11.30

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Frau Bundes­ministerin, die österreichische Bevölkerung ist ja von Ihnen als Ministerin schon einiges gewohnt. Sie haben als Sozialministerin gesagt, dass man von 150 Euro gut leben kann, Sie haben als Gesundheitsministerin gesagt, dass Rauchen gesund ist. (Zwi­schen­bemerkung von Bundesministerin Hartinger-Klein.) All das haben wir ja von Ihnen schon kennengelernt.

Was heute ganz neu war – das muss ich sagen! –, war wirklich Ihr Auftritt am Vor­mittag, als Sie von der Regierungsbank aus demokratisch gewählte Parteien auf eine Art und Weise diskreditiert haben, dass sogar erstmals hier herinnen diskutiert worden ist, ob eine Ministerin einen Ordnungsruf erhalten soll. Ist das wirklich Ihr Ernst? Ist das wirklich Ihr Ernst? (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sage dazu: Frau Bundesministerin, es ist gut, dass Sie in vielen Fragen resolut sind, auf den Tisch hauen, aber ich würde mir dann wirklich erwarten, dass Sie das einmal in den eigenen Reihen machen. Wir reden heute über den Nichtraucherschutz, und es ist leicht, dass Sie über die anderen Parteien schimpfen, dass Sie sagen, was Sie nicht alles machen würden, aber der Mut fehlt Ihnen ja in den eigenen Reihen. Warum haben Sie diesen Mut, dieses resolute Auftreten nicht, wenn Strache und Kurz gemeinsam etwas auspackeln und sagen: Wir wissen besser Bescheid, was gesund ist, was nicht gesund ist, die Ärztinnen und Ärzte kennen sich nicht aus, wir wissen in Wahrheit, dass der Nichtraucherschutz ein Blödsinn ist!? – Warum stehen Sie da nicht auf und sagen: Herr Strache, Herr Kollege Kurz, das ist ein Wahnsinn, was ihr macht, das stimmt einfach nicht!? – Diese resolute Vorgangsweise wäre doch als Gesund­heitsministerin gerade in den eigenen Reihen einmal angebracht. Das machen Sie alles nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Zahlen haben wir alle im Gesundheitsausschuss gehört: Jeden Tag müssen vier Kinder und Jugendliche mit schweren Lungenentzündungen, mit Asthmaanfällen in Krankenhäusern behandelt werden. Drei Menschen sterben jeden Tag in Österreich an den Folgen des Passivrauchens – obwohl sie nicht einmal selber rauchen. Wir reden von 13 000 Menschen, die in Österreich jedes Jahr an den Folgen des Nikotinkon­sums – auch viele Passivraucher sind dabei – versterben. (Abg. Wurm: Falsch!)

Wir wissen jetzt alle, was zu tun wäre, wir wissen, dass der Nichtraucherschutz in Österreich ausgebaut werden müsste. Was passiert aber? – Wir haben eine Gesund­heitsministerin, die ganz offen sagt: Dagegen können wir nichts tun, das haben Kurz und Strache so ausgemacht!

Ja, ist das wirklich Ihr Ernst, dass Sie das so hinnehmen und sagen: Egal, was alle Ärztinnen und Ärzte sagen, was die Kinderkrebshilfe, die Krebshilfe, die Ärztekammer, Expertinnen und Experten sagen, es ist egal, Kurz und Strache haben entschieden!? – So kann man doch als Gesundheitsministerin wirklich nicht agieren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Das ist eigentlich tragisch gegenüber 900 000 Menschen, die in Österreich auf die Gemeindeämter gegangen sind und gesagt haben: Ich möchte mit meiner Unterschrift die Politik beeinflussen, sodass sie das Richtige tut! – Das ist tragisch gegenüber Ärztinnen und Ärzten, die sich viel Mühe gemacht haben, ihre Expertise zur Verfügung gestellt haben. Die haben ja die Zeit auch nicht gestohlen, die wollten uns überzeugen, die haben Fakten mitgebracht. Im Gesundheitsausschuss ist dann den Ärztinnen und Ärzten ausgerichtet worden: Traue keiner Studie, die du nicht selbst gefälscht hast!, als wären das irgendwelche Leute, die keine Ahnung haben.

