17.22

Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz Dr. Josef Moser: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich möchte mich einmal für die Redebeiträge bedanken, unter anderem bei Herrn Abgeordnetem Noll, der von Haltung gesprochen hat. Gleichzeitig möchte ich erwähnen, dass ich mit ihm auch Gespräche geführt habe und er in persönlichen Gesprächen avisiert hat, dass er dieser Reform zustimmen wird und eigentlich überhaupt keine Gründe hat, dem nicht zuzustimmen. Heute ist es anscheinend anders, als es damals noch gewesen ist. Haltung schaut meines Erachtens anders aus. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Rosenkranz: Also nur aus Opposition zur SPÖ!)

Wir haben – Abgeordneter Scherak hat das richtig gesagt – kein Föderalismusproblem, wir haben ein Strukturproblem, das dazu führt, dass es Doppelgleisigkeiten und Ineffi­zienzen gibt, dass das Geld bei den Bürgerinnen und Bürgern nicht ankommt, weil es in den Strukturen versickert. Das ist mittlerweile auch schon seit mehr als 30 Jahren bekannt. Was heute beschlossen wird, ist auch so ein Punkt, der schon 30 Jahre lang diskutiert wird.

Ich habe in den letzten 25 Jahren die Chance gehabt, das aktiv mitzuverfolgen und zu sehen, wohin das Ruder läuft. Das heißt, wir haben das Problem: Wir haben im Jahr 1989 bereits eine Aufgaben- und Verwaltungsreformkommission gehabt, die die Aufgabe gehabt hat, die Kompetenzen in Österreich neu zu verteilen. Das Ergebnis in dem Zusammenhang war eine Studie zur Neuverteilung der Kompetenzen in Öster­reich. Passiert ist gar nichts.

Wir haben in der Folge dann die nächste Gruppierung gehabt, das war eine Struk­turreformkommission – auch wieder: Kompetenzen sollen neu geordnet werden –, das war im Jahr 2001. Ergebnis: Es ist nichts herausgekommen beziehungsweise es wurde nichts umgesetzt.

Wir haben in der Folge dann das Perchtoldsdorfer Paktum gehabt, das auch eine Neuverteilung der Kompetenzen vorgesehen hat, unter anderem auch eine Zuweisung der Grundsatzkompetenz entweder zum Bund oder zu den Ländern. Es ist nicht umgesetzt worden.

Wir haben von 2003 bis 2005 einen Österreichkonvent gehabt, der unter anderem auch die Aufgabe gehabt hat, die im Artikel 12 vorgesehenen Elemente beziehungs­weise Materien – nämlich Grundsatzgesetzgebung: Bund; Ausführungsgesetzgebung: Land – klar zuzuweisen. Es war nicht möglich. Die Materien, über die wir heute reden, sollten in einer dritten Säule aufgefangen werden, in der Gesetzgebung und Vollzie­hung Bundessache und Landessache sind, weil man sich nicht einigen konnte, ob man das dem Bund oder den Ländern zuweist. So einfach ist es also nicht, zu sagen: Das ist die Materie oder die Materie. – Man hat es probiert, man hat es aber nicht ge­schafft.

Es gab im Jahr 2007 die nächste Arbeitsgruppe zur Staats- und Verwaltungsreform: Da hat man sich auch damit beschäftigt, da wollte man das auch zuweisen. Man hat es nicht geschafft.

Jetzt ist es passiert. Deshalb ist das meines Erachtens sehr wohl, was eine systema­tische Kompetenzbereinigung betrifft, die größte Reform seit 1929. Auch Fakten und Zahlen sind immer bestechend: Im Jahr 1974 wurde Artikel 15a geschaffen, das heißt, dass es Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern gibt. Im Jahr 1983 wurden die Umweltkompetenzen nur in Randbereichen neu geordnet. Im Jahr 1985 hat man den UVS, den Unabhängigen Verwaltungssenat geschaffen. Im Jahr 2012 hat man die Bundesverwaltungs- beziehungsweise Landesverwaltungsgerichte geschaffen. – Das war es. Das heißt, man hat 30 Jahre darüber diskutiert, etwas zuzuweisen, aber man hat es nicht geschafft.

Aus diesem Grund bin ich dagegen, das zu sagen, was Sie gesagt haben, nämlich dass das eigentlich nichts sei. Für das, was heute am Tisch liegt, haben Leute im Bund und in den Ländern Hunderte Stunden benötigt. Es sind alle Betroffenen, auch im Bereich der Kinder- und Jugendfürsorge, miteingebunden worden, damit man den Stein einmal ins Rollen bringt und Österreich in eine neue Zukunft führt, das heißt mit einem klaren Föderalismus, mit einer klaren Aufgabenverantwortung. Das passiert mit dieser Reform. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Deshalb möchte ich mich in diesem Zusammenhang auf das Herzlichste bedanken, insbesondere bei den Mitarbeitern des Verfassungsdienstes, die Außerordentliches geleistet haben, bei meiner Stabsstelle, bei den Landesamtsdirektoren und allen übri­gen Bediensteten, die mitgewirkt haben, dass es dazu gekommen ist. Ich bedanke mich in dem Zusammenhang auch bei den Landeshauptleuten, in diesem Fall insbe­sondere bei Landeshauptmann Niessl und beim vormaligen Bürgermeister Häupl. Sie haben möglich gemacht, dass wir zusammen, über die Parteigrenzen hinweg, ein gemeinsames Ergebnis, einen Kompromiss erzielt haben, der Österreich weiterent­wickelt. Ich würde auch sagen, wenn man in der Opposition ist, soll man von einem Verhalten nach dem Motto: Das ist Opposition und das ist Regierung!, weggehen und in die Richtung gehen, dass man fragt: Was braucht Österreich? – Was Österreich braucht, ist ein klarer Föderalismus, eine klare Aufgabenverantwortung und eine klare Ergebnisverantwortung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Sie haben im Ausschuss auch darauf hingewiesen, dass ich dagegen sei, dass Kom­petenzen überhaupt zu den Ländern kommen, das würde man bei der Kinder- und Jugendhilfe sehen. Ich möchte darauf hinweisen, dass die Kinder- und Jugendhilfe in den Händen der Länder ist. Auch wenn man sich das derzeitige Grundsatzgesetz anschaut, sind die Länder die Träger der Kinder- und Jugendhilfe. Was haben wir bisher gehabt? – Mit dem Grundsatzgesetz hat der Bund die Aufgaben zugewiesen, auf der anderen Seite war die Ausführung beziehungsweise Durchführung bei den Ländern, finanziert hat es der Steuerzahler.

Sie haben ja auch angesprochen, dass es in diesem Fall eine enorme Zersplitterung gibt, was die einzelnen Standards betrifft. Wenn etwas nicht funktioniert hat, dann hat der Bund darauf verwiesen: Die Verantwortung für die Ausführung liegt bei den Ländern! Die Länder wiederum haben darauf hingewiesen: In diesem Fall werden die Aufgaben ja vom Bund festgelegt, ich kann nichts dafür! – Der eine hat also die Verantwortung dem anderen zugewiesen. Deshalb ist man jetzt in die Richtung gegangen, klare Verantwortlichkeiten festzulegen, damit man in Zukunft weiß, ob die Aufgabe erfüllt oder nicht erfüllt wird, und gleichzeitig, wer die Verantwortung dafür hat.

Man hat in der Vergangenheit sehr viel diskutiert: Wie können wir – in diesem Fall – die Kinder- und Jugendhilfe stärken? Wie können wir harmonisieren? Geschehen ist nichts. Durch die Novellierung, die jetzt eben vorgenommen wird, geht es nun in eine Richtung, dass sich die Länder sehr wohl bei den Zielsetzungen dazu bekennen, eine Harmonisierung der Standards herbeizuführen, und sich gleichzeitig auch zu Folgen­dem bekennen – ich zitiere Artikel 4 –: Die Länder verpflichten sich bei Änderungen, insbesondere der Umstände bei Vorliegen von neuen wissenschaftlichen Erkennt­nissen und Expertisen aus Fachkreisen, Verhandlungen aufzunehmen, mit dem Ziel, diese rechtzeitig in Kraft zu setzen. – Zitatende.

Jetzt haben wir es schriftlich zwischen Bund und Ländern, dass endlich das passiert, was in der Vergangenheit nicht passiert ist. Das heißt, diese Reform, diese Verlän­derung führt genau die Kompetenz zu den Ländern hin. Die Länder haben die Verantwortung und haben sich dazu bekannt, die Standards weiterzuentwickeln. Ich glaube, das ist der richtige Weg, und man kann nicht sagen, dass das in diesem Fall zu einer Verschlechterung führt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Scherak: Einheitliche Standards, nicht unterschiedliche!)

Ich möchte erwähnen, dass auch die ganzen Blockademöglichkeiten endlich wegfallen. Wenn man Bezirksgerichte zusammenlegen wollte – Frau Präsidentin Griss, die ja anwesend ist, kennt dieses Beispiel –, war es bisher so, dass ein Übergangsgesetz aus dem Jahr 1920 vorgesehen hat, dass das nur im Einvernehmen mit den Ländern geht. Wohin hat das geführt? – Man hat die Bezirksgerichte nicht so zusammengeführt, dass das tatsächlich den Betroffenen, den Bürgerinnen und Bürgern dient, nein, man hat sie zusammengeführt, weil das Land das Bezirksgericht in einer bestimmten Stadt haben wollte.

Ein Beispiel dazu, und ich kann mehrere Beispiele anführen: Hartberg ist ein großes Bezirksgericht, das gut ausgestattet ist. In Fürstenfeld haben wir ein kleines Gericht, das nicht gut ausgestattet ist. Es ist nicht gegangen, im Rahmen der Zusammenlegung das Bezirksgericht Fürstenfeld nach Hartberg – wo man die ohne Weiteres aufnehmen hätte können – zu verlegen, nein, man hat das Bezirksgericht Hartberg nach Fürstenfeld verlegt, in Fürstenfeld einen Zubau mit Kosten in Millionenhöhe errichtet. Das Land hat darauf hingewiesen: Wir haben schon die Bezirkshauptmannschaft nach Hartberg verlegt, jetzt können wir nicht auch noch das Bezirksgericht dorthin verlegen, wir verlegen das Bezirksgericht nach Fürstenfeld. Das war der Punkt. So hat man bisher Reformen durchgeführt: zulasten der Steuerzahler, ohne Verbesserung der Zustände für die Bürgerinnen und Bürger. Das fällt jetzt weg.

Genauso war es, wenn sich ein politischer Bezirk beziehungsweise eine Bezirks­hauptmannschaft verändert hat. Da ist es auch in die Richtung gegangen, dass es nicht möglich war, dass beispielsweise die Stadt Steyr in dem Fall mit Wels zusam­menarbeitet, weil die eine Stadt eine Stadt mit eigenem Statut ist und ein Magistrat hat, die andere eine Bezirkshauptmannschaft. Das ging nicht, jetzt geht es.

Das heißt, in dem Zusammenhang ist man in der Lage, tatsächlich Synergien zu nutzen und Kooperationen einzugehen, damit bessere Qualität für die BürgerInnen und schnellere Erledigungen gewährleistet werden können. Das ist auch eine Folge dieses Paketes.

Wir hatten bisher zehn Datenschutzgesetze, neun in den Ländern, eines im Bund. Mit der Novelle geht es in die Richtung: nicht zehn Gesetze, sondern ein Gesetz, das durchgeführt wird.

Sie sehen also, dass dieses Reformpaket mehr ist als das, was Sie erwähnt haben. Es ist ein Paket, das tatsächlich in die Zukunft führt und ein Meilenstein in der Richtung ist, dass man endlich vom Misstrauensprinzip weg hin zum Vertrauensprinzip gekommen ist. Wie Sie gesagt haben, muss der nächste Schritt folgen, damit man nicht stehen bleibt, sondern Österreich neu baut. Auch da bin ich so weit, dass wir mit den Landeshauptleuten bereits eine Vereinbarung getroffen haben, dass die von Ihnen angesprochenen Projekte, beispielsweise Heil- und Pflegeanstalten, Elektrizitäts­wesen, Armenwesen, in dem Fall bis zum 18. Mai abgearbeitet werden. Wir sind gerade mit den Ländern dabei, auch in diesem Bereich den Artikel 12 aufzulösen.

Das heißt, wir hören jetzt nicht auf und sagen nicht, wir sind fertig, sondern wir arbeiten weiter und haben den ersten Schritt, den wesentlichen Schritt erreicht: weg vom Misstrauen, hin zum Vertrauen, zu mehr Bürgernähe und zu mehr Effizienz. Dieses Paket wird bis Mai fertiggestellt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. –Ruf bei den NEOS: Viel Glück!) – Danke! Wenn Sie in dem Bereich mitwirken, sind wir auch in der Lage, das umzusetzen. (Abg. Rosenkranz: Er braucht kein Glück, sondern Ihre Unterstützung!)

Zu den anderen Paketen, die Sie angesprochen haben – Bildung, Pflege und der­gleichen –: Pflege ist der erste Schritt, der jetzt in Angriff genommen wird. Auch da haben wir mit den Ländern vereinbart, dass wir die Pakete Pflege und gleichzeitig auch Gesundheitswesen – wir haben eine Strukturreform, die Gesundheitsreform steht aus – im Jahr 2019 in Aussicht nehmen. Das wurde mit den Ländern fixiert. Das heißt, Sie sehen, wir stoppen nicht. Wir nehmen das, was wir tun, auch ernst, und wir versuchen, das Mögliche möglich zu machen.

In dem Zusammenhang möchte ich mich beim Vorsitzenden des Verfassungs­ausschusses Dr. Wittmann bedanken, dass er und die SPÖ nach ursprünglichen Bedenken und nach Einwänden – im Zusammenhang mit der Frage, wie sichergestellt werden soll, dass es bei Kinder- und Jugendhilfe in keiner Art und Weise zu Ver­schlechterungen kommt – nunmehr zustimmen. Damit stehen eben nicht die Partei­taktik und das Tageskalkül im Vordergrund, sondern die Verantwortung für Österreich. Deshalb möchte ich mich herzlich bedanken, dass es in diese Richtung geht. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ein Thema ist vielleicht noch zu erwähnen, weil man daran sieht, was passiert ist. Das Übergangsgesetz, das von Abgeordnetem Gerstl angesprochen worden ist, ist im Frühjahr 1920 mit dem Ziel eingerichtet worden, mit der endgültigen Verfassung am 1.10.1920 dieses Gesetz wieder wegfallen zu lassen, das heißt, zu löschen. Dieses Übergangsgesetz ist nunmehr 98 Jahre alt. 1920 hat Kelsen, der Vater der öster­reichischen Verfassung, in dem Zusammenhang schon darauf hingewiesen: Es ist einfach eine bundesstaatliche Anomalie, dass selbst die innere Geschäftsordnung eines Amtes der Landesregierung der Zustimmung des Bundes bedarf. Es hat 98 Jahre gebraucht, um das zu beseitigen.

Bisher musste der Bund zustimmen, wenn ein Land seine Geschäftsordnung ändert. Wie schaut eine diesbezügliche Änderung aus? – Derzeit ist es so: Es gibt einen Beschluss der Landesregierung, der Beschluss der Landesregierung geht dann weiter zur Verständigung der Bundesregierung, von der Bundesregierung kommt er zum Verfassungsdienst, der Verfassungsdienst ersucht die Ministerien, dazu Stellung zu nehmen, die Bundesministerien nehmen Stellung, die Änderung wird dann im Minister­rat eingebracht, der Ministerrat stimmt der Änderung zu, dann wird die Landes­regierung verständigt, und dann tritt sie in Kraft. – Statt dieser sieben Schritte gibt es in Zukunft einen.

Sie sehen, es ist mehr, als Sie erwähnt haben, es ist wert, darüber zu reden. Ich hoffe daher, dass es uns in Zukunft, und ich werde Sie so wie in der Vergangenheit auch mitein­binden, gemeinsam – da das eine Zweidrittelmaterie ist – gelingen wird, das weiterzubringen und Österreich gemeinsam neu zu bauen. Das ist ein Anliegen von uns allen, es ist nicht einer Partei zuordenbar, es ist nicht einem Parteiinteresse zuordenbar, sondern es ist der Verantwortung zuordenbar, die jeder Politiker hat, wenn er sieht, es ist etwas zu tun, und dementsprechend auch die nötigen Maßnahmen beziehungsweise Lösungen in Aussicht nimmt.

Ich möchte mich daher auf das Herzlichste für die Diskussion bedanken. Ich möchte mich auch bei Ihnen, Frau Klubobfrau Rendi-Wagner – ich weiß, es ist nicht einfach –, dafür bedanken, dass Sie diesen meines Erachtens verantwortungsvollen Schritt mit­tragen und wir damit einen Schritt in die Zukunft weitergehen.

Weil Abgeordneter Noll auch den Bundesrat angesprochen hat und dass es bei der Bundesratsenquete Bedenken gegeben hat: Der Bundesrat hat im Jahr 2015 einen von zwei Gesetzesanträgen in dieser Zweiten Republik gestellt und dabei gesagt, dass genau diese Zustimmungsrechte, dieses Übergangsgesetz aufgehoben gehört. Der damalige Bundesratspräsident Kneifel hat darauf hingewiesen, dass das Steinzeit­föderalismus ist. Mit dieser Beschlussfassung nehmen wir heute auch eine Gesetzes­initiative des Bundesrates auf, der das auch so gesehen hat. Es kann also nicht so falsch sein.

Herr Abgeordneter Noll, ich schätze Sie. Vielleicht wird das nächste Mal das, was Sie sagen, auch durch Taten bewiesen, was heute leider nicht der Fall ist. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

17.36

Präsidentin Doris Bures: Nun ist Herr Abgeordneter Dr. Peter Wittmann zu Wort ge­meldet. – Bitte.