren, die sich letztlich gegen jene Menschen richtet, die durch ihren Einsatz die Demokratie aufrechterhalten, darf nicht sein.

Es ist daher dringend notwendig, die von möglichen Regressforderungen betroffenen Beisitzerinnen und Beisitzer zu schützen. Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Inneres werden aufge­fordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die eine gesetzliche Klar­stellung enthält und sicherstellt, dass die freiwilligen Wahlbeisitzerinnen und Wahlbei­sitzer von einem aufgrund von Klagen wahlwerbender Gruppierungen entstandenen Amtshaftungsanspruch allenfalls drohenden Regressanspruch der Republik Österreich ausgenommen sind.

*****



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Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben eingebrachte Antrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt der Herr Vizekanzler. – Bitte, Herr Vizekanzler.


20.42.12

Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Werte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum einen ist es sicherlich gut und richtig, ein Zeichen zu setzen, auch wenn es ein symbolisches ist. Man kann von den höchsten Repräsentanten des Staates durchaus verlangen, dass sie bei den Gehältern, die exorbitant weit über den Durchschnittgehältern der Ös­terreicher liegen, vom Bereich der Valorisierung ausgenommen werden. Ich denke, je­ne Spitzenrepräsentanten mit hohen Gehältern finden damit durchaus ihr gutes Aus­langen. Bedeutet das einen Gehaltsverzicht von monatlich 400 Euro, dann ist das ein gutes und richtiges Zeichen. Wir setzen heute auch ganz bewusst dieses Zeichen, ob es Ihnen gefällt oder nicht.

Selbstverständlich ist es vernünftig und richtig, dass alle Gemeinderäte, Bezirksräte und Landtagsabgeordneten sowie die Nationalratsabgeordneten diese Valorisierung erhalten. (Zwischenruf des Abg. Scherak.) Wir setzen in der Führungsebene der staatlichen Repräsentanten aber sehr bewusst dieses Zeichen.

Heute hat sich ein Abgeordneter herausgestellt und hat gemeint, man soll die Parteien­förderungen abschaffen, das sei alles exorbitant und sollte sozusagen reduziert wer­den, aber wenn man die Haselsteiners oder Industriellen oder Oligarchen oder Unter­nehmer hat (Abg. Scherak: Mein Gott!), die natürlich Interessenlagen haben und die einer Partei auch Spenden geben, dann ist das vielleicht ein Modell, das die eine oder andere Partei für zukunftsträchtig hält.

Ich halte das für gefährlich, denn wenn es um demokratische Hygiene geht, dann möchte ich, dass wir gerade in der Demokratie unabhängig von solchen Spendern blei­ben, unabhängig von Industriellen bleiben, unabhängig von Unternehmenswünschen bleiben. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Scherak: Sagen Sie das Ihrem Koalitions­partner!)

Als demokratisches Hygieneprinzip wahren wir die Demokratie hier natürlich auch da­hin gehend, dass Demokratie etwas kostet, damit man nicht in Abhängigkeiten rutscht, damit man nicht in Interessenlagen rutscht, wie das vielleicht da oder dort der Fall sein könnte.

Wir haben heute Herrn Kollegen Wittmann gehört, und ich möchte kurz auf seine vor­gebrachten fehlerhaften Äußerungen und falschen Interpretationen eingehen. Herr Wittmann, kein einziger freiheitlicher Wahlhelfer kann von einem Regress bedroht wer­den, auch wenn Sie versuchen, das – wieder einmal, wie in vielen unterschiedlichen Themenbereichen – als Unwahrheit in den Raum zu stellen, um Menschen zu verun­sichern. Kein einziger freiheitlicher Wahlhelfer, kein Wahlbeisitzer, kein Wahlzeuge kann jemals von irgendeinem möglichen Regress betroffen sein. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Leichtfried: Wieso nur die freiheitlichen?)

Warum? Warum, Herr Wittmann? – Weil das gesetzlich klar geregelt ist. Es gibt eine Republik, es gibt eine Wahlbehörde, die für Wahlvorgänge Verantwortung trägt, und es gibt Beamte, wie Sie wissen. Die obersten Wahlbehördenleiter sind ja Beamte, wie Sie wissen, und da kommen wir zum eigentlichen Skandal. Wie von unabhängigen Ge­richten in Urteilen festgestellt wurde, sind Wahlbehördenleiter rechtswidrig, ohne Bei­ziehung von Wahlbeisitzern, ohne Beiziehung der freiwilligen Wahlhelfer, als Beamte und Behördenleiter mit nicht befugten Personen hergegangen und haben begonnen, zuhauf Wahlkuverts zu öffnen und auszuzählen.


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Erst am nächsten Tag, als sie damit hätten beginnen dürfen, haben sie die Wahlbei­sitzer beigezogen. Diese mussten dann feststellen, dass die Kuverts schon rechtswid­rig geöffnet worden waren und die Stimmzettel schon ausgezählt auf dem Tisch ge­legen sind. Sie konnten daher gar nicht mehr nachvollziehen, was in den vorangegan­genen 24 Stunden passiert war, als dieser rechtswidrige Vorgang vorgenommen wur­de. – Das ist der demokratiepolitische Skandal der Bundespräsidentschaftswahl, Herr Wittmann! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Das war nicht der einzige Fall, bei dem die Gerichte natürlich zu Recht festgestellt ha­ben, dass das einer Demokratie nicht würdig ist, dass solche Zustände niemals akzep­tiert werden dürfen, weil natürlich der Manipulation Tür und Tor geöffnet worden ist. Man kann es zwar nicht belegen, bestätigen und beweisen – klar, geht ja nicht –, aber der rechtswidrige Vorgang, dass ein Beamter, ein Behördenwahlleiter Kuverts rechts­widrig vor der definierten gesetzlichen Zeit und Frist geöffnet hat und in dieser Zeit al­les mit Stimmzetteln hätte machen können, ist evident und wurde festgestellt.

Das hat in einer Demokratie nichts verloren, Herr Wittmann. Das ist der erste Skandal, der so nicht stehen gelassen werden konnte und den die Gerichte festgestellt haben.

Der zweite Skandal war der, dass die Republik nicht fähig war – wieder die Wahlbe­hörde und kein Wahlbeisitzer –, Briefwahlkuverts so zu drucken und zu produzieren, dass sie auch halten und die Klebestreifen nicht aufgehen.

Das trifft auch keinen Wahlbeisitzer, Herr Wittmann, das trifft ausschließlich die Re­publik. Das heißt, wir haben es mit zwei unglaublichen Mechanismen zu tun gehabt, die für die Republik, für die Demokratie, für den Steuerzahler Schaden verursacht ha­ben. Dieser Schaden ist für alle Vorstandsmitglieder einer Partei evident, wobei dann ein Finanzreferent und ein Wirtschaftsprüfer – und das betrifft die beiden Verantwor­tungsträger – das zu prüfen haben, eine Schadensfeststellung vorgenommen haben und diesen Schaden auch einklagen müssen, denn wenn sie das nicht tun, haften sie selbst dafür. – Da sind wir genau bei der Rechtssituation.

Deshalb ist es auch notwendig, wenn solche unglaublichen, skandalhaften Entwicklun­gen passieren und überhaupt möglich gewesen sind, diese nicht nur aufzuzeigen und abzustellen, sondern auch dafür Sorge zu tragen, dass ein Schaden nicht Personen angehaftet wird, die nichts dafür können, und schon gar nicht Wahlbeisitzern, Herr Wittmann.

Das heißt, es gibt keine Regressmöglichkeit gegenüber Wahlbeisitzern, sondern die Einzigen, die Verantwortung tragen, sind die Republik und die Beamten, die sich rechtswidrig verhalten haben oder Fehler verursacht haben. Das ist die Realität – kein einziger Wahlbeisitzer! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

20.48


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Tschank. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.49.02

Abgeordneter Dr. Markus Tschank (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Vi­zekanzler! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Herr Vizekanzler hat es im Wesentlichen schon ausgeführt, ich möchte nur Folgendes ergänzen.

Herr Abgeordneter Wittmann, Herr Abgeordneter Scherak, eine rechtliche Quizfrage: Was passiert mit Organen, die einen Amtshaftungsanspruch einer Partei nicht geltend machen, obwohl er dieser Partei völlig rechtmäßig zusteht? Was würde mit solchen Or­ganen passieren? Was ist das? – Selbstverständlich eine Untreue.

Natürlich würden sich jene Organe sogar strafbar machen, wenn sie diesen Schritt nicht setzen. Dieser Schritt ist eben rechtskonform und muss gesetzt werden. Er dient


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letztlich auch der Weiterentwicklung der Republik, nämlich als Mahnmal, einen rechts­konformen Zustand herzustellen und solche Missstände nicht zuzulassen, sondern sie entsprechend aufzuzeigen. Das ist ein ganz wichtiger hygienischer Vorgang, den ich absolut begrüße. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Zum Regress hat der Herr Vizekanzler im Wesentlichen alles ausgeführt, daher werde ich einfach zur Tagesordnung übergehen und kurz zu den eigentlichen Tagesord­nungspunkten sprechen, um die es bei dieser Debatte geht, nämlich zu zwei Geset­zesänderungen: einer Ergänzung im Bundesbezügegesetz und einer Ergänzung im Parlamentsmitarbeiterinnen- und Parlamentsmitarbeitergesetz.

Zu den Änderungen im Bundesbezügegesetz: Nach jeder Erhöhung von Mitteln, nach jeder Zurverfügungstellung von Mitteln stellt sich die Frage, wie sinnvoll wir diese zur Verfügung stehenden Mittel im Sinne einer möglichst guten Weiterentwicklung des ös­terreichischen Parlamentarismus einsetzen, und die Lösung, die wir gefunden haben, ist eine sehr gute und eine sehr ausgewogene.

Wer mehr arbeitet – und das ist sozusagen auch die Devise des Gesetzes – soll in den Genuss zusätzlicher Vergütungen kommen. Das ist ein fairer und gerechter Ansatz. Besonders gefällt mir an dieser Gesetzesänderung, dass diesem Gesetz ein Mehrleis­tungsgedanke innewohnt. Das ist ausdrücklich zu begrüßen, sehr geehrte Damen und Herren.

Schauen wir uns die einzelnen Ergänzungen etwas genauer an! Eine gesonderte Ver­gütung für An- und Rückreisen zu Sitzungen eines U-Ausschusses: Wir wissen, dass gerade die Tätigkeit in Untersuchungsausschüssen eine sehr intensive und arbeitsrei­che ist. Gerade da ist es besonders gerechtfertigt, eine entsprechende Nachschärfung vorzunehmen.

Eine Vergütung von Reisen zu besonderen parlamentarischen Terminen: Diese soll nach Festlegung mit dem Präsidenten erfolgen. Globale politische Problemstellungen im 21. Jahrhundert erfordern ein höheres politisches Verständnis für politische Pro­blemlagen in anderen Ländern. Auch dieser Anreiz ist sinnvoll und gut.

Eine Vergütung der Bahnjahreskarte für Nationalrats- und Bundesratsmitglieder, die aus Kärnten, Tirol oder Vorarlberg anreisen: Auch dies ist eine gute Maßnahme, weil die Entfernung das absolut rechtfertigt.

Schließlich eine Erhöhung und Vergütung der Aufwendungen von Nationalrats- und Bundesratsmitgliedern mit Behinderung: Das ist eine Maßnahme, die ich ausdrücklich begrüße.

Vielleicht noch kurz zu den Änderungen im Parlamentsmitarbeiterinnen- und Parla­mentsmitarbeitergesetz: Was wären wir ohne unsere Mitarbeiter, was wären wir ohne die Referenten, was wären wir Parlamentarier ohne unsere parlamentarischen Mitar­beiter, die uns das Leben tagtäglich einfacher machen und uns persönlich und fachlich oft rund um die Uhr unterstützen? – Richtig: Es würde uns viel abgehen, und die par­lamentarische Arbeit wäre um vieles erschwert. An dieser Stelle auch einmal ein Dan­keschön an die vielen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die einen großen Beitrag zum Funktionieren des Parlamentarismus in Österreich leisten. Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ, ÖVP und SPÖ.)

Derzeit steht nur den Abgeordneten des Nationalrates ein Vergütungsanspruch für die Anstellung eines parlamentarischen Mitarbeiters zu. Dieser Anspruch soll nunmehr auf die Fraktionsvorsitzenden im Bundesrat ausgedehnt werden, damit wir im Sinne einer Qualitätsoffensive im Bereich der Gesetzgebung auch diese bestmöglich bei ihrer Ar­beit unterstützen können. Diese Initiative ist außerordentlich positiv und kann natürlich unterstützt werden – sie wird hoffentlich auch von allen jetzt unterstützt –, und ich hof-


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fe, dass wir damit auch einen Beitrag zur Weiterentwicklung der parlamentarischen Ar­beit leisten können. – Herzlichen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

20.53


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Wittmann zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Herr Abgeordneter. (Abg. Wöginger: Maria na! Wiener Neustadt aktiv!)


20.53.44

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Herr Abgeordneter Tschank! Sie haben be­hauptet, dass die FPÖ verpflichtet wäre, aus der Organhaftung heraus diesen Ersatz­anspruch geltend zu machen.

Ich berichtige tatsächlich: Laut Bundespräsidentenwahlgesetz wird der Bundespräsi­dent nicht durch eine Partei als Kandidat vorgeschlagen, sondern durch eine Perso­nengruppe. Sie verlangen das Geld aber für die FPÖ, und das ist unanständig! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Loacker und Zadić. – Abg. Stefan: Wir haben es ja auch von dort bezahlt! – Zwischenruf des Abg. Rosenkranz. – Gegenruf des Abg. Jarolim. – Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von FPÖ und SPÖ.)

20.54

20.54.31


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Gibt es noch Wortmeldungen zu diesen Tagesord­nungspunkten? – Wenn nicht, dann ist die Debatte geschlossen.

Wünschen die Herren Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vorneh­men werde.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 15: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbezügegesetz geändert wird, samt Titel und Ein­gang in 467 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung dem Gesetzentwurf bei­pflichten, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist wiederum einstimmig. Der Ge­setzentwurf ist in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 16: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Parlamentsmitarbeiterinnen- und Parlamentsmitarbeiter­gesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 468 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hierfür ihre Zustimmung erteilen, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung diesem Gesetzentwurf ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und so­mit ist der Gesetzentwurf in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Wittmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schutz der freiwilligen Wahlbeisit­zerinnen und Wahlbeisitzer“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen (Unruhe im Saal – die Präsidentin gibt das Glockenzeichen), um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist


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die Minderheit. Nicht angenommen. (Abg. Jarolim – in Richtung ÖVP und FPÖ –: Das ist ein Zeichen der Schwäche! – Abg. Wöginger: Beschwert euch bei den NEOS! Die stehen auch nicht!)

20.56.3417. Punkt

Bericht des Sportausschusses über den Antrag 486/A(E) der Abgeordneten Petra Steger, Tanja Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterstützung ehren­amtlicher Tätigkeit im Sport (411 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Meine lieben Damen und Herren, wir kommen zum nächsten Tagesordnungspunkt, und zwar zu Tagesordnungspunkt 17.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Steger. – Bitte.


20.57.06

Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Hohes Haus! Rund 600 000 Menschen engagieren sich in Österreich in den verschie­densten Bereichen ehrenamtlich, und dazu gehört natürlich auch als großer Bereich der Sport – 600 000 Menschen, die oft viele, viele Stunden in der Woche, manchmal sogar ihre gesamte Freizeit dafür verwenden, um für unsere Gesellschaft etwas zu tun, und oft bekommen sie nichts anderes dafür als ein Danke.

Obwohl sie eben nichts dafür bekommen, übernehmen sie jedoch in vielen gewählten Funktionen, zum Beispiel als Präsidenten, auch zahlreiche Verantwortungen, Verant­wortungen nicht nur gegenüber ihren Mitgliedern, sondern zum Beispiel auch rechtliche Verantwortungen, die zum Teil mit hohen Strafen verknüpft sind. Diese Verantwor­tungen sind in den letzten Jahren nicht weniger geworden, nein, sie sind immer mehr geworden, zum Beispiel durch die Registrierkassenpflicht, durch die Datenschutz-Grundverordnung, durch steuerrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Verpflich­tungen und vieles mehr. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Je mehr Verantwortungen es gibt, desto schwieriger wird es natürlich auch, Menschen zu finden, die sich das im wahrsten Sinne des Wortes auch noch antun, und desto schwieriger wird es auch, Menschen zu finden, die sich auch das Wissen aneignen, um diese Funktionen ausfüllen zu können. Genau deswegen ist es dringend notwendig, Maßnahmen zu setzen, und es bedarf Maßnahmen, die diese wichtige Arbeit für Österreich und für den österreichischen Sport erleichtern und wieder attraktiver ma­chen, und genau deswegen haben meine Kollegin Tanja Graf, Sportsprecherin der ÖVP, und ich gemeinsam diesen Antrag eingebracht, um diese Arbeit in der Zukunft wieder attraktiver zu machen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Das Ziel also ist einmal klar: Die ehrenamtliche Tätigkeit im Sport muss wieder at­traktiver gemacht werden. Deswegen haben wir in diesem Antrag auch eine Reihe von Maßnahmen aufgeführt, mit denen dieses Ziel erreicht werden soll. Wir wollen zum Beispiel neue Rahmenbedingungen schaffen. Wir wollen zum Beispiel attraktivere Qualifizierungsangebote. Wir brauchen auch ein neues Anreizsystem, zum Beispiel durch die Reduzierung von zivilrechtlichen Haftungsmaßstäben. Denkbar sind zum Beispiel auch steuerrechtliche Vorteile oder eine Anerkennung der ehrenamtlichen Tä­tigkeit bei öffentlichen Ausschreibungen oder auch Aufträgen – um nur ein paar Bei­spiele zu nennen, wie das Ziel erreicht werden kann.

Sport hat, meine sehr geehrten Damen und Herren, so viele positive Auswirkungen auf so viele Lebensbereiche – für die Gesundheit, für den Tourismus. Er ist ein Milliarden­business. Er hilft unseren Kindern, unserer Jugend bei den schulischen Leistungen. Er


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fördert die Mobilität bis ins hohe Alter und vieles Weitere. Aus diesem Grund ist es so wichtig, die ehrenamtliche Tätigkeit, die das Ganze eigentlich erst ermöglicht, zu at­traktivieren und zu unterstützen. Deswegen danke ich für Ihre Unterstützung, wenn Sie dem zustimmen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.00


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Anto­ni. – Bitte.


21.00.18

Abgeordneter Konrad Antoni (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Diesem Antrag werden auch wir unsere Zustim­mung geben, weil wir grundsätzlich auch für die Förderung der Freiwilligenarbeit sind. Allein im Sportbereich sind rund 600 000 Personen in Österreich für Bewegung und Sport freiwillig tätig – umgerechnet entspricht das einer wöchentlichen Leistung von beinahe 2,2 Millionen Arbeitsstunden. Somit zählt der Sport im Freiwilligenengagement eindeutig zu jenen Bereichen, die an der Spitze einzureihen sind.

Ich sehe aber Vereinsarbeit in vielen Bereichen auch als Dienst an der Gesellschaft – denken wir nur an die vielen Veranstaltungen, die über Vereine organsiert werden! All das wäre ohne die Freiwilligentätigkeit nicht möglich.

Genau aus diesem Grund haben wir 2012 – zu diesem Zeitpunkt war das Sozialminis­terium von der Sozialdemokratischen Partei geführt – mit dem Freiwilligengesetz, dem Bundesgesetz zur Förderung von freiwilligem Engagement, diesem Bereich erstmals einen rechtlichen Rahmen gegeben. Wir brauchen das Rad also jetzt nicht neu zu er­finden. Wir stimmen aber dennoch zu, denn, wie gesagt, es sind im Bereich des Sports 60 Fachverbände, 14 000 Vereine und rund drei Millionen Sporttreibende in Österreich betroffen.

Einen Punkt, der mir bis jetzt in der Argumentation gefehlt hat, möchte ich abschlie­ßend noch einbringen: Ob sich nämlich jemand in der Freiwilligenarbeit einbringt oder nicht, ist ganz wesentlich vom Bildungsgrad der Personen abhängig. Das heißt, die Beteiligung an der Freiwilligenarbeit steigt linear mit dem Bildungsgrad. Da wir heute schon sehr intensive Diskussionen – unter anderem in einer Fragestunde und im Rah­men einer Dringlichen Anfrage – zu vielen Bereichen des Themas Bildung geführt ha­ben, möchte ich noch Folgendes anmerken: 61 Prozent der Menschen, die ehrenamt­lich tätig sind, haben einen Hochschulabschluss, nur 35 Prozent der Menschen in der Freiwilligenarbeit haben nicht mehr als einen Pflichtschulabschluss.

Wir bedanken uns selbstverständlich bei allen Freiwilligen in unserer Republik, aber umso wichtiger ist es, wirklich daran zu arbeiten, dass jungen Menschen, dass vor al­lem allen jungen Menschen der Weg zur Bildung, zur Leistung und somit letztendlich auch zum Freiwilligenengagement geöffnet wird.

Ja, wir erteilen diesem Antrag unsere Zustimmung. Ich hoffe abschließend noch, dass es, wenn es zu einer möglichen Gesetzesänderung kommt, auch eine angemessene Begutachtungsfrist und eine parlamentarische Diskussion geben wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.03


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Tanja Graf. – Bitte.


21.03.18

Abgeordnete Tanja Graf (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer und Zuschauerin-


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nen! Zuallererst möchte ich mich bei meiner Kollegin Petra Steger für den gemeinsa­men Antrag herzlich bedanken. Es macht wirklich Freude, mit einer so sportaffinen Kol­legin zusammenzuarbeiten. Uns verbindet nicht nur die Sportaffinität, sondern uns ver­bindet vor allem das gemeinsame Anliegen, unsere Tausenden Ehrenamtlichen im Sport zu unterstützen, denn Sie sind es, die unsere Unterstützung auch wirklich brau­chen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Der große Freiwilligenbericht zeigt, dass sich aktuell mehr als 570 000 Menschen eh­renamtlich engagieren, und ganz wichtig ist, dass davon ein Drittel sogar eine Funktion übernimmt. Damit übernehmen diese Menschen tagtäglich eine große Verantwortung, stehen mit Begeisterung hinter der Sache und investieren viel von ihrer eigenen Frei­zeit, um den Sport und damit die Sportlerinnen und Sportler voranzutreiben.

Ich nutze hier die Gelegenheit, all diesen ehrenamtlichen, engagierten Trainern, Übungs­leitern und Funktionären meine persönliche Wertschätzung auszusprechen, denn ohne ihren persönlichen Einsatz wäre vieles gar nicht möglich. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Es gibt Tausende Beispiele von ehrenamtlichem Einsatz, aus verschiedensten Beweg­gründen: zum Beispiel, weil diese Menschen selbst Sportler waren oder weil sie Kinder haben, die sie unterstützen. Ich möchte ein Beispiel von einem parlamentarischen Mit­arbeiter herausnehmen, der auch Vater ist, der sich ehrenamtlich für den Verein seiner Kinder einsetzt: Er fährt nach einem intensiven Plenar- oder Ausschusstag anschlie­ßend, spät am Abend, noch zum Judoklub, um dort die schweren Judomatten aufzu­stellen, die am nächsten Tag für einen Wettkampf benötigt werden. – Das ist Ehren­amt! (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP sowie Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.)

Dieses Beispiel zeigt auch, wie wichtig es ist, dass die Eltern die Aktivitäten der Ver­eine unterstützen. Deshalb sage ich: Danke! Danke!, in Richtung der engagierten El­tern, ohne die vieles im Sport ebenfalls nicht möglich wäre. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Sie alle gemeinsam sind es, die täglich neben ihren hauptberuflichen Tätigkeiten wich­tige ehrenamtliche Aufgaben freiwillig übernehmen. Daher muss es auch unsere Auf­gabe sein, sie dabei bestmöglich zu unterstützen. Daher haben Frau Steger und ich diesen Antrag eingebracht, damit wir Sicherheit geben, damit wir unter anderem zivil­rechtliche Haftungen für ehrenamtliche Verantwortungsträger reduzieren, damit wir at­traktive Qualifizierungsmaßnahmen schaffen, öffentliche Anreize in Form von steuer­lichen Vorteilen ermöglichen oder die freiwillige Tätigkeit generell vermehrt anerken­nen, denn die Wertschätzung muss uns auch etwas wert sein. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich danke hier allen Fraktionen, die im Sportausschuss dem Antrag ihre Zustimmung erteilt haben und dem Ehrenamt die verdiente und nötige Wertschätzung entgegen­bringen. Machen wir gemeinsam hier den ersten bewegten Schritt!

Abschließend darf ich folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Tanja Graf, Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Un­terstützung der Judo Weltmeisterschaften 2021“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, die Durchführung der Judo Weltmeisterschaften 2021 in Österreich weiterhin bestmöglich zu unterstützen, damit ein reibungsloser Ab­lauf der Veranstaltung gewährleistet ist und diese Weltmeisterschaft auch optimal für die Bewerbung des Sportlandes Österreich genutzt wird.“

*****


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 230

Es geht darum, dass der Österreichische Judoverband die Weltmeisterschaften von 5. bis 20. September 2021 in Österreich abhalten möchte. Es werden rund 800 Athle­ten aus 130 Nationen und 800 Offizielle erwartet. Die Gesamtkosten werden rund 12 Millionen Euro betragen, dazu gibt es aber einen konkreten Finanzierungsplan. Im Rahmen der österreichischen Sportstrategie ist es unser Ziel, auch internationale Groß­veranstaltungen bestmöglich zu unterstützen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP. – Vizekanzler Strache: Sehr gut!)

21.07

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Tanja Graf, Petra Steger

Kolleginnen und Kollegen

betreffend Unterstützung der Judo Weltmeisterschaften 2021

eingebracht im Zuge der Debatte zu 17.) Bericht des Sportausschusses über den An­trag 486/A(E) der Abgeordneten Petra Steger, Tanja Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterstützung ehrenamtlicher Tätigkeit im Sport (411 d.B.)

Auch für den Kampfsport Judo ist die Unterstützung ehrenamtlicher Tätigkeit von gro­ßer Bedeutung: Im Österreichischen Judoverband sind 186 Vereine mit rund 25.000 Mit­gliedern organisiert. Daher ist zu begrüßen, dass das Thema der Unterstützung ehren­amtlicher Tätigkeit im Sport auch in die Sportstrategie Austria Eingang finden soll.

Die Sportstrategie Austria besteht aus mehreren Säulen. Neben dem Ausbau des Brei­tensports, der Spezialisierung des Spitzensports und der Verbesserung des Schul­sports, stellen auch Leuchtturmprojekte, wie internationale Sportgroßveranstaltungen eine wesentliche Säule der Sportstrategie Austria dar. Als erstes Leuchtturmprojekt konnte nun die Judo-WM nach Österreich geholt werden. Der Österreichische Judo­verband (ÖJV) beabsichtigt, die Judo Weltmeisterschaften vom 5. bis 20. Septem­ber 2021 in Österreich durchzuführen. Nach Finanzierungszusagen wurde der Vertrag über die Vergabe der Weltmeisterschaften zwischen dem Internationalen Judover­band (IJF) und dem ÖJV am 4. bzw. 17. Juli 2018 verbindlich abgeschlossen.

Ausgehend von den Zahlen der letzten Weltmeisterschaften erwarten sich die Veran­stalter rund 800 Athleten aus 130 Nationen. Hinzu kommen 800 Offizielle (400 Be­treuer und Ärzte/Physiotherapeuten, 250 Offizielle für Kongress und 100 Staff: IJF – Kampfrichter, Technik, Funktionäre und 50 VVIP IJF). Die Veranstalter erwarten bis zu 3.000 zusätzliche Zuseher täglich, an Wochenenden mehr. Die Weltmeisterschaft wird in bis zu 190 Ländern im Fernsehen übertragen. Dies bedeutet 3 parallele Satelliten-Übertragungen (alle 3 Matten werden gleichzeitig übertragen), an ca. 7 Stunden pro Tag, 8 Tage lang und damit 168 Stunden Live-Programm aus Österreich.

Erklärtes Ziel der Veranstalter ist es, gemeinsam mit dem IJF und der Republik Ös­terreich eine nachhaltige Veranstaltung entsprechend der Sportstrategie Austria zu pla­nen: Tragen der Judowerte in die Bevölkerung, Steigerung der Bekanntheit des Judo, Kooperation mit Schulen als Zuseher und Einbindung der Kinder in Schnupperstunden mit Judostars, Erhöhung des Anteils der judotreibenden Bevölkerung, Verpflichtung zu einem sauberen Sport (Anti-Doping, Fair-Play-Code), Berücksichtigung ökologischer Aspekte („Green Event“: kurze Wege, Forcierung des öffentlichen Verkehrs, keine Ener­gieverschwendung, Vermeidung und Trennung von Müll).

Darüber hinaus stellt die Judo-WM 2021 ein „Leuchtturm-Projekt“ dar, das aufgrund der Teilnahme von voraussichtlich 120 Nationen mit einer Übertragung der Wettkämpfe in 190 Länder Österreich als Austragungsort international bekannt macht.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 231

Österreich hat bisher zwei Judo-Weltmeisterschaften ausgetragen: 1975 die Weltmeis­terschaften der Männer und 1984 die Weltmeisterschaften der Frauen. Beide Großbe­werbe haben entscheidend mitgeholfen, Judo in Österreich zu etablieren, das Interes­se an Judo zu steigern und die Athleten zu entwickeln. Medaillen bei den Olympischen Spielen 1984, 1988, 2004 und 2008 waren die Folge dieser positiven Entwicklung.

In der Zeit seither war Österreich Ausrichter von 1 Europameisterschaft Kadetten, 3 Ju­nioren Europameisterschaften, 1 U23-Europameisterschaft, 3 Mannschafts-Europa­meisterschaften, 1 Europameisterschaft für Blinde und Sehbehinderte, 1 Veteranen-Europameisterschaft und einer Senioren-Europameisterschaft. Seit 1982 werden jähr­lich Weltturniere / European Open in Österreich veranstaltet, ab 1985 auch internatio­nale Junioren-Turniere, der Junior European Judo Cup in Leibnitz ist einer der größten und am stärksten besetzten der Junior-Worldtour. Das OTC Mittersill ist das größte Judo-Trainingslager weltweit.

Die Veranstalter beziffern die Gesamtkosten für die Durchführung dieser Sportgroßver­anstaltung mit € 12,000.000,--. Der Finanzierungsplan sieht Eigenmittel der Veranstal­ter (Ticketverkauf, Sponsoring) sowie Förderungen vor.

Um die für den Österreichischen Sport im Rahmen der Österreichischen Sportstrategie wichtige Veranstaltung sicherzustellen, ist eine umfassende Förderung durch den Bund notwendig: Die eingesetzten Eigenmittel des Österreichischen Judoverbandes werden € 3.000.000,-- betragen. Weitere Mittel werden durch Werbe- und Sponsoreneinnah­men sowie andere Fördergeber aufgebracht werden; der verbleibende offene Teil wird vom Bund getragen.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, die Durchführung der Judo Weltmeisterschaften 2021 in Österreich weiterhin bestmöglich zu unterstützen, damit ein reibungsloser Ab­lauf der Veranstaltung gewährleistet ist und diese Weltmeisterschaft auch optimal für die Bewerbung des Sportlandes Österreich genutzt wird.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Reifenberger. – Bitte.


21.07.55

Abgeordneter Ing. Mag. Volker Reifenberger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Besuchergalerie! Der heimische Sport lebt vom Ehrenamt. Der heimische Sport lebt vom Ehrenamt – diesen Satz kann man gar nicht oft genug sagen und betonen. Ohne die unglaublichen Leistungen der vielen ehrenamtlichen Funktionäre wäre die österreichische Sportlandschaft, so wie Sie sie kennen, nicht vor­stellbar.

Ich möchte ein Beispiel exemplarisch nennen, das natürlich für viele Tausende andere Sportfunktionäre auch steht: Im Skiclub Salzburg, bei dem ich selbst Mitglied bin, hatten wir einen geschäftsführenden Obmann, der 42 Jahre lang – 42 Jahre! – die Ob­mannfunktion ehrenamtlich ausgeübt hat. Dieser Mann hat also den größten Teil seiner


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gesamten Lebensfreizeit für diesen Verein geopfert, und damit für den Sport. Das ist nicht nur unvorstellbar, sondern auch unglaublich bewundernswert. Ähnliche Funktio­närskarrieren gibt es in ganz Österreich viele.

Die vielen Ehrenamtlichen leisten daher einen ganz wesentlichen Beitrag, zum einen für die körperliche Fitness, aber zum anderen auch für das psychische Wohlbefinden unserer Bevölkerung. Sie leisten einen Beitrag für die gesellschaftliche Inklusion behin­derter Menschen, sie leisten einen Beitrag für die Integration von Personen mit Migra­tionshintergrund. Viele von diesen Personen mit Migrationshintergrund kommen durch den Sport oft das erste Mal aus ihrer Parallelgesellschaft heraus und wirklich in Kontakt mit unserer heimischen Bevölkerung.

Die Funktionäre leisten einen Beitrag für die vielen internationalen Erfolge unserer Sportler und nicht zuletzt auch für unsere österreichische Tourismuswirtschaft, die ganz eng mit dem heimischen Sport verbunden ist.

Dabei soll uns aber auch bewusst sein, dass unsere Gesellschaft in vielen Bereichen auf die Freiwilligkeit der Bürger angewiesen ist, nicht nur im Bereich des Sports. Den­ken wir zum Beispiel an Einsatzorganisationen, wie zum Beispiel die vielen freiwilligen Feuerwehren oder auch das Rote Kreuz, an die freiwilligen Helfer der Bergrettung oder anderer Organisationen!

Denken Sie aber auch zum Beispiel an die militärische Landesverteidigung, die nicht gewährleistet wäre, würden nicht viele Milizsoldaten freiwillig ihre Freizeit opfern, per­sönliches Engagement einbringen und im Einsatzfall auch Opferbereitschaft zeigen.

Ohne die unzähligen Freiwilligen müsste die öffentliche Hand sehr viel Geld in die Hand nehmen, um diese wichtigen und notwendigen Leistungen für die Bevölkerung sicher­zustellen. Stellen Sie sich nur vor, wir müssten flächendeckend eine Berufsfeuerwehr oder ein teures Berufsheer finanzieren!

Daher wollen wir die Freiwilligkeit jetzt einmal im Bereich des Sports nicht nur be­lohnen, sondern auch ganz explizit Anreize für diese Freiwilligkeit setzen; das unter an­derem dadurch, dass der Abbau von zivilrechtlichen Haftungsmaßstäben für Vereins­funktionäre kommt, dass steuerliche Anreize geschaffen werden und auch für die An­erkennung der freiwilligen Tätigkeit bei öffentlichen Ausschreibungen und Aufträgen gesorgt wird.

Der vorliegende Antrag der Kolleginnen Steger und Graf bietet für uns alle die Mög­lichkeit, die freiwillige Einsatzbereitschaft unserer Bürger auf vielen Ebenen zu fördern. Demnach werden wir diesen Antrag aus vollster Überzeugung unterstützen. Ich kann eigentlich überhaupt nicht verstehen, wie man diesen Antrag selbst von der Opposi­tionsbank aus nicht unterstützen kann. Diese Kritik richtet sich jetzt gegen die NEOS und die Liste Pilz/JETZT, die zwar im Ausschuss gegen diesen Antrag gestimmt ha­ben, sich aber hier in der Debatte im Hohen Haus nicht einmal zu Wort melden. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Noll: Schenkt uns ein paar Minuten! – Abg. Wittmann: Sport ist wichtig! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und JETZT.)

21.11


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Gru­ber. – Bitte, Frau Abgeordnete.


21.11.57

Abgeordnete Renate Gruber (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Liebe Kollegen und Kolleginnen! (Zwischenrufe bei SPÖ und JETZT.) Darf ich kurz um ein bisschen Aufmerksamkeit bitten? (Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) – Danke sehr.


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Vorweg einmal gibt es natürlich von unserer Seite große Unterstützung und Zustim­mung in Bezug auf diesen Antrag. Jedes Ehrenamt, jede ehrenamtliche Tätigkeit ist enorm wichtig. Die Herausforderungen der Zeit anzunehmen, die Rahmenbedingungen anzupassen, das ist, glaube ich, eine Notwendigkeit für das Ehrenamt. Es ist ein wich­tiger Bestandteil unserer Gemeinschaft, unserer Gesellschaft und ist einfach unbezahl­bar.

Es wird immer schwieriger, Haftungsfragen auszuschließen, das wissen wir alle. Eh­renamtliche zu unterstützen und abzusichern ist daher nur fair. Es gibt immer mehr Menschen, die bei der Ausübung ihrer privaten sportlichen Tätigkeit einen Verantwort­lichen/eine Verantwortliche suchen, es ist nie ein Restrisiko auszuschließen, wenn man Sport betreibt. Das muss uns natürlich auch allen bewusst sein.

Die Angebote sind wirklich sehr breit gefächert. Da denke ich jetzt an den Kinder- und Jugendlichensport, und natürlich gibt es auch für Erwachsene gerade im Breitensport ein großes Spektrum, was von den unterschiedlichen Vereinen, von den Ehrenamtli­chen angeboten wird.

Nicht außer Acht zu lassen ist auch der Spitzensport. Er nimmt einen breiten Raum ein, gerade in meiner Heimatregion, wenn ich an den Skisport denke. Die Ehrenamtli­chen übernehmen auch die Organisation der Rennen, und ohne die Ehrenamtlichen wäre es eigentlich gar nicht möglich, solche Veranstaltungen durchzuführen. Das ist ei­gentlich eine unbewusste Mithilfe für die Wertschöpfung.

Der Gesundheitsaspekt ist natürlich enorm wichtig – die Förderung der geistigen und körperlichen Fähigkeiten und Fitness. Selbst im hohen Alter ist Freiwilligentätigkeit er­füllend und sehr wertvoll.

Nicht förderlich, sogar sehr abträglich ist natürlich der 12-Stunden-Tag, dessen Auswir­kungen auf die Gesundheit sicher erst in späteren Jahren spürbar werden.

Die ehrenamtliche Tätigkeit bedarf auch außerhalb des Sports Unterstützung; zum Bei­spiel jene für das Rote Kreuz, für die Feuerwehr, wie mein Vorredner auch schon an­gesprochen hat. Wir haben im Juni einen Antrag betreffend arbeitsrechtliche Absiche­rung des Einsatzes der freiwilligen Helfer von Feuerwehren und Rettungsorganisa­tionen eingebracht, der von den Regierungsparteien leider vertagt wurde. Ich hoffe wirklich inständig, dass dieser Antrag noch einmal aufgenommen wird, zur Abstim­mung gelangt und eine positive Erledigung findet.

Ich darf jetzt auch den Herrn Vizekanzler sehr persönlich ansprechen: Ich habe Sie im Sportausschuss immer wieder als sehr umgänglichen Menschen wahrgenommen, dem der Sport sehr wichtig ist, dem das Ehrenamt sehr wichtig ist, deshalb auch eine Bitte von mir – Sie könnten auch eine Vorreiterrolle übernehmen –, nämlich auch die Dienst­freistellungen von den Mitgliedern der freiwilligen Feuerwehren, die im Bundesdienst stehen, im Einsatzfall zu übernehmen; das fällt ja in Ihr Ressort. Ich denke, das ist ein Zeichen, das Sie setzen könnten, um zu zeigen, dass das Ehrenamt enorm wichtig ist, und ich hoffe, dass das auch viele Nachahmer in den anderen Ressorts finden wird. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

21.15


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Kira Grünberg. – Bitte.


21.15.44

Abgeordnete Kira Grünberg (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Sport verbindet, Sport kennt keine Grenzen, Sport steigert das Selbstbewusstsein, Sport kennt keine Behinderungen, Sport macht Vorbilder und Sport ist gesund. – Diese Auf-


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zählung könnte ich, glaube ich, noch unendlich fortsetzen. Die Vorzüge sportlicher Be­tätigung, vom Breitensport bis hin zum Leistungssport, kennen wir wohl alle. All diese positiven Effekte werden zum großen Teil durch ehrenamtliche Tätigkeiten ermöglicht. Wir können uns in Österreich glücklich schätzen, ein so hohes Maß an freiwilligem Engagement zu haben, denn dies ist wirklich keine Selbstverständlichkeit. (Allgemeiner Beifall.)

Wir dürfen uns aber nicht darauf verlassen, dass ein so gut funktionierendes System auch immer so aufrechterhalten werden kann. Deswegen liegt es auch in unserer Hand, Anreize zu schaffen, um das Ehrenamt so, wie es jetzt ist, zu erhalten. Genau das strebt der vorliegende Entschließungsantrag der Abgeordneten Steger und Graf an. Darin reichen die Ansätze von niederschwelligen Qualifizierungsangeboten über steuerliche Vorteile bis hin zur Berücksichtigung bei Jobvergaben. Die Freiwilligen ar­beiten zwar unentgeltlich, aber ihre Arbeit ist unbezahlbar. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

In diesem Sinne möchte ich mich bei allen ehrenamtlich Tätigen recht herzlich bedan­ken; ganz besonders natürlich auch bei denen, die mich in meiner sportlichen Karriere jahrelang begleitet haben. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es ohne das Ehren­amt den Sportlerinnen und Sportlern, egal ob im Breiten- oder im Spitzensport, wohl kaum möglich wäre, ihrer Leidenschaft nachzugehen. Das fängt bei ehrenamtlichen Trainerinnen und Trainern an und reicht von Funktionärinnen und Funktionären bis hin zu Kampfrichterinnen und Kampfrichtern bei Wettkämpfen und Turnieren. – Vielen Dank an euch für eure wertvolle Arbeit! (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei Abgeord­neten der SPÖ.)

Ich möchte mit einem Zitat von Ewald Balser schließen: „Die Welt lebt von Menschen, die mehr tun als ihre Pflicht.“ – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei Ab­geordneten der SPÖ.)

21.18


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Vizekanzler Strache. – Bitte.


21.18.29

Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn es um die Unterstützung der ehrenamtlichen Tätigkeit geht, so ist da natürlich viel zu tun. Die Anforderungen an ehrenamtliche Tätigkeiten haben sich in den letzten Jahren auch im Sport wesentlich erhöht und machen die Notwendigkeit von Verbesse­rungen der Bedingungen und einer fachlichen Unterstützung der ehrenamtlich tätigen Funktionäre auch sichtbar. Viele Sportvereine weisen heute bereits eine Organisations­komplexität auf, die da oder dort durchaus der eines Unternehmens, eines kleinen Be­triebes, eines Mittelbetriebes entspricht. Und ja, es ist notwendig, auch darauf Rück­sicht zu nehmen!

Die Sektion II, nämlich die Sektion für den Sport, des Bundesministeriums für öffentli­chen Dienst und Sport hat sich aus diesem Grund auch mit der Bundes-Sportorgani­sation BSO am 26. September in dieser Frage ausgetauscht. Entsprechend dem ge­genständlichen Entschließungsantrag wurde mit der BSO und Vertretern der Bundes­sportdachverbände die Etablierung eines vonseiten der Sektion geförderten Projekts vereinbart, das eben folgende, im Entschließungsantrag auch angeführten Punkte ab­decken soll:

die Erfassung und Abstimmung von typischen Kompetenzen und Fertigkeiten für frei­willige Funktionen, Aufgaben und Rollen im Sport,

die Entwicklung von attraktiven Qualifizierungsangeboten für diese Funktionen unter der Maßgabe der Angemessenheit, Niedrigschwelligkeit und Attraktivität und unter Ein­beziehung bestehender Angebote der Länder und des Sports,


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die Erfassung und Berücksichtigung von Grundsätzen der Good Governance auf Basis entsprechender Empfehlungen des Sportministerrats der Europäischen Union und da­raus hervorgegangener Arbeitsgrundlagen in der Qualifizierung der Freiwilligen und über Handlungsgrundsätze.

Darüber hinaus wird entsprechend dem Regierungsprogramm für nachstehende Punk­te über Lösungsvorschläge mit den relevanten Ressorts verhandelt: die Entwicklung öf­fentlicher Anreize in Form von steuerlichen Vorteilen und Anerkennung der Freiwilli­gentätigkeit als Kriterium bei öffentlichen Ausschreibungen oder Aufträgen.

Und ja: Pauschale Reiseaufwandsentschädigungen sind für uns natürlich auch ein Thema; diese in Zukunft anzuheben haben wir vor. Das ist ein Vorteil für die Ehren­amtlichen.

Auch die Reduzierung von zivilrechtlichen Haftungsmaßstäben für ehrenamtliche Ver­antwortungsträger wird verfolgt.

Das sind alles wichtige, richtige Schritte, zu denen man natürlich dann auch noch weitere Vorschläge machen kann; wie auch Kollegin Gruber zu Recht den weiteren Vorschlag eingebracht hat, darüber nachzudenken, inwieweit da Dienstfreistellungen möglich sein können. Das muss man mitdenken.

Es wird keine leichte Aufgabe, alles wird nicht möglich sein, aber ich glaube, wir wer­den vieles auch in dem Bereich verbessern können. Das ist auch unsere Verantwor­tung und Verpflichtung. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

21.21


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Letzter zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Lindinger. – Bitte.


21.21.40

Abgeordneter Ing. Klaus Lindinger, BSc (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Vorweg bedanke ich mich ganz herzlich bei den Kolleginnen für den eingebrachten An­trag, der für die vielen Freiwilligen in Österreich ganz, ganz wichtig ist, denn in allen Bereichen des Ehrenamtes wird es schwieriger, Personen zu finden, die sich bereiter­klären, Verantwortung zu übernehmen.

Das kann verschiedenste Gründe haben. Zum einen sind es vielleicht die Freizeitan­gebote, die deutlich mehr geworden sind. Zum Zweiten kann es auch sein, dass das Berufsleben aufgrund der Schnelllebigkeit fordernder geworden ist. Deshalb ist es auch die Aufgabe der Politik, jene zu unterstützen, die mehr tun als ihre Pflicht.

In Österreich leisten 46 Prozent der Bevölkerung über 15 Jahre in verschiedenster Form Freiwilligenarbeit. Für Österreich ist dieses freiwillige Engagement unverzichtbar. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Eines muss uns aber ganz klar bewusst sein: Diese Freiwilligkeit ist nicht selbstver­ständlich!

Wie meine Vorredner bereits erläutert haben, leisten laut dem Freiwilligenbericht 2015 rund 576 000 Menschen mit wöchentlich fast 2,2 Millionen Arbeitsstunden einen we­sentlichen Beitrag im Bereich des Sports. Im Vergleich zu den anderen Bereichen nimmt der Sport da den ersten Platz ein. Fast jede Gemeinde in Österreich hat einen Sportverein. Ich selbst bin in einigen Vereinen aktiv ehrenamtlich tätig, unter anderem auch als Mitglied im Skiklub. Ich weiß, wie viele Stunden da zum Beispiel in die Ju­gendarbeit und in das Training gesteckt werden. Das ist großartig. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


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Der Sport ist von zentraler Bedeutung für das körperliche und psychische Wohlbefin­den. Zudem spielt natürlich in Österreich der Sporttourismus eine wesentliche Rolle. Aktuell ist es wieder so weit, die Skigebiete in Österreich öffnen ihre Tore für die Ur­lauber aus der ganzen Welt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Sport boomt, er ist beliebt bei Alt und Jung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.) Es braucht jedoch ver­stärkt Initiativen, um Jugendliche für Funktionen zu begeistern, denn die Aufgabe, in ei­nem Vorstand mitzuarbeiten, heißt, Verantwortung für die Mitmenschen zu überneh­men. Das ist das Heranführen der Jugend an die Werte unserer Gesellschaft. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Eine gute Gemeinschaft lebt und profitiert von den Vereinen und von den Freiwilli­genorganisationen, und ich möchte mir gar nicht vorstellen, welche Kostenlawine uns träfe, müssten alle freiwillig geleisteten Stunden von der öffentlichen Hand bezahlt wer­den. Ich möchte mir nicht vorstellen, was es hieße, würden die Freiwilligen in unseren Gemeinden ihre Arbeit nicht mehr durchführen. Ein Ersatz wäre nicht nur monetär un­möglich, ein wesentliches Stück unserer Gemeinschaft, ein wichtiges Stück Lebenser­fahrung, ein nicht unbeträchtlicher Teil unseres Zusammenhalts würde wegbrechen. Deshalb ist jede Unterstützung des Ehrenamts zu befürworten, darin sind wir uns hof­fentlich alle einig. (Ruf bei der FPÖ: Da wäre ich mir nicht so sicher!) Die Ausarbeitung der Agenda Freiwillig im Sport ist ein erster Schritt, unter Beteiligung der Bundesländer mit den zuständigen Ressorts und den Verantwortlichen des Sports Lösungen dazu zu finden.

Zum Schluss möchte ich mich ganz herzlich bei all jenen, die sich ehrenamtlich enga­gieren – sei es im Sport, im Kultur- oder Sozialbereich –, und bei den vielen Einsatz­organisationen bedanken. Das ist alles andere als selbstverständlich. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

21.25


21.26.02 Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Auch nicht.

Damit ist der Weg frei zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 411 der Beila­gen angeschlossene Entschließung betreffend „Unterstützung ehrenamtlicher Tätig­keit im Sport“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist mit Zweidrittelmehrheit angenommen. (E 42)

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Graf, Steger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Unterstützung der Judo Weltmeis­terschaften 2021“.

Ich darf jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag die Zustimmung er­teilen, um ein Zeichen ersuchen. – Das ist einstimmig. (E 43)

21.26.5918. Punkt

Bericht des Sportausschusses über den Antrag 487/A(E) der Abgeordneten Tan­ja Graf, Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherstellung von ausreichend Sport und Bewegung an unseren Schulen (412 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zu Tagesordnungspunkt 18.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Krist. – Bitte.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 237

21.27.32

Abgeordneter Hermann Krist (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Herr Sportminister! Hohes Haus! Ich freue mich wirklich, dass die beiden Regierungsfraktionen mit diesem Antrag an ihre eigenen Minister viele Vorschläge und Forderungen für den Sport wie­derholen, die wir seit vielen Jahren (Abg. Steger: Nicht umgesetzt haben!) auch im Sportausschuss diskutieren – und leider noch nicht umgesetzt haben. Der wiederholte Anlauf entspricht dem Sport, der Kondition und dem Einsatzwillen, dass wir etwas wei­terbringen. Der Minister hat es versprochen, es ist eine gute Initiative, und ich hoffe, dass es gelingt, einiges davon umzusetzen.

Ausreichend Sport und Bewegung an unseren Schulen ist kein Wunsch an das Christ­kindl – könnte meine Tochter auch nicht erfüllen –, sondern eine enorm wichtige Maß­nahme für unsere Kinder zum Wohle ihrer Entwicklung, ihrer Gesundheit, ihrer Lern­fähigkeit beim Start in ihre Zukunft. Deshalb treten wir für die Förderung von klein auf, sprich ab dem Kindergarten, durch qualifiziertes Personal, durch PädagogInnen mit Sportausbildung, durch Kooperation mit Sportverbänden und -vereinen ein. – So weit sind wir alle einer Meinung, das ist allgemeiner Konsens.

Meine Damen und Herren! Die Breitensportverbände in Österreich waren entspre­chend ihren Kapazitäten im Auftrag des Sportministeriums im abgelaufenen Jahr in 612 Kindergärten und in 690 Volksschulen in Österreich (Abg. Haubner: Bravo!) und haben dort insgesamt 43 800 Bewegungseinheiten umgesetzt. Ausgebildete, qualifi­zierte Lehrwarte und Sportwarte animieren mit viel Freude unsere Kleinsten zur Bewe­gung (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ – Abg. Haubner: Bravo!), und da ist noch Luft nach oben. Es gibt ja 3 000 Volksschulen und rund 4 500 Kindergärten in Österreich, also da ist noch einiges zu tun.

Ganz wichtig dabei aus der Sicht des Breitensports und aus den gemachten Erfah­rungen ist in der Volksschule ganz besonders die polysportive Grundausbildung der Kinder.

Für VolksschülerInnen ist einfach alles neu, wenn sie diesen Lebensabschnitt begin­nen. Sie kommen mit vielen anderen, neuen Kindern zusammen, sie lernen jeden Tag etwas Neues, sie lernen sich selber besser kennen, sie haben laufend neue Heraus­forderungen, und sie lernen durch Bewegung und Sport auch ihren eigenen Körper besser kennen. Damit sich Kinder freudvoll und kompetent bewegen können, sind gut entwickelte motorische Fähigkeiten Voraussetzung.

In diesem Zusammenhang möchte ich schon hervorheben, dass frühe sportmotorische Testungen bereits im Volksschulalter ein vielmals diskutiertes Thema sind und uns jedenfalls nicht zielführend erscheinen. Sie bergen Risiken in sich und bringen wenige positive Erkenntnisse und Erlebnisse, jedenfalls in der ersten und zweiten Volksschul­klasse. Wir wollen nicht schon in den ersten Klassen der Volksschule in Sieger und Verlierer einteilen. Im Vordergrund muss die individuelle motorische Entwicklungsför­derung stehen und keine Motorikdiagnose, die mit negativen Konsequenzen oder gar Ängsten verbunden ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Kinder sollen die Chance haben, Bewegung positiv zu erleben. Jedes Kind soll seine Stärken kennenlernen und auch Erfolg haben und sich in Bezug auf Bewegung etwas zutrauen. Demotivation, Angst und frühzeitige einseitige Spezialisierung sollen vermie­den werden. Und das bilden sich nicht die Breitensportverbände ein, sondern meint auch eine anerkannte Expertin. Frau Professor Dr. Annette Worth vom Institut für Be­wegungslehre in Karlsruhe sagt dazu:

„Bedenken in Richtung einer um sich greifenden ,Testomanie‘, einer Untermauerung von Krisenszenarien, einer einseitigen Ausrichtung des Sportunterrichts auf ein ,teaching for the tests‘ sind ernst zu nehmen und auch künftig kritisch und offen zu diskutieren.“


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 238

(Abg. Haubner: Die war in keinem Verein!) „Sportmotorische Tests stellen nur dann ein gutes unterrichtsbegleitendes Instrument dar, wenn ihr Einsatz pädagogisch reflek­tiert und sensibel erfolgt.“

Meine Damen und Herren! Mir ist durchaus bewusst, was der erste Satz in den Forde­rungen im Antrag bedeutet, mir ist durchaus klar, welches wirtschaftliche Potenzial hinter diesem Satz steckt, ich bin aber überzeugt davon, dass es der falsche Ansatz ist.

Im Sinne der Kinder und ihrer positiven Entwicklung schlage ich daher vor, darüber nachzudenken, ob nicht von der einen von den Regierungsfraktionen angekündigten Milliarde an Einsparungen im Zuge der Krankenkassenenteignungen ein gewisser Pro­zentsatz zweckgebunden für die Initiative Kinder gesund bewegen in den Kindergärten und in den Volksschulen sichergestellt werden könnte. Herr Minister, du bist immer auf der Suche nach Geld, da hätten wir etwas, ich würde 5 Prozent von dieser Milliarde vorschlagen, und wir wären viele Sorgen los und könnten dieses Projekt flächende­ckend ausrollen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ja, und weil es trotz unseres Ersuchens im Sportausschuss nicht möglich war, nicht gewollt war, was auch immer (Abg. Steger: Wir haben es erklärt!), unseren Bedenken näherzutreten und vielleicht eine andere Formulierung zu wählen, wir aber von unseren Grundsätzen nicht abweichen werden, können wir diesem Antrag nicht zustimmen. Und ich sage ausdrücklich dazu: leider. (Beifall bei der SPÖ.)

21.32


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ste­ger. – Bitte.


21.33.08

Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Hohes Haus! Worum geht es bei diesem Tagesordnungspunkt? – Es geht erneut um einen gemeinsamen Antrag meiner Sportsprecher-Kollegin Tanja Graf von der ÖVP und mir zum Thema Bewegung für unsere Jugend an Schulen.

Ich möchte gleich die Gelegenheit nutzen und das Dankeschön von vorhin für die her­vorragende Zusammenarbeit zurückgeben. Natürlich freut es mich auch, auf dieser Seite jemanden sitzen zu haben, der genauso sportaffin ist und dem Sport ein großes Anliegen ist, besonders deswegen, weil es mir in den vergangenen vier Jahren als Op­positions-Sportsprecherin natürlich immer ein Anliegen war, mehr Anträge ins Plenum zu bekommen, um dem Sport auch parlamentarisch einen höheren Stellenwert zu ge­ben. Es freut mich, dass uns das gelungen ist, denn mittlerweile ist das der zweite An­trag auf der heutigen Tagesordnung. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Viele werden sich jetzt denken, zwei Anträge, das ist nicht viel. Ja, für den Sport ist es tatsächlich viel, weil das mehr Anträge sind, als es in den gesamten letzten vier Jahren zusammen unter SPÖ-Ministern gegeben hat. (Abg. Haubner: Bravo!) In der Hinsicht ist es ein großer Erfolg. Ich bedanke mich dafür und hoffe, es wird auch so weiterge­hen. (Beifall der Abg. Tanja Graf.) Ich bin davon überzeugt.

Worum geht es jetzt genau in diesem Antrag? – Kurz gesagt geht es um die Sicher­stellung von ausreichend Sport und Bewegung an unseren Schulen. Ich halte das für unglaublich wichtig, weil Sport und Bewegung sehr viele positive Auswirkungen auf Kinder haben, schon im jungen Alter, denn gerade um die Gesundheit unserer Kinder steht es nicht gut. Es ist sozusagen fünf vor zwölf, dass da etwas passiert, denn wir ha­ben mittlerweile die erste Generation, die eine kürzere Lebenserwartung als noch ihre Eltern hat. 24 Prozent der Kinder sind übergewichtig, jedes sechste Kind leidet schon


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 239

unter chronischen Krankheiten, jedes fünfte leidet unter einem psychischen Problem. Wir alle können das auch beobachten, wenn man Kinder sieht, die es nicht mehr schaf­fen, zum Beispiel einen Purzelbaum zu schlagen, oder auch nicht mehr wissen, wie man richtig läuft, was natürlich auch zu vielen Verletzungen führt. Das alles sind nicht nur erschreckende Statistiken, sondern auch bedenkliche Zustände für die Gesundheit unserer Kinder.

Doch es gibt Gott sei Dank eine einfache Lösung dafür, und die Lösung heißt: mehr Sport und Bewegung. Regelmäßige Bewegung sorgt für mehr Gesundheit, für weniger Verletzungen, für eine hohe Mobilität bis ins hohe Alter, damit natürlich auch für Kos­tenersparnisse im Gesundheitssystem. Sport sorgt auch für ein vollkommen anderes Selbstbewusstsein bei unseren Kindern, und vor allem sorgt er auch für eine Verbes­serung der schulischen Leistungen unserer Kinder.

Aus diesem Grund haben wir gemeinsam in diesem Antrag einige wichtige Maßnah­men aufgelistet, um eben die Bewegung der Kinder von klein auf zu fördern und die Kinder für den Sport zu begeistern. Das fängt zum Beispiel bei den richtigen Rahmen­bedingungen an, beim Know-how des Personals. Wir brauchen eine bessere Ausbil­dung der Pädagogen in diesem Bereich, wir wollen auch eine bessere Sportinfra­struktur, verbunden mit einer stärkeren Auslastung dieser Infrastruktur, das heißt eine Öffnung und Nutzung der Turnsäle in den Schulen für den Sport. Wir wollen das Aus­maß der Wochenstunden, die für den Sport genützt werden, erhöhen. Die Schule soll insgesamt einen stärkeren Fokus auf den Sport legen.

Und das soll eben kein Gegeneinander mit den Sportvereinen sein, sondern das soll gemeinsam passieren. Das heißt, wir wollen die Kooperation der Schule mit den Sport­vereinen fördern, damit diese gemeinsam für mehr Sport und Bewegung sorgen.

Wir wollen zum Beispiel auch Schulsportwochen fördern, und wir wollen theoretische Inhalte betreffend Bewegung, Sport und gesunde Ernährung verstärkt in den Fokus holen.

Es geht aber über die Schule hinaus noch weiter, in den Universitätsbereich. Auch da wollen wir Maßnahmen setzen. Das fängt an bei der Entwicklung von Bildungswegen und Berufsausbildungen, wir wollen aber auch die Vereinbarkeit von Sport und Bildung fördern. Das heißt – und da spreche ich selber aus jahrelanger Erfahrung als Leis­tungssportlerin –, wir wollen, dass zum Beispiel mehr auf sportliche Aktivitäten, auf Leistungssport in unserem Bildungssystem, an Universitäten Rücksicht genommen wird. Ich selbst habe erlebt, dass ich Prüfungen ein ganzes Semester später noch ein­mal machen musste, weil ich wegen eines Europacupspiels leider nicht anwesend sein konnte, und das war leider Gottes den meisten egal. Genau an dieser Einstellung muss gearbeitet werden.

Sehr geehrter Herr Kollege Krist, Sie haben gesagt, Sie stimmen dem nicht zu, wegen eines einzelnen Punkts; bei diesem Punkt geht es um eine grundsätzliche Erhebung der Fitness unserer Kinder. Ich muss sagen, ich verstehe Ihre Bedenken wirklich über­haupt nicht. Sie haben diese Bedenken im Ausschuss vorgebracht, und wir haben Ihnen dort auch erklärt, dass es überhaupt nicht darum geht, irgendein Auswahl­verfahren einzuführen, oder um eine Selektion der Kinder. Die Kinder werden dort nicht an die Grundlinie gestellt und müssen Liniensprints laufen, verbunden mit einem Lac­tattest, und kriegen dann am Schluss irgendwelche Noten. Nein, das ist es natürlich nicht, selbstverständlich nicht! Aber selbst wenn, ein bisschen Leistungsgedanke, ein bisschen Wettbewerb untereinander schadet auch Kindern nicht. Ich selbst habe gerne an solchen Wettbewerben und an solchen Leistungsvergleichen teilgenommen, und das hat mich nicht demotiviert, im Gegenteil, das hat mich motiviert, besser zu werden und mehr zu leisten, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)


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Aber von all dem ist in diesem Antrag überhaupt keine Rede. Es geht nur um ein stan­dardisiertes Verfahren, um Bescheid zu wissen, wie es um die Gesundheit und die Fitness unserer Kinder bestellt ist. Es geht darum, auf Fehlentwicklungen bei Motorik und auch Ernährung aufmerksam zu machen, es geht um die gesundheitliche Präven­tion bei den Kindern; also keine Rede von irgendwelchen Leistungstests.

Sehr geehrte Damen und Herren! Insgesamt, glaube ich, sind das wichtige Maßnah­men, um unsere Kinder, unsere Jugend zu fördern, um sie gesünder zu machen. Ich finde es schade, dass Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der SPÖ, wegen eines einzelnen Punkts, den Sie falsch interpretieren, Ihre Zustimmung hier verweigern. (Bei­fall bei FPÖ und ÖVP.)

21.39


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hoyos-Trauttmansdorff. – Bitte.


21.39.54

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Hohes Haus! Liebe noch verbliebene Besucherinnen und Besu­cher auf der Galerie, sofern noch welche da sind! Ich glaube, nicht mehr. Frau Kollegin Steger hat einige richtige Dinge zum Thema Sport gesagt, von denen ich glaube, dass es wichtig ist, diese zu wiederholen.

Natürlich wissen wir aus diversen Studien – übrigens: diese Studie zur Lebenserwar­tung müssen Sie mir noch zeigen, die glaube ich Ihnen nicht ganz –, wir wissen aus vielen Studien, dass durch Sport die Konzentrationsfähigkeit von Schülerinnen und Schülern steigt, dass die Leistungsfähigkeit von Schülerinnen und Schülern steigt, dass Sport natürlich auch vorbeugend gegen Krankheiten wirkt und – das ist, glaube ich, das Wichtigste und das ist auch das, was uns in diesem Antrag ein bisschen zu kurz kommt – dass Sport Spaß und Freude machen muss, dass junge Menschen mit Begeisterung dabei sein müssen.

Wir müssen uns aber, glaube ich, auch alle ein Stück weit selber an der Nase neh­men – zumindest ich, und ich schließe da wahrscheinlich hier auch einige ein –, dass Vorbildsein in diesem Bereich bei jedem Einzelnen beginnt. Wir sind alle Vater, Onkel, Mutter, Tante, haben vielleicht jüngere Geschwister oder sonst Kinder in unserer Um­gebung, und da ist es, glaube ich, ganz wichtig, dass wir diese Vorbildwirkung auch ernst nehmen und diese positiven Effekte, die genauso auch für uns gelten, in den Vordergrund rücken und uns selber immer wieder vor Augen halten, dass die Vorbild­wirkung im Sport sehr wichtig ist.

Es ist daher, meine ich, auch sehr wichtig, dass das auch die Politik ein Stück weit macht. Ich weiß, das Rauchverbot ist ein leidiges Thema, das schon oft genug disku­tiert wurde, aber wenn gerade der Sportminister einer der leidenschaftlichen Kämpfer für die Raucher ist, dann macht das nicht unbedingt ein gutes Bild. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

In diesem Zusammenhang vielleicht auch ein paar Sätze zur Sport Strategie: Hier muss man, denke ich, einen wichtigen Aspekt mit hineinnehmen. Es genügt nicht, nur darauf zu setzen, dass wir Medaillen einsammeln und den Nationalstolz wieder in den Vordergrund rücken, sondern es ist eben viel mehr. Sport ist nicht nur Marcel Hirscher oder früher Armin Assinger oder irgendwelche Fußballspieler, sondern Sport ist Brei­tensport. Das ist etwas, was viel zu oft in den Hintergrund gerückt wird. Jeder, der lau­fen geht, macht Bewegung und Sport und tut etwas für seine Gesundheit, und das ist etwas, was aus unserer Sicht einfach zu wenig zum Zug kommt.

Wird dann über dieses Thema diskutiert, kommen wir oft zur täglichen Turnstunde, die schon vor einigen Jahren eingeführt wurde oder mehr oder weniger eingeführt wurde.


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Da haben wir das Problem, dass viele Schulen nicht mittun können, weil die Ressour­cen nicht vorhanden sind. Da besteht teilweise ein Personalmangel, aber auch ein Raummangel. Viele sagen sich dann, es ist ein zu großer Aufwand, und es stellt auch einen Zwang für die Schüler und Schülerinnen dar, am Nachmittag extra für diese Turnstunde kommen zu müssen. Das kann ja auch nicht die Idee der täglichen Turn­stunde sein, diese irgendwo am Ende dranzuhängen. All das hat dazu geführt, dass da zu wenig passiert ist und dass eben die Bewegung in den Schulen nicht ankommt.

Unser Ansatz ist derjenige, dass wir sagen, es soll Spaß machen, das heißt: Setzen wir doch viel stärker auf kleine Bewegungsspiele im Regelunterricht! Schauen wir, dass das in der pädagogischen Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer in den Vordergrund gerückt wird, dass dort viel mehr passiert, dass auch während der anderen Unter­richtsstunden Bewegung stattfindet, dass dieser Bewegungsanreiz immer wieder ge­setzt wird. Wir wissen, dass eine Unterbrechung der 50 Minuten-Einheiten für 5 Minu­ten zum Zwecke von ein bisschen Bewegung sehr von Vorteil ist. Das wäre etwas, was aus unserer Sicht viel stärker forciert werden sollte und in den Mittelpunkt zu rücken ist.

Zusammenfassend: Medaillen alleine werden die Gesundheit der nächsten Generation nicht retten. Daher: Schauen wir, dass wir genau auf solch kleine Anreize mehr achten und da auch in Zukunft Meter machen! – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

21.43


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Diesner-Wais. – Bitte. (Abg. Jarolim: Es ist im Grunde genommen eine sehr engstirnige Lö­sung! – Abg. Haubner: Mehr Bewegung, Herr Jarolim!)


21.44.01

Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Meine Damen und Herren im Nationalrat! Heute haben wir den Tag größ­tenteils der Bildung gewidmet, und ich denke, das ist sehr wichtig, denn ein Spruch besagt: Wer rastet, der rostet.

So ist es nicht nur in der Bildung, sondern auch in allen anderen Lebensbereichen und ganz besonders in der Bewegung und im Sport. Sport und Bewegung sind die Basis für ein gesundes Leben, wer sich körperlich betätigt, der ist auch körperlich und geistig fit. Gerade im Kindesalter ist Bewegung ganz wichtig für die Entwicklung der Schlüssel­kompetenzen. Wer ständig still sitzt und sich nicht bewegt, bekommt körperliche Fehl­haltungen, Übergewicht und später auch bleibende Schäden. Daher ist Sport ganz wichtig. Gerade im schulischen Bereich werden durch die Bewegung die Konzentra­tionsfähigkeit und die Aufnahmefähigkeit der Kinder sehr stark gefördert.

Sport bietet den Kindern auch die Möglichkeit, sich zu beweisen, zu zeigen, was sie können, sich Ziele zu setzen, den Teamgeist, die Fairness und vor allem die Werte und die soziale Zusammengehörigkeit zu stärken. Der erste Schritt dazu ist eine Aufwer­tung des schulischen Sports. Wenn wir uns vor Augen führen, dass sich nur mehr drei von zehn Kindern täglich mindestens eine Stunde körperlich betätigen, dann ist das, glaube ich, ein sehr ernst zu nehmender Faktor.

Bei uns in Niederösterreich gibt es die tägliche Turnstunde im Jahr 2017/2018 bereits in 60 Schulen. Dazu kann ich wirklich nur herzlich gratulieren. Ich möchte mich bei den Direktoren und bei den Pädagoginnen und Pädagogen, die das ermöglichen, herzlich bedanken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ein Ziel in diesem Antrag ist vor allem, dass wir bundesweit eine Stunde Bewegungs­einheit in allen Schulen umsetzen können. Es zeigt sich, dass die Kinder Lust an der Bewegung haben, dass sie ihnen auch Spaß macht und dass sie wirklich den Drang dazu haben. Daher gehört das unterstützt.


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Besonders wichtig ist uns auch die Kooperation der Schulen mit den Sportvereinen, denn die Sportvereine sollen in das schulische Leben eingebunden sein: auf der einen Seite im Schulbetrieb, auf der anderen Seite sollen sie auch die Möglichkeit haben, sich in der Schule zu präsentieren, zu zeigen, was sie an außerschulischem Sportan­gebot haben.

Ich selbst bin beim LT Gmünd, das ist ein Laufverein. Wir haben einen Jugendtrainer, den Franz, das ist ein sehr beherzter und engagierter Trainer, der aktiv in die Schulen geht, auch schon in vielen Schulen war, und dort die Kinder für die Bewegung, für die Leichtathletik begeistert und motiviert. Daher haben wir auch großen Zuspruch in un­serem Verein und auch tolle Leistungen der Kinder, die sich, wie schon angesprochen, sehr über ihren Erfolg freuen.

Unser Verein trainiert aber auch auf der Laufbahn der Schule, das ist, glaube ich, eine optimale Kooperation, so wie wir sie uns für viele Schulen wünschen, denn dadurch werden die schulischen Sportstätten gut genützt und ihre Auslastung gesteigert. Daher ist es auch ein Ziel, dass unsere Sportvereine die schulischen Sportstätten nützen und die Kooperation mit den Schulen und Gemeinden verstärkt wird.

Der Kollege hat es schon angesprochen: Es ist beides wichtig, einerseits der Breiten­sport, andererseits aber auch der Spitzensport, denn gerade der Spitzensport motiviert unsere Jugendlichen, sich sportlich zu betätigen und Spaß daran zu bekommen. (Bei­fall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich denke, es ist auch sehr wichtig, dass die Fähigkeiten der Jugendlichen früh ent­deckt werden, damit wir sie speziell fördern können. Wir haben diesbezügliche Modelle der Förderung, diese sind aber momentan nur Schulversuche und sollen in Zukunft in Regelmodelle übergehen.

Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Sportminister, und auch beim Bildungsminister, dass Sie gemeinsam die Direktoren und Pädagogen und Pädagoginnen zu einer verstärkten Kooperation mit den Sportvereinen motivieren.

So darf ich mit einem Spruch enden, der da lautet: Willst du ein Schiff bauen, so wecke die Sehnsucht nach dem Meer! – Unsere Pädagoginnen und Pädagogen und unsere Sportvereine haben so die Möglichkeit, bei unseren Jugendlichen die Sehnsucht nach dem Sport zu wecken. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

21.49


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Herr Vizekanzler. – Bitte.


21.49.33

Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ja, das ist ein wesentliches Thema, wo man vielleicht auf ein paar Dinge, die da ab­seits des Themas eingeworfen worden sind, ganz kurz eingehen sollte.

Abgeordneter Hoyos-Trauttmansdorff hat bemängelt, dass ich in meiner Selbstbe­stimmtheit etwas tue, was er nicht mag und was er ablehnt (Abg. Meinl-Reisinger: Sie können ruhig rauchen!), und dass ich keine Vorbildwirkung habe. Ja, ich nehme zur Kenntnis, dass die Liberalität der NEOS-Abgeordneten doch nicht so weit reicht und man Menschen sogar bis in den privaten Entscheidungsbereich etwas vorschreiben will. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Sie dürfen gerne rau­chen, das ist mir wirklich egal!)

Ich erinnere vielleicht, dass einer meiner Vorgänger als Sportminister Hans Peter Dos­kozil war, der im Übrigen auch Raucher war. Ich sage, es tut nichts zur Sache, was er


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privat macht, weil es nichts mit dem eigentlichen Thema zu tun hat. (Abg. Meinl-Rei­singer: Es ist uns egal, ob Sie rauchen oder nicht!) Weil Sie es angesprochen haben, glaube ich, ist es doch wichtig festzuhalten: Es geht natürlich um die freie Wahlent­scheidung mündiger Bürger, die das für sich selbst entscheiden sollen. Ob das ein Spitzensportler ist oder ein Breitensportler ist: Ob jemand raucht oder nicht raucht, ist ausschließlich private Angelegenheit der jeweiligen Person.

Lieber Hermann, du hast heute gesagt, da ist viel zu tun. Da hast du vollkommen recht, das aber ausgehend von der Ausgangsposition, die ich als Sportminister übernommen habe. Wir hatten doch die letzten zwölf Jahre vor meiner Amtszeit Sportminister, die etwas hinterlassen haben. Das, was sie hinterlassen haben, ist ja messbar, genauso wie messbar sein wird, was wir in den nächsten Jahren, in dieser Legislaturperiode im Bereich des Sports weiterbringen werden; das ist ja alles messbar. Messbar ist, dass in den letzten zwölf Jahren viele Minister den Sport leider als lästiges Beiwagerl mitge­nommen haben und den Sport nicht wirklich als einen wesentlichen gesellschafts­politischen Wert erkannt und erfasst haben.

Leider ist in den letzten Jahren vieles in die falsche Richtung gelaufen. Wenn wir von einer täglichen Sport- und Bewegungseinheit sprechen, ist messbar, dass im Bereich des Kindergartens und der Volksschule heute nur 40 Prozent aller Kindergärten und Volksschulen eine durch das Sportministerium finanzierte – und über die Dachverbän­de, die die Ausführung sicherstellen, zum Glück auch ermöglichte – tägliche Bewe­gungseinheit haben.

Das heißt, ich habe von meinen Vorgängern eine nur 40-prozentige Abdeckung der täglichen Sport- und Bewegungseinheit in Kindergärten und Volksschulen übernom­men. Mein Anspruch ist es, diesen skandalösen, fatalen und negativen Zustand in die­ser Periode – bis zum Jahr 2022 – von 40 Prozent Abdeckung auf 100 Prozent Abde­ckung aller Kindergärten und Volksschulen zu verbessern. Daran werden wir dann zu messen sein, das ist vollkommen richtig. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Von dieser realen Grundlage sollten wir auch fair ausgehen und dann auch die Mes­sungen dessen anstreben, was in dieser Periode ganz konkret passiert ist und was weitergegangen ist.

Und ja, wir haben zwei Initiativen, nämlich „Kinder gesund bewegen“ und die „Tägliche Bewegungs- und Sporteinheit“, und wir führen diese beiden jetzt zu einer Gesamtinitia­tive zusammen. Das Ziel ist natürlich eine Neukonzeption, mit der wir mit diesem Schuljahr begonnen haben, nämlich die Initiative „Tägliche Bewegungs- und Sportein­heit“ auf den Bereich der Primarstufe konzentriert sicherzustellen und mit den derzeiti­gen finanziellen Bedeckungsmöglichkeiten dieses Projekt zu ermöglichen. Supplierun­gen sind ab dem Schuljahr 2018/2019 schulseitig zu leisten. Das gehen wir an!

Für das Schuljahr 2018/2019 besteht Wahlfreiheit zwischen den beiden Initiativen, da­her kann in Abstimmung mit dem betreuenden Landesverband zwischen der Umset­zung von „Kinder gesund bewegen“ und der Umsetzung von „Tägliche Bewegungs- und Sporteinheit“ unabhängig von Region und der Entscheidung umliegender Schulen gewählt werden. Das ist einmal der erste richtige Ansatz. So wird sichergestellt, dass zumindest in der Primarstufe über Initiative des Sportministers durchgängig eine quali­tativ hochwertige Bewegungseinheit angeboten und von den Schulen beziehungsweise Betreuungseinrichtungen genutzt wird.

Mit der Mehrinvestition, die wir vornehmen, haben wir den Zielanspruch, von heute 40 Prozent bis 2022 auf 100 Prozent Abdeckung zu kommen. Das ist eine Riesenleis­tung, weil es sogar mehr als eine Verdoppelung der Ausgangsposition wäre; nur um das noch einmal festzuhalten. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)


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Eine Ausrollung der täglichen Bewegungs- und Sporteinheit auf den kompletten Pflicht­schulbereich ist dann natürlich das weitere Ziel. Wenn man so will, ist das – bei dem Ausgangszustand, den ich vorgefunden habe – das Meisterstück, die Kür, das Sahne­häubchen. Auch dort werde ich nicht nachlassen. Und ja, es ist unser Anspruch, und da sind wir in Verhandlungen mit dem Bildungsministerium und mit dem Gesundheits­ministerium, ab dem Jahr 2020 auch die Ausweitung von der Primarstufe auf die Pflichtschulen beginnen zu können; natürlich von der realpolitischen Ausgangsposition ausgehend, dass dort heute nichts vorhanden ist und wir in Zukunft nicht gleich 100 Prozent abdecken werden. Um dort auf Dauer eine 100-prozentige Abdeckung si­cherstellen zu können, benötigt das Sportministerium pro Jahr ein Plus, ein zusätz­liches Budget von 55 Millionen Euro. Jeder, der das Sportbudget kennt, weiß, dass das natürlich eine unglaubliche zusätzliche Summe ist, und daher wird das nur als Quer­schnittsmaterie nach Verhandlungen mit dem Bildungsministerium, mit dem Gesund­heitsministerium und natürlich auch im Zusammenhang mit einer großen Steuerreform möglich werden. Ich habe den Anspruch, die negativen Entwicklungen der letzten 20 Jahre in diesem Bereich nachhaltig zu korrigieren.

Jeder Euro, den wir bei den Kindern von klein auf – vom Kindergarten bis zum Ende des Pflichtschulsystems – einsetzen, spart uns auf Dauer 5 Euro im Gesundheitssys­tem.

Da bin ich genau bei dir, da hast du vollkommen recht: Jede zusätzliche Investition er­spart uns und unserer Gesellschaft auf Dauer Geld, und deshalb ist sie so notwendig und so wichtig, und deshalb kämpfe ich wie ein Löwe dafür, dass wir da endlich auch nachhaltig etwas weiterbringen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Auch die Einbindung österreichischer Athletinnen und Athleten als Vorbilder an den ös­terreichischen Schulen soll im Rahmen der Initiative „Mach den ersten Schritt“ erfolgen und vertieft werden. Ich sage, das sind die Helden, das sind die Vorbilder, und wenn man diese an die Schulen bringt, dann werden die Kinder – mit großer Aufmerksam­keit – vielleicht erst recht verstärkt für Bewegung gewonnen werden können. Das alles soll in Absprache mit den Sportfachverbänden im Rahmen der neuen Initiative „Kinder gesund bewegen“ passieren.

Heute wurde als einziger Kritikpunkt die Frühtestung angesprochen. Das verstehe ich nicht ganz. Warum? – Man kann natürlich auch einen positiven Zugang dazu haben, nämlich das als eine Art sportmotorischen Pisa-Test zu sehen, mit dem wir bei Kindern in der Volksschule frühzeitig feststellen können, ob sie bereits einen Purzelbaum, ge­wisse Grundbewegungen, eine Rolle rückwärts oder was auch immer machen können oder nicht, weil es da oder dort im Schulbereich noch immer ein Versagen gibt.

Das frühzeitig erkennen zu können, da gegensteuern zu können, ist ein ganz wesent­licher Ansatz. Wenn wir frühzeitig Defizite an den Schulen erkennen und dort ausmer­zen und korrigieren können, gibt es nämlich keine Verlierer, sondern ausschließlich Sieger. Das ist der eine Ansatz neben dem anderen Ansatz. Natürlich werden auch da oder dort Talente erkannt werden, die man wiederum frühzeitig den Vereinen zugu­tekommen lassen kann, mit Vereinen in Verbindung bringen kann. Man kann mit den Eltern reden und sagen: Ihr Kind hat ein spezielles Talent. Es wäre vielleicht gut, wenn Sie Ihr Kind nach der Schule noch in einen Verein geben, damit es dort weiter Sport macht und dieses Talent gefördert wird. – Das alles macht Sinn und ist nicht etwas, das Kinder in eine missliche Lage oder missliche Situation bringt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

So gesehen wäre es wünschenswert, frühzeitig anzusetzen. Wir wissen, dass die jun­gen Männer, die heute bei der Musterung vorstellig werden, im Vergleich zu von vor 20 Jahren oftmals katastrophale Ergebnisse zeitigen. Wir müssen dort mit einer hohen


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Prozentualität feststellen, dass aufgrund der negativen Entwicklungen im Schulsys­tem – vom Kindergarten beginnend ins Pflichtschulsystem hinein – Kinder offenbar nicht mehr für Bewegung begeistert werden können. Genau das gehört frühzeitig kor­rigiert.

Herr Hoyos-Trauttmansdorff hat zu Recht gesagt, man sollte auch zwischendurch – ich sage, nach 50 Minuten Schulunterricht – Anreize setzen, 5-minütige Bewegungs- und Sportimpulse. Da hat er vollkommen recht. Es zeigen auch alle Studien international, dass Kinder, denen man den Unterricht in Mathematik, Deutsch oder im Bereich der Fremdsprachen gekürzt hat und dafür mehr Bewegung und mehr Sporteinheiten mög­lich gemacht hat, höhere Konzentrationsfähigkeit, mehr Leistungsfreude und auch bes­sere Ergebnisse beim Lernen gezeitigt haben. (Abg. Jarolim: Wer sagt das?)

Das heißt: Alle Studien zeigen uns, dass es in den letzten 20 Jahren falsch gemacht worden ist (Abg. Heinisch-Hosek: Das war Schwarz-Blau I!), und ich hoffe, dass wir mit dieser Regierung auf Basis der Studien die richtigen Anreize und Umsetzungen si­cherstellen werden. Das garantiere ich. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Leichtfried: Gibt es keine Redezeit?)

So gesehen bin ich froh, dass das Parlament so viele Initiativen einbringt, denn es stimmt natürlich, ich war 13 Jahre lang Abgeordneter und habe es als Abgeordneter 13 Jahre lang erleben müssen, dass der Sportausschuss vielleicht einmal pro Jahr getagt hat, dass es niemals Materien zu diesem Thema gegeben hat, dass der Sport immer vernachlässigt wurde, obwohl er einen solch großen gesellschaftspolitischen Stellenwert hat. So gesehen: Danke an alle Abgeordneten für diese richtigen und wich­tigen Anträge! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Wöginger: Es lebe das Parlament! Bravo! – Abg. Wittmann: Wo war der Mittelteil?)

22.01


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Wasser­mann. – Bitte.


22.01.43

Abgeordnete Sandra Wassermann (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vize­kanzler! Sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sicherstellung von ausreichend Sport und Bewegung an unseren Schulen ist uns ein ganz besonderes Anliegen. Beim Sport wird nicht nur die körperli­che und psychische Erfahrungswelt erkundet, vielmehr wird auch die emotionale Ebe­ne durch die Gemeinschaft und durch den Teamgeist gestärkt, und da denke ich ganz besonders an die Schulsportwochen, die seitens des Sportministeriums gefördert wer­den.

Unter Einbeziehung der Tourismusverbände tragen die Schulsportwochen nicht nur zur sportlichen Betätigung, sondern auch zu einer großartigen Klassengemeinschaft – erin­nern wir uns daran! – bei und beleben vor allem auch die Wirtschaft. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Für diese neue Prioritätensetzung und für diesen neuen Fokus und auch dafür, dass er Sorge tragen wird, dass sich auch Familien mit geringerem Einkommen die Schulsport­wochen werden leisten können, möchte ich mich ganz herzlich beim Sportminister be­danken.

Auf der anderen Seite denke ich aber daran, dass es viele Schülerinnen und Schüler gibt, die den Großteil ihrer Zeit im Internet verbringen – Facebook, Instagram, die vir­tuellen Spielplätze, wo man ohne körperliche Anwesenheit virtuell interagiert. Diese fehlende körperliche Präsenz verursacht im Laufe der Zeit eine gewisse Leere, und diese Leere, denke ich, wird dann versucht mit anderen Erfahrungen auszufüllen. Das kann zum Beispiel auch der Konsum von Suchtmitteln sein.


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Gerade die Anzahl der jungen Drogentoten im Bundesland Kärnten erschreckt mich ganz besonders. Was mich noch mehr erschreckt, ist, dass weder die SPÖ-Landes­politik dort noch die SPÖ-Stadtpolitik etwas im Präventionsbereich oder im Schulsport­bereich macht; das ist leider die traurige Realität. (Beifall bei der FPÖ und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

Genau da setzt die österreichische Bundesregierung an. Als Mitglied des Sportaus­schusses sehe ich meine Aufgabe auch darin, Jugendlichen Wege aufzuzeigen, wie man sich wieder vermehrt körperlich spüren kann, ohne die schmerzhaften Erfahrun­gen mit Essstörungen, mit Drogenmissbrauch und Alkohol und mit anderen exzessiven Experimenten machen zu müssen.

Es freut mich ganz besonders, dass wir ein Suchtpräventionsprojekt im Bereich Schul­sport ins Leben gerufen haben und es gemeinsam mit Lehrern, Direktoren und auch einem Fitnessstudio als Kooperationspartner in den letzten Tagen schon 26 Schülerin­nen und Schülern ermöglicht haben, am Sport-statt-Drogen-Projekt teilzunehmen. (Bei­fall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Der Bund wirkt da also maßgeblich mit und bringt auch die Wichtigkeit der Schaffung von Sportinfrastruktur zum Ausdruck.

Zum Abschluss möchte ich mich bei den Mitarbeitern des Ministeriums, aber auch beim Bundesminister, der den Bau des Bundesleistungszentrums für Eishockey in Kärnten – auch für den Sportnachwuchs und die Jugend – im vergangenen Jahr erfolg­reich umgesetzt hat, bedanken. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

22.05

22.05.11


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? (Abg. Wöginger: Nein, nicht mehr!) – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 412 der Beilagen ange­schlossene Entschließung betreffend „Sicherstellung von ausreichend Sport und Be­wegung an unseren Schulen“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen. (E 44)

22.05.4319. Punkt

Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über die Regie­rungsvorlage (372 d.B.): Bundesgesetz über die Entwicklung und Weiterentwick­lung des Wirtschaftsstandortes Österreich (Standort-Entwicklungsgesetz – StEntG) (469 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zu Tagesordnungspunkt 19.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ecker. – Bitte.


22.06.03

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Geschätzte Kol­leginnen und Kollegen! Eine Regierung hat grundsätzlich die Aufgabe, durch gezielte Maßnahmen den Wirtschaftsstandort Österreich zu stärken und die heimischen Unternehmerinnen und Unternehmer in ihrer Erwerbstätigkeit zu unterstützen. (Ruf bei der ÖVP: Machen wir eh!)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 247

Das Standort-Entwicklungsgesetz, das hier beraten wird, ist jedoch eine Flucht vor die­ser Kompetenz; genau genommen ist es eine Flucht vor der politischen Verantwortung. Es wird ein Beirat installiert, der letztendlich ein Projekt absegnet, und zwar fern von jeglicher Transparenz.

Nach dem ersten Entwurf dieses Gesetzes, der als eklatant rechtswidrig eingestuft wurde und dann auch zurückgenommen wurde, haben wir jetzt den zweiten Entwurf vorliegen. Der nun vorliegende Entwurf schafft höchst bedenkliche Parallelstrukturen und hat vor allem ein Ziel, nämlich Umweltgesetze auszuhebeln. Unter dem Deckman­tel der Standortrelevanz sollen Umweltgesetze übergangen und die Rechte von An­rainern und Anrainerinnen, von Umweltorganisationen und Bundesländern gravierend eingeschränkt werden. (Abg. Haubner: Das glaube ich nicht!)

Eines ist schon bezeichnend: Sämtliche NGOs haben sich massiv negativ zu diesem Gesetz geäußert, und unsere Umweltministerin fand es nicht der Mühe wert, ein Wort, einen Satz oder eine Stellungnahme dazu abzugeben. Das ist sehr bezeichnend und schade für Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)

Hinzu kommt auch noch, dass dieser Entwurf vermutlich rechtswidrige Normen enthält, was ihn verfassungs- und EU-rechtlich anfechtbar macht. Wir als SPÖ sind aus all die­sen Gründen gegen diesen Entwurf und lehnen ihn auch strikt ab. Wir sind aber mit unserer ablehnenden Haltung hier nicht alleine; es wurden viele Stellungnahmen ein­gebracht, die sich massiv dagegen aussprechen. Der Bundesverwaltungsgerichtshof sieht das Hauptproblem beispielsweise in der mangelnden Verfügbarkeit geeigneter Sachverständiger. Der Rechnungshof kritisiert diesen Gesetzentwurf, da es einen enormen Verwaltungsaufwand geben wird. Der Dachverband der Verwaltungsrichter kritisiert ebenfalls einen enormen Personalaufwand, sogar die Land- und Forstbetriebe Österreich – die mit Sicherheit nicht der Sozialdemokratie nahestehen – haben gravie­rende Bedenken bezüglich des Verwaltungsaufwandes.

Frau Ministerin, Sie sprechen ständig von strafferen Strukturen, aber blähen mit die­sem Gesetz die Struktur künstlich auf.

Genehmigungsverfahren für Großprojekte zu beschleunigen, zu vereinfachen ist auch in unserem Sinne, sehr begrüßenswert und auch dringend notwendig, aber es darf nie darauf hinauslaufen, dass Rechte anderer beschnitten werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Eines möchte ich noch anmerken: Es ist schon der Gipfel, dass wir heute vor der wich­tigen Beschlussfassung von den Regierungsparteien sehr kurzfristig einen Abände­rungsantrag vorgelegt bekommen (Abg. Klaus Uwe Feichtinger: Das hat System!), in dem sie den Landeswirtschaftskammern durch einen Standortanwalt Parteienstatus in allen Genehmigungsverfahren nach dem UVP-Gesetz verschaffen. Ich glaube nicht, dass das mit allen Bundesländern akkordiert wurde. Das ist angeblich der neue Stil, den ich sehr kritisiere, denn der neue Stil ist, sich von der Wirtschaftskammer Gesetze schreiben zu lassen, die ohne Begutachtung durchzupeitschen und dann drüberzu­fahren.

Frau Ministerin, schränken Sie diesen neuen Stil ein! Schauen Sie, dass hier ein an­derer Wind in dieses Hohe Haus kommt, sorgen Sie für Transparenz! Ich denke, dieser Stil schadet einfach Österreich und den Menschen in diesem Land. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

22.10


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Otten­schläger. Ich erteile ihm dieses. (Abg. Haubner: Jetzt kommt ein Mann, der sich aus­kennt!)



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22.10.16

Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministe­rin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kol­legin Ecker! Es werden keine Parteienrechte beschnitten, und ich möchte in diesem Zusammenhang - - (Ruf bei der SPÖ: ..., wer das so sieht, Herr Kollege!) – Das ist so, weil lediglich das Verfahren beschleunigt wird, und das wissen Sie auch ganz genau. (Abg. Stöger: Das wissen wir nicht!)

Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Zu Beginn meiner Ausführungen möchte ich Ih­nen ganz bewusst meinen Respekt und meinen Dank für Ihren politischen Mut ausdrü­cken, mit der Vorlage dieses Gesetzes neue Wege für die Standortpolitik in Österreich zu beschreiten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Unsere Leitlinie für nachhaltige Standortpolitik ist, Ökonomie und Ökologie im Einklang weiterzuentwickeln. Dieses vorliegende sogenannte Standort-Entwicklungsgesetz bein­haltet genau diese Leitlinien. So können standortrelevante Vorhaben mit besonderem öffentlichen Interesse der Republik Österreich künftig mit folgenden Kriterien definiert werden: zum Beispiel volkswirtschaftliche Aspekte wie die Sicherung und die Schaf­fung von Arbeitsplätzen, maßgebliche Investitionsvolumen, relevante Tätigkeiten im Bereich der Forschung und Entwicklung, wesentliche Beiträge zur Steigerung der Netz-, Leitungs- und Versorgungssicherheit oder zum Ausbau der Verkehrsinfrastruktur wie zum Beispiel dem Bahnausbau, wesentliche Beiträge zur Mobilitäts- und Energiewen­de, wesentliche Beiträge zu einem wettbewerbsfähigen und nachhaltigen Wirtschafts­standort.

Was soll dieses Gesetz nun bewirken? Große, wichtige Infrastrukturprojekte, Umwelt­projekte oder auch private Vorhaben, die ein öffentliches Interesse nachweisen kön­nen, sollen die Möglichkeit eines schnelleren Verfahrens haben, um rascher zu einer Entscheidung – ob nun positiv oder negativ – zu kommen.

Wir haben zahlreiche UVP-Verfahren auf Bundes- und Landesebene mit überlangen Verfahrensdauern. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Ich nenne ein paar Beispiele: dritte Piste am Flughafen Wien, Semmeringbasistunnel, 380-kV-Leitung, Westring Linz, Lo­bautunnel. Diese Liste könnten wir weiterführen. Lange Verfahren sind für den Standort und die Betroffenen ein großes Hemmnis, meine Damen und Herren, aber nicht nur für den Standort, sondern auch für die Erreichung der Ziele unserer Klima- und Energie­strategie. In Niederösterreich beispielsweise werden die meisten UVP-Verfahren durch Windparks ausgelöst. Mit diesem Standort-Entwicklungsgesetz schaffen wir, auch gemäß dem Regierungsprogramm, verfahrensbeschleunigende Maßnahmen (Zwi­schenruf des Abg. Plessl), ohne in die Parteienstellung oder den Instanzenzug einzu­greifen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, ich wiederhole es, und es ist wichtig, es noch einmal zu sa­gen: Dies wird ein wesentlicher Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit und die nachhalti­ge Entwicklung unseres Standortes sein. Es geht uns darum, Ökonomie und Ökologie im Einklang weiterzuentwickeln. – Vielen Dank. (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP so­wie Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.)

22.13


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ross­mann. – Bitte.


22.13.49

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (JETZT): Herr Präsident! Frau Ministerin! Ho­hes Haus! Na ja, diesen Einklang zwischen Ökonomie und Ökologie vermag ich nicht zu erkennen (Abg. Haubner: Na ja, macht nix!), und der Standort ist ja nicht wirklich das oberste wirtschaftspolitische Ziel, auch die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit ist


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nicht das oberste wirtschaftspolitische Ziel, da gehört ein bisschen mehr dazu. (Abg. Winzig: Arbeitsplätze vielleicht?) Ganz abgesehen davon ist es immer notwendig, darauf hinzuweisen, dass der Standort Österreich in wirklich sehr, sehr gutem Zustand ist. Krankjammern, wie das immer von der Wirtschaftsseite, namentlich von der WKO, kommt, ist nicht angebracht. (Abg. Winzig: Es wird nicht krankgejammert, das ist eine realistische Einschätzung!)

So, zum Gesetz selber: Der Beamtenentwurf ist ja von allen Verfassungsjuristen in der Luft zerfetzt worden (Ruf bei der SPÖ: Zu Recht!); die haben gesagt, das ist ein Mist. Jetzt ist der Entwurf zwar verbessert worden, aber von der Intention ist immer noch das übrig geblieben, was es sein sollte. Es geht eben nicht um den Einklang zwischen Ökonomie und Ökologie, sondern es geht in diesem Gesetz ganz eindeutig darum, Wirtschaftsinteressen vor Umweltinteressen zu stellen.

Herausgegriffen werden – und das ist das Ziel – einige Projekte, die einer Sonderbe­handlung unterworfen werden sollen. Es handelt sich dabei um Projekte im öffentlichen Interesse. Das Ziel ist, die Verfahren zu beschleunigen. Meine Kritik daran, die ich im Ausschuss geübt habe, die ich zuvor geübt habe und die sich auch nicht geändert hat:

Erstens: Wer wählt diese Projekte im öffentlichen Interesse aus? Da wird ein Beirat installiert, der wird von den Ministerien beschickt, und die geben eine Empfehlung ab. Wer entscheidet dann? Sie, Frau Ministerin, im Einvernehmen mit dem Infrastruktur­minister. (Abg. Winzig: § 2!) – Na ja, ich sage jetzt einmal, es wird in diesem Beirat ei­ne Empfehlung auf Basis von Kriterien abgegeben, die sehr grob, die zu breit, die nicht abschließend sind. Jetzt frage ich mich: Was soll da herauskommen?

Ansonsten kommt von Regierungsseite immer der Punkt: Ja, wir müssen bei uns sel­ber sparen, in der Verwaltung! (Zwischenruf bei der SPÖ), aber für die Einrichtung des Beirats und für den Vorrang von Wirtschaftsinteressen, na da ist uns natürlich nichts zu teuer, da brauchen wir nicht zu sparen; wenn es um Wirtschaftsinteressen geht, dann ist alles recht und gut. (Abg. Winzig: Das ist ein ehrenamtlicher Beirat!)

Zweiter Kritikpunkt: Die Weiterreichung in die nächste Instanz garantiert keine Be­schleunigung; das bescheinigen uns alle Umweltorganisationen. Glauben Sie mir, Frau Ministerin, die haben sehr viel und reichhaltige Erfahrung damit.

Was mich an dieser Regierungsvorlage besonders stört, ist, dass auch Projekte aus laufenden Verfahren unter dieses neue Gesetz fallen, sofern sie von den Höchstge­richten an die Behörden oder an die Bezirksverwaltungsgerichte zurückverwiesen wer­den. Das heißt, das ist nichts anderes als eine Lex dritte Piste, als eine Lex Lobautun­nel. – Und das lehne ich strikt ab! (Abg. Hammer: Macht aber nichts! – Abg. Höbart: Das ist uns ziemlich egal!)

Wenn man UVP-Verfahren tatsächlich beschleunigen wollte, dann könnte man ja die Vorschläge aus dem Begutachtungsverfahren aufgreifen – da ist ja eine Reihe von gu­ten Vorschlägen gekommen –: mehr Augenmerk auf die Entlastung der Einzelprojekt­ebene legen, Amtssachverständige aufstocken, Projektwerber stärker in die Pflicht nehmen, dass sie vollständige Unterlagen abliefern und, und, und. Das wäre meines Erachtens relevant, das würde eine Beschleunigung der UVP-Verfahren bringen, und um die geht es ja. Alles andere kann man sich sparen. (Beifall bei JETZT.)

So, wie diese Regierungsvorlage hier vorliegt, führt die Sonderbehandlung mit der Ein­richtung des Beirats auf Basis unfertiger, breiter, grober Kriterien nur dazu, dass das eine Einladung zu Willkür und Korruption ist. Ich lehne dieses Gesetz entschieden ab! – Danke sehr. (Beifall bei JETZT.)

22.18


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Klin­ger. – Bitte. (Ruf bei der ÖVP: Deutlich reden, Herr Kollege!)



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22.18.30

Abgeordneter Ing. Wolfgang Klinger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Minister! Wenn ich vielleicht gleich zuerst zu Kollegen Rossmann kom­men darf: Ich verstehe es nicht, wenn auf der einen Seite der Standortbeirat als teuer kritisiert wird und gleichzeitig mehr Amtssachverständige eingefordert werden. Da fra­ge ich mich: Wo ist da die Kostenrelevanz in der gesamten Geschichte?

Ich kann Ihnen dazu eines sagen: Wir wissen ganz genau, dass wir im elektrischen Bereich massivste Probleme haben. (Abg. Meinl-Reisinger: Na ja! – Zwischenrufe der Abgeordneten Noll und Rossmann.) Blackouts sind jederzeit möglich, und gerade die 380-kV-Leitung von Oberösterreich über Salzburg nach Kärnten wird eine ganz ent­scheidende Sache dafür sein, ob wir in Zukunft Elektromobilität et cetera einführen werden können oder nicht. Ich spreche da von jährlichen Kosten von 13 Millionen Euro bei der Verzögerung dieses Projekts – 13 Millionen Euro! Stellen Sie sich dagegen die 500 000 Euro vor, die der Standortbeirat jährlich kostet.

Das ist aber noch der geringere Teil. Der viel größere Teil sind die Redispatch-Kosten, die wir bereits haben. Die haben 2014 4 Millionen betragen und mittlerweile, 2017, be­tragen sie 100 Millionen pro Jahr. Was ist das für eine Dimension? Kann man da nicht dividieren? Kann man da nicht rechnen? (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Dieses Standort-Entwicklungsgesetz ist ein weiteres Zeichen dafür, dass diese Regie­rung hervorragend arbeitet, dass in dieser Regierung etwas weitergeht. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ sowie des Abg. Rossmann.)

Das heißt, wir müssen zum Standort-Entwicklungsgesetz ganz klare Strukturen schaf­fen. Diese Strukturen werden mit einem Stufenplan ganz klar festgelegt. Stufe eins: Wer kann eigentlich eine Anregung auf eine Erteilung eines standortrelevanten Vorha­bens stellen? Das ist in erster Linie nicht nur der Bund, das ist in erster Linie der Pro­jektwerber separat. Dieser Projektwerber – das haben wir schon gehört – hat verschie­dene Kriterien und Eckpunkte zu erfüllen und diese auch zu begründen.

Dann kommt es zur zweiten Stufe. In dieser zweiten Stufe wird das Ganze an das Bundesministerium für Digitalität und Wirtschaft weitergeleitet. Dort gibt es nun eine Vierwochenfrist – nur vier Wochen! – zur Entscheidung, ob es eine Beurteilungsbefür­wortung gibt oder eine Ablehnung – ganz straff geführt.

Dann kommt es zur Stufe drei, das ist der Standortentwicklungsbeirat: Dieser Stand­ortentwicklungsbeirat gibt dann entsprechend seiner Erkenntnis eine Beurteilung zu ei­ner Empfehlung oder eine Beurteilung zu einer Ablehnung ab. Nachdem Sie Kritik an diesem Standortentwicklungsbeirat geübt haben, sage ich Ihnen Folgendes: Es ist ein ganz, ganz wesentlicher Schritt, damit wir dieses Verfahren klar und vor allem partei­politisch neutral abhandeln können. Jetzt können Sie sagen: Wir von der Opposition sind da zu wenig eingebunden. Nein! Hier geht es tatsächlich um österreichische In­teressen, die in diesem Standortentwicklungsbeirat bestens aufgehoben sind.

Die Entscheidung hat dann im Bundesministerium für Digitalität und Wirtschaft (Ruf bei der SPÖ: Digitalisierung!) gemeinsam mit dem Bundesministerium für Verkehr, Innova­tion und Technologie zu erfolgen.

Dieser gesamte Ablauf darf nur sechs Monate dauern. Ab diesem Zeitpunkt kommt dann die Standortentwicklungsverordnung zum Einsatz. Dieses gesamte Verordnungs­konvolut darf nicht mehr als weitere zwölf Monate in Anspruch nehmen.

Was mir aber in der Sache noch ganz wesentlich ist, ist, dass eine Konzentration der Vorhaben bei entsprechenden für die Republik wichtigen Vorhaben unbedingt auch für die Zukunft gelten muss. Das heißt im Klartext, es können sich nicht bei bundesre­levanten großen Projekten wie Autobahnbauten, Bau von Hochleistungsstrecken et ce-


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tera alle Länder immer wieder hineinreklamieren. Da muss man versuchen, eine Voll­konzentration zu erreichen.

In diesem Sinne, glaube ich, kann ich festhalten, dass diese Regierung auch da wieder Meilensteine für eine positive zukünftige Entwicklung für den Wirtschaftsstandort Öster­reich legt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Jarolim: Die Rede war sehr seltsam! – Abg. Haubner: Er kennt sich halt aus!)

22.23


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Einwallner. – Bitte.


22.23.39

Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Standort stärken? – Ja, meine Damen und Herren! Effiziente Verfahren, die rechtssi­cher sind? – Dazu auch ein klares Ja von unserer Seite. Genau das wird Ihnen aber mit diesem Gesetz und mit dieser Vorlage eben nicht gelingen, Frau Ministerin. (Beifall bei SPÖ und JETZT sowie des Abg. Scherak.)

Das Standort-Entwicklungsgesetz ist eines jener Gesetze, bei dem es richtig lohnt, sich die Entstehungsgeschichte anzuschauen. Wirtschaftskammer und Industriellenvereini­gung schreiben eine Punktation und übermitteln sie. Sie bestellen ein Gesetz. Anfang Juli bringt die Wirtschaftsministerin ein Gesetz auf Schiene, das ja von allen Experten zerrissen wurde. – Der erste Entwurf wurde in der Luft zerrissen! (Abg. Winzig: Von den NGOs!) – Nein, nicht nur von den NGOs, Frau Kollegin Winzig, auch von nam­haften Expertinnen und Experten. (Abg. Höbart: Die AK, was?) Handwerklich schlecht gemacht war noch das Charmanteste, was ich in den Stellungnahmen zu diesem Ent­wurf gefunden habe. (Beifall bei SPÖ und JETZT sowie des Abg. Scherak.)

Der Verfassungsrechtler Heinz Mayer brachte es auf den Punkt, indem er gesagt hat, dieses Gesetz ist so rechtsfern geschrieben, dass man es wahrscheinlich ganz neu schreiben muss. Eine Reparatur kann gar nicht gelingen. – Er sollte recht behalten. Im Sommer kam offenbar die Erkenntnis im Ministerium und man hat noch zwei weitere Experten engagiert, um nachzubessern.

Was Sie allerdings nicht mehr wollten, war eine weitere Begutachtung. Da bedanke ich mich speziell bei meiner Kollegin Conny Ecker, die hartnäckig war und diese Aus­schussbegutachtung gefordert hat. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Höbart: Braaavo!) Diese Ausschussbegutachtung hat wiederholt gezeigt, wo die Mängel in diesem Ge­setz liegen. (Abg. Höbart: Braaavo!) Der Rechnungshof kritisiert es. Der Dachverband der Verwaltungsrichter kritisiert es. (Abg. Hauser: Der Dachverband der Sozialdemo­kraten!) Das Bundesverwaltungsgericht kritisiert es. Meine Damen und Herren, dieses Gesetz wird es nicht schaffen, die Probleme, die wir haben, zu lösen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich komme nun zu den konkreten Punkten: Für diesen Standortentwicklungsbeirat be­stellen Sie sechs ehrenamtliche Mitglieder, die künftig in ganz Österreich die Experten für alles sein werden. Vom Bodensee bis zum Neusiedler See kennen sie sich in jeder Region, in jeder Thematik aus und entscheiden dann, was standortrelevant ist und was nicht standortrelevant ist. Wenn Ihnen das nicht entspricht, dann entscheiden Sie mit dem Infrastrukturminister, overrulen Sie diese von Ihnen selbst ausgewählten Expertin­nen und Experten! Das kann doch nicht die Qualität sein, die wir in einer so wichtigen Thematik haben wollen. (Beifall bei der SPÖ.)

Und wo ist die Nachhaltigkeitsministerin? – Nirgends, nirgends, die Umweltministerin ist gar nirgends. (Abg. Höbart: Stimmt doch gar nicht! Im Beirat sind auch Vertreter des Nachhaltigkeitsministeriums!) Das Einzige, was die Nachhaltigkeitsministerin macht:


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Sie kümmert sich nachhaltig nicht um die Umweltpolitik in diesem Land. (Beifall bei SPÖ und JETZT.)

Der Standortentwicklungsbeirat bekommt ja noch eine Geschäftsstelle dazu. Dem gibt man eine Geschäftsstelle, die kostet eine halbe Million Euro im Jahr. Da sitzen vier Leute drinnen – drei Akademiker, eine Assistenzkraft. Frau Ministerin, ich weiß ja nicht, ob Sie schon ein SMS von Herrn Strache bekommen haben, dass er noch einen vier­ten Akademiker will, weil er irgendjemanden in der FPÖ versorgen muss. Wahrschein­lich kriegen Sie es noch, wenn Sie es noch nicht erhalten haben. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Deimek.) Das ist zwar nicht so lukrativ wie ein Job in der Nationalbank, aber wir kennen ja inzwischen die Vorgangsweise der FPÖ in diesem Haus. (Abg. Haubner: Das sagt die SPÖ!)

Zum Schluss komme ich noch zu diesem Abänderungsantrag. Es ist wieder einmal so: Sie missachten das Parlament, meine Damen und Herren. Wenige Stunden vor Be­schlussfassung legen Sie wieder einen Abänderungsantrag auf den Tisch: Jetzt soll ein Standortanwalt eingesetzt werden – bei den Landeskammern der Wirtschaftskammer. Die sind plötzlich Partei. Das ist ja eigentlich nicht zum Aushalten, was Sie da schon wieder praktizieren. (Beifall bei SPÖ und JETZT.)

Dieses Standort-Entwicklungsgesetz geht von vorne bis hinten am Ziel vorbei. Es wird die Verfahren nicht besser machen, es wird sie rechtsunsicherer machen und sie wer­den dadurch auch nicht schneller werden. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und JETZT.)

22.28


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schellhorn. – Bitte.


22.28.47

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Frau Minister! Man muss meinem Vorredner Einwallner wirklich in einer gewissen Art und Weise recht geben: Der Erstentwurf war von schlichtem Geblüt, intelligenzbefreit und einfach ein Lacher für alle. Das wissen Sie. (Beifall bei den NEOS.) Ich verstehe, dass das peinlich ist. Ich verstehe auch, dass man da einen Fehler macht, das passiert uns al­len, aber das war wirklich so eine Ho-ruck-Aktion, dass sich schon alle ins Fäustchen lachen. Das kommt beim Abänderungsantrag noch einmal. Wenn man jetzt nur ein bissl die sozialen Medien anschaut, dann sieht man, dass sich schon alle – von Si­ckinger abwärts – ins Fäustchen lachen angesichts dessen, was mit diesem Abände­rungsantrag passieren wird.

Die Tendenz war immer so – und das merke ich auch in dieser Diskussion –, dass ei­nes sozusagen ganz oben stehen soll, dass das Narrativ sein sollte: Umwelt versus Geschäftsidee. – Das sollte nicht sein. Wenn man sich um einen nachhaltigen Standort kümmert, sich auch dementsprechend um Nachhaltigkeit kümmert, dann müssen uns auch die großen Herausforderungen des Klimawandels bewusst sein, und da brauchen wir auch eine dementsprechend nachhaltige Politik.

Aus diesen Gründen ist es auch besonders wichtig, zu betonen, dass die SPÖ auf die 380-kV-Leitung hingetreten hat. Erwähnen darf man, dass das Land Salzburg, also die SPÖ Salzburg, sehr für die 380-kV-Leitung war. Sie hat aber schon zutage gebracht, dass diese Verfahrenshinausschiebung, diese über 731 Seiten Bescheid mit 425 Aufla­gen – und immerhin wollte die Austrian Power Grid schon vor 2017 beginnen –, auch eine enorme Verschiebung bedeutet. Wenn es um nachhaltige Klimapolitik geht, habe ich auch das Bekenntnis, dass wir eine Ringschließung brauchen und sie dringend not­wendig ist.

Kollege Ottenschläger hat erwähnt, was mit den Windparks in Niederösterreich ist. Ja, dazu stehen wir. Ja, wir haben auch die rechtlichen Bedenken ausgeräumt, und wir


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haben unseren Beitrag dazu geleistet. Ich glaube, dass es ganz wichtig sein wird, dass nun auch die Nachhaltigkeit drinnen ist. Die Nachhaltigkeit ist ein wesentlicher Beitrag zur Mobilitäts- und zur Energiewende.

Ein wesentlicher Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung – in den Erläuterungen wur­de nochmals explizit auf die nachhaltige Entwicklung eingegangen – ist uns ganz wich­tig. Darum sind wir auch jetzt dafür, weil diese Nachhaltigkeit, die nachhaltige Entwick­lung, ein ganz wichtiges Element ist.

Das ist aber noch nicht alles, ich glaube, zu einer aktiven Standortpolitik, geschätzte Frau Minister, braucht es viel mehr Maßnahmen. Dazu braucht es auch Maßnahmen, mit denen Sie endlich auch andere Probleme angehen, unter denen wir schon die letzten 20 Jahre immer wieder stöhnen, unter denen ich als Unternehmer stöhne und viele Arbeitsplätze leiden. Wir brauchen eine liberale Gewerbeordnung. Wir müssen in der liberalen Gewerbeordnung auch die Vorteile der Digitalisierung einbringen. Wir brauchen dringend eine aktive Lohnnebenkostensenkung. Wir müssen die Lohnneben­kosten fällen und vor allem die Kammerbeiträge senken. (Beifall bei den NEOS.)

Das ist aktive Standortpolitik! Das gehört genauso dazu wie dieses Gesetz. Wir brau­chen keine Abschottung des Arbeitsmarkts und müssen eine aktive Bekämpfung des Fachkräftemangels angehen. Da sind die Konzepte, die Sie in der letzten Zeit auf den Tisch gebracht haben, viel zu wenig. Darüber haben wir heute auch in der Dringlichen Anfrage zur Bildung diskutiert.

Wir brauchen Innovation und Wettbewerbsfähigkeit. Das sind wichtige Elemente, um die Standortpolitik abzusichern und sie auch aktiv zu betreiben. In diesem Fall ist es ganz wichtig, zu betonen, dass die Nachhaltigkeit in diesem Gesetzentwurf enthalten ist und auch einen wesentlichen Beitrag zur Mobilitäts- und Energiewende darstellt. Ein wesentlicher Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung ist auch in diesem Gesetzentwurf verankert, darum stimmen wir diesem zu. (Beifall bei NEOS und ÖVP.)

22.33


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesminister Dr. Schramböck. – Bitte.


22.33.37

Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Lange Verfahren bremsen den Wirtschaftsstandort. Projektwerber und betroffene Anrainer brauchen Klarheit, ob Projekte realisiert werden oder nicht.

Das UVP-Verfahren zur dritten Piste des Flughafens Wien-Schwechat hat uns zum Beispiel eindrucksvoll vor Augen geführt, wie lange UVP-Verfahren in Österreich dau­ern können. Mittlerweile liegen wir bei über zehn Jahren. Wir reden hier nicht von einem Einzelfall, wie oft gesagt wird (Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger), denn zahlreiche UVP-Verfahren auf Bundes- und auf Landesebene weisen überlange Verfahrensdauern auf. Der Semmeringbasistunnel, die 380-kV-Leitung in Salzburg und der Westring in Linz sind eindrucksvolle und sehr gute Beispiele dafür. Es sind auch Beispiele von Fällen, in denen Anrainer leiden und auf eine Entlastung sowie auf Ver­sorgungssicherheit – durch Garantie von Energie und Sicherheit und durch Ausbau des Infrastrukturbereichs – hoffen. Diese langen Verfahren sind eine Bremse für den Standort, vor allem auch für private Investoren. Haben Sie sich das angeschaut? – Die privaten Investoren meiden Österreich in diesem Zusammenhang immer dann, wenn ein UVP-Verfahren durchzuführen ist.

Ziel des Standort-Entwicklungsgesetzes ist es, UVP-Verfahren zu beschleunigen, In­vestitionen zu erleichtern und damit Arbeitsplätze in Österreich zu schaffen. (Ruf: Sehr gut!)


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Es ist Aufgabe und Pflicht des Staates, wichtige Projekte für den Wirtschaftsstandort anzuschieben und die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Es geht nicht um ein automatisches Ja – das wird oftmals verwechselt –, es geht nicht darum, dass in den ersten sechs Monaten irgendeine Entscheidung des Verfahrens vorweggenommen wird. Die Antwort kann sehr wohl auch Nein heißen, und sie soll in dem einen oder anderen Fall auch Nein heißen. Immer wieder wird angeführt, dass Dokumente nicht vollständig eingebracht werden und so weiter: Dann riskiert der Projektwerber ein Nein. In keiner Firma kann man strategische Investitionen so lange diskutieren, wie wir es hier tun. Aus meiner Sicht kann sich der Staat dies auch nicht leisten. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Die Unternehmen warten nicht auf uns, und die nachfolgenden Generationen werden kein Verständnis dafür haben, wenn wir nachher sagen: Ja, wir haben halt fünf Jahre oder zehn Jahre gebraucht, um eine Entscheidung zu treffen. Ihr habt halt jetzt weniger Arbeitsplätze, ihr habt weniger Chancen am Markt, ihr seid weniger wettbewerbsfähig und auch eure Umwelt ist nicht besser geworden, weil wir nicht in der Lage waren, Projekte zu entscheiden, die im Dienste der erneuerbaren Energie und zum Beispiel auch von Schienenprojekten sind.

Was tun wir also mit diesem Gesetz? – Wir zwingen den Staat, sich an seine eigenen Vorgaben zu halten. Ich dachte immer, das wäre selbstverständlich, musste aber he­rausfinden, dass das nicht so ist. Der Staat, egal welche Gebietskörperschaft, steht nicht über dem Gesetz. Schon bisher gab es Fristen in diesen UVP-Verfahren, jedoch wurden sie einfach ignoriert und nichts ist passiert.

Die Überschreitungen blieben vollkommen ohne Konsequenzen. Während die Verfah­renszahlen nach dem UVP-Gesetz seit Jahren drastisch absinken, wird die Verfahrens­dauer immer länger. (Abg. Klaus Uwe Feichtinger: Das stimmt nicht!) Wie sollen wir das der nächsten Generation erklären? Im Jahr 2017 betrug beispielsweise die Ver­fahrensdauer von der Antragstellung bis zur Entscheidung von UVP-Verfahren, exklu­sive der vereinfachten Verfahren, im Durchschnitt 36,8 Monate. Mit dem Standort-Ent­wicklungsgesetz verlangen wir nun von den Behörden schnellere Entscheidungen und schaffen viel rascher Klarheit und auch Rechtssicherheit, und zwar für beide Seiten, für die Betroffenen auf der einen Seite und für die Projektwerber auf der anderen Seite.

Ein funktionierender Wirtschaftsstandort und Umweltschutz schließen einander dabei nicht aus. Schnellere UVP-Verfahren sind nicht nur für den Standort, sondern auch für die Erreichung der Ziele der Klima- und Energiestrategie von wesentlicher Bedeutung.

Wir haben schon gehört, in Niederösterreich sind die meisten Projekte Windparks. Es ist auch jenes Bundesland mit den meisten UVP-Verfahren. Es gibt Bundesländer, die haben nicht einmal mehr Projekte in den Bereichen, in denen es ein UVP-Verfahren braucht.

Gerade bei Vorhaben in Bezug auf die Energiewende und die Mobilitätswende ist es unsere Aufgabe und ein wesentlicher Beitrag, hier Schritte zu setzen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ein Weiteres möchte ich schon noch mitgeben: Es gibt eine reflexartige Reaktion ge­gen schnellere Verfahren, die ich überhaupt nicht nachvollziehen kann. Mit dem Stand­ort-Entwicklungsgesetz schaffen wir die Verfahrensbeschleunigung und greifen, um es noch einmal zu betonen, weder in die Parteienstellung noch in den Instanzenzug ein.

Ja, das Gesetz wurde abgeändert, und ja, es wurden Inhalte diskutiert, die eingebracht wurden. Ich dachte immer, das ist Teil der Demokratie, dass wir genau das berücksich­tigen, und das haben wir auch entsprechend gemacht. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Noll.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 255

Wir haben Experten eingebunden, und zwar Europarechtsexperten und Umweltrechts­experten, die ganz, ganz klar sagen, dass dieses Gesetz sowohl verfassungs- als auch europarechtskonform ist. Die standortrelevanten Vorhaben voranzubringen und diesen Expertenrat, das Expertengremium zu schaffen, ist das Geringste, was wir tun kön­nen – einen solchen Rat zu schaffen, der uns vorher berät, denn wir wollen beraten werden und dazu dann auf dieser Meinung und dieser Sichtweise aufbauen.

Es ist ein Gremium, das kostenfrei ist. Die Stabsstelle, die bei mir im Ministerium ein­gerichtet ist, kostet einen Bruchteil dessen, was wir als Total Cost of Ownership be­zeichnen, nämlich die Gesamtkosten, die uns und den nächsten Generationen entste­hen, wenn wir nicht entscheiden. Derzeit sind die Verfahrensfristen totes Recht. Die Behörden und in weiterer Folge auch die Verwaltungsgerichte halten sich nicht an die vorgegebenen Fristen. Wir machen jetzt aus einer Ungefährfrist eine echte Frist. Es gibt eine Fristsäumnisklage, die auch halten und die Verfahren entsprechend beschleu­nigen wird.

Aus meiner Sicht haben wir hier etwas vorgelegt und gemeinsam mit vielen, vielen Stellen und vielen Inputs etwas geschaffen, das genau dem entsprechen soll, nämlich dass wir neue Arbeitsplätze in Österreich schaffen, denn das ist unser gemeinsames größtes Ziel. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

22.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Win­zig. – Bitte.


22.41.29

Abgeordnete Dr. Angelika Winzig (ÖVP): Herr Präsident! Frau Ministra! Kolleginnen und Kollegen! Spätestens jetzt, wo die Hochkonjunktur etwas abflaut, müssen wir na­türlich die Standortpolitik noch mehr in den Mittelpunkt stellen. Aber leider – wie wir heute schon gehört haben – nimmt die Kleingeistigkeit auf der linken Hälfte schon wie­der ihren Lauf. Standortpolitik braucht aber in jeder Hinsicht einen Weitblick, denn die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit (Zwischenruf des Abg. Stöger) unseres Standorts ist im Zeitalter von Internationalisierung und Digitalisierung ein Schlüsselfaktor für Ar­beitsplätze und für unseren Wohlstand. (Beifall bei der ÖVP.)

Frau Ministra, Sie haben es angesprochen: Wichtige Infrastrukturprojekte kosten mehr und dauern länger. Das sehen wir auch heute in den „Salzburger Nachrichten“. Ich möchte mich ganz herzlich bei meinem Kollegen Mag. Andreas Ottenschläger bedan­ken, der mit Herzblut an der Standortpolitik arbeitet. – Lieber Andi, vielen Dank! (Beifall bei der ÖVP.)

Ziel dieses Gesetzes ist nicht, dass irgendetwas ausgehebelt, ein Instanzenzug oder eine Parteienstellung eingeschränkt wird, sondern ein schnelleres Verfahren und bes­sere Strukturen.

Ich habe nicht gewusst, wie der Ablauf vor der Strukturbereinigung war, nämlich dass die Sachverständigen zum Herumsitzen verdonnert sind, weil sie gar nicht wissen, wann ihr Thema drankommt. Es ist wirklich eine Schande, dass das erst jetzt behoben wird.

Der Beirat wurde schon erwähnt. Im Ausschuss wurde noch heftig über die Stellung­nahmen, vor allem die der NGOs, diskutiert. Da wäre ich ein bisschen vorsichtig, denn wir haben zum Beispiel Ceta seit 15 Monaten in der Anwendung und all die Stellung­nahmen der NGOs bezüglich der Horrorszenarien (Abg. Schieder: Ihr Koalitionspart­ner, die Freiheitlichen!), Hormonfleisch und so weiter, sind Gott sei Dank nicht einge­treten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass NGOs gutheißen, dass ein wesentlicher Bau­stein für die österreichische Energiewende und die Versorgungssicherheit, nämlich die bereits erwähnte 380-kV-Leitung in Salzburg, in Summe 56 Monate dauert.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 256

Ich kann allen Besorgnis- und Bewahrungspolitikern nur empfehlen, über den österrei­chischen Tellerrand hinauszuschauen, damit sie die Sinnhaftigkeit dieses Gesetzes vor allem für unseren Arbeits- und Wirtschaftsstandort erkennen.

Kollege Schellhorn, ich möchte noch eines anmerken. Sie haben gesagt, wir sind die Bauern- und Beamtenpartei oder (Zwischenruf bei den NEOS) -fraktion: Wir haben ei­ne Unternehmerquote von 39 Prozent hier im Haus. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich darf zum Schluss noch folgenden Antrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Peter Haubner, Ing. Wolfgang Klinger, Kolleginnen und Kollegen

Die im Titel bezeichnete Regierungsvorlage wird wie folgt geändert:

1. In § 11 Abs. 1 wird der Ausdruck „Abs. 2 bis 9“ durch den Ausdruck „Abs. 2 bis 8“ ersetzt.

2. § 11 Abs. 9 entfällt.

*****

Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

22.44

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Peter Haubner, Ing. Wolfgang Klinger

Kolleginnen und Kollegen

zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz über die Entwicklung und Wei­terentwicklung des Wirtschaftsstandortes Österreich (Standort-Entwicklungsgesetz - StEntG) (372 d.B.), in der Fassung des Ausschussberichtes (469 d.B.)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Die im Titel bezeichnete Regierungsvorlage wird wie folgt geändert:

1. In § 11 Abs. 1 wird der Ausdruck „Abs. 2 bis 9“ durch den Ausdruck „Abs. 2 bis 8“ er­setzt.

2. § 11 Abs. 9 entfällt.

Begründung

Im Hinblick auf die im Rahmen der Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 geändert wird (275 d.B.), vor­genommenen inhaltlichen Neuausrichtung hinsichtlich des § 16 Abs. 3 UVP-G 2000, kann der Ausschluss der Anwendbarkeit des § 16 Abs. 3 UVP-G 2000 in seiner alten Fassung unterbleiben. Abs. 9 kann daher entfallen.

Der Verweis auf Abs. 9 in § 11 Abs. 1 ist daher ebenfalls anzupassen.

*****



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 257

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß ein­gebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Feichtinger zu Wort gemeldet. – Bitte.


22.45.10

Abgeordneter Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Frau Bundesministerin, Sie haben in Ihrer Rede behauptet, die Verfahrens­dauer von der Antragstellung bis zum Abschluss der UVP-Verfahren betrage 36 Mo­nate.

Ich korrigiere tatsächlich und zitiere den UVP-Bericht des Bundesministeriums für Nach­haltigkeit: „Die Dauer aufgeschlüsselt nach Verfahrensart vom Antrag bis zur Entschei­dung der UVP-Behörde liegt für UVP-Verfahren im Mittel bei 16,4 Monaten.“ (Abg. Noll: Hört! Hört!) „In vereinfachten Verfahren konnte im Mittel innerhalb von 11 Mona­ten entschieden werden [...]. Die Verfahrensdauer im Jahr 2017 stellt eine Abweichung gegenüber den Jahresbetrachtungen ab 2009 dar. Grund dafür ist, dass in diesem Jah­re mehrere besonders aufwändige Verfahren abgeschlossen wurden.“ (Zwischenrufe bei der FPÖ.) „Die Dauer aufgeschlüsselt nach Verfahrensart ab Vollständigkeit der Unterlagen“ – und das ist das Problem – „bis zur Entscheidung der UVP-Behörde re­duziert die Dauer der Verfahren und liegt für UVP-Verfahren bei 10,2 Monaten und für vereinfachte Verfahren bei 5,4 Monaten [...].“

Lesen Sie die Berichte Ihrer Kollegin! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

22.46


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Höbart. – Bitte.


22.46.42

Abgeordneter Ing. Christian Höbart (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Man muss es festhalten: eine Tragikomödie zu später Stunde, Abgeordneter Feichtinger! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Klaus Uwe Feichtinger: ... eure Bundesministerien!)

Zum Standort-Entwicklungsgesetz: Ich halte fest, es ist ein guter Tag für unseren Wirt­schaftsstandort. Ich muss aber auch meine Enttäuschung über die Sozialdemokratie klipp und klar zum Besten geben. Wie perfide mittlerweile die gesamte Parteilinie der Sozialdemokratie geworden ist, zeigt allein schon die Tatsache (Abg. Klaus Uwe Feichtinger: Es ist ja schon perfid, ...!), dass Sie mit dem Wort Wirtschaft rein gar nichts mehr anfangen können. Um es auf den Punkt zu bringen: Niemand anderer als die Wirtschaft schafft Arbeitsplätze! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Jetzt gerieren Sie sich hier ständig als die Nobelritter der Arbeitnehmer. Machen wir eine ganz einfache Gleichung: keine Wirtschaft, keine Arbeitnehmer, keine Sozialde­mokratie. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das Dritte würden wir uns in diesem Land wün­schen. (Beifall bei der FPÖ.)

Es geht schlicht und einfach, das hat die Frau Wirtschaftsminister ja auch entspre­chend dargestellt, um Verfahrensbeschleunigungen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich verstehe es einfach nicht, dass man sich als Sozialdemokratie, auch wenn man wenig bis gar nichts von Wirtschaft versteht, so vehement gegen dieses Standort-Entwick­lungsgesetz (weitere Zwischenrufe bei der SPÖ) – das im Übrigen Verfassungsrechtler als maßgeblich für die gesamte Europäische Union bezeichnen, es könnte ein Durch­bruch auch für den europäischen Raum sein, um wieder an internationalem Gewicht zuzulegen – stemmt.


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Wir wissen es ja: Ihre Politik besteht rein aus den Lehren der Arbeiterkammer. Das verstehen wir ja alles, aber ein bisschen Nachhilfe zum Thema Wirtschaft könntet ihr schon nehmen. (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.) Es gibt ja doch den einen oder an­deren Wirtschaftstreibenden in euren Reihen.

Die Frau Minister hat auch die unglaublich langen Verfahrensdauern angesprochen. Zum Flughafen Wien, zu der dritten Piste: 11 Jahre lang zieht sich dieses UVP-Ver­fahren bereits. Es entstehen Millionenkosten, 30 000 Seiten an Papier wurden ge­schaffen. Oder, schon erwähnt (Abg. Neubauer: 30 Jahre Westring Linz!), der West­ring Linz: Über 30 Jahre! Die 380-kV-Stromleitung in Salzburg, die wichtig für die Stromversorgung in unserer Republik wäre: Millionenkosten! Über Jahre zieht sich dieses Verfahren bereits, und es wird sogar ein Schaden an der Umwelt angestellt, weil ja die Energie aus CO2-ausstoßenden Kraftwerken massiv hinzugezogen werden muss; das wissen wir.

Die Verfahrensdauern – im Übrigen, Herr Kollege Feichtinger – haben sich im UVP-Be­reich seit dem Jahr 2014 mehr als verdreifacht. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Genau aus diesem Grund ist es wichtig, hier endlich Deregulierung in Angriff zu nehmen, Ent­bürokratisierung voranzutreiben und Verfahren entsprechend zu beschleunigen.

Wie dieses Standort-Entwicklungsgesetz von der Architektur her aussehen soll, haben wir bereits gehört. Innerhalb von sechs Monaten sollen das Wirtschafts- und das Infra­strukturministerium mit einem Beirat eine entsprechende Entscheidung treffen. Dann wird ein Bescheid ausgestellt, danach wird dieses Projekt kundgetan. Es werden hier verfahrensbeschleunigende Maßnahmen in Gang gesetzt, und innerhalb von zwölf Mo­naten muss die Behörde entscheiden.

Sehr geehrte Damen und Herren, dieses Gesetz ist ein ganz wichtiges Instrument für eine dynamisierte Wirtschaftsstandortentwicklung – Verfahren werden beschleunigt, ich habe es schon mehrfach gesagt – und unumgänglich für den Wirtschaftsstandort Österreich. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

22.50


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Bern­hard. – Bitte.


22.50.35

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseher! Die Frage, ob tatsächlich ein solches Fast-Track-Verfahren bei einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu dem ge­wünschten Effekt führt, nämlich dass es eine deutliche Verfahrensverkürzung gibt, wer­den wir heute Abend nicht final beantworten können. Es gibt viele Kritikpunkte, und ich finde, dass es einige sehr gewichtige Kritikpunkte gibt, allen voran beispielsweise, wenn das Bundesverwaltungsgericht sagt, dass er für das neu angedachte Fast-Track-Verfahren gar nicht genug Ressourcen hat, um das entsprechend beschließen zu kön­nen.

Ich glaube auch, dass man bei der inhaltlichen Stoßrichtung des Gesetzes, wenn man sich die einzelnen Situationen anschaut, tatsächlich das Und zwischen der Umwelt und der Wirtschaft stärker gewichten muss, anstatt dem einen mehr Schwergewicht als dem anderen zu geben. Es heißt nicht umsonst Umweltverträglichkeitsprüfung und nicht Standortverträglichkeitsprüfung. Es ist ein zentrales Thema, dass wir der nächs­ten Generation unsere Umwelt und unseren Planeten so übergeben, wie wir ihn auch vorgefunden haben. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wenn man sich in Fachkreisen informiert, dann gibt es klare Messages (Abg. Neu­bauer: Botschaften heißt das!), wo wirklich angesetzt werden muss, um Verfahren


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 259

deutlich zu verkürzen. Das gilt in der jetzigen UVP und das wird auch gelten, wenn Sie beispielsweise tatsächlich durch eine Säumnisbeschwerde ein beschleunigtes Verfah­ren haben.

Deswegen bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Beglei­tende Maßnahmen zum Standortentwicklungsgesetz“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, begleitende Maßnahmen zu ergreifen, um UVP-Verfahren effektiver und effizienter zu machen. Diese Maßnahmen sollen jeden­falls folgende Punkte beinhalten:

1. Verbesserung der Ausstattung der UVP-Behörden mit mehr Ressourcen, insbeson­dere mit mehr Amtssachverständigen, um Verzögerungen bzw. ausufernde Verfah­renskosten durch Heranziehung von Privatgutachtern zu vermeiden.

2. Mehr Mittel für professionelle Verfahrensbegleitung [...] für reibungslose Prozesse mit klar definierten Möglichkeiten und Regeln für alle Beteiligten.

3. Stärkung der Ressourcen des Bundesverwaltungsgerichtes, dem durch die Rege­lung des Übergangs der Entscheidungspflicht auf das Bundesverwaltungsgericht bei Säumnisbeschwerden nach Ablauf der Entscheidungsfrist, zusätzliche bzw. inhaltlich umfangreichere Verfahren zukommen könnten.

4. Dem Umweltausschuss ist jährlich darüber zu berichten, wie sich die Dauer der UVP-Verfahren nach der Einführung des Standortentwicklungsgesetzes entwickelt hat.“

*****

Geschätzte Regierungsfraktionen, ich bitte um Ihre Zustimmung.

Wir werden Ihrem Standort-Entwicklungsgesetz jedenfalls zustimmen. Das Glas ist für uns halb voll und nicht halb leer. Wir werden das sehr kritisch beobachten, wir wollen dem Ganzen aber eine Chance geben. Unser Antrag zielt darauf ab, den Prozess, den Sie vorgelegt haben, noch weiter im Sinne des Standorts und im Sinne der Umweltver­träglichkeitsprüfung nach vorne zu bringen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Wöginger: Da werden Sie gerügt, Herr Kollege!)

22.53

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Begleitende Maßnahmen zum Standortentwicklungsgesetz

eingebracht im Zuge der Debatte in der 55. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Energie und Industrie über die Regierungsvorla­ge (372 d.B.): Bundesgesetz über die Entwicklung und Weiterentwicklung des Wirt­schaftsstandortes Österreich (Standort-Entwicklungsgesetz - StEntG) (469 d.B.) – TOP 19

Dem Standortentwicklungsgesetz geht laut Vorblatt folgende Problemanalyse voraus: "Um die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes hochzuhalten und eine nachhaltige ge-


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deihliche Entwicklung sichern zu können, werden umfassende Investitionen in den Wirtschafts-, Industrie- und Infrastrukturstandort Österreich benötigt. Von besonderer Bedeutung ist dabei, dass Investoren möglichst rasch Planungs- und Rechtssicherheit in Bezug auf die Umsetzbarkeit ihrer Vorhaben in Österreich erlangen." Somit ist das Ziel klar "Mit dem Standort-Entwicklungsgesetz soll daher festgeschrieben werden, dass einzelnen Vorhaben, die der Entwicklung bzw. der Weiterentwicklung des Wirt­schaftsstandortes Österreichs in außerordentlichem Maße dienen, das besondere In­teresse der Republik bestätigt werden kann, um daran besondere verfahrensbeschleu­nigende Maßnahmen in anderen Materiengesetzen knüpfen zu können."

Verfahrensbeschleunigende Maßnahmen sind natürlich wünschenswert. Jedoch ist es fraglich, ob die Maßnahmen des Gesetzes tatsächlich zu einer signifikanten Verkür­zung führen werden, wenn es keine begleitenden Maßnahmen gibt. Dazu gehören vor allem die nötige Ressourcenausstattung der Behörden sowie die zur Verfügung ste­henden Gutachter.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, begleitende Maßnahmen zu ergreifen, um UVP-Verfahren effektiver und effizienter zu machen. Diese Maßnahmen sollen jeden­falls folgende Punkte beinhalten:

1. Verbesserung der Ausstattung der UVP-Behörden mit mehr Ressourcen, insbeson­dere mit mehr Amtssachverständigen, um Verzögerungen bzw. ausufernde Verfah­renskosten durch Heranziehung von Privatgutachtern zu vermeiden.

2. Mehr Mittel für professionelle Verfahrensbegleitung (Kommunikation und Partizipa­tion) für reibungslose Prozesse mit klar definierten Möglichkeiten und Regeln für alle Beteiligten.

3. Stärkung der Ressourcen des Bundesverwaltungsgerichtes, dem durch die Rege­lung des Übergangs der Entscheidungspflicht auf das Bundesverwaltungsgericht bei Säumnisbeschwerden nach Ablauf der Entscheidungsfrist, zusätzliche bzw. inhaltlich umfangreichere Verfahren zukommen könnten.

4. Dem Umweltausschuss ist jährlich darüber zu berichten, wie sich die Dauer der UVP-Verfahren nach der Einführung des Standortentwicklungsgesetzes entwickelt hat."

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lettenbichler. – Bitte.


22.53.50

Abgeordneter Mag. Josef Lettenbichler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Diskussion zu diesem Tagesordnungspunkt zeigt einmal mehr, wie verzweifelt die Opposition sein muss, wenn ihr die Argumente in der Sache ausgehen. (Abg. Greiner: Es sind die richtigen Argumente!) Es wird einmal mehr verunsichert, es wird mit Halbwahrheiten oder sogar mit Unwahrheiten gearbeitet. (Zwischenruf des Abg. Scherak.)


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Das sehen wir aber nicht nur heute bei diesem Punkt, sondern das zog sich auch in den vergangenen Tagen und in den vergangenen Monaten durch. Sie müssen sehr verzweifelt sein! Das aber ist Ihr Weg, werden Sie damit glücklich!

Wir als erfolgreiche Koalition von ÖVP und FPÖ gehen hier einen anderen Weg, wir gehen den Weg mit der Bevölkerung, für die Bevölkerung. (Abg. Loacker: Ihr ÖVPler seid wirklich das Letzte!) Wir haben gemeinsam ein sehr ambitioniertes Koalitionspro­gramm erarbeitet und setzen dieses nun Punkt für Punkt um. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Meinl-Reisinger: Arrogant! – Zwischenruf des Abg. Schellhorn.)

Das tun wir auch mit diesem Standort-Entwicklungsgesetz, denn uns ist eine gedeihli­che Fortentwicklung des Standorts, des Arbeits- und Wirtschaftsstandorts wichtig. Für mich als Energiesprecher ist dieses Gesetz der Schlüssel zum Erfolg, damit wir diese Energiewende schaffen. Sie alle wissen, diese Koalition hat sich in der Klima- und Energiestrategie ein sehr, sehr ambitioniertes Ziel betreffend den Ausbau der erneuer­baren Energien gesetzt: Wir wollen im Jahr 2030 100 Prozent des Stroms aus er­neuerbaren Energiequellen gewinnen.

Das ist eine Mammutaufgabe, wir alle sind gefordert, und ich lade Sie ein, dass wir im nächsten Jahr – die Punktation ist letzte Woche im Ministerrat beschlossen worden – ein, glaube ich, überaus wichtiges Gesetz für die Zukunft unseres Landes, nämlich das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, hier möglichst mit einer breiten Mehrheit, am liebsten einstimmig, beschließen.

Dazu brauchen wir aber dieses Gesetz. Wir machen den Rahmen mit unserem EAG, doch wie wollen wir diesen Umstieg schaffen, wie wollen wir diese Energiewende schaffen, wenn wir bei den Projekten wie Windparks, wie Wasserkraft immer wieder in den Verfahren stecken bleiben? Der Staat muss da ein gutes Beispiel liefern, denn wir müssen die Regeln, die wir selber aufstellen, auch umsetzen. Wir wollen hier weg von einer Kannbestimmung hin zu einer Mussbestimmung.

Ich darf auch einmal mehr festhalten, weil hier auch schon wieder verunsichert wird: Es wird kein Umweltgrenzwert verschlechtert, es wird kein Naturschutzgebiet verkleinert, wir greifen nicht in den Instanzenweg ein, wir wollen auch keine Bürgeranliegen schmälern. Wir halten uns an die Gesetze, aber wir wollen die Energiewende umset­zen und dazu brauchen wir dieses Gesetz.

Sie treten heute bitte den Wahrheitsbeweis an, denn nur wer hier zustimmt, meint es mit der Energiewende auch ernst. Alles andere sind Sonntagsreden! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Loacker: Was ist mit dir? Das ist alles unwahr!)

Seit Jahren reden wir von Verfahrensbeschleunigungen. Jetzt haben wir einen Weg gefunden, und große Teile der Opposition gehen nicht mit. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Loacker.) – Sie schon, ist in Ordnung. (Ruf bei den NEOS: Wir stimmen eh zu! – Abg. Loacker: Was schnauzen Sie uns dauernd an?) – Ja wenn Sie sich immer angesprochen fühlen (Ruf bei der SPÖ: Wann nicht?), was kann ich dafür? Was kann ich dafür? – Bleiben Sie locker! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Schellhorn: Ihr seid ein paar falsche Fünfziger! – Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen NEOS, SPÖ und ÖVP. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Ich darf nach diesen Einwürfen wieder zur Sachlichkeit zurückkehren. Es gäbe eine ganze Liste von Energieprojekten, die ich aber jetzt nicht erwähnen will, die in der War­teschleife stehen. Ich lade Sie ein, hier mitzugehen und dann auch bei den Projekten der Energiewende.

Ich bedanke mich ausdrücklich dafür – wenn es Ihnen so wichtig ist –, dass Sie nicht nur heute hier mitgehen, sondern vielleicht dann auch bei anderen Projekten. Das soll auch klargestellt werden.


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Grundsätzlich ärgert mich nur der Stil der Opposition. – Das ist jetzt wieder pauschal, okay. Wer sich angesprochen fühlt, soll sich angesprochen fühlen. (Abg. Meinl-Reisin­ger: Legen Sie halt Ihr Mandat zurück, wenn Sie die Regierung sind!)

Abschließend noch eine Berichtigung, die auch wieder zeigt, wie man Statistiken lesen kann, wie man der Ministerin etwas unterstellt. Es ist um die 36,8 Monate gegangen. Schauen Sie bitte, Herr Kollege Feichtinger, auf Seite 32, ganz oben ist die Statistik, wo das dargestellt ist. Es ist alles im UVP-Bericht an den Nationalrat 2018 zu finden. Die 36,8 Monate, die die Frau Ministerin erwähnt hat, stimmen so. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Schellhorn: Wie geht es euch? – Abg. Wö­ginger: Was ist? Hauptsache, du bist gesund!)

Wir haben noch knapp 4 000 Tage Zeit bis zum Jahr 2030, in dem wir diese Energie­ziele erreichen wollen. Ich lade Sie ein, gehen Sie mit! – Herzlichen Dank für die Auf­merksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Rufe und Ge­genrufe zwischen SPÖ, NEOS und ÖVP.)

22.58

22.59.00


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 372 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Haubner, Ing. Klinger, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetz­entwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Haubner, Klinger, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abände­rungsantrag betreffend § 11 eingebracht.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist mehr­heitlich angenommen.

Ich komme schließlich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungs­vorlage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür die Zustimmung geben, wieder um ein Zei­chen. – Das ist die Mehrheit. Somit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich darf auch in der dritten Lesung die Damen und Herren, die für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung ersuchen. – Das ist ebenfalls die Mehrheit, daher ist der Gesetzentwurf in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Begleitende Maßnahmen zum Standortentwicklungsgesetz“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

23.00.5020. Punkt

Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über die Re­gierungsvorlage (381 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das E-Government-Gesetz,


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das IKT-Konsolidierungsgesetz, das Signatur- und Vertrauensdienstegesetz, das Unternehmensserviceportalgesetz, das Bundesgesetzblattgesetz, das Zustellge­setz, die Bundesabgabenordnung, das Bundesfinanzgerichtsgesetz, das Melde­gesetz 1991, das Passgesetz 1992 und das Personenstandsgesetz 2013 geändert werden (396 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zu Tagesordnungspunkt 20.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich darf Frau Abgeordneter Himmelbauer das Wort erteilen. – Bitte.


23.01.17

Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben jetzt die Namen sehr vieler Gesetze ge­hört, die heute geändert werden. Dahinter steht vor allem ein großartiges Digitalisie­rungsprojekt, ein Projekt, das eine Plattform namens oesterreich.gv.at und die Grund­lage dafür schafft, dass zahlreiche Behördenwege elektronisch abgebildet werden. (Prä­sidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

oesterreich.gv.at, das ab dem kommenden Jahr zur Verfügung stehen soll, ist ein Dienst der öffentlichen Hand, der für Bürgerinnen und Bürger elektronisch Behörden­wege abbilden soll, das heißt, sowohl für die Privatperson als auch für die Unterneh­merinnen und Unternehmer.

Auf einer gemeinsamen Plattform sollen bestehende Dienste, die es ja durchaus auch schon zahlreich gibt, abgebildet werden, durch einen einheitlichen Zugang erreichbar sein und neue Dienste wie beispielsweise ein gemeinsames elektronisches Postfach, um Behördenschriftstücke zu erhalten, hinzukommen. Was man persönlich im Alltag immer wieder brauchen kann, ist das Service, dass einfach unkompliziert das An- und Ummelden seines Wohnsitzes gewährleistet werden kann. Etwas Erfreuliches gerade für Eltern mit einem neugeborenen Kind ist, dass sie elektronisch anmelden können, dass es diesen neuen österreichischen Staatsbürger gibt, und elektronisch auch eine Geburtsurkunde erhalten können.

Das sind die ersten Maßnahmen, die ersten Angebote, die zusätzlich zu den beste­henden Angeboten geschaffen werden. Wie wir auch im Ausschuss gehört haben, schwirren schon zahlreiche weitere Angebote, die in Zukunft auch über die Plattform oesterreich.gv.at erreichbar sein sollen, in den Köpfen der vielen Beteiligten herum. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Was besonders erfreulich an dem gesamten Prozess bis zum heutigen Tag ist, ist, dass vor allem im Fokus steht, den Menschen, die Bürgerinnen und die Bürger, abzu­holen. Es soll nicht die öffentliche Hand sagen, wie man seinen Behördenweg zu ab­solvieren hat, sondern wir wollen die Menschen dort abholen, wo sie sind, der Lebens­realität nahekommen und einen einfachen, unkomplizierten Zugang zu den diversesten Leistungen schaffen.

Wir wissen alle, wie schwer es oft ist, wenn man im Berufsalltag ist, wenn man viel­leicht studieren geht, zur Schule geht oder wenn man einfach nicht ganz so mobil ist, die Öffnungszeiten wahrzunehmen. Somit ist ein 24-Stunden-Service, das von zu Hau­se aus einfach erreichbar ist, auch wirklich etwas, das der Lebensrealität der Men­schen nahekommt.

Das Zweite ist aber natürlich auch die Vernetzung der Behördenwege. Es soll der Mensch nicht von einer Stelle zur anderen pilgern müssen, damit ja überall auch die Daten eingemeldet werden. Das System, das dahintersteckt, soll das machen, die Be­hörden sollen sich vernetzen, die Datenbanken sollen sich vernetzen, damit man mit einer Eingabe das erledigen kann, was man möchte.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 264

Wir wissen, dass wir anhand der bestehenden Services mit den Ideen, die viele Men­schen gemeldet haben, weiterarbeiten und das Angebot natürlich insgesamt entwickeln möchten. Das heißt, wir entwickeln das Angebot, aber genauso auch die Zugänge – zum einen die Benutzerfreundlichkeit. Der Weg dorthin muss unkompliziert erfolgen. Es soll sich der Bürger, die Bürgerin zurechtfinden, ohne große Fachtermini kennen zu müssen. Es soll für den Bürger eine Zeitersparnis sein, es soll eine finanzielle Er­sparnis sein und es muss mobil sein – danke, Frau Ministerin, Sie haben auch immer wieder eingebracht, wie wichtig es ist, da auch der Lebensrealität nahezukommen. Es soll mobil gleichermaßen zugänglich sein, sodass man, wenn man unterwegs ist, wenn man beispielsweise im Zug sitzt, wenn man zwischen zwei Terminen ist, im Kaffeehaus sitzt, die Dienstleistung des Staates genauso in Anspruch nehmen kann und nicht nur zu Hause, wo man sich erst wieder am Rechner einloggen muss.

Ich glaube, mit diesem Gesetz und mit allen Begleitmaßnahmen, die für das kommen­de Jahr angesetzt sind, sind wir auf einem guten Weg, um Österreich digital voranzu­bringen und hoffentlich auch Österreich zu einem digitalen Herzen in Europa zu ma­chen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

23.06


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Konrad Antoni. – Bitte.


23.06.10

Abgeordneter Konrad Antoni (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundesmi­nisterin! Auch wir werden dem Gesetzentwurf, mit dem das E-Government-Gesetz, das IKT-Konsolidierungsgesetz und andere Gesetze geändert werden, heute die Zustim­mung geben.

Betreffend die Änderungen im E-Government-Gesetz wird die Möglichkeit geboten – wie wir es von der Kollegin gehört haben –, Amtswege digital zu erledigen. In diesem Rahmen wird auch der Anwendungsbereich der Bürgerkarte erweitert werden. Von den positiven Möglichkeiten der An- und Ummeldung im Zentralen Melderegister bis zu di­gitalen Erledigungen der Behördenwege bei der Geburt eines Kindes haben wir gehört. Ich möchte auch noch positiv hervorstreichen, dass zum Beispiel beim Ablauf der Gül­tigkeit eines Reisepasses auch eine zeitgerechte Verständigung per E-Mail erfolgen wird.

Da bin ich jetzt bei einem Punkt, den ich als ganz wichtig erachte: die digitale Erreich­barkeit. Es ist einfach Faktum, dass nicht jeder Mensch in Österreich digital erreichbar ist, nicht nur aus dem Grund, dass es ganz einfach noch weiße Flecken in der Breit­bandlandkarte gibt, sondern auch deshalb, weil nicht alle online sind. Wenn wir die de­mografische Entwicklung vor allem in den ländlichen Regionen betrachten, müssen wir feststellen, dass gerade bei den jungen Menschen Abwanderungstendenzen Richtung Großstädte, Richtung Ballungszentren zu verzeichnen sind. Für die ältere Generation ist es ganz, ganz wichtig, dass die Amtswege – so wie sie es immer gemacht hat – auch in Zukunft persönlich erledigt werden können. Daher, geschätzte Frau Bundesmi­nisterin, möchte ich schon einen Appell an Sie richten, dass für alle Menschen in Zu­kunft auch sichergestellt ist, dass für jeden sein Weg – ob das digital ist oder ob das der persönliche Weg zur Behörde ist – bestehen bleibt.

Für all jene Menschen, die im Erwerbsleben stehen, kann man, denke ich, schon sa­gen, dass das natürlich eine Erleichterung ist, alleine auch aus der Tatsache heraus, dass ja aufgrund Ihrer Arbeitszeitregelung des 12-Stunden-Arbeitstages die Menschen ohnehin kaum noch Zeit haben, eine Behörde innerhalb der Amtszeiten aufzusuchen.

Abschließend möchte ich noch zu den Kosten kommen. Es ist für mich unschlüssig, ob sich mit dieser Gesetzesänderung die Kosten verringern lassen, denn in der Wirkungs­folgenabschätzung wird beurteilt, dass es mit der Umstellung zu Mehrkosten kommt.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 265

Sie, geschätzte Frau Bundesministerin, kommen zu dem Schluss, dass es mit der Ge­setzesänderung zu Verringerungen der Kosten kommt. Es wäre jetzt, glaube ich, für alle interessant, wie diese unterschiedlichen Meinungen zustande kommen.

Grundsätzlich und abschließend darf ich sagen, dass die Grundzüge des Gesetzes zu befürworten sind, da es in der Anwendung durchaus zu Erleichterungen kommt. Es führt in der digitalen Entwicklung auch zu einer Besserstellung. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

23.09


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Höbart. – Bitte.


23.09.32

Abgeordneter Ing. Christian Höbart (FPÖ): Frau Präsidentin! Welch ein Wunder, dass die Sozialdemokratie da einmal mitgeht! Da könnte man ja fast annehmen, dass Sie etwas von Digitalisierung verstehen, wenn Sie schon nichts von Wirtschaft verste­hen; aber danke jedenfalls auch an die Sozialdemokratie, dass sie da mitgeht. (Zwi­schenruf des Abg. Plessl.) Willkommen in der Welt der Digitalisierung!

Sehr geehrte Damen und Herren! Bei diesem Legistikpaket mit verschiedenen Geset­zesadaptierungen geht es in erster Linie darum, die rechtliche Grundlage, die recht­liche Basis für den Aufbau von oesterreich.gv.at zu schaffen. Diese Plattform soll ja letztendlich eine umfassende Serviceplattform für die Bürger und die Wirtschaft wer­den, aber es geht natürlich auch um Verwaltungsreformschritte.

Wenn man Verwaltungsprozesse digitalisiert, digitalisieren kann, elektrifizieren kann – da ganz konkret auf Basis des Elak, der letztendlich breit und einheitlich zum Einsatz gebracht werden soll, was auch ein ganz wichtiger Punkt ist, damit die Ministerien nicht alle ihre eigenen Süppchen kochen –, ja, dann kann man durchaus von Verwaltungsre­formschritten sprechen.

Folgende Bürgerservices sollen – es wurde bereits erwähnt – digitalisiert werden: ei­nerseits die An- und Ummeldung unter Inanspruchnahme der Funktion Bürgerkarte. Dann soll so etwas wie ein digitaler Babypoint entstehen, nämlich eine Begleitung durch die Schwangerschaft, eine Registrierung des Neugeborenen; da sind Geburtsur­kunde, Staatsbürgerschaft und Familienbeihilfe für verheiratete Eltern anzusprechen. Zu guter Letzt ein dritter, erwähnenswerter Punkt: Auch der Ausbau der elektronischen Zustellung von Dokumenten verschiedener Behörden soll implementiert werden.

Wie gesagt, willkommen in der Welt der digitalisierten Verwaltung, in der Verwaltungs­prozesse elektrifiziert werden, die Bürgern und Unternehmen letztendlich helfen soll, Zeit und Geld zu sparen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. Abg. Wöginger: Sehr gut!)

23.11


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste hat sich Frau Bundesministerin Dr.in Schram­böck zu Wort gemeldet. – Bitte.


23.11.44

Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich möchte mich zu dieser Stunde zu diesem Thema sehr kurz halten. Ich möchte Ihnen dafür danken, dass Sie zustimmen, dass wir die Voraussetzungen schaffen, um es für die Bürgerinnen und Bürger leichter zu machen. Gleichzeitig möchte ich Ihnen aber versichern: Die Wahlfreiheit steht im­mer ganz oben. Es muss immer die Freiheit da sein, zu wählen, ob digital oder analog, und das Kundenservice steht auch im Vordergrund. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 266

Bei den Kosten sind vor allem die Gesamtkosten zu betrachten. Wir sparen da natür­lich sehr viel Zeit bei den Personen ein, die ihre Behördenwege überall dort absolvie­ren können, wo sie es brauchen.

Dabei möchte ich es auch schon belassen und Ihnen Danke sagen. Wir schaffen da eine Grundlage, für viele wird vieles sehr viel leichter werden. Herzlichen Dank. (Bei­fall bei ÖVP und FPÖ.)

23.12


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr.in Niss. – Bitte.


23.12.46

Abgeordnete Dr. Maria Theresia Niss, MBA (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Minister! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher, sofern Sie noch vor den Fernsehern sind und hier im Haus! Meine Damen und Herren, wofür machen wir das alles? – Wir machen das, weil sich unsere Bürgerinnen und Bürger eine Serviceorientierung erwar­ten, das kennen sie von der Privatwirtschaft. Ich glaube, das darf man sich auch wirk­lich erwarten.

Es soll im Mittelpunkt stehen, dass Verwaltungswege einfach und rasch abgewickelt werden können – von überall, zu jeder Zeit, vom Laptop oder von den Mobilgeräten. Es kann nicht sein, dass ich im Zeitalter der Digitalisierung 3 Stunden meines Arbeitstages verwenden muss, um den Weg zur Behörde zu machen, dort noch warten muss und vielleicht nach Hause geschickt werde, weil ich irgendein Dokument nicht im Original mithabe. – Das ist einfach nicht mehr zeitgemäß.

Wenn ich umziehe, habe ich ohnehin genug zu tun. Da ist der Weg zum Amt zwischen 8 und 12 Uhr ganz einfach eine Belastung. Meistens muss ich mir drei Tage freineh­men, muss umziehen, muss mir neue Kindergärten, Schulen für die Kinder suchen, sie dort eingewöhnen. Das Letzte, was ich da brauche, ist der Weg zur Behörde.

Gleiches gilt für den Behördenweg nach der Geburt. Ich durfte das selber dreimal er­leben. Besonders erfreulich ist es beim ersten Kind, man ist – würde ich einmal sa­gen – ohnehin mit vielem überfordert, auch da ist das Letzte, was man braucht, der Gang zur Behörde. Es ist ganz einfach bequemer, rasch und leichter, wenn ich das von zu Hause tun kann, wenn der oder die Kleine schläft.

Ab März wird es nun möglich sein, einige Behördenwege digital zu absolvieren. Frau Klubobfrau Meinl-Reisinger – sie ist leider gerade nicht da. Du hast gestern gemeint, dass dieses Regierungsprogramm rein auf Populismus aufgebaut ist. Wenn man Ser­viceorientierung und Bürgernähe als populistisch tituliert, dann habe ich da ein anderes Verständnis. Auf Seite 82 ist im Regierungsprogramm die Digitalisierung von zehn Behördenwegen als eine konkrete Maßnahme erwähnt. Im März 2019 starten wir mit den ersten dreien. Wir haben heute schon gehört, weitere sollen im Jahr 2019 auch noch folgen. Ankündigung? Populismus? – Ich sehe da ganz einfach eine Umsetzung, und dafür danke ich, Frau Minister! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Für mich werden mit diesen Maßnahmen drei grundlegende Prinzipien erfüllt, drei Prin­zipien, die eigentlich selbstverständlich sein sollten, die aber in den vergangenen Jah­ren von den Regierungen nicht immer respektiert wurden. Das ist erstens die Bürger­orientierung, das ist zweitens der Bürokratieabbau und das ist drittens die Effizienzstei­gerung.

Meine Damen und Herren, was wir da tun, ist nichts Revolutionäres, aber etwas drin­gend Notwendiges. Das ist der erste Schritt, die Verwaltung ins digitale Zeitalter zu bringen. Dafür danke ich noch einmal, Frau Minister. Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

23.15



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 267

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christoph Stark. – Bitte.


23.15.46

Abgeordneter Christoph Stark (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Liebe Kolle­ginnen und liebe Kollegen! Liebe ZuseherInnen zur späten Stunde! Die Diskussions­freudigkeit nimmt nicht ab, das ist sehr erfreulich. Ich darf mich als Letzter zum Punkt Digitalisierung an Sie wenden.

Ich persönlich bin ein Fan des digitalen Lebens und freue mich auf all das, was in diesem Bereich in den nächsten Jahren auf uns zukommt. Wie wir gehört haben, bleibt die analoge Welt ja noch erhalten. An dieser Stelle möchte ich mich einmal bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der analogen Welt bedanken, denn sie leisten einen großartigen Job. Das sage ich auch in meinem eigenen Haus, im Rathaus von Gleis­dorf, ein Beispiel für viele andere, wo die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nah am Bür­ger, an der Bürgerin sind und diese notwendigen Amtswege möglichst angenehm zu gestalten versuchen. – Vielen Dank einmal an dieser Stelle. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wir sind bis jetzt nicht schlecht unterwegs. Wir liegen im sogenannten Desi, im Digital Economy and Society Index, auf Rang 5 in Europa, wir sind also ganz gut unterwegs. Trotzdem ist klar, dass die Digitalisierung auch Sorgen bereiten kann, zum Beispiel bei älteren Mitmenschen, die bei diesem Zug der Digitalisierung nicht mehr recht mitkön­nen. Auch da gilt: Herzlichen Dank an die Frau Bundesministerin, die auch Maßnah­men setzt, um ältere Menschen mitzunehmen, Angebote für Schulungen, Angebote für Information schafft, damit sie mit diesen neuen Medien umgehen können. – Vielen Dank auch für diese Angebote.

Die Digitalisierung bietet natürlich auch enorme Chancen, ich glaube, das brauche ich hier niemandem zu erklären. Chancen, auf dem digitalen Markt zu reüssieren, gibt es für Unternehmen, aber auch für uns als Staat. Darum meine ich, wir sollen und müssen den Menschen auch Mut für die Digitalisierung machen und zeigen, dass das, was auf sie zukommt, auch positive Effekte hat. Das liegt an uns allen! Umso mehr freut es mich – das sage ich jetzt auch in Richtung Opposition –, dass es offenbar gelingen wird, einen einstimmigen Beschluss herbeizuführen und dieses Paket im Parlament einstimmig über die Bühne zu bringen.

Ich komme noch einmal zu den Sorgen. Vor vielen Jahren hat es schon Sorgen zum Thema Digitalisierung gegeben. (Der Redner hält eine Titelseite des „Spiegel“, Ausga­be 4/1964, in die Höhe.) So hat zum Beispiel ein großes deutsches Magazin im Jahr 1964 die Digitalisierung als Jobkiller bezeichnet. All diese Prognosen, all diese Prophezeiun­gen sind Gott sei Dank nicht eingetreten. Im Gegenteil! Es ergeben sich neue Chan­cen, es ergeben sich neue Aufgaben, zum Beispiel auch neue Lehrberufe, wie der E-Com­merce-Kaufmann und andere, die jetzt schon ins Leben gerufen werden.

Das heißt, wir können frohen Mutes sein und uns auf eine digitalisierte Welt, auf einen digitalisierten Amtsweg und darauf, den Menschen damit Gutes zu tun, freuen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

23.18

23.18.55


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Damit gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 381 der Beilagen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 268

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer in dritter Lesung seine Zustimmung gibt, den bitte ich um ein Zeichen. – Der Ge­setzentwurf ist somit in dritter Lesung einstimmig angenommen.

23.19.3321. Punkt

Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über die Regie­rungsvorlage (371 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994, das Bankwesengesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Maklergesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert werden (Versicherungsvermitt­lungsnovelle 2018) (397 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen zum 21. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Maximilian Unterrainer. – Bitte.


23.19.58

Abgeordneter Mag. (FH) Maximilian Unterrainer (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Frau Wirtschaftsministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren, die noch da sind, auf der Galerie und vor den Bildschirmgeräten! Mit der vor­liegenden Versicherungsvermittlungsnovelle werden primär EU-Richtlinien umgesetzt. Diese EU-Richtlinien gehen durchaus in die richtige Richtung, denn es geht Richtung Konsumentenschutz, der gestärkt werden soll. Es ist wichtig, trotz der Unterschiede in den Vertriebskanälen das gleiche Schutzniveau für die Verbraucherinnen und Verbrau­cher zu garantieren.

Wir können dem Gesetzestext – so wie er formuliert ist – jedoch nicht zustimmen. Wa­rum? – Ganz einfach: Er ist zu unpräzise, er ist zu unbestimmt. Zum einen war die Begutachtungsfrist wie schon bei vielen anderen Dingen einfach zu kurz, zum anderen fehlen konkrete Inhalte wie zum Beispiel bei der Weiterbildungsverpflichtung. Diese ist ja grundsätzlich positiv, denn eine sehr gut ausgebildete Verkaufskraft leistet auch qua­litativ hochwertige und fundierte Arbeit, die dem Kunden und der Kundin wie dem Be­trieb nutzen.

Die Details der Weiterbildungsverpflichtung fehlen aber noch in der vorliegenden No­velle. Wie diese Schulungsmaßnahmen genau aussehen sollen, soll erst von der Wirt­schaftskammer festgelegt werden. Die Mindeststundenanzahl für die Schulungslehr­pläne für Gewerbetreibende oder für das Personal soll zum Beispiel geringer ausfallen. Wie soll das aber ausschauen? – Unter welchen Voraussetzungen sich die Mindest­stundenanzahl um wie viel reduziert, steht in dieser Novelle noch nicht drinnen. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Leider!)

Es stellt sich die weitere Frage: Wer legt denn das Ausmaß dieser Mindeststundenan­zahl und die Größenordnung, um wie viel es reduziert werden soll, fest? – Differenzie­rungen, meine Damen und Herren, ja, aber wenn, dann muss man schon genau wis­sen, was und wie differenziert wird, bevor das Gesetz beschlossen werden soll. – All das sind für uns Gründe, warum wir dieser Novelle derzeit nicht zustimmen können. (Beifall bei der SPÖ.)

Ebenso offen ist die Provisionsfrage, diese ist auch noch nicht geklärt. Diese Dinge mittels Verordnungen ohne parlamentarische Auseinandersetzung festzusetzen, halten wir seitens der Sozialdemokratie ganz einfach für den falschen Weg. Deswegen kann ich dieser Novelle in der vorliegenden Form derzeit noch nicht zustimmen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 269

In dieser Vorlage finden sich auch Adaptierungen im Bereich des gewerblichen Be­triebsanlagenrechts. Emas-Betriebe – das sind Unternehmen, die sich einer freiwilligen Zertifizierung auf europäischer Ebene unterworfen haben – werden gänzlich von der Verpflichtung zur periodisch wiederkehrenden Prüfung ausgenommen. Das führt in haf­tungsrechtlichen Fragen sowie in Fragen zur Schadenshaftpflichtversicherung zu ei­nem erhöhten Risiko, was womöglich auch erhöhte Versicherungskosten auslösen könn­te. Das ist die eine Seite.

Die andere Seite ist, dass Emas-Betriebe primär produzierende Betriebe beziehungs­weise Betriebe aus der chemischen Industrie sind. Die Versicherungsvermittlungsno­velle zielt aber eigentlich auf Dienstleister ab, nämlich auf die Versicherungen.

Aus diesem Grund bringe ich dazu folgenden Abänderungsantrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Maximilian Unterrainer, Kolleginnen und Kollegen zur Regierungs­vorlage betreffend die Versicherungsvermittlungsnovelle 2018

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die Regierungsvorlage betreffend die Versicherungsvermittlungsnovelle 2018 wird wie folgt geändert:

„Artikel 1 (Änderungen der Gewerbeordnung 1994) wird wie folgt geändert:

1. Ziffer 2 entfällt, die Ziffern 3 bis 41 werden zu Ziffern 2 bis 40 umnummeriert.“

*****

Ich bitte um Zustimmung. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

23.23

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

§ 53 Abs 3 GOG-NR

der Abgeordneten Maximilian Unterrainer, Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen

zur Regierungsvorlage (371 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994, das Bankwesengesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Maklergesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert werden (Versicherungsvermittlungs­novelle 2018) (397 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die Regierungsvorlage (371 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994, das Bankwesengesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Maklergesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert werden (Versicherungsvermittlungs­novelle 2018) (397 d.B.) wird wie folgt geändert:

„Artikel 1 (Änderungen der Gewerbeordnung 1994) wird wie folgt geändert:

1. Ziffer 2 entfällt, die Ziffern 3 bis 41 werden zu Ziffern 2 bis 40 umnummeriert.“


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 270

Begründung

§82b sieht die Verantwortung des Anlageninhabers gelegene regelmäßig wiederkeh­rende Prüfung betreffend das konsensgemäße Betreiben einer genehmigten Betriebs­anlage vor. EMAS Betriebe nun gänzlich von der regelmäßigen Überprüfung auszu­schließen erscheint nicht zweckmäßig und im Sinne der Betreiber zu sein. Dies führt in Haftungsrechtlichen Fragen sowie in Fragen zur Schadenshaftpflichtversicherung zu einem erhöhten Risiko und womöglich zu teureren Versicherungskosten.

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Peter Haubner. – Bitte.


23.23.40

Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ja, ich glaube, das ist eine Novel­le, der man ohne Weiteres zustimmen kann. Wir setzen mit dem vorliegenden Gesetz­entwurf eine EU-Richtlinie über den Versicherungsvertrieb um. Das wesentliche Ziel dieser Versicherungsvertriebsrichtlinie ist erstens die Herstellung einheitlicher Wettbe­werbsbedingungen für sämtliche Vertriebskanäle und zweitens die Gewährleistung ei­nes einheitlichen Schutzniveaus für die Versicherungsnehmer.

Wir haben da sehr lange auch mit den Praktikern aus dieser Branche verhandelt, was, wie ich glaube, das Wesentliche ist. Es soll schließlich für jene, die das leben müs­sen – für die Versicherungsmakler, die Versicherungsagenten und die, die in einem Vertrieb tätig sind –, auch passen. Bei der Auseinandersetzung mit den Praktikern wur­de klar, dass wir da noch einen kleinen Nachschärfungsbedarf gehabt haben – Kollege Klinger wird dann noch den entsprechenden Abänderungsantrag einbringen.

Wir haben bei der Nachhaftung noch nachgeschärft – das ist ein ganz wesentlicher Punkt, dass die Berufshaftpflichtversicherung noch ausgedehnt wird – und bei der Wei­terbildungsverpflichtung für die Branche noch einen ganz wesentlichen Teil erledigt, nämlich dass man die Kosten der externen und internen Ausbildung auf die Branche so umlegt, dass die Branche nicht über Gebühr belastet wird. Es ist nämlich auch ein ganz wesentlicher Aspekt, dass diese Ausbildung leistbar ist. Deshalb ist das nun eben für Mitarbeiter erleichtert worden, indem die Ausbildung intern stattfinden kann, wäh­rend sie für Führungskräfte und die Unternehmer extern stattfindet.

Zum Schluss möchte ich mich noch recht herzlich bei Kollegin Himmelbauer bedanken, die aus der Datenschutzkommission heraus einen Hinweis gebracht hat, sodass wir auch diesbezüglich einen Punkt ändern, den wir auch noch in diesen Abänderungsan­trag eingefügt haben, den Kollege Klinger dann einbringen wird.

Ich denke, es ist eine gute Richtlinie, die wir hier umsetzen, die einerseits die notwendi­gen Bedingungen für die Branche bringt und andererseits den Konsumenten Rechtssi­cherheit gibt. In dieser Hinsicht ersuche ich um Zustimmung. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

23.26


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Wolfgang Klinger. – Bitte.


23.26.11

Abgeordneter Ing. Wolfgang Klinger (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Kollege Haubner hat alles schon sehr ausführlich dargestellt. Die Sache war


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 271

ja, wie wir gesehen haben, nicht so unkompliziert – bis wir zu einem klaren Ergebnis ge­kommen sind.

Es ist mir noch wichtig, zu sagen, dass dadurch die Kategorien der Versicherungsmak­ler und Versicherungsagenten genau definiert werden und dass auch mehr Transpa­renz geschaffen wird. Wesentlich – das hat Kollege Haubner schon gesagt – ist die Nachhaftungsverpflichtung. Es gilt damit die obligatorische zeitliche Nachdeckung für Versicherungsmakler und Versicherungsagenten, nicht aber für Vermögensberater oder bei einer Versicherungsvermittlung in Nebentätigkeit.

Ich bringe daher folgenden Abänderungsantrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Peter Haubner, Ing. Wolfgang Klinger, Kolleginnen und Kollegen zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994, das Bankwesengesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Maklergesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert werden (Versicherungsvermittlungs­novelle 2018) (371 d.B.), in der Fassung des Ausschussberichtes (397 d.B.)

In diesem Abänderungsantrag geht es wie gesagt um die Berufshaftpflichtversiche­rungen, um den Datenschutz und um die Nachdeckung.

*****

Ich ersuche Sie, diesen Abänderungsantrag sowie den Antrag zu unterstützen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

23.27


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Klinger, Sie haben diesen Abänderungs­antrag nun sozusagen in den Grundzügen erläutert, er muss nur noch auch schriftlich zur Verteilung gelangen. Sie (in Richtung des an das Rednerpult zurückkehrenden Abg. Klinger) brauchen ihn nicht zu verlesen, er wird schriftlich zur Verteilung kommen. (Abg. Klinger: Ich nehme an, dass er schon verteilt worden ist!) – Ich bin mir nicht sicher. (Abg. Klinger: Meiner Information nach schon! Deshalb habe ich es - -! – Ruf bei der FPÖ: Das ist eine sehr gute Vorsitzführung!)

Der Antrag wurde meiner Information nach nicht verteilt. Wir werden jedenfalls dafür sorgen, dass er gemäß der Geschäftsordnung schriftlich an alle Fraktionen verteilt wird.

Der Antrag wurde in den Grundzügen erläutert, ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung. Die Abstimmung darüber erfolgt erst dann, wenn der Antrag allen Fraktionen vorliegt.

Als Nächster ist Herr Abgeordneter Andreas Kühberger zu Wort gemeldet. – Bitte.


23.28.48

Abgeordneter Andreas Kühberger (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bun­desministerin! Hohes Haus! Liebe Österreicherinnen und Österreicher! Ich schließe mich meinen Vorrednern, den Abgeordneten Peter Haubner und Wolfgang Klinger, in ihren Ausführungen an. Einerseits ersetzt die Versicherungsvertriebsrichtlinie die Richt­linie zur Versicherungsvermittlung und andererseits kommt es zu einer Harmonisierung mit dem europäischen Recht.

Die Finanzkrise hat, glaube ich, gezeigt, dass es vor allem auch in der Finanzbranche dringend nötig ist, einen stärkeren Schutz der Kunden durchzuführen – Leidtragende können davon sicher ein Lied singen. Ziel ist es nun, den Schutz der Versicherungs-


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nehmer auszubauen, insbesondere bei Versicherungsanlageprodukten. Wir wissen alle nur zu gut, wie komplex und oftmals schwer verständlich Versicherungsangebote sind.

Was machen wir im Konkreten? – Folgende Maßnahmen sind nach heutigem Be­schluss gesetzlich geregelt: Die Tätigkeiten des Versicherungsmaklers und des Versi­cherungsagenten werden gewerberechtlich getrennt, das heißt, die Regelung bietet mehr Transparenz für den Kunden. Die Verpflichtung zu regelmäßigen Fortbildungen in der Beratung schafft mehr Qualität und Vertrauenswürdigkeit, was auch in der Richt­linie vorgegeben ist. Schulungen müssen Qualitätskriterien entsprechen. Ausdrücklich aufgenommen ist der Internetvertrieb. Erweiterte Strafsanktionen sind genauso vorge­sehen wie das grenzüberschreitende Tätigwerden von Versicherungsvermittlungen.

Diese Maßnahmen sind im Sinne des Konsumentenschutzes und sollen eine deutliche Reduzierung von vermeidbaren Beschwerdeverfahren bewirken. Die Qualität der Beratung wird sicherlich steigen, wovon alle Kunden profitieren werden. Versiche­rungsvermittler werden ebenfalls von der steigenden Qualität profitieren, indem sie sich deutlich vom unqualifizierten, unlauteren Wettbewerb abgrenzen können. Unterm Strich ist dieses Gesetz ein Beitrag mit absehbar positiven Effekten für den österreichi­schen Wirtschaftsstandort. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

23.31


Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Dieser Abänderungsantrag hätte eigentlich schriftlich zur Verteilung kommen sollen. Meiner Information nach ist jedenfalls nicht ganz geklärt, ob das der Fall ist. (Ruf: Nein! Ist nicht der Fall!) – Ist nicht der Fall.

Wir können ihn jetzt zweihundertmal kopieren (Abg. Wurm: Nein!), das dauert einige Zeit, dann unterbreche ich die Sitzung bis zur Abstimmung.

Herr Abgeordneter Klinger, es ist genau eine Seite. Wenn Sie diesen Antrag jetzt auch mündlich verlesen, ist er ordnungsgemäß eingebracht, und wir können dann darüber abstimmen. (Abg. Klinger gibt ein bejahendes Zeichen.) – Dann erteile ich Ihnen jetzt das Wort und bitte Sie, diesen Abänderungsantrag auch mündlich einzubringen, da er schriftlich nicht vorliegt.


23.32.22

Abgeordneter Ing. Wolfgang Klinger (FPÖ): Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

„Die im Titel bezeichnete Regierungsvorlage wird wie folgt geändert:

1. In Z 4 wird in § 136a Abs. 6a nach der Wortfolge ‚Der Lehrplan hat‘ der Ausdruck ‚für den Gewerbeinhaber‘ eingefügt.

2. In Z 14 wird in § 137b Abs. 3a nach der Wortfolge ‚Der Lehrplan hat‘ der Ausdruck ‚für Personen gemäß Abs. 1 erster und zweiter Satz‘ eingefügt.

3. In Z 18 werden dem § 137c Abs. 1 folgende Sätze angefügt:

‚Für Versicherungsvermittler, die eine Berechtigung gemäß § 94 Z 76 besitzen, ist eine zeitliche Begrenzung der Nachdeckung des Versicherers für die Berufshaftpflichtver­sicherung unzulässig. Das Weiterbestehen der Abdeckung der Mindestversicherungs­summen auch für den Zeitraum der Nachdeckung ist der Behörde nachzuweisen.‘

4. In Z 28 wird dem § 360a Abs. 2 folgender Satz angefügt:

‚Soweit nicht bereits eine Entfernung gemäß dem dritten Satz oder auf Grund einer Entscheidung der Datenschutzbehörde erfolgt ist, hat Behörde die Veröffentlichung spätestens mit Ablauf von fünf Jahren nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung gemäß Abs. 1 erster Satz von ihrer Homepage zu entfernen.‘


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 273

5. In Z 37 wird in der Novellierungsanordnung die Zahl ‚13‘ durch die Zahl ‚14‘ ersetzt und wird dem Abs. 13 folgender Abs. 14 angefügt:

‚(14) Auf Personen, die am Tag vor dem in § 382 Abs. 98 bestimmten Zeitpunkt des In­krafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/xxxx die Tätigkeit der Versicherungs­vermittlung ausgeübt haben, sind § 137c Abs. 1 vorletzter und letzter Satz mit der Maßgabe anzuwenden, dass sie der Behörde den Nachweis bis spätestens zwölf Mo­nate nach dem in § 382 Abs. 98 bestimmten Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundes­gesetzes BGBl. I Nr. xxx/xxxx zu erbringen haben. Der Nachweis gilt auch als erbracht, wenn das Versicherungsunternehmen bis zum Ablauf der Frist nicht gemäß § 92 Abs. 2 angezeigt hat, dass die Nachhaftung zeitlich begrenzt ist.‘

6. In Z 39 wird in der Novellierungsanordnung der Ausdruck ‚Abs. 10 und 11‘ durch den Ausdruck ‚Abs. 10 bis 12‘ ersetzt und wird dem Abs. 11 folgender Abs. 12 angefügt:

‚(12) Für Gewerbetreibende, die zur Ausübung des Gewerbes der Steinmetzmeister in einem Umfang berechtigt sind, der nicht das Recht zur Planung gemäß § 133 Abs. 1 Z 1 beinhaltet, hat die Bezeichnung der Gewerbeberechtigung ‚Steinmetzgewerbetrei­bender‘ unter Beifügung der entsprechenden Einschränkung zu lauten. Sofern eine im GISA eingetragene Gewerbezeichnung nicht den Anforderungen des ersten Satzes entspricht, hat die Behörde von Amts wegen die Richtigstellung der Gewerbebezeich­nung im GISA vorzunehmen und den Gewerbetreibenden von der Richtigstellung zu verständigen.‘

7. In Z 40 wird im Abs. 98 der Ausdruck ‚§ 376 Z 18 Abs. 10 bis Abs. 13‘ durch den Ausdruck ‚§ 376 Z 18 Abs. 10 bis Abs. 14‘ ersetzt.

8. In Z 40 wird im Abs. 99 der Ausdruck ‚§ 379 Abs. 10 und 11‘ durch den Ausdruck ‚§ 379 Abs. 10 bis 12‘ ersetzt.“

*****

(Beifall und Bravorufe bei FPÖ und ÖVP.)

23.36

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Peter Haubner, Ing. Wolfgang Klinger

Kolleginnen und Kollegen

zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die mit dem die Gewer­beordnung 1994, das Bankwesengesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Maklergesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert werden (Versi­cherungsvermittlungsnovelle 2018) (371 d.B.), in der Fassung des Ausschussberichtes (397 d.B.)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Die im Titel bezeichnete Regierungsvorlage wird wie folgt geändert:

1. In Z 4 wird in § 136a Abs. 6a nach der Wortfolge „Der Lehrplan hat“ der Ausdruck „für den Gewerbeinhaber“ eingefügt.

2. In Z 14 wird in § 137b Abs. 3a nach der Wortfolge „Der Lehrplan hat“ der Ausdruck „für Personen gemäß Abs. 1 erster und zweiter Satz“ eingefügt.

3. In Z 18 werden dem § 137c Abs. 1 folgende Sätze angefügt:


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 274

„Für Versicherungsvermittler, die eine Berechtigung gemäß § 94 Z 76 besitzen, ist eine zeitliche Begrenzung der Nachdeckung des Versicherers für die Berufshaftpflichtversi­cherung unzulässig. Das Weiterbestehen der Abdeckung der Mindestversicherungs­summen auch für den Zeitraum der Nachdeckung ist der Behörde nachzuweisen.“

4. In Z 28 wird dem § 360a Abs. 2 folgender Satz angefügt:

„Soweit nicht bereits eine Entfernung gemäß dem dritten Satz oder auf Grund einer Entscheidung der Datenschutzbehörde erfolgt ist, hat Behörde die Veröffentlichung spätestens mit Ablauf von fünf Jahren nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung gemäß Abs. 1 erster Satz von ihrer Homepage zu entfernen.“

5. In Z 37 wird in der Novellierungsanordnung die Zahl „13“ durch die Zahl „14“ ersetzt und wird dem Abs. 13 folgender Abs. 14 angefügt:

„(14) Auf Personen, die am Tag vor dem in § 382 Abs. 98 bestimmten Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/xxxx die Tätigkeit der Versiche­rungsvermittlung ausgeübt haben, sind § 137c Abs. 1 vorletzter und letzter Satz mit der Maßgabe anzuwenden, dass sie der Behörde den Nachweis bis spätestens zwölf Mo­nate nach dem in § 382 Abs. 98 bestimmten Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundes­gesetzes BGBl. I Nr. xxx/xxxx zu erbringen haben. Der Nachweis gilt auch als erbracht, wenn das Versicherungsunternehmen bis zum Ablauf der Frist nicht gemäß § 92 Abs. 2 angezeigt hat, dass die Nachhaftung zeitlich begrenzt ist.“

6. In Z 39 wird in der Novellierungsanordnung der Ausdruck „Abs. 10 und 11“ durch den Ausdruck „Abs. 10 bis 12“ ersetzt und wird dem Abs. 11 folgender Abs. 12 ange­fügt:

„(12) Für Gewerbetreibende, die zur Ausübung des Gewerbes der Steinmetzmeister in einem Umfang berechtigt sind, der nicht das Recht zur Planung gemäß § 133 Abs. 1
Z 1 beinhaltet, hat die Bezeichnung der Gewerbeberechtigung „Steinmetzgewerbetrei­bender“ unter Beifügung der entsprechenden Einschränkung zu lauten. Sofern eine im GISA eingetragene Gewerbezeichnung nicht den Anforderungen des ersten Satzes entspricht, hat die Behörde von Amts wegen die Richtigstellung der Gewerbebezeich­nung im GISA vorzunehmen und den Gewerbetreibenden von der Richtigstellung zu verständigen.“

7. In Z 40 wird im Abs. 98 der Ausdruck „§ 376 Z 18 Abs. 10 bis Abs. 13“ durch den Ausdruck „§ 376 Z 18 Abs. 10 bis Abs. 14“ ersetzt.

8. In Z 40 wird im Abs. 99 der Ausdruck „§ 379 Abs. 10 und 11“ durch den Ausdruck
„§ 379 Abs. 10 bis 12“ ersetzt.

Begründung

Zu Z 1 und 2:

Klargestellt werden soll, dass die als Schulungen angebotenen einschlägigen Lehr­gänge weiterhin von den zuständigen Fachorganisationen der Wirtschaftskammer Ös­terreich im Rahmen der Erstellung der Lehrpläne inhaltlich erarbeitet werden, jedoch hinsichtlich der gemäß § 137b Abs. 1 für alle direkt bei der Versicherungsvermittlung mitwirkenden Beschäftigten nicht die – übrigens auch nicht von der einschlägigen IDD Richtlinie vorgegebene – Einschränkung gelten soll, dass die Hälfte der Weiterbil­dungsverpflichtung nur bei bestimmten unabhängigen Bildungsinstitutionen durchge­führt werden darf. Eine analoge Klarstellung soll auch in § 136a Abs. 6a betreffend die gewerblichen Vermögensberater getroffen werden.

Eine solche Regelung entspricht auch dem neuen § 123a VAG (Versicherungsauf­sichtsgesetz 2016) in Umsetzung der IDD Richtlinie zum Versicherungsvertrieb für Ver-


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sicherungs- und Rückversicherungsunternehmen. Auch hier wird keine Einschränkung auf bspw. bestimmte Bildungsinstitutionen vorgenommen, sondern lediglich normiert, dass laufend berufliche Schulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen auf der Grundlage von mindestens 15 Stunden pro Jahr zu absolvieren sind.

Die Qualität der Lehrpläne wird weiterhin durch die besondere Expertise der zuständi­gen Fachorganisationen der Wirtschaftskammer Österreich nach Bestätigung der Bun­desministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort gewährleistet sein.

Die Maßnahme fördert auch den Grundsatz der Vermeidung von Golden Plating bei der Umsetzung von EU-Recht und hilft unnötige Unternehmensaufwände zu vermei­den, da Unternehmen für die Ausbildung ihrer an der Versicherungsvermittlung mitwir­kenden Beschäftigten nicht auf einen kleinen exklusiven Kreis bestimmter Institutionen angewiesen sein sollen, um Ihre Weiterbildungsverpflichtungen nach der IDD Richtlinie erfüllen zu können.

Zu Z 3

Die Berufshaftpflichtversicherung gemäß § 137c GewO 1994 hat den Sinn, Kunden vor dem Eintritt von typischen Schadensrisiken, die mit der Tätigkeit der Versicherungs­vermittlung verbunden sind, insbesondere Vermögensschäden durch Falschberatung, zu schützen. Dabei ist zu bedenken, dass gerade die Falschaufklärung durch Versiche­rungsvermittler häufig mit Spätschäden beim Kunden verbunden ist. Das sind Schä­den, die erst lange Zeit nach dem schädigenden Verhalten, etwa der mangelhaften Beratung, vom Kunden erkannt und geltend gemacht werden können. In einem der­artigen Fall ist es ohne weiteres möglich, dass der Versicherungsvermittler das scha­densursächliche Verhalten zwar während aufrechter Versicherung gesetzt hat, der Schaden – und naturgemäß damit auch dessen Geltendmachung durch den geschä­digten Kunden – erst nach Ablauf der Versicherung erfolgt. Haftungsfälle aus der Be­ratungspraxis zeigen auch deutlich, dass oft eine sehr große Zeitspanne zwischen dem Vorwurf der Falschberatung und der Geltendmachung von Schadensersatz liegt.

Solche Spätschäden sind nur dann vom Schutz der jeweiligen Haftpflichtversicherung erfasst, wenn diese auch eine sogenannte Nachdeckung bietet. Unabhängig davon, wie der jeweilige Versicherungsvertrag die sog. Nachdeckung formuliert, hängt die Gel­tendmachung von Ansprüchen aus der jeweiligen Haftpflichtversicherung von dessen zeitlichen Anwendungsbereich ab. Aus den Regeln für die Beendigung des Versi­cherungsverhältnisses und des Eintritts der Beendigung gegenüber Dritten im Sinne des § 137c Abs. 4 GewO 1994 (gleichlautend wie § 158 Abs. 2 VersVG, lediglich mit einer um einen Monat verlängerten Frist) lässt sich diesbezüglich nichts gewinnen, da aus diesen Vorschriften lediglich abgeleitet werden kann, ab wann ein Versicherungs­verhältnis als nicht mehr aufrecht gilt. Es ist aber daraus nicht zwingend ableitbar, wie lange schädigendes Verhalten des Versicherten während aufrechter Versicherung noch geltend gemacht werden kann, nachdem der Versicherungsschutz ausgelaufen ist. Es wäre zwar grundsätzlich möglich zu versuchen, dies aus zivilrechtlichen Verjäh­rungsfristen abzuleiten; dies wäre jedoch mit großer Unsicherheit sowohl für den ge­schädigten Kunden als auch für den versicherten Vermittler verbunden, da keineswegs gesichert ist, dass die Verjährung von Ansprüchen des Kunden gegen die Versiche­rung (sofern diesbezüglich überhaupt eine Verjährung zur Anwendung kommt und nicht generell der Schutz mit Beendigung der Versicherung von der Judikatur als gänz­lich erloschen verstanden wird) und die Verjährung von Schadensersatzansprüchen des Kunden gegen den Schädiger keineswegs synchron sein muss.

Aktuell ist lediglich klar, dass in der Bedingungspraxis für Vermögensschaden-Haft­pflichtversicherungen als Deckungsauslöser regelmäßig schon das schadensursächli­che Verhalten des Versicherungsnehmers, sohin der Verstoß, gewählt wird; dies wird


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als das sogenannte Kausalereignis- oder auch Verstoßprinzip bezeichnet (siehe Art. 1 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 der Allgemeinen Verbandsbedingungen zur Haftpflichtversi­cherung für Vermögensschäden (AVBV 1951). Das gilt etwa für die Berufshaftpflicht­versicherungen der Rechtsanwälte und Notare.

Die vorgeschlagene gesetzliche Bestimmung soll nunmehr anknüpfend an das Ver­stoßprinzip auch im Bereich der Versicherungsvermittler gemäß § 94 Z 76 GewO 1994 und der im Zuge der Ausübung des Berufes verpflichtend abzuschließenden Berufs­haftpflichtversicherung Rechtssicherheit verschaffen, wie lange eine Nachdeckung für einen Verstoß während aufrechter Versicherung besteht, nachdem die Versicherung beendet worden ist. Damit können Unsicherheiten und mögliche Deckungslücken für Geschädigte aufgrund von z.B. Falschberatung vermieden werden. Entscheidend ist aber nach wie vor, dass der Versicherungsschutz weiterhin davon abhängt, ob der dem Versicherungsnehmer haftungsrechtlich zurechenbare Verstoß während der materiel­len Versicherungsdauer gesetzt wird. Für gewerbliche Vermögensberater und Versi­cherungsvermittler in Nebentätigkeit ist eine zeitliche Begrenzung der Nachdeckung weiterhin zulässig.

Gleichzeitig soll auch klargestellt werden, dass nicht nur während der Vertragslaufzeit, sondern auch im Nachdeckungszeitraum die Versicherungssumme für jeden einzelnen Schadenfall - neben einem allfälligen Gesamtlimit pro Jahr - zur Verfügung steht.

Zu Z 4:

Grundsätzlich tritt gemäß § 55 Abs. 1 VStG nach dem Ablauf von fünf Jahren ab Rechtskraft eines Straferkenntnisses die Rechtsfolge der Tilgung ein. Es erscheint jedoch angesichts der datenschutzrechtlichen Sensibilität einer solchen Veröffentli­chung angemessen, die Entfernung der Veröffentlichung nach Ablauf der Tilgungsfrist auch ausdrücklich in der GewO 1994 anzuordnen. Mit dieser Bestimmung soll gleich­zeitig betont werden, dass die Entfernung nach fünf Jahren die subsidiäre Höchstfrist ist und selbstverständlich auch schon früher eine Entfernung zu erfolgen hat, wenn dies in einem Verfahren gemäß § 360a Abs. 2 GewO 1994 oder auf Grund einer Ent­scheidung der Datenschutzbehörde verfügt worden ist.

Zu Z 5:

Damit wird eine Übergangsregelung für bestehende Versicherungsvermittler geschaf­fen, die ein Jahr Zeit haben sollen, allfällig unzulässig nachdeckungsbeschränkte Ver­sicherungsverträge anzupassen. Für die Regelung betreffend den Nachweis an die Behörde soll es außerdem in Verweis auf die in § 92 GewO 1994 vorgesehene Mit­teilungspflicht der Versicherungen ausreichen, wenn die Versicherung nicht Anzeige an die Behörde erstattet. Damit wird das Entstehen unnötiger Verwaltungslasten vermie­den.

Sofern die Versicherung aber anzeigt, dass ein entsprechender Nachdeckungszeit­raum nicht vorliegt, so liegt es am Versicherungsvermittler der Behörde zeitgerecht nachzuweisen, dass er zum Zeitablauf der Übergangsfrist über eine ausreichende Ver­sicherung verfügt.

Zu Z 6:

Die aufgrund der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 1.10.2018, Ro/2017/04/0016, entstandene Problematik betreffend die Bezeichnung des Baumeis­tergewerbes in Fällen, in denen das Baumeistergewerbe in einem eingeschränkten Umfang besteht, welcher das Planungsrecht nicht einschließt, kann auch für das Ge­werbe der Steinmetzmeister von Relevanz sein. Auch in § 133 Abs. 5 GewO 1994 besteht eine ähnliche Bestimmung für die Steinmetzmeister, wie sie in § 99 Abs. 5 GewO 1994 für die Baumeister besteht.


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Es ist daher zweckmäßig auch für das Steinmetzgewerbe sicherzustellen, dass die No­menklatur „Steinmetzgewerbetreibender“ für alle im eingeschränkten Bereich tätigten Gewerbetreibenden der Steinmetzbranche gilt und nicht bloß für Gewerbeanmeldun­gen, die nach dem Inkrafttreten der GewO-Novelle BGBl. I Nr. 85/2012 angemeldet wor­den sind.

*****

23.36.16


Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag ist jetzt ordnungsgemäß einge­bracht, steht daher mit in Abstimmung.

Es ist dazu niemand mehr zu Wort gemeldet, die Debatte ist geschlossen.

Der Herr Berichterstatter verzichtet auf ein Schlusswort.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 371 der Beilagen.

Hiezu liegen ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Unterrainer, Kolleginnen und Kollegen und ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Haubner, Klinger, Kolle­ginnen und Kollegen vor.

Ich werde daher zunächst über die von den erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abän­derungsanträgen betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abge­stimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Mag. Unterrainer, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abände­rungsantrag eingebracht, der den Entfall der Ziffer 2 in Artikel 1 samt daraus resultie­render Umnummerierung der nachfolgenden Ziffern zum Inhalt hat.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung der Regierungsvorlage.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Die Abgeordneten Haubner, Klinger, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend die Ziffern 4, 14, 18, 28, 37, 39 und 40 in Art. 1 eingebracht.

Wer dem zustimmt, den bitte ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvor­lage.

Wer spricht sich hierfür aus? – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer auch in dritter Lesung seine Zustimmung gibt, den bitte ich um ein zustimmendes Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung angenommen.

23.38.3922. Punkt

Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den An­trag 506/A der Abgeordneten Peter Haubner, Ing. Wolfgang Klinger, Kolleginnen


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und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftskammerge­setz 1998 geändert wird – WKG-Novelle 2018 (470 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen zum 22. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Doris Margreiter. – Bitte.


23.39.06

Abgeordnete Doris Margreiter (SPÖ): Geschätzte Damen und Herren! Bei diesem Tagesordnungspunkt wird einmal mehr klar, dass Ihnen von Schwarz-Blau EPUs und kleine Unternehmen egal sind und Sie lediglich Symbol- und Parteipolitik machen. Würden Sie nämlich wirklich Politik für kleine Unternehmen machen, dann würden Sie eben jenen ihr demokratisches Recht zur Wahl ihrer Interessenvertretung erleichtern. Diese sind nämlich die Mehrheit der Mitglieder, aber haben wohl zu wenig Einfluss und zu wenig Macht. Auch das ist ein Grund dafür, warum EPUs in der Wirtschaftskammer nicht der nötige Stellenwert zukommt.

Und: Sie fahren wieder über die Menschen drüber. Im Wirtschaftsparlament, dem höchs­ten Gremium der WKO, wurde am 30.11.2017 ein Fristsetzungsantrag beschlossen, der eine gemeinsame Lösung – die Betonung liegt auf gemeinsame – als Basis für eben jene Gesetzesänderung bis 28. Juni 2018 festlegt. Spannend ist nur, dass es im Anschluss keinen einzigen Termin – ich betone es: keinen einzigen Termin – mehr gab, um zu einer Conclusio zu kommen. Damit wurde, ganz klar, dieser Fristsetzung nicht nachgekommen.

Sie dürfen sich daher auch nicht wundern, wenn das Interesse an den Wirtschafskam­merwahlen angesichts solch intransparenter und abgehobener Politik wohl auch bei der kommenden Wahl 2020 sinken wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich nenne Ihnen aber einige unserer Lösungen für die Unternehmen: Analog zur AK-Wahl könnte man zum Beispiel allen Wahlberechtigten Wahlkarten für die Briefwahl automatisch zukommen lassen. Wir wissen ja, dass es sehr vielen Einpersonenunter­nehmen, aber auch Inhabern von kleinen Betrieben nur schwer möglich ist, den Betrie­ben fernzubleiben. Es gibt etwa auch die Möglichkeit – wir haben heute schon von Di­gitalisierung gesprochen – der elektronischen Anforderung. Das würde Kosten sparen und wirklich zu einer Entbürokratisierung beitragen. Ein weiterer Punkt wären die ein­heitlichen Wahltage und Fristen, die momentan ja in allen Bundesländern unterschied­lich sind. Das würde auch zu einer Vereinfachung führen. – Es gibt viele dieser Punkte.

Wir von der SPÖ können dieser Gesetzesvorlage unter anderem schon deshalb nicht zustimmen, weil damit auch weiterhin ungeklärt bleibt, wie eine saubere und sichere Briefwahl funktionieren kann. Das ist nämlich einer der größten Problempunkte in die­sem Bereich. Deshalb haben wir einen Abänderungsantrag eingebracht – den ich im Anschluss leider auch vorlesen muss, weil er nicht verteilt wurde –, mit dem die EPUs und viele KMUs eine wirkliche Wahl haben.

Wir sind auch bei dieser Gesetzesvorlage hart geblieben und haben eine Ausschuss­begutachtung gefordert, weil wir offenbar den Braten in Form Ihres Abänderungsan­trages, der wiederum einige Stunden vor der Debatte eingebracht wurde, gerochen ha­ben. Das hat, wie wir wissen, bei Ihnen mittlerweile System. (Ruf bei der ÖVP: Na geh!)

Wirklich skandalös ist aber, dass dieser mit der ursprünglich diskutierten Evaluierung nichts, aber auch gar nichts zu tun hat. Wir haben nämlich das Gesetz zur Wirtschafts­kammerwahl diskutiert. Sie wollen uns einfach einen Punkt zur Umweltverträglichkeits­prüfung unterschieben. Mit diesem Punkt ermöglichen Sie – wiederum ohne Begutach­tung –, Wirtschaftslandeskammern im übertragenen Wirkungsbereich als Standortan-


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walt gemäß dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz tätig zu werden. (Abg. Noll: Das ist eine Schande schon wieder!)

Heute wurde schon sehr viel von langen Verfahrensdauern gesprochen, von Ihnen, Frau Ministerin und insbesondere von Kollegen Höbart, der meinte, wie wichtig es sei, da Wirtschaft Arbeitsplätze schaffe. – Ja, das stimmt. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Das sollten Sie aber viel mehr mit Ihren eigenen Funktionären besprechen. In meinem eige­nen Heimatbezirk ist es ein schwarzer Stadtrat, der mit einer Unterschriftenliste gegen ein wirklich renommiertes Wirtschaftsunternehmen, das den Standort erweitern möch­te – es geht hier um 1 200 Arbeitsplätze –, mobilmacht. Dieses Unternehmen erfüllt al­le Anforderungen und ist mitarbeiterfreundlich. Für alle, die schon länger in diesem Gremium sind, sei gesagt: Es gab sogar eine Wirtschaftsministerin, die gegen die Er­weiterung eines Betriebes, auch in meinem Bezirk, war. – So viel zu Ihrer Wirtschafts­kompetenz und zu Ihrem Verständnis für die Schaffung von Arbeitsplätzen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Meine Conclusio: Wenn es um eigene Interessen und um Konzerninteressen geht, ha­ben Sie nichts mit Wirtschaft am Hut. Deshalb sind Sie für mich keine Wirtschafts­partei, liebe Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, sondern vielmehr eine Konzern­partei. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Lopatka: Und was ist die SPÖ?! – Weitere Zwi­schenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Jetzt darf ich Ihnen noch den Abänderungsantrag zu Gemüte führen:

Abänderungsantrag

gemäß § 53 Abs. 3 GOG-NR der Abgeordneten Doris Margreiter, Kolleginnen und Kollegen zum Antrag 506/A der Abgeordneten Peter Haubner, Ing. Wolfgang Klinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftskam­mergesetz 1998 geändert wird – WKG-Novelle 2018 (506/A) (470 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der Antrag 506/A der Abgeordneten Peter Haubner, Ing. Wolfgang Klinger, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftskammerge­setz 1998 geändert wird – WKG-Novelle 2018 (506/A) wird wie folgt geändert:

„1. Ziffer 3 lautet:

§ 73 Abs. 7 lautet:

„(7) Von der Wählbarkeit ausgeschlossen sind alle physischen und juristischen Perso­nen sowie sonstige Rechtsträger, über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren eröff­net ist oder bei denen innerhalb der letzten zwei Jahre ein Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet oder aufgehoben wurde.“

2. Ziffer 4 lautet:

§ 73 Abs. 8 entfällt. Der bisherige Abs. 9 erhält die Absatzbezeichnung „(8)“

3. Die Ziffern 3 bis 9 werden zu Ziffern 5 bis 11 umnummeriert.

4. Ziffer 12 lautet:

In § 90 erhalten der Absatz 5, Absatz 6 und Absatz 7 die Bezeichnungen Absatz 6, Absatz 7 und Absatz 8. Nach Absatz 4 wird folgender neuer Absatz 5 eingefügt:

„(5) Bei der Wahl mittels Wahlkarte ist sicherzustellen, dass die Wahrung des Wahl­geheimnisses gewährleistet ist. Es darf zu keinem Zeitpunkt durch die Wahlkom­mission oder durch Dritte eine Zusammenführung der Identität des Wählers mit seinem Wahlverhalten möglich sein.“


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5. Die Ziffern 10 bis 12 werden zu Ziffer 13 bis 15 umnummeriert.

6. Ziffer 16 lautet:

§ 97 Abs. 6 entfällt. Der bisherige Abs. 7 erhält die Absatzbezeichnung „(6)“, der bishe­rige Abs. 8 erhält die Absatzbezeichnung „(7)“.

7. Ziffer 17 lautet:

Dem § 97 werden folgende Absätze 9 und 10 angefügt:

„(9) Die Hauptwahlkommission der Landeskammer hat darüber hinaus für jede Fach­gruppe und Fachvertretung die auf die Wählergruppen entfallenen Stimmen sowie die auf jede Wählergruppe zukommenden Mandate zu verlautbaren. Für das betreffende Bundesland ist von der Hauptwahlkommission der Landeskammer ein Landesergebnis mit allen auf die Wählergruppen im Bereich der Landeskammer entfallenden Stimmen, der Summe der zukommenden Mandate in allen Fachgruppen und Fachvertretungen sowie der zukommenden Mandate im Wirtschaftsparlament der Landeskammer zu ver­lautbaren. Die Verlautbarung der Hauptwahlkommission der Landeskammer hat vor­läufig nach Abschluss der Auszählungen, spätestens aber binnen 48 Stunden nach Einleitung der Auszählung (§ 96 Abs. 3) zu erfolgen. Die Verlautbarung des endgülti­gen Wahlergebnisses hat bis längstens sieben Tage nach Einleitung der Auszählung (§ 96 Abs. 3) zu erfolgen.

(10) Die Hauptwahlkommission der Bundeskammer hat das bundesweite Ergebnis mit allen auf die Wählergruppen in allen Landeskammern entfallenden Stimmen sowie der zukommenden Mandate im Wirtschaftsparlament der Bundeskammer zu verlautbaren. Die Verlautbarung der Hauptwahlkommission der Bundeskammer hat vorläufig nach Abschluss der Auszählungen in allen Landeskammern, spätestens aber binnen 60 Stunden nach Einleitung der Auszählung (§ 96 Abs. 3) zu erfolgen. Die Verlautba­rung des endgültigen Wahlergebnisses hat bis längstens sieben Tage nach Einleitung der Auszählung (§ 96 Abs. 3) zu erfolgen.“

8. Ziffer 18 lautet:

§ 102 Abs. 7 entfällt. Der bisherige Abs. 8 erhält die Absatzbezeichnung „(7)“.“

*****

Danke schön. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ. – Ruf: Sehr gut!)

23.47

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

§ 53 Abs 3 GOG-NR

der Abgeordneten Doris Margreiter, Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen

zum Antrag 506/A der Abgeordneten Peter Haubner, Ing. Wolfgang Klinger, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftskammerge­setz 1998 geändert wird - WKG-Novelle 2018 (506/A) (470 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der Antrag 506/A der Abgeordneten Peter Haubner, Ing. Wolfgang Klinger, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftskammerge­setz 1998 geändert wird - WKG-Novelle 2018 (470 d.B.) wird wie folgt geändert:


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 281

„1. Ziffer 3 lautet:

§ 73 Abs. 7 lautet:

„(7) Von der Wählbarkeit ausgeschlossen sind alle physischen und juristischen Perso­nen sowie sonstige Rechtsträger, über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren eröff­net ist oder bei denen innerhalb der letzten zwei Jahre ein Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet oder aufgehoben wurde.“

2. Ziffer 4 lautet:

§ 73 Abs. 8 entfällt. Der bisherige Abs. 9 erhält die Absatzbezeichnung „(8)“

3. Die Ziffern 3 bis 9 werden zu Ziffern 5 bis 11 umnummeriert.

4. Ziffer 12 lautet:

In § 90 erhalten der Absatz 5, Absatz 6 und Absatz 7 die Bezeichnungen Absatz 6, Ab­satz 7 und Absatz 8. Nach Absatz 4 wird folgender neuer Absatz 5 eingefügt:

„(5) Bei der Wahl mittels Wahlkarte ist sicherzustellen, dass die Wahrung des Wahlge­heimnisses gewährleistet ist. Es darf zu keinem Zeitpunkt durch die Wahlkommission oder durch Dritte eine Zusammenführung der Identität des Wählers mit seinem Wahl­verhalten möglich sein.“

5. Die Ziffern 10 bis 12 werden zu Ziffer 13 bis 15 umnummeriert.

6. Ziffer 16 lautet:

§97 Abs. 6 entfällt. Der bisherige Abs. 7 erhält die Absatzbezeichnung „(6)“, der bishe­rige Abs. 8 erhält die Absatzbezeichnung „(7)“.

7. Ziffer 17 lautet:

Dem § 97 werden folgende Absätze 9 und 10 angefügt:

„(9) Die Hauptwahlkommission der Landeskammer hat darüber hinaus für jede Fach­gruppe und Fachvertretung die auf die Wählergruppen entfallenen Stimmen sowie die auf jede Wählergruppe zukommenden Mandate zu verlautbaren. Für das betreffende Bundesland ist von der Hauptwahlkommission der Landeskammer ein Landesergebnis mit allen auf die Wählergruppen im Bereich der Landeskammer entfallenden Stimmen, der Summe der zukommenden Mandate in allen Fachgruppen und Fachvertretungen sowie der zukommenden Mandate im Wirtschaftsparlament der Landeskammer zu ver­lautbaren. Die Verlautbarung der Hauptwahlkommission der Landeskammer hat vor­läufig nach Abschluss der Auszählungen, spätestens aber binnen 48 Stunden nach Einleitung der Auszählung (§ 96 Abs. 3) zu erfolgen. Die Verlautbarung des endgülti­gen Wahlergebnisses hat bis längstens sieben Tage nach Einleitung der Auszählung (§ 96 Abs. 3) zu erfolgen.

(10) Die Hauptwahlkommission der Bundeskammer hat das bundesweite Ergebnis mit allen auf die Wählergruppen in allen Landeskammern entfallenden Stimmen sowie der zukommenden Mandate im Wirtschaftsparlament der Bundeskammer zu verlautbaren. Die Verlautbarung der Hauptwahlkommission der Bundeskammer hat vorläufig nach Abschluss der Auszählungen in allen Landeskammern, spätestens aber binnen 60 Stunden nach Einleitung der Auszählung (§ 96 Abs. 3) zu erfolgen. Die Verlautbarung des endgültigen Wahlergebnisses hat bis längstens sieben Tage nach Einleitung der Auszählung (§ 96 Abs. 3) zu erfolgen.“

8. Ziffer 18 lautet:

§102 Abs. 7 entfällt. Der bisherige Abs. 8 erhält die Absatzbezeichnung „(7)“.“


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Begründung

Beim vorliegenden Antrag handelt es sich um technisch notwendige Anpassungen des WKGs aufgrund der Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs ergänzt um Forderun­gen der im Wirtschaftskammerparlament vertretenen Fraktionen, die die Anpassung des Wirtschaftskammerwahlrechts betreffen. Im Gegensatz zum im Wirtschaftskam­merparlament beschlossenen Antrag, finden sich hier einzelne Forderungen aller Frak­tionen wieder. Auch in diesem Fall handelt es sich jedoch nicht um eine grundlegende Weiterentwicklung und Demokratisierung des Wirtschaftskammerwahlrechts, sondern lediglich um Konkretisierungen und Vereinfachungen.

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Peter Haubner. – Bitte.


23.48.03

Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Margreiter, wir ha­ben uns im Ausschuss sehr intensiv ausgetauscht. Ich verstehe auch Ihren Eifer dies­bezüglich, es geht ja ein bisschen um die Nachfolge von Christoph Matznetter, man muss sich langsam in Position bringen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Klaus Uwe Feichtinger und Wittmann.) Ich glaube, das ist auch durchaus verständlich.

Ich glaube aber, wir haben in dieser Wirtschaftskammergesetz-Novelle doch einiges erledigt, was wir in Form technischer Änderungen in diesem Wirtschaftskammergesetz brauchen. Wir haben in dieser Phase von keiner Reform, sondern von einer techni­schen Novelle des Wirtschaftskammergesetzes gesprochen, das sich an die Änderun­gen des Bundes-Verfassungsgesetzes, an die Rechtsprechung des Verfassungsge­richtshofes und an die Datenschutz-Grundverordnung anpasst. Das ist für die Wirt­schaftskammerwahl wichtig. Da haben wir eben einige Änderungen durchgeführt, die im Hinblick auf die Lehren aus der Bundespräsidentenwahl 2016, Stichwort Wahlkar­tenkuverts, notwendig sind, und ein paar andere Punkte, die ebenfalls notwendig wa­ren, erledigt.

Ich will jetzt gar nicht auf die einzelnen Punkte eingehen. Ich denke, es hat einen Pro­zess in der Wirtschaftskammer gegeben, der sich über zwei Jahre hingezogen hat, in dem es dann auch im Wirtschaftsparlament eine breite Mehrheit für diese Punkte ge­geben hat. Wir setzen jetzt um, was notwendig ist, und das ist auch gut so.

Ich bringe noch folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Peter Haubner, Ing. Wolfgang Klinger, Kolleginnen und Kollegen zum Antrag 506/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftskammerge­setz 1998 geändert wird, in der Fassung des Ausschussberichtes (470 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der Antrag (506/A) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftskammerge­setz 1998 geändert wird, wird wie folgt geändert:

1) Nach der Ziffer 1 wird folgende Ziffer 1a eingefügt:

„1 a. In § 20 wird folgender Abs. 3 angeführt:


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 283

„(3) Die Landeskammern werden im übertragenen Wirkungsbereich als Standortan­walt gemäß dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 – UVP-G 2000, BGBl. Nr. 697/1993, tätig, wenn das Vorhaben Auswirkungen auf das jeweilige Land als Wirt­schaftsstandort hat. Bei der Besorgung dieser Aufgabe unterliegen sie den Weisungen der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort.‘‘“

2) Nach der Ziffer 12 wird folgende Ziffer 13 eingefügt:

„13. § 150 wird folgender Abs. 8 angefügt:

„(8) § 20 Abs. 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XX/2018, tritt mit 1. Juli 2019 in Kraft.““

*****

Ich möchte dazusagen, das ist ein wichtiger Punkt, nämlich auch das, was heute schon Kollege Ottenschläger als Ausgleich von Ökologie und Ökonomie angesprochen hat: Auf der einen Seite steht der Umweltanwalt, auf der anderen Seite der Standortanwalt. Der Standortanwalt hat eben auch das Beschwerderecht, kann seine Stellungnahme ab­geben und hat Parteiengehör. Er bringt seine Expertise eben für den Standort ein, so wie der Umweltanwalt seine für die Umwelt einbringt. (Zwischenruf des Abg. Rossmann.)

Wenn das jetzt im übertragenen Bereich der Wirtschaftskammern ist, dann ist das ein Vorteil. Wir brauchen also keinen eigenen Apparat oder ein Gesetz, sondern es ist ein­fach eine Mehrleistung der Wirtschaftskammer, die im Sinne des Standorts diese Leis­tung für den Standort erbringt. Das ist eine vom Staat übertragene Aufgabe, die in Ei­genverantwortung der Selbstverwaltung erledigt wird. (Abg. Klaus Uwe Feichtinger: Weisungsgebunden!)

Meine Damen und Herren, ich denke, es ist eine gute Maßnahme für den Standort. Wie Kollege Ottenschläger und die Frau Ministerin – bei der ich mich auch bedanke – schon angeführt haben: Die Wirtschaft und die Unternehmen schaffen die Arbeits­plätze!, und deshalb sind dieses Standortgesetz und der Standortanwalt die richtige Schlussfolgerung. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

23.52

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Peter Haubner, Ing. Wolfgang Klinger

Kolleginnen und Kollegen

zum Antrag (506/A) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftskammerge­setz 1998 geändert wird, in der Fassung des Ausschussberichtes (470 d.B.)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der Antrag (506/A) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftskammerge­setz 1998 geändert wird, wird wie folgt geändert:

1) Nach der Ziffer 1 wird folgende Ziffer 1a eingefügt:

„1a. In § 20 wird folgender Abs. 3 angefügt:

„(3) Die Landeskammern werden im übertragenen Wirkungsbereich als Standortan­walt gemäß dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 - UVP-G 2000, BGBl.
Nr. 697/1993, tätig, wenn das Vorhaben Auswirkungen auf das jeweilige Land als Wirt-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 284

schaftsstandort hat. Bei der Besorgung dieser Aufgabe unterliegen sie den Weisungen der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort.““

2) Nach der Ziffer 12 wird folgende Ziffer 13 eingefügt:

„13. § 150 wird folgender Abs. 8 angefügt:

„(8) § 20 Abs. 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XX/2018, tritt mit 1. Juli 2019 in Kraft.““

Begründung

Zu Z 1a und 13 (§ 20 Abs. 3 und 150 Abs. 8)

Dem Regierungsprogramm 2017-2022 entsprechend sieht die im BGBl I Nr. 80/2018 kundgemachte Novelle des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes 2000 - UVP-G 2000, BGBl. Nr. 697/1993, das Organ Standortanwalt vor, das die öffentlichen Interessen an der Verwirklichung eines Vorhabens in Verfahren nach dem UVP-G 2000 geltend zu machen hat. Das UVP-G 2000 richtet den Standortanwalt aber nicht ein, sondern geht vielmehr von dessen Einrichtung seitens des Bundes oder des betroffenen Landes aus. Diese Einrichtung soll nunmehr durch die Zuweisung der Organfunktion des Standortanwalts an die in den Ländern eingerichteten Wirtschaftskammern im übertra­genen Wirkungsbereich erfolgen, wobei sich die Zuständigkeit nach der Betroffenheit des jeweiligen Landes in seiner Eigenschaft als Wirtschaftsstandort richtet (zur Zu­ständigkeit des dem Standortanwalt vergleichbaren Umweltanwalts siehe BVwG vom 08.07.2015, W193 2105001-1; BVwG 22.01.2016, W113 2017242-1; BVwG 30.05.
2018, W102 2180375-1).

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Josef Schellhorn. – Bitte.


23.52.39

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Minister! Wie geht es Ihnen jetzt? Wie geht es Ihnen, wenn Sie zuvor Herrn Lettenbichler zugehört haben, der pauschal die Opposition angreift? Wie geht es Ihnen dabei? – Sie müssten eigent­lich unter der Regierungsbank versunken sein. Dieses Schauspiel ist an Peinlichkeit nicht mehr zu überbieten! (Beifall bei NEOS, SPÖ und JETZT.)

Ich sage Kollegen Ottenschläger nur eines: Irgendwann einmal ist es mit dem Anpat­zen vorbei. Ihr werdet vom hohen Ross bald einmal runterfallen und dann ein Pony rei­ten. Soweit geht es nämlich, soweit ihr das spielt! (Neuerlicher Beifall bei NEOS, SPÖ und JETZT.)

Das ist an Peinlichkeit nicht mehr zu überbieten, und ich schäme mich selbst. (Zwi­schenruf bei der ÖVP.) – Ich schäme mich für euch, denn wir haben einen Bundes­kanzler, der gesagt hat, er will die anderen nicht anpatzen, das ist nicht sein Stil. Was Herr Lettenbichler vorher gemacht hat und was du mit den Zeitungen machst, ist schlechter Stil, und der schlechte Stil ist gar nicht mehr zu überbieten. Das ist der Punkt! (Beifall bei NEOS, SPÖ und JETZT.)

Dann erkläre ich noch etwas, was mit gutem und schlechtem Stil zu tun hat: Am Don­nerstag, dem 22.11. wurde dieser Gesetzesantrag in den Nationalrat eingebracht. Die ÖVP erklärt uns: Da geht es nur um die Briefwahl, alles easy, alles okay! – Am 27.11., also nur drei Werktage danach, ist das Gesetz im Ausschuss. Es wird eine Ausschuss-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 285

begutachtung vereinbart. Am 7.12. ist wieder eine Ausschusssitzung. Die ÖVP legt wieder dar: Es geht da nur um die Briefwahl; ich stelle unsere Vorstellungen zur Wahl­reform dar, dazu werde ich heute auch noch etwas sagen.

Am Mittwoch, dem 12.12., wird aber ein Abänderungsantrag verschickt. Es wird wahr­scheinlich gar keinen so schlechten Grund haben, warum Herr Kopf schon nach Hause gegangen ist, er ist nämlich auch nicht mehr hier, und das ist auch ein Grund dafür: Die Kammern, die sonst so stolz auf die Selbstverwaltung sind und damit ihre Zwangsbei­träge argumentieren, sind jetzt jene, die bei den Vertretern des Standortes weisungs­gebunden sind. Das ist peinlich. (Abg. Noll: Das hält nie!) – Ja, auch wenn es nicht hält.

Wie geht es da aber bei der ÖVP zusammen? (Ruf bei der SPÖ: Der Zugang ist schon ihre eigene Schuld!) – Sie verteidigen auf der einen Seite die Zwangsbeiträge und dann unterstellen Sie die Weisungsbindung. Das ist eigentlich eine peinliche Ge­schichte. Das meinte ich vorher damit, dass Sickinger und Co sich schon darüber lustig machen. (Beifall bei NEOS, SPÖ und JETZT.)

Wenn ich dann auch noch eine Kammer habe, die doppelt so viel Budget wie die Wirt­schaftsministerin selber hat – Einnahmen von über 1 Milliarde Euro, und Sie haben 500 Millionen Euro –, dann stelle ich mir eine andere Reform vor.

Daher möchte ich einen unselbständigen Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Wirtschafts­kammerwahlen demokratisch und transparent gestalten“

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort werden aufgefordert, eine Änderung des Wirtschaftskammergeset­zes vorzuschlagen, welches die Wirtschaftskammerwahlen nach folgenden Kriterien abändert: erstens, eine Direktwahl der Wirtschaftsparlamente – wenn ihr das nicht ver­trägt, dann ist es eh zu spät –; eine Berechnung aller Mandatszahlen nach objektiven Kriterien, die im Wirtschaftskammergesetz geregelt werden; eine Ermittlung der Man­date für Minderheiten auch in höheren Gremien nach Stimmen, nicht nach Mandaten; eine Abschaffung der Friedenswahl – die Zeiten, in denen es nur einen Wahlvorschlag brauchte, glaube ich, sind endgültig vorbei; volle Transparenz bei Listenzurechnungen für die höhere Ebene – es muss auch am Stimmzettel klar ausgewiesen sein, welcher politischen Fraktion die Stimme auf höherer Ebene zugerechnet wird! –; die Abschaf­fung der bürokratischen Unterstützungserklärungen für jene Fraktionen, die bereits im Wirtschaftsparlament vertreten sind; volle Transparenz und Höchstgrenzen und klare gesetzliche Regelungen für die Wählergruppenförderung.

*****

Wenn Ihr dieses System nicht ändert, ist es ein klares Zeichen dafür, dass der Wirt­schaftsbund sich ganz klar am Pool der Macht einen Platz verschaffen und diesen ab­gesichert haben will. (Abg. Noll: Der letzte Utopist!)

Wenn ihr wirklich einen guten Stil verbreiten wollt, dann macht das endlich, seid offen und nicht so feig, denn sonst reitet ihr alle ein Pony! (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und JETZT.)

23.57

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 286

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Wirtschaftskammerwahlen demokratisch und transparent gestalten

eingebracht im Zuge der Debatte in der 55. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Energie und Industrie über den Antrag 506/A der Ab­geordneten Peter Haubner, Ing. Wolfgang Klinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftskammergesetz 1998 geändert wird – WKG-Novelle (470 d.B.) – TOP 22

Das Wirtschaftskammer-Wahlsystem muss reformiert werden. Das bisherige Wahlsys­tem der WK hatte nur einen Zweck: Alles so zu belassen wie es schon immer war und bisherige Mehrheitsverhältnisse einzuzementieren. Fakt ist: Die Kammerwahl ist unde­mokratisch und undurchsichtig. Um das bestehende WK-Wahlsystem demokratisch und fair sowie für alle Mitglieder einfach, transparent und nachvollziehbar zu gestalten, muss dieses radikal reformiert werden.

Welche Fraktion in einer WK-Wahl die Mandatsmehrheit erhält, ist derzeit nicht nur eine Frage des Stimmenergebnisses. Denn die Zusammensetzung der Wirtschaftspar­lamente erfolgt nicht nur über eine Wahl mit Stimmzettel, sondern indirekt durch eine komplexe Hochrechnung der Fachorganisationsmandate. Diese Fachorganisations­mandate werden durch Wahlkataloge geregelt, die wiederum aktuell nach einem veral­teten und intransparenten Berechnungsschlüssel geschlussfolgert werden, und somit der amtierenden WKO-Führung und damit dem Wirtschaftsbund gelegen kommen. Be­denkt man jedoch wieviel Macht die Wirtschaftskammer hat, so ist eine grundlegende Reform der Wahlordnung der Kammer sowie eine transparente Wahlordnung und eine faire Berechnung der Wahlkataloge nach objektiven Gesichtspunkten dringend erfor­derlich.

Ein weiterer Missstand ist die Intransparenz bei der Parteienförderung durch die Bun­des- und Landeskammern. Mehrere Millionen Euro an Zuwendungen werden an wahl­werbende Gruppen ohne einen bundesweit einheitlichen Verteilungsschlüssel ausge­zahlt. Da es sich bei diesen hohen Beträgen um Pflichtbeiträge von Kammermitglie­dern handelt, ist eine Offenlegung der WK-Parteienförderung, volle Transparenz und eine detaillierte gesetzliche Regelung für die Fraktionsförderung und Wahlkampfkos­tenrückerstattung im Sinne der Zwangsmitglieder, durchzusetzen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort wird aufgefordert, eine Änderung des Wirtschaftskammergesetzes vorzuschlagen, welches die Wirtschaftskammerwahlen nach folgenden Kriterien abän­dert:

• Eine Direktwahl der Wirtschaftsparlamente

• Berechnung aller Mandatszahlen nach objektiven Kriterien, die im Wirtschaftskam­mergesetz geregelt werden

• Ermittlung der Mandate für Minderheiten auch in höheren Gremien nach Stimmen – nicht nach Mandaten

• Abschaffung der Friedenswahlen - die Zeiten, in denen es nur einen Wahlvorschlag brauchte, sind vorbei


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 287

• Volle Transparenz bei Listenzurechnungen für die höhere Ebene: Es muss am Stimmzettel klar ausgewiesen sein, welcher politischen Fraktion die Stimme auf höhe­rer Ebene zugerechnet wird

• Abschaffung der bürokratischen Unterstützungserklärungen für jene Fraktionen, die bereits im Wirtschaftsparlament vertreten sind

• Volle Transparenz, Höchstgrenze und klare gesetzliche Regelung für die Wähler­gruppenförderung."

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung. (Zwischenruf des Abg. Haubner. – Abg. Klaus Uwe Feich­tinger: Mehr Freiheit für die Wirtschaftskammer! – Abg. Schellhorn: Ich wünsche euch viel Spaß!)

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Wolfgang Klinger. – Bitte.


23.57.14

Abgeordneter Ing. Wolfgang Klinger (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! In aller Kürze: Für uns als Freiheitliche ist das absolut unter­stützenswert, weil es in einigen Bereichen genau das trifft, wobei wir auch Probleme gehabt haben. Ich spreche da zum Beispiel über die Reihung der Wahlvorschläge be­ziehungsweise die Listenreihung und auch die Absenkung der Unterstützungserklärun­gen. Das ist nicht so einfach. Wenn man weiß, wie die klein- und mittelständischen Un­ternehmen zusammengesetzt sind und wie sie alle in gewissen Bereichen weniger werden, dann weiß man auch, dass es in gewissen Branchen für kleine Fraktionen auch schwierig ist, diese Unterstützungserklärungen zu bekommen. In der Summe der Dinge können wir diesen Antrag hier unterstützen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abge­ordneten der ÖVP. – Abg. Plessl: Ihr entscheidet das! – Abg. Noll: Da habt ihr etwas falsch gemacht!)

23.58


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Rossmann. – Bitte.


23.58.23

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (JETZT): Eigentlich hatte ich ja nicht vorge­habt, zu diesem Tagesordnungspunkt zu sprechen. (Ruf bei der ÖVP: Das wäre bes­ser gewesen!) Ein Abänderungsantrag von Peter Haubner und Wolfgang Klinger, der uns vor wenigen Stunden zugetragen worden ist, veranlasst mich aber doch, hier ans Rednerpult zu treten und das ein wenig zu kommentieren.

Ich meine, dieser Abänderungsantrag weckt in mir den Gedanken, als wäre die Novel­lierung des Wirtschaftskammergesetzes nichts anderes als eine Trägerrakete für die­sen Abänderungsantrag. (Ruf bei der SPÖ: Genau!) Diesen Eindruck habe ich, weil das, was im Wirtschaftskammergesetz mit dieser Novelle geregelt wird, wirklich Klei­nigkeiten sind, die man wahrscheinlich in dieser Eile gar nicht gebraucht hätte. (Abg. Haubner: Na, schon!) Was Sie aber hier regeln und was Sie hier machen, ist wirklich Politik mit dem Brecheisen. Das ist ein weiterer mutwilliger Akt, mit dem Sie nicht eine Vereinbarkeit von Ökonomie und Ökologie herbeiführen, sondern womit Sie einen weiteren Schritt zur Demontage des Umweltschutzes einleiten. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Haubner: Na, geh!) – Na selbstverständlich, und ich werde Ihnen gleich erklären, warum das so ist.

Der Kern dieses Antrages besteht ja darin, dass die Landeskammern der WKO bei Umweltverträglichkeitsprüfungen als Standortanwalt fungieren sollen. (Abg. Jarolim:


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 288

Das ist völlig absurd!) Jetzt kann man lang darüber philosophieren, ob wir diesen Standortanwalt brauchen oder nicht. Wir haben das schon kritisiert und festgestellt: Nein, wir brauchen ihn nicht. Das ist ein unnötiger bürokratischer Aufwand. Für den Standort – das habe ich früher schon einmal gesagt – ist Ihnen aber einfach nichts zu teuer. So, das ist der eine Punkt.

Was bedeutet das, wenn jetzt die Landeskammern der WKO da die Funktion des Standortanwalts übernehmen? – Das bedeutet nichts anderes, als dass Wirtschafts­lobbyisten – nicht Umweltlobbyisten, Wirtschaftslobbyisten! – künftighin das öffentliche Interesse in Umweltverträglichkeitsverfahren vertreten. – Da wollen Sie von einer Ver­einbarkeit von Ökologie und Ökonomie sprechen? (Buhruf des Abg. Noll.) Das ist ja wirklich sagenhaft, Herr Kollege Haubner! (Abg. Wittmann: Das ist wirklich absurd!)

Wenn dann in diesem Abänderungsantrag noch drinnen steht, dass bei der Besorgung dieser Aufgabe die Landeskammern den Weisungen der Bundesministerin für Digita­lisierung und Wirtschaftsstandort unterliegen, dann frage ich Sie allen Ernstes: Was ist die verfassungsrechtliche Grundlage dafür? (Abg. Klaus Uwe Feichtinger: Es gibt kei­ne!) – Sie wissen genau, die Kammern sind als Selbstverwaltung konstituiert.

Ich sage Ihnen, dieser Abänderungsantrag wird vor dem Verfassungsgericht nie und nimmer halten. – Vielen Dank. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Jarolim: Das ist ein gutes Wahlkampfthema!)

0.01


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Pewny. – Bitte.


0.01.56

Abgeordneter Ing. Christian Pewny (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Mi­nisterin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Wirtschaftsparlament der Wirtschafts­kammer Österreich hat mit Beschluss vom 30. November 2017 die Arbeitsgruppe Wirt­schaftskammerwahlen mit der Ausarbeitung von Eckpunkten für eine Modernisierung und Entbürokratisierung des Wirtschaftskammerwahlrechts sowie mit der Ausarbeitung einer Novelle des Wirtschaftskammergesetzes beauftragt. (Abg. Jarolim: Was hat das mit Wahlen zu tun?)

Das Ergebnis wurde dem Wirtschaftsparlament am 28. Juni 2018 zur Beschlussfas­sung vorgelegt. Die Änderungsvorschläge liegen in Gestalt eines in der Wirtschafts­kammerorganisation erstellten, einem organisationsweiten Begutachtungsverfahren un­terzogenen und nach den Ergebnissen desselben überarbeiteten Entwurfs einer WKG-Novelle 2018 vor.

Insbesondere im Bereich des Wahlrechts wurden zahlreiche Vorschläge seitens der Freiheitlichen Wirtschaft eingebracht. So konnte unter anderem eine rechtliche Klar­stellung hinsichtlich der Listenreihung der Wählergruppen und vor allem eine Reduk­tion der Mindestanzahl von für die Einbringung von Wahlvorschlägen erforderlichen Unterstützungserklärungen zur Kammerwahl erreicht werden.

Weitere Verbesserungen, wie etwa die Rechtsstellung körper- oder sinnesbehinderter Wählerinnen und Wähler, wurden ebenfalls umgesetzt. Die Zusammensetzung und der Verantwortungsbereich der Hauptwahlkommissionen wurden präzisiert. Die daten­schutzrechtliche Position der in den Wirtschaftsparlamenten vertretenen Wählergrup­pen wurde verbessert. Aufgrund der Erkenntnisse der Bundespräsidentenwahl 2016 wurde eine vom Bund übernommene Regelung im Bereich der Wahlkartenkuverts ein­gearbeitet.

Aufgrund der Hartnäckigkeit der Fraktionen hat sich die gesamte Wirtschaftskammer bereits einer Reform WKO 4.0 unterzogen, konkret mit der Senkung der Kammer-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 289

umlagen 1 und 2, einer Befreiung von der Grundumlage im Gründungsjahr, der Besei­tigung der Mehrfachgrundumlagen innerhalb einer Fachgruppe und so weiter. Diesbe­züglich sprechen wir von einer Entlastung von 63 Millionen Euro für die Unternehmer.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist ein erster Schritt. Es ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, und ich bitte Sie, den Antrag zu unterstützen. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Jarolim: Die Vorgehensweise ist beschämend!)

0.04


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Andreas Ottenschlä­ger. – Bitte.


0.04.36

Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Frau Bundesministerin! Frau Präsiden­tin! Sie erlauben mir, eine kurze Replik auf den nach wie vor von mir geschätzten Kol­legen Sepp Schellhorn zu machen. Du bist ja – Entschuldigung, wenn ich das so sa­ge – auch nicht schlampig im Austeilen, also musst du auch einstecken können. Wenn du hier von Stil sprichst – ich glaube, du zielst unter anderem auch auf unsere Ver­handlungen, was die Staatszielbestimmung betrifft, ab –, so möchte ich schon auch eines hier noch einmal klarstellen; ich habe es schon bei der letzten oder vorletzten Sit­zung dokumentiert:

Wir haben einen Text mit euch ausverhandelt. Ihr habt zugesagt, dass wir diese Staatszielbestimmung so einbringen können und so miteinander beschließen; jetzt kommt aber fast im Wochentakt irgendeine Verknüpfung mit einer anderen Materie. Was ihr immer kritisiert habt, macht ihr jetzt: Ihr verknüpft eine Materie mit einer ande­ren, obwohl die miteinander nichts zu tun haben. (Abg. Rosenkranz: Echt wahr? So seid ihr?) Da solltet ihr euch fragen, was Stil in der Politik ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

0.05


00.05.49Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 470 der Beilagen.

Hiezu liegen ein Zusatzantrag der Abgeordneten Margreiter, Kolleginnen und Kollegen und ein Zusatzantrag der Abgeordneten Haubner, Klinger, Kolleginnen und Kollegen vor.

Ich werde daher zunächst über die erwähnten Zusatzanträge und schließlich über den vorliegenden Gesetzentwurf in der Fassung des Ausschussberichtes abstimmen las­sen.

Die Abgeordneten Margreiter, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag be­treffend Einfügung neuer Ziffern 3, 4, 12, 16, 17 und 18 samt den daraus resultieren­den Umnummerierungen eingebracht.

Wer sich hierfür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, ab­gelehnt.

Die Abgeordneten Haubner, Klinger, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzan­trag betreffend Einfügung einer Ziffer 1a und einer Ziffer 13 eingebracht.

Wer sich hierfür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so an­genommen.

Nun komme ich zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichts.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 290

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich hierfür aussprechen, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung dafür sind, um ein Zei­chen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Wirtschaftskammerwahlen demokratisch und transparent gestalten“.

Wer sich für diesen Entschließungsantrag ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt. (Abg. Wöginger: Bei der Arbeiterkammer hätten wir mitgestimmt!)

00.07.5623. Punkt

Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über die Regie­rungsvorlage (375 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984, die Zivilprozessordnung und das Verbraucherbe­hörden-Kooperationsgesetz geändert werden (UWG-Novelle 2018) (398 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit kommen wir zum 23. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Rainer Wimmer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


0.08.23

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundesmi­nisterin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich habe gerade mit meiner Klub­ordnerin gesprochen: Ich habe heute noch 35 Minuten Restredezeit, und es ist einfach schön, heute einmal stressbefreit hier antreten zu dürfen. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.) Wir haben ja sonst immer ein bisschen eine Zeitenge.

Es ist mittlerweile 10 Minuten nach 12 Uhr, wir haben mittlerweile ein Geburtstagskind: Liebe Petra Wimmer, herzliche Gratulation zu deinem Geburtstag! (Allgemeiner Bei­fall.)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, lasst mich jetzt ein bisschen tiefer in die Materie ein­tauchen! Es geht ja um das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und da­rum, dass Arbeitgeber einseitig Materien festlegen können, dahin gehend, was sie als Geschäftsgeheimnis bezeichnen dürfen. Das ist natürlich für die Betriebsräte und für die Arbeitnehmervertreter ganz, ganz, ganz schwierig, weil der Informationsfluss gera­de in diesem Bereich sowieso irrsinnig schwierig gestaltet wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit diesem Gesetz wird es natürlich noch schwieriger werden, und ich vermute fast, dass das kein Zufall ist. Es wäre relativ einfach gewe­sen, da eine Änderung herbeizuführen, nämlich zu sagen, dass die Informationsbe­schaffung der Belegschaftsvertretung ausgenommen wird. Das wurde leider nicht ge­macht. Das ist der Grund, warum wir diesem Gesetz nicht zustimmen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

0.09


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Andreas Kühberger. – Bitte.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 291

0.10.08

Abgeordneter Andreas Kühberger (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bun­desministerin! Hohes Haus! Liebe Österreicherinnen und Österreicher! (Abg. Leicht­fried: Ein Vorbild von der Länge her!) – Herr Kollege Leichtfried, ja, es ist 0.10 Uhr, aber ich glaube, es ist die richtige Zeit, um über Geschäftsgeheimnisse zu reden. Bitte lassen Sie mich nun auch reden!

Mit der Umsetzung der EU-Richtlinie durch diese UWG-Novelle können wir endlich das Know-how unserer Unternehmerinnen und Unternehmer besser schützen. Vor allem Österreich ist ja ein Vorreiter in neuen Technologien, wir haben eine Forschungs- und Entwicklungsquote von 3,19 Prozent. Erlauben Sie mir, dass ich hier auch über mein Bundesland, die Steiermark, berichte. Ich bin stolzer Steirer und wir haben eine For­schungs- und Entwicklungsquote von 5,14 Prozent des BIPs. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Danke für den Applaus, den würde ich auch gerne unserem Landeshauptmann weiter­geben, denn abgesehen von den Unternehmen ist es wichtig, dass die Politik entspre­chende Rahmenbedingungen anbietet. Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer und sein Regierungsteam machen eine großartige Arbeit, auch unsere Landesrätin Barbara Eibinger-Miedl. Ich bin sehr, sehr stolz, wenn ich bedenke, dass jedes dritte Hightechprodukt in Österreich einen Zusammenhang mit der Steiermark hat.

Ich komme nun aber wieder nach Österreich zurück. Damit wir den zweiten Platz, den wir in der Europäischen Union haben, halten, ist es natürlich wichtig, diese Errungen­schaften, die wir erreicht haben, diese Vorreiterrolle, diese gute Position zu erhalten. Dafür brauchen wir natürlich mutige Unternehmerinnen und Unternehmer, die innova­tive Ideen haben, denn durch diese innovativen Ideen haben wir einen guten Wirt­schaftsstandort.

Herr Kollege Wimmer, wenn Sie da dagegen sind, verstehe ich das nicht, denn in der Steiermark sehe ich, dass wir viele gut bezahlte Arbeitsplätze dieser Forschung und Entwicklung zu verdanken haben. Ich weiß, Sie sind immer gegen das, wofür wir sind; das ist bei euch normal. In diesem Bereich geht das aber gegen die Arbeitnehmer, und das tut mir recht leid, weil wir da sehr erfolgreich unterwegs sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Es kann sich, glaube ich, jeder vorstellen, dass es auch wichtig ist, viel Geld in die For­schung und Entwicklung einzubringen. Geld kann man nur einbringen, wenn die Un­ternehmerinnen und Unternehmer Gewinne erzielen, die sie dann in Forschung und Entwicklung investieren. Was passiert nun, wenn wir diese Geschäftsgeheimnisse nicht schützen? – Es wird dann keine Gewinne, keine Erlöse geben und damit auch keine Arbeitsplätze. Für den Wirtschaftsstandort schaut es dann auch sehr, sehr schlecht aus.

Man liest auch immer wieder in der Zeitung von Fällen, bei denen die Staatsanwalt­schaft aktiv wird, das Gericht dann aber nicht weitermacht, weil das noch mehr in die Öffentlichkeit bringen würde, was man nicht will. Ich glaube, man muss da schauen, und das sind wir unseren Unternehmen schuldig, dass diese rechtlich etwas dagegen tun können, dass sie ihr intellektuelles Kapital auch schützen können. (Abg. Leicht­fried: Was genau?)

Vielleicht noch dazu, was Geschäftsgeheimnisse sind: Geschäftsgeheimnisse, Herr Leichtfried – ich erkläre Ihnen das gerne (Zwischenruf des Abg. Leichtfried) –, sind zum Beispiel Rezepte oder kleine technische Verfahren, genauso aber Kundenlisten, Herr Leichtfried und Herr Wittmann, die heute aufgrund der Digitalisierung leicht ver­schickt werden können. (Unruhe im Saal. – Abg. Wittmann: Na, das hat sich jetzt nicht gut angehört!)



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 292

Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Wir haben nun den drittletzten Redner, und ich würde bitten, dass wir diesen letzten drei Rednern die nötige Aufmerksamkeit geben, damit man den Reden auch ein wenig fol­gen kann. Wir gelangen danach schon zu den Abstimmungen und sehen uns dann oh­nehin morgen Früh wieder. Ich bitte also darum, mehr Ruhe im Saal herzustellen.

Herr Abgeordneter Kühberger, Sie sind am Wort.


Abgeordneter Andreas Kühberger (fortsetzend): Ich habe eh probiert, ein bisschen lauter zu reden. Ich komme ohnehin bereits zum Schluss, weil es wirklich schon spät ist. Es ist aber ein wichtiger Punkt, weil diese Novelle wirklich ein wichtiger Schritt für unsere Unternehmerinnen und Unternehmer ist, um diesen Wirtschaftsstandort zu stär­ken und die Arbeitsplätze zu sichern.

Zum Schluss noch einmal ein Danke an all unsere Unternehmerinnen und Unterneh­mer, die großartige Arbeit leisten. Wir sind dazu da, ihnen die Rahmenbedingungen dafür zu geben. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

0.14


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Klubobmann Mag. Rossmann. – Bitte.


0.14.53

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (JETZT): Bei dieser Umsetzung der EU-Richt­linie geht es unter anderem auch um eine Regelung für Whistleblower. Der Whistle­blowerschutz ist in den letzten Jahren zunehmend wichtiger geworden, etwa im Zu­sammenhang mit dem Lux-Leaks-Skandal oder mit einem Beispiel, das ich dann ein wenig ausführen möchte – Oliver Schröm –, das gestern oder vorgestern aktuell ge­worden ist.

Das, was in dieser Novelle an Regelungen für den Whistleblowerschutz enthalten ist, ist gut, aber meines Erachtens greift es zu kurz. Insbesondere müsste man die Frage der Beweislastumkehr diskutieren. Man müsste aber auch die Frage, in welche Rich­tung denn die Arbeit an einer Whistleblowerlösung in der EU geht, mit in die Diskussion nehmen.

Das Beispiel, das ich bringen möchte, ist eines, das zeigt, dass der Schutz von Whistle­blowern, aber auch der Schutz der Pressefreiheit gar nicht weit genug gehen können. Gestern wurde bekannt, dass die Hamburger Staatsanwaltschaft gegen Oliver Schröm wegen des Verdachts auf Anstiftung zum Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheim­nissen ermittelt. Grundlage dafür ist das UWG in Deutschland. Die Materie, um die es dabei geht, sind die sogenannten Cum-Ex-Geschäfte.

Die Cum-Ex-Geschäfte sind Betrugsgeschäfte, bei denen es zu einer mehrfachen Rückerstattung der Kapitalertragsteuer bei Erträgen auf Aktien kommt. Das ist einer der größten Steuerbetrugsskandale der letzten Jahrzehnte in der Europäischen Union. Es geht vermutlich um Schadensausmaße in der Größenordnung von 55 Milliarden Euro.

Sie werden sich aber nun fragen, wer Oliver Schröm ist. Oliver Schröm ist ein Jour­nalist und einer der Initiatoren der Recherche Cum-Ex-Files – das sind genau jene Be­trugsgeschäfte. An diesem Recherchenetzwerk ist auch Österreich mit „Addendum“ beteiligt. Dieses Recherchenetzwerk hat dazu beigetragen, dass beispielsweise Öster­reich - - (Unruhe im Saal.) – Ein bisschen mehr Ruhe wäre schon angebracht, und re­spektvoll wäre es auch!

Dieses Recherchenetzwerk von „Addendum“ und anderen – unter anderem Oliver Schröm – hat auch dazu beigetragen, dass in der letzten Sitzung des Rechnungshofausschusses auch Finanzminister Löger letztendlich zugeben musste, dass in Österreich im Zusam-


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menhang mit Cum-Ex-Geschäften ein Schaden entstanden ist. (Abg. Loacker: Was hat das mit dem UWG zu tun?) Bis vor Kurzem hat er das immer noch standhaft ge­leugnet und gesagt, ein Schaden sei bisher nicht evident. Er hat uns in der Aus­schusssitzung auch zugesagt, dass es bis Ende März eine entsprechende Regelung geben soll.

Der Beitrag des Journalisten Oliver Schröm war offenbar einer Schweizer Bank ein Dorn im Auge, und einer Anzeige bei den Schweizer Behörden folgte ein entsprechen­des Gesuch an die Hamburger Ermittler. (Abg. Hammer: Haben Sie zu Hause nie­manden, dem Sie das erzählen können?) Das erste Verfahren im Zusammenhang mit Cum-Ex-Geschäften richtet sich also nicht gegen die Steuerbetrüger, sondern gegen einen Whistleblower.

Das erinnert mich sehr stark an die Lux-Leaks-Affäre, bei der nämlich durch ein luxem­burgisches Gericht Strafen gegen die Whistleblower ausgesprochen worden sind (Rufe bei der ÖVP: Redezeit!), und zwar für Antoine Deltour und einen seiner Kollegen, des­sen Namen ich gerade nicht abrufbar habe. Dieses Urteil wurde dann vom Obersten Gerichtshof in Luxemburg zurückgenommen und wieder an die zweite Instanz zurück­verwiesen.

Es ist typisch, dass Whistleblower Strafen erhalten, während jene, die dafür verant­wortlich sind, dass es diesen Lux-Leaks-Skandal gegeben hat, bisher überhaupt straf­frei geblieben und überhaupt nicht zur Debatte gestanden sind. Es geht dabei um nie­mand anderen als Kommissionspräsidenten Juncker.

Daher glaube ich, dass wir, wenn wir Interesse daran haben wollen, Skandale dieser Art, Skandale à la Lux-Leaks, aufzuklären, einen guten Whistleblowerschutz brauchen. Wir sollten daher alles tun, um einen exzellenten Whistleblowerschutz zu schaffen. Das ist schließlich auch im öffentlichen Interesse, weil es bei all diesen Skandalen um Steu­ergelder geht.

Im Sinne der Möglichkeiten, diese Skandale hintanzuhalten, brauchen wir nicht nur in Österreich, sondern auch auf europäischer Ebene gute und ausreichende Lösungen und Regelungen für Whistleblower. – Vielen Dank. (Beifall bei JETZT.)

0.20


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Pewny. (Abg. Pewny – auf dem Weg zum Rednerpult –: Als Letzter!)


0.20.46

Abgeordneter Ing. Christian Pewny (FPÖ): Österreich befindet sich im Aufschwung. Diesen haben wir nicht zuletzt unseren österreichischen Unternehmerinnen und Unter­nehmern zu verdanken, ganz unabhängig davon, ob es sich um einen traditionellen Familienbetrieb in der dritten Generation oder um innovative Start-ups handelt, ob sie im Mobilfunk Apps entwickeln oder Zulieferer für einen Global Player sind oder ob sie sich selbst sogar als Hidden Champion an der Spitze des Weltmarktes befinden. Unse­re österreichischen Unternehmen sind innovativ, modern und leistungsstark. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Sie können sechs Mitarbeiter oder auch 600 haben. Eines aber lässt sie an der Spitze stehen, nämlich ihre Ideen und ihre innovative Kraft. Ideen – das wusste schon der be­kannte österreichische Ökonom Schumpeter – sind unser Kapital. Unsere Ideen und unsere innovative Kraft sind international begehrt. Viele ausländische Staaten und Un­ternehmen beneiden uns um dieses innovative Vermögen.

Darum sind unsere innovativen Unternehmen, egal aus welcher Branche, von Spiona­geangriffen und Wirtschaftskriminalität bedroht. Es werden kriminelle Methoden wie Social Engineering oder Cyberangriffe angewendet. Allein in Österreich beträgt der ge-


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schätzte jährliche Schaden durch Wirtschaftsspionage rund 1 Milliarde Euro. Klassi­sche Innentäter spähen uns aus und gefährden unsere Produktionsanlagen. Unser Know-how und unsere Mitarbeiter sind ebenfalls gefährdet.

Daher müssen wir uns entschieden gegen diese kriminellen Machenschaften wehren. Der effektive Schutz unserer Geschäftsgeheimnisse und Produktideen liegt nicht nur im Interesse der Unternehmer, sondern auch im Interesse des Wirtschaftsstandortes Österreich. Werden unsere Ideen rechtswidrig erworben, rechtswidrig genutzt oder gar rechtswidrig für andere zugänglich gemacht, kann das heimische Arbeitsplätze nicht nur gefährden, sondern sogar vernichten.

Die Gesetzesnovelle stellt Maßnahmen und Verfahrensinstrumente zum Schutz unter­nehmerischer Geschäftsgeheimnisse bereit. Ziel ist es, einen reibungslosen und funk­tionierenden Binnenmarkt für Forschung und Innovation zu ermöglichen. Diese Ge­setzesnovelle soll vom rechtswidrigen Erwerb, der rechtswidrigen Nutzung und der rechtswidrigen Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen abschrecken. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Eine Schlüsselrolle werden dabei die zuständigen Gerichte spielen. (Zwischenruf des Abg. Jarolim.) Mithilfe dieses Gesetzes werden sie dem Wert unternehmerischer Ge­schäftsgeheimnisse endlich Rechnung tragen.

Meine Damen und Herren, Innovation und Leistung müssen geschützt werden. Mit die­ser Gesetzesnovelle schaffen wir die Grundlage für eine starke Abwehrkraft – für un­sere Ideen und gegen Ideendiebstahl. – Danke und gute Nacht! (Beifall und Bravorufe bei FPÖ und ÖVP.)

0.24

00.24.16


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist ge­schlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 375 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich hierfür aussprechen, um ein Zeichen der Zu­stimmung. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

00.25.00Abstimmung über Fristsetzungsantrag


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Scherak, Kolleginnen und Kollegen, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 19/A der Abgeordneten Dr. Matthias Strolz, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „ein Bundes(verfassungs)gesetz, mit dem das Bundes­gesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) und das Bundesgesetz über Förderungen des Bundes für politische Parteien (Parteien-För­derungsgesetz 2012 – PartFörG) geändert wird“, eine Frist bis 29. Jänner 2019 zu set­zen.

Wer spricht sich für diesen Fristsetzungsantrag aus? – Das ist die Minderheit. Abge­lehnt.


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00.25.43Einlauf


Präsidentin Doris Bures: Ich gebe bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selb­ständigen Anträge 518/A(E) bis 533/A(E) eingebracht worden sind.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 0.26 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

00.26.10Schluss der Sitzung: 0.26 Uhr

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