19.54

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ganz zu Beginn möchte ich natürlich herausstreichen, wie wertvoll die Arbeit von Krisenpflegefamilien ist. Man muss sich vorstellen, das sind Menschen, die sich freiwillig den Jüngsten in unserer Gesellschaft verschreiben, meistens unter finanziell sehr schlechten Rahmenbedingungen, mit einer großen Aufopferungsbereitschaft und einer großen Spontanität: Man bekommt einen Anruf und wenige Stunden später ist das zu pflegende Kind auch bereits im Haushalt.

Diese Personen nehmen sehr viel auf sich, und es sind nicht viele in unserer Gesellschaft: Es sind in Summe 200 Familien in ganz Österreich, die tatsächlich diese Form der Pflege übernehmen.

Die Krisenpflegefamilie hat eines an sich und in sich relativ logisch beieinander, näm­lich: Das ist eine Situation, die auf Zeit besteht. Wenn ein Kind in einer sehr schwie­rigen Situation ist, weil die Eltern eine Suchtkrankheit haben, weil ein Elternteil gewalt­tätig ist oder Ähnliches, und dieses Kind in eine Krisenpflegefamilie kommt, dann ist der Staat sehr rasch bemüht zu entscheiden, wie es weitergehen soll: Kommt es dauerhaft in eine Pflegefamilie, kann es zurückgebracht werden? – Das ist sehr schwierig, aber – das ist auch ein wesentlicher Grund – an sich funktioniert die Ent­scheidung sehr gut.

Das wiederum führt dazu, dass von den 200 Krisenpflegefamilien knapp 140 die Kinder weniger als 91 Tage haben und diese deswegen dieses Kinderbetreuungsgeld in der Vergangenheit nicht bekommen haben und, wie es aussieht, auch in der Zukunft nicht bekommen sollen.

Für uns NEOS sind zwei Punkte klar. – Der erste Punkt: Jede Krisenpflegefamilie soll, wenn es einen entsprechenden Anspruch gibt, dieses Kinderbetreuungsgeld auch bekommen, unabhängig davon, ob das Kind einen Tag oder 100 Tage bei der Krisen­pflegefamilie ist. Und: Wir stellen die Kinder in den Mittelpunkt unserer politischen Entscheidungen. Das bedeutet, wir wollen, dass jedes Kind in unserem Land die gleiche Chance hat, das bedeutet, auch die gleiche finanzielle Ausstattung, was die Familienleistungen des Staates betrifft.

Ja, die Reparatur war notwendig, aber ich glaube nicht, dass sie gut durchdacht war. Frau Ministerin Bogner-Strauß hat im Herbst, das wurde schon öfter erwähnt, gesagt, dass es eine Lösung für alle Familien geben wird. Sie hat ihr Versprechen nicht gehalten, und wir als Abgeordnete sind auch sehr kurzfristig darüber informiert worden, wie dieser Beschluss aussehen soll.

Was war also die Entscheidungsgrundlage? – Die Entscheidungsgrundlage für uns NEOS war – wir haben es uns nicht leicht gemacht –: Stimmen wir jetzt gegen diese 60 Familien, die durch diesen Beschluss wieder das Kinderbetreuungsgeld bekommen, oder ist es eine Hilfe für die anderen 140, wenn auch diese 60 es weiterhin nicht bekommen? – Wir sind der Meinung, dass die richtige Entscheidung ist, in einem Beschluss für diese 60 Krisenpflegefamilien einzutreten und unsere ganze Kraft dafür aufzuwenden, auch den anderen 140 dieses Kinderbetreuungsgeld so schnell wie möglich zur Verfügung zu stellen.

Deswegen möchte ich Ihnen auch einen Abänderungsantrag zur Kenntnis bringen. Da ich der Meinung bin, dass rasch gehandelt werden muss, möchten wir das gleich in der heutigen Beschlussfassung enthalten haben.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der dem Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Antrag 584/A angeschlossene Gesetzesentwurf wird wie folgt geändert: 

Art. 2 Z 2 lautet wie folgt:

„2. § 2 Abs. 6 lautet wie folgt:

Ein gemeinsamer Haushalt im Sinne dieses Gesetzes liegt nur dann vor, wenn der Elternteil und das Kind in einer dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft an derselben Wohnadresse leben und beide an dieser Adresse auch hauptwohnsitzlich gemeldet sind. Eine höchstens bis zu 10 Tagen verspätet erfolgte Hauptwohnsitzmel­dung des Kindes an dieser Wohnadresse schadet nicht. Der gemeinsame Haushalt gilt bei mehr als 91-tägiger tatsächlicher oder voraussichtlicher Dauer einer Abwesenheit des Elternteiles oder des Kindes jedenfalls als aufgelöst. Bei einem 91 Tage über­steigenden Krankenhausaufenthalt des Kindes wird ausnahmsweise bei persönlicher Pflege und Betreuung des Kindes durch diesen Elternteil im Mindestausmaß von durch­schnittlich vier Stunden täglich der gemeinsame Haushalt des Kindes mit diesem Elternteil im Sinne dieses Absatzes angenommen. Eine Krisenpflegeperson hat unab­hängig davon, dass nie eine dauerhafte Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft mit dem Krisenpflegekind vorliegt, Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld für dieses Krisenpflege­kind.“

*****

Das bedeutet, mit diesem Abänderungsantrag schaffen wir die Möglichkeit einer Aus­nahme für Krisenpflegefamilien. Alle Juristinnen und Juristen, die wir befragt haben, sagen uns, dieser Beschluss ist möglich. – Ich bitte hier um Ihre Unterstützung.

Was wir als NEOS erreicht haben, ist eine Evaluierung. Wir haben erreicht, dass das Kinderbetreuungsgeldgesetz ganz grundsätzlich evaluiert wird, nämlich dahin gehend, ob ein Hauptwohnsitz überhaupt passend ist, ob die verschiedenen Familienformen, die heutzutage zutage treten und auch gelebt werden, ausreichend berücksichtigt werden und ob die Krisenpflegefamilien ausreichend berücksichtigt werden. Das war nicht selbstverständlich, das haben wir errungen. Dafür danke ich auch Kollegen Sieber.

Ich möchte aber auch einen zweiten Antrag einbringen, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, weil mit dem Abänderungsantrag heute die Korrektur vorgenommen würde, es ist aber ein sehr konkreter Antrag. Es gibt für die Regierungsfraktionen eine zweite Möglichkeit, die Unterstützung für unser Ansinnen auszudrücken, nämlich durch eine Entschließung an ihre eigene Ministerin.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Unter­stüt­zung für Kurzzeitpflegepersonen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familie und Jugend, wird aufgefordert, dem Nationalrat unverzüglich eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, die eine ausreichende finanzielle Unterstützung für Krisen- und Kurzzeitpflege­eltern, unabhängig von der Dauer des Betreuungsverhältnisses, gewährleistet.“

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Damit würde man der Ministerin die Möglichkeit geben, selbst noch einmal darüber nachzudenken, was sie macht.

Ganz konkret: Der Bund hat jede Möglichkeit. Sich hinter einer Reparatur oder hinter der Länderkompetenz zu verstecken ist ein Denken im Föderalismus, im bestehenden System. Es gäbe die Möglichkeit, eigene Töpfe anzuzapfen, es gäbe die Möglichkeit, Ausnahmebestimmungen zu machen.

Das, was wir heute diskutieren, ist keine Frage der Parteifarbe; es ist auch keine Frage einer Ideologie, sondern es ist eine Frage des Respekts vor Krisenpflegefamilien und den Jüngsten in unserer Gesellschaft, und daher bitte ich um entsprechende Unter­stützung. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

20.00

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Antrag 584/A der Abgeordneten Norbert Sieber, Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Kin­derbetreuungsgeldgesetz sowie das Familienzeitbonusgesetz geändert werden (494 d.B.) – TOP 9

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der dem Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Antrag 584/A der Abgeordneten Norbert Sieber, Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Kin­derbetreuungsgeldgesetz sowie das Familienzeitbonusgesetz geändert werden (494 d.B.), angeschlossene Gesetzesentwurf wird wie folgt geändert:

Art. 2 Z. 2 lautet wie folgt:

„2. § 2 Abs. 6 lautet wie folgt:

Ein gemeinsamer Haushalt im Sinne dieses Gesetzes liegt nur dann vor, wenn der Elternteil und das Kind in einer dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft an derselben Wohnadresse leben und beide an dieser Adresse auch hauptwohnsitzlich gemeldet sind. Eine höchstens bis zu 10 Tagen verspätet erfolgte Hauptwohn­sitz­meldung des Kindes an dieser Wohnadresse schadet nicht. Der gemeinsame Haushalt gilt bei mehr als 91-tägiger tatsächlicher oder voraussichtlicher Dauer einer Abwe­senheit des Elternteiles oder des Kindes jedenfalls als aufgelöst. Bei einem 91 Tage übersteigenden Krankenhausaufenthalt des Kindes wird ausnahmsweise bei persön­licher Pflege und Betreuung des Kindes durch diesen Elternteil im Mindestausmaß von durchschnittlich vier Stunden täglich der gemeinsame Haushalt des Kindes mit diesem Elternteil im Sinne dieses Absatzes angenommen. Eine Krisenpflegeperson hat unab­hängig davon, dass nie eine dauerhafte Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft mit dem Krisenpflegekind vorliegt, Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld für dieses Krisenpflege­kind."

Begründung

Die Arbeit von Krisenpflegeeltern ist für ein funktionierendes Netz im Kinder- und Jugendhilfebereich in Österreich unerlässlich. Deren Situation und finanzielle Absiche­rung ist allerdings davon abhängig, in welchem Bundesland sie leben. Mit dem vorlie­gen­den Gesetzesentwurf kommt es zwar zu einer gesetzlichen Klarstellung, was das Erfordernis eines gemeinsamen Haushalts gem. KBBG angeht. Von der Definition einer dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft, die iSd § 2 Abs 6 mindestens 91 Tage andauern muss, geht man aber nicht ab. Für Krisenpflegeeltern, die ein Pfle­ge­kind kürzer als 91 Tage bei sich aufnehmen, ist dementsprechend kein Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld vorgesehen. Für diese Gruppe muss es ebenso Unterstützung von Seiten des Bundes geben, der durch die vorliegende Änderung sichergestellt wird. Sie erhalten dadurch Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld, sobald sie ein Krisenpfle­gekind bei sich aufnehmen.

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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Unterstützung für Kurzzeitpflegepersonen

eingebracht im Zuge der Debatte in der 63. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Antrag 584/A der Abgeordneten Norbert Sieber, Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Kinderbetreuungsgeld­gesetz sowie das Familienzeitbonusgesetz geändert werden (494 d.B.) – TOP 9

Die Arbeit von Krisenpflegeeltern ist für ein funktionierendes Netz im Kinder- und Jugendhilfebereich in Österreich unerlässlich. Deren Situation und finanzielle Ab-siche­rung ist allerdings davon abhängig, in welchem Bundesland sie leben. Mit dem vorlie­genden Initiativantrag kommt es zwar zu einer gesetzlichen Klarstellung, was das Erfordernis eines gemeinsamen Haushalts gem. KBBG angeht. Von der Definition einer dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft, die iSd § 2 Abs 6 mindestens 91 Tage andauern muss, geht man aber nicht ab. Für Krisenpflegeeltern, die ein Pflegekind kürzer als 91 Tage bei sich aufnehmen, ist dementsprechend kein Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld vorgesehen. Für diese Gruppe muss es ebenso Unter­stützung von Seiten des Bundes geben.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familie und Jugend, wird aufgefordert, dem Nationalrat unverzüglich eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, die eine ausreichende finanzielle Unterstützung für Krisen- und Kurzzeit­pfle­ge­eltern, unabhängig von der Dauer des Betreuungsverhältnisses, gewährleistet.“

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Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Die beiden eingebrachten Anträge, der Abände­rungs­antrag und der Entschließungsantrag, sind ausreichend unterstützt und stehen mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet hat sich die Frau Bundesminister. – Bitte, Frau Minister.