18.17

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Geschätzte Damen und Herren! (Der Redner stellt eine rote, schwarz um­randete Tafel, auf der die weiße Aufschrift „Feiertag“ schwarz durchgestrichen ist, auf das Rednerpult.) Ich bin schon etwas erschüttert über die Argumente, die Sie von FPÖ und ÖVP hier verwendet haben, weil Sie das Urteil des Europäischen Gerichtshofes einfach falsch argumentieren und kommentieren, und das ist eigentlich schlimm. (Abg. Höbart: Wir argumentieren es falsch?! – Die Arbeiterkammer ...!)

Ja, ich gebe Ihnen recht, Sie haben jetzt eine Lösung vorgelegt, die diskriminierungs­frei ist, aber nicht zum Vorteil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – das ist der große Unterschied –, und unser Vorschlag wäre das gewesen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Rosenkranz: Aber das steht ja nicht drinnen im Erkenntnis!)

Und wissen Sie, was heute in der Debatte ganz schlimm war? – Dass die Frau Sozial­ministerin sagte: „Die Wirtschaft schafft die Arbeit, bitte merkt euch das einmal!“ – Ist das nicht schlimm, dass Sie als Sozialministerin das sagen? Als Sozialministerin haben Sie die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu vertreten (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ), aber nicht die Interessen der Wirtschaft! Sie sind im falschen Ressort, Sie müssen ins Wirtschaftsministerium wechseln, dort sind Sie richtig aufgehoben!

Wissen Sie, was bei der ganzen Sache noch ganz schlimm ist (Abg. Höbart: Ihr seid hängen geblieben in den Fünfzigerjahren!): die Glaubwürdigkeit, die Glaubwürdigkeit Ihrer Regierungsmitglieder. Die Frau Sozialministerin sagte am 3. Feber mittags in der „Pressestunde“ zum Thema zusätzlicher Feiertag: „Das wird wahrscheinlich sein, ja“, aber auch ein zusätzlicher Urlaubstag ist möglich. – Ein zusätzlicher Urlaubstag! Wo ist Ihre Glaubwürdigkeit?

Oder: Ihr Minister Blümel am 24. Jänner in den österreichischen Medien: „Niemandem soll etwas weggenommen werden.“ – Toll ist das, eine tolle Aussage! Wo ist Ihre Glaubwürdigkeit?

Dann doktern Sie bei einem Gesetz herum, das wieder irrsinnig viele Fehler und Rechts­unsicherheiten enthält. Am 22. Jänner war das Urteil. 36 Tage haben Sie hin und her gepfuscht – mit einem halben Tag, mit einem Abtausch –, und heute, vor 18 Stunden und 22 Minuten, knallen Sie uns ein Gesetz auf den Tisch (Abg. Nehammer: Drei Seiten! Drei Seiten!), das wieder ein Leckerbissen für alle Arbeitsrechtler ist, das wieder diskriminiert, weil es Unterschiede zwischen dem Landesdienstrecht, den Ge­meindebediensteten und anderen Gruppen gibt. Das ist eigentlich schlimm, dass Sie nicht einmal fähig sind, ein gescheites Gesetz zu machen – ein gescheites Gesetz im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. (Beifall bei der SPÖ.)

Dann geht Herr Strache her und sagt: So gut wie möglich bei alter Regelung bleiben; die Arbeiterkammer ist schuld, dass ein Arbeitnehmer seine Rechte eingeklagt hat! – Ja, ist die Arbeiterkammer in Österreich daran schuld, dass im Jahr 2018 500 Millionen Euro erstritten wurden (Zwischenruf bei der ÖVP), Geld, das Arbeitgeber Arbeitnehme­rinnen und Arbeitnehmern nicht bezahlt haben? Wollt ihr die Arbeiterkammer dem­entsprechend so darstellen und schlechtmachen? (Beifall bei der SPÖ.)

Dann gibt der Herr Vizekanzler am 30. März 2018 ein Schreiben heraus – Zitat –: „Sehr geehrte Damen und Herren!“ Im Namen des Herrn (eine Sprechpause machend) – Vizekanzlers - - (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ, NEOS und JETZT.) „Im Namen des Herrn Vizekanzlers gebe ich bekannt, dass die Bediensteten des Bundesministe­riums für öffentlichen Dienst und Sport am Karfreitag, 30. März 2018, ganztägig vom Dienst befreit sind“. – Warum messt ihr bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit zweierlei Maß? (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Das ist nicht fair. Das haben sich die Menschen, die in diesem Land schwer arbeiten, nicht verdient! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Jetzt gehen Sie her und sagen (weitere Zwischenrufe bei der FPÖ) – die nächste Beleidigung aller Beschäftigten –, wir arbeiten zu wenig. – Ja, seid ihr noch ganz gescheit? Wir haben die höchste tatsächliche Jahresarbeitszeit in ganz Europa (eine Tafel in die Höhe haltend), und ihr sagt, wir arbeiten zu wenig?! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haubner: Nach welcher Statistik?!) – Eurostat, Vollzeitarbeitsplätze. Wir arbeiten eineinhalb Wochen länger als die Deutschen. Wir arbeiten zwei Wochen länger als die Schweden. Wir arbeiten zweieinhalb Wochen länger als die Dänen. Dann packt ihr mit dem neuen Arbeitszeitgesetz noch 96 Stunden drauf (anhaltende Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ), dann sagt ihr, dass wir an vier Sonntagen arbeiten sollen. (Bun­desministerin Hartinger-Klein: Das glaubst du aber selbst nicht!) – Das ist nicht fair gegenüber den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in diesem Land; sie haben sich einen gesetzlichen Feiertag am Karfreitag verdient! (Anhaltender Beifall bei der SPÖ. – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich glaube, Mag. Gödl hat es gesagt: Wir haben so viele Feiertage. – Wir liegen im unteren Drittel in Europa. Das ist (ein Schriftstück in die Höhe haltend) eine Statistik der WKO. (Abg. Haubner: Na, bitte!) Das ist dein Logo (auf eine Bildmarke auf dem Schriftstück zeigend), Peter Haubner, das ist dein Logo. Die Wirtschaftskammer Österreich sagt im Februar 2019: Wir haben elf Feiertage. Warum? – Das ist eine ehrliche Statistik: weil zwei Tage pro Jahr auf Samstage und Sonntage fallen. Das ist eine ehrliche Statistik, aber nicht das, was ihr behauptet: Wir haben 13 Feiertage, wir haben so viele und, und, und. (Abg. Haubner: Na, haben wir ja, haben wir ja! – Ruf: Heuer haben wir sogar 14!) Es gibt Länder wie Belgien und Spanien, in denen die Feiertage dementsprechend gutgeschrieben werden.

Zum Abschluss (anhaltende Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ): Sie haben jetzt wirklich die Möglichkeit, unserem gesamtändernden Antrag, den ich einbringe und der zur Verteilung gebracht wurde, zuzustimmen. Es ist der gesamtändernde Abände­rungs­antrag der Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen zum Antrag 606/A. Inhaltlich geht es darum, dass der Nationalrat in zweiter Lesung einen gesetzlichen Feiertag am Karfreitag für alle beschließen wolle.

*****

(Beifall bei der SPÖ.)

Sie als 112 Abgeordnete von FPÖ und ÖVP haben jetzt die Möglichkeit, einmal in 14 Monaten zu beweisen, dass Ihnen alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in dieser Republik wichtig sind. Diese Möglichkeit haben Sie. (Ruf: Der jämmerlichste AK-Wahlkampf, so jämmerlich wie seit Jahrzehnten nicht mehr!) – Das ist ein gutes Stich­wort, das mache ich noch, sehr gut!

Wenn ich jetzt zurückschaue: Betreffend den Karfreitag von vor circa 2000 Jahren steht im Evangelium nach Lukas 23 Folgendes geschrieben (anhaltende Zwischenrufe bei FPÖ und ÖVP): „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haubner: Scheinheilig seid ihr! Scheinheilig! – Ruf bei der FPÖ: Sozialistische Pharisäer Österreichs! – Anhaltende Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Jetzt sage ich euch etwas: Ihr wisst sehr wohl, was ihr tut. Ihr seid auf Raubzug aus – auf Raubzug! –, bei dem ihr jedem Menschen, der einen Feiertag gehabt hat, einen Feiertag wegnehmt und auch einen Urlaubstag streicht. Das ist nicht fair! (Beifall bei der SPÖ.)

An dieser Stelle an alle Beschäftigten in dieser Republik Österreich: Diese Regie­rungsparteien haben sich die rote Karte verdient – die rote Karte bei den AK-Wahlen! (Ah-Rufe bei der ÖVP.) Zeigen wir ihnen, dass wir uns das nicht gefallen lassen! Es reicht! (Anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

18.25

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Gesamtändernder Abänderungsantrag

der Abgeordneten Muchitsch

und Genossinnen und Genossen

zum Antrag 606/A der Abgeordneten Mag. Ernst Gödl, Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsruhe­ge­setz, das Bäckereiarbeiter/innengesetz 1996, das Feiertagsruhegesetz 1957, das Landarbeitsgesetz 1984, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz und das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz geän­dert werden (500 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsruhegesetz, das Feiertagsruhegesetz 1957, das Bäckereiarbeiter/innengesetz 1996 und das Land- und Forstarbeiter-Dienstrechts­ge­setz geändert werden

Der Nationalrat hat beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Arbeitsruhegesetzes

Das Arbeitsruhegesetz, BGBl. I Nr. 144/1983, zuletzt geändert durch das Bundes­gesetz BGBl. I Nr. 53/2018, wird wie folgt geändert:

1. In § 7 Abs. 2 wird nach der Wortfolge „6. Jänner (Heilige Drei Könige)“ das Wort „Karfreitag“ eingefügt.

2. § 7 Abs. 3 entfällt.

Artikel 2

Änderung des Feiertagsruhegesetzes 1957

Das Feiertagsruhegesetz 1957, BGBl. Nr. 153/1957, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 191/1999, wird wie folgt geändert:

1. In § 1 Abs. 1 wird nach der Wortfolge „6. Jänner (Heilige Drei Könige)“ das Wort „Karfreitag“ eingefügt.

2. § 1 Abs. 2 entfällt.

Artikel 3

Änderung des Bäckereiarbeiter/innengesetzes 1996

Das Bäckereiarbeiter/innengesetz 1996, BGBl. Nr. 410/1996, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 40/2017, wird wie folgt geändert:

1. In § 14 Abs. 2 wird nach der Wortfolge „6. Jänner (Heilige Drei Könige)“ das Wort „Karfreitag“ eingefügt.

2. § 14 Abs. 3 entfällt.

Artikel 4

Änderung des Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetzes

Das Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz, BGBl. Nr. 280/1980, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. I 60/2018, wird wie folgt geändert:

§ 45 Abs. 1 lautet:

§ 45. (1) Die Sonntage sowie folgende Feiertage sind gesetzliche Ruhetage: 1.Jänner (Neujahr), 6. Jänner (Heilige Drei Könige), Karfreitag, Ostermontag, 1. Mai (Staats­feiertag), Christi Himmelfahrt, Pfingstmontag, Fronleichnam, 15. August (Mariä Him­melfahrt), 26. Oktober (Nationalfeiertag), 1. November (Allerheiligen), 8. Dezember (Mariä Empfängnis), 25. Dezember (Weihnachten), 26. Dezember (Stephanstag).

Begründung

Der Europäische Gerichtshof hat im Sinne der Klage eines nicht-evangelischen Arbeit­nehmers entschieden, der sich diskriminiert fühlte: Er forderte für Arbeit am Karfreitag zusätzlich zum Gehalt das Feiertagsarbeitsentgelt ein, wie es nach dem Arbeitsruhe­gesetz vor allem evangelischen ArbeitnehmerInnen gebühren würde.

Der Europäische Gerichtshof hat nun entschieden, dass der Karfreitag für alle Arbeit­nehmerInnen, unabhängig von der Religion, ein freier Tag sein muss bzw. bei Arbeit am Karfreitag Feiertagsarbeitsentgelt zu zahlen ist, solange der Gesetzgeber nicht eine anderweitige diskriminierungsfreie Regelung trifft.

Wie bei jeder Regelung, die von dieser Regierung vorgelegt wird, setzt sich auch hier wieder die Wirtschaft und Industrie auf allen Ebenen durch und Arbeitneh­merInnen­inter­essen werden mit den Füßen getreten. Der von Schwarz-Blau begonnene Raub­zug an den österreichischen ArbeitnehmerInnen wird auch mit der verpfuschten Karfreitags-Regelung fortgesetzt.

Statt den österreichischen ArbeitnehmerInnen, die im EU-Vergleich zu den Überstun­den-Kaisern zählen, so wie vom EuGH entschieden einen zusätzlichen Feiertag zu geben, streicht die Regierung den Karfreitag gänzlich und verhöhnt die Arbeitnehme­rInnen mit einem ‚persönlichen Feiertag‘, für den aus dem bestehenden Urlaubs­anspruch ein Urlaubstag genommen werden muss.

Im Jahresdurchschnitt kommen die Beschäftigten in Österreich derzeit bereits auf 57 Arbeitsstunden mehr als ArbeitnehmerInnen in Deutschland, 74 Stunden mehr als ArbeitnehmerInnen in Schweden und 103 Stunden mehr als ArbeitnehmerInnen in Dänemark.

Durch die Änderungen des Arbeitszeitgesetzes im Zusammenhang mit dem 12h-Tag wurde zudem die Jahresarbeitszeit um 96 Stunden (mögliche zulässige Überstunden) verlängert. Überdies ersparen sich die Unternehmen meist die sechste Urlaubswoche, weil diese wegen der immer kürzeren Arbeitsverhältnisse für immer weniger Menschen erreichbar ist.

Ein zusätzlicher Feiertag wäre daher nur ein kleiner Ausgleich dafür.

*****

Präsidentin Doris Bures: Der gesamtändernde Abänderungsantrag wurde in den Grundzügen erläutert, er wurde an alle Abgeordneten verteilt und steht mit in Ver­handlung. (Ruf: Scheinheiligkeit! – Abg. Rosenkranz: Beppo Muchitsch, in welcher Kirche treffen wir uns am Karfreitag? – Zwischenruf des Abg. Jarolim. – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Schartel. – Bitte, Frau Abgeordnete.