So kann man doch mit Menschen nicht umgehen! Da hätten Sie aufstehen müssen, da hätten Sie resolut sein müssen – wenn es um Menschenleben in Österreich geht, um kranke Menschen und um Krankheit, die man verhindern kann! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben das doch alle mitbekommen: Jeder von uns hat doch E-Mails von Menschen bekommen, die schwere Schicksalsschläge erlitten haben, die Angehörige verloren haben, die uns gesagt haben: Bitte, denkt doch darüber nach! Kämpft für den Nicht­raucherschutz! – Wir haben doch alle diese Beispiele gehört, und all diesen Menschen richten wir aus: Das ist völlig egal, Kurz und Strache haben etwas anderes ausgemacht! – Das ist ganz hart, vor allem auch gegenüber solchen Menschen.

Kann man so in Österreich arbeiten, dass Fakten völlig egal sind, dass die Fakten gar nicht mehr zählen und dass man nur noch über persönliche Befindlichkeiten redet, dass man darüber redet, was im Regierungsprogramm auf Kosten von Menschen ausgepackelt worden ist? –   So können wir doch alle miteinander nicht arbeiten, und ich bitte euch wirklich: Ruft den eigenen Bundeskanzler und den eigenen Vizekanzler zur Ordnung und sagt ihnen, dass wir in Österreich für Menschenleben kämpfen müssen! Wir haben es heute in der Hand. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten von JETZT.)

Es ist auch kein Zufall – ich darf es nur noch einmal sagen –: Es ist Herr Vizekanzler Strache nicht da, und Sebastian Kurz ist ohnehin dafür bekannt, dass er immer dann im Ausland ist, wenn es irgendwo spannende Debatten gibt und es um menschliche Schicksale geht. Er war bei Ceta nicht im Plenum anwesend, bei der Aktion 20 000 ist er nicht da gewesen. Jetzt ist er im Ausland und erklärt sozusagen die demokratische Meinungsbildung und wie die Demokratie funktioniert. Wenn es da im Haus um direkte Demokratie geht, ist Herr Bundeskanzler Kurz natürlich nicht da. (Zwischenruf der Abg. Winzig.) Das ist eigentlich tragisch. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte noch einmal in Erinnerung rufen – weil wir wirklich sehr, sehr intensiv auch im Ausschuss diskutiert haben –: Alle Expertinnen und Experten haben zu uns gesagt: Diese österreichische Regelung, die Strache und Kurz jetzt ausgepackelt haben, ist eine Wischiwaschilösung. (Abg. Wurm: Falsch!) Niemand – niemand! – hat gesagt, dass es besser für die Gesundheit ist, dass wir den Nichtraucherschutz schwächen. Niemand hat das gesagt – niemand!

Da muss man auch so ehrlich sein und sich hinstellen und sagen: Herr Kollege Strache, wir haben alles probiert, wir haben überall herumdiskutiert, ob wir nicht doch argumentieren können, dass Rauchen gesund ist, aber alle Expertinnen und Experten waren anderer Meinung! – Man kann sagen: Herr Kollege Strache, wir haben keinen einzigen Arzt, keine einzige Ärztin gefunden, der oder die bereit war, diese Wischi­waschilinie der Bundesregierung zu vertreten und zu verteidigen! – Das kann man doch offen sagen. Man kann doch in den eigenen Reihen sagen: Wir haben uns geirrt, das ist ein Fehler, es geht um Menschenleben, korrigieren wir diesen Fehler!, und wenn wir schon selber nicht den Mut haben, dann soll doch wenigstens die öster­reichische Bevölkerung abstimmen dürfen! – Habt doch wenigstens diesen Mut! (Bei­fall bei der SPÖ.)

Symptomatisch war dann eine Diskussion, in der wir draufgekommen sind, dass in den Nichtraucherbereichen, in denen die Eltern mit den Kindern sitzen, die Schadstoff­konzentration oft viermal so hoch ist wie auf einer stark befahrenen Straße. (Abg. Wurm: Erzählen Sie die ganze Wahrheit! Die ganze Wahrheit!) Eltern sitzen dort mit ihren Kindern, wissen nicht, wie gefährlich das Ganze ist, sind dann einer Schad­stoffbelastung ausgesetzt – wir kennen die Situation, dass entweder die Türe offen ist oder dass das Abluftsystem nicht funktioniert –, und die Ärztinnen und Ärzte erklären uns, dass das bei Kindern umso schlimmer ist, weil die Lunge noch im Wachstum ist und weil die Atemfrequenz eine höhere ist.

Dann diskutieren wir – Kollegin Holzinger war dabei –, fragen: Frau Ministerin, was machen wir denn für den Schutz von Kindern und von Babys?, und die Frau Ministerin sagt darauf: Da ist halt die Frage, wo man die rote Linie zieht, weil man dann ja auch verbieten könnte, dass Kinder und Jugendliche überhaupt ins Gasthaus mitgehen, weil sie ja dort theