12.13

Abgeordnete Stephanie Cox, BA (JETZT): Heute, 30. Jänner 2019: „Alle drei Stun­den verunglückt ein Kind auf Österreichs Straßen, alle zwei Tage stirbt dabei ein Kind oder wird schwerst verletzt.“

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Werte KollegInnen! Ich glaube, das zeigt sehr wohl, dass es sich da nicht um eine ideologische, sondern um eine sicherheitspolitische Diskussion handelt. Es geht nicht nur um die Sicherheit von Kindern, gerade auch, wenn wir vom Abbiegen bei Rot für AutofahrerInnen sprechen, sondern es geht auch um die Sicherheit von Menschen mit Einschränkungen, zum Beispiel einer Sehbehinderung, und es geht auch um RadfahrerInnen und FußgängerInnen.

Herr Kollege Hafenecker, dazu gibt es eine 400-seitige Studie der TU Dresden, die sehr wohl besagt, dass es in Deutschland zum Beispiel Unfälle auf Zebrastreifen gibt. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Das kann man nicht ignorieren, weil es in Deutsch­land auch so ist, dass man deswegen zurückgefahren ist und es immer weniger Kreuzungen gibt, an denen man als AutofahrerIn bei Rot abbiegen darf. Das kann man nicht ignorieren, das muss man in Betracht ziehen, wenn man eine Änderung vornehmen möchte, denn AutofahrerInnen haben einen toten Winkel. Es ist eine geschlossene Karosserie – ich bin selbst Autofahrerin –, und es ist so, dass das für FußgängerInnen gefährlich ist.

Mein Kollege von der SPÖ hat es schon gesagt, gerade für Menschen mit Seh­behin­derungen ist es besonders gefährlich – und auch, wie eingangs schon gesagt, für Kinder. Das dürfen wir nicht ignorieren, und deswegen werden wir nicht zustimmen, wenn es darum geht, dass AutofahrerInnen bei einer roten Ampel abbiegen können sollen.

Wer aber unserer Meinung nach sehr wohl abbiegen können sollte, sind Radfah­rerIn­nen, weil es da auch genug Beispiele und Studien gibt, dass diese keinen toten Winkel in dieser Form haben. (Abg. Deimek: Und die führen keine Fußgänger zusammen?! Die fliegen dann drüber?!) Da gibt es Beispiele aus Belgien, Dänemark, den Nie­derlanden, Frankreich und der Schweiz, dort funktioniert es sehr wohl. Und es ist auch eine Grundsatzentscheidung, ob man Anreize für RadfahrerInnen und dafür schafft, dass mehr Menschen aufs Rad steigen. (Abg. Deimek: Wieder bei der Ideologie! Danke!) Deswegen bringen wir auch folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Stephanie Cox, BA, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

a) Ziffer 7 lautet:

7. In § 38 wird nach Abs. 5 folgender Abs. 5a eingefügt:

(5a) RadfahrerInnen dürfen abweichend von Abs. 5 an Kreuzungen trotz rotem Licht rechts abbiegen, wenn

1. eine Behinderung oder Gefährdung anderer VerkehrsteilnehmerInnen, insbesondere des FußgängerInnen- und Fahrzeugverkehrs der freigegebenen Fahrtrichtung, ausge­schlossen ist,

2. das Abbiegen im Schritttempo ausgeführt wird und

3. das Rechtsabbiegen bei rotem Licht an der betreffenden Kreuzung nicht durch eine entsprechende Zusatztafel neben dem roten Lichtzeichen verboten wurde.

b) Ziffer 8 entfällt.

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Was bedeutet das? – Um es noch einmal zu betonen: Wir sind sehr wohl dafür, dass RadfahrerInnen abbiegen dürfen, weil bewiesen ist, dass da diese Gefahr nicht besteht, was bei AutofahrerInnen sehr wohl der Fall ist – denn wir sind für Sicherheit, vor allem wenn es um Kinder geht, um Menschen mit Behinderungen und alle, die davon betroffen sind. (Abg. Deimek: Fahrräder bleiben auf null stehen! Autos haben einen unendlichen Bremsweg! Ich habe gedacht, Sie ...!)

Beim zweiten Antrag, den wir heute einbringen, weil uns das Thema Sicherheit sehr wichtig ist, geht es um den Sicherheitsabstand. Viele von Ihnen, nicht nur Radfah­rerInnen und Menschen, die einspurige Fahrzeuge benutzen, sondern auch Autofah­rerInnen, kennen das: Wenn der Sicherheitsabstand nicht eingehalten wird, kommt es zu Unfällen, gerade wenn man überholt. All diejenigen, die einen Führerschein besit­zen, wissen es, man hört es in der Schule, vor allem in der Fahrschule, da wird es bereits unterrichtet: Es muss einen Mindestabstand geben. Da fehlt uns aber noch die Klarstellung durch den Gesetzgeber, und deswegen wollen wir Folgendes:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Stephanie Cox, BA, Kolleginnen und Kollegen

betreffend „den Seitenabstand beim Überholen von einspurigen Fahrzeugen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, bei der Vollziehung des § 15 Abs. 4 StVO folgende Interpretation zugrunde zu legen: Beim Überholen von einspurigen Fahrzeugen müssen LenkerInnen von Kraftfahrzeugen mit einer Eigengeschwindigkeit von über 30 km/h jedenfalls einen seitlichen Abstand von mindestens einem Meter zuzüglich eines Zentimeters pro km/h ihrer Geschwindigkeit einhalten.“

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Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir hören es, in der Lehrpraxis wird es gelehrt, Sachverständige orientieren sich daran, aber es wird in der Praxis noch immer anders gelebt. Da müssen wir ein klares Bekenntnis, da müssen Sie ein klares Bekenntnis abgeben, weil es nicht ausreicht, dass es einen Mindestabstand geben muss, sondern der muss auch dementsprechend erläutert werden, damit sich jeder auskennt – denn da geht es um Sicherheitspolitik, da geht es darum, dass wir für die maximale Sicherheit auf der Straße sorgen. (Beifall bei JETZT sowie des Abg. Bernhard.)

12.18

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

§ 53 Abs 3 GOG-NR

der Abgeordneten Stephanie Cox, Freundinnen und Freunde

zur Regierungsvorlage (449 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die Straßenver­kehrsord­nung 1960 geändert wird (30. StVO-Novelle) (TO-Punkt 1)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesentwurf wird wie folgt geändert:

a)         Ziffer 7 lautet:

7. In § 38 wird nach Abs. 5 folgender Abs. 5a eingefügt:

„(5a) Radfahrer dürfen abweichend von Abs. 5 an Kreuzungen trotz rotem Licht rechts abbiegen, wenn

1.         eine Behinderung oder Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, insbesondere des Fußgänger- und Fahrzeugverkehrs der freigegebenen Fahrtrichtung, ausgeschlos­sen ist,

2.         das Abbiegen im Schritttempo ausgeführt wird und

3.         das Rechtsabbiegen bei rotem Licht an der betreffenden Kreuzung nicht durch eine entsprechende Zusatztafel neben dem roten Lichtzeichen verboten wurde.“

b)         Ziffer 8 entfällt.

Begründung

Eine im Auftrag der Unfallforschung der Versicherer durchgeführte umfassende Unter­suchung1 aus Deutschland, wo eine Form des „Rechtsabbiegens bei Rot“ bereits seit den frühen 90ern existiert, zeigt, dass mit dieser Regelung insbesondere die nicht­motorisierten Verkehrsteilnehmer gefährdet werden. Vor allem das wichtige „Anhalten vor dem Abbiegen“ wird kaum praktiziert. Sehr oft wird in Deutschland eine Blockade der Fuß- und Radverkehrswege durch Kraftfahrzeuge beobachtet. Und außerdem wurde ein genereller Vorteil für den Verkehrsablauf nicht abgeleitet. Darüber hinaus tun sich laut Studie offenbar auch die Verkehrsbehörden schwer bei der Abwägung, wo die Rechtsabbiegeregelung angewendet werden kann und wo nicht. Es ist davon auszugehen, dass in Summe ähnliche Ergebnisse auch in Österreich zu erwarten sein werden. Es würde sich als nicht besonders umsichtig erweisen, wenn negative Erfah­rungen aus dem Ausland, die wissenschaftlich umfassend belegt sind, wider besseres Wissen im Inland vom Gesetzgeber implementiert werden. Sehr wohl eignet sich eine Regelung des Rechtsabbiegens bei Rot allerdings für Radfahrer. Entsprechende Rege­lungen gibt es bereits in Belgien, Dänemark, den Niederlanden und Frankreich. Eine solche Regelung dient dem Ziel der Stärkung des Radverkehrs. Mit diesem Abände­rungsantrag wird das Rechtsabbiegen bei roten Ampeln für Radfahrer ermöglicht.

1 Maier R./Hantschel S./Ortlepp J./Butterwegge P., Sicherheit von Grünpfeilen (2015).

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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Stephanie Cox, Freundinnen und Freunde

betreffend den Seitenabstand beim Überholen von einspurigen Fahrzeugen

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 1: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (449 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (30. StVO-Novelle) (479 d.B.)

Begründung

Die gegenseitige Rücksichtnahme aller VerkehrsteilnehmerInnen ist für ein unfallfreies Miteinander unerlässlich. Die Zahl der Autounfälle mit Beteiligung von einspurigen Fahrzeugen steigt allerdings stetig an. Besonders gefährdet sind Rad- und Moped­fahrer, die naturgemäß regelmäßig von PKW und LKW überholt werden. Ein zu gerin­ger seitlicher Sicherheitsabstand beim Überholvorgang ist dabei einer der größten Risiko- und Konfliktfaktoren. Bereits seit langem ist fester Bestandteil der Lehre in der Fahrschulpraxis, dass beim Überholen eines einspurigen Fahrzeugs entsprechend der Geschwindigkeit des überholenden Fahrzeugs ein seitlicher Mindestabstand von einem Meter zuzüglich einem Zentimeter pro km/h einzuhalten ist. Dieser Abstand ist auch im Fahrprüferhandbuch des BMVIT genannt. Er bedeutet, dass zB beim Überholen mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h ein Mindestanstand von 1,5 Metern zu einspurigen Fahrzeugen einzuhalten ist.

In der Praxis wird dieser notwendige Mindestabstand zu einspurigen Fahrzeugen aller­dings in sehr vielen Fällen nicht eingehalten, weshalb zum Schutz dieser besonders gefährdeten Gruppe von VerkehrsteilnehmerInnen – zumindest beim Zusammentreffen mit schnell fahrenden Kraftfahrzeugen – eine der bisherigen Lehrpraxis in Fahrschulen entsprechende Interpretation des vom Gesetz geforderten Abstandes sicherzustellen ist.

Im Beschluss über diesen Antrag bringt der Nationalrat seinen Wunsch hinsichtlich der Vollziehung des § 15 Abs 4 StVO zum Ausdruck, soweit die zur Anwendung dieser Bestimmung berufenen Behörden den Mindestabstand beim Überholen einspuriger Fahrzeuge zu beurteilen haben.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, bei der Vollziehung des § 15 Abs. 4 StVO folgende Interpretation zugrunde zu legen: Beim Überholen von einspurigen Fahrzeugen müs­sen LenkerInnen von Kraftfahrzeugen mit einer Eigengeschwindigkeit von über 30 km/h jedenfalls einen seitlichen Abstand von mindestens einem Meter zuzüglich eines Zentimeters pro km/h ihrer Geschwindigkeit einhalten.“

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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag und der Abänderungsantrag sind ordnungsgemäß eingebracht und stehen daher mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager. – Bitte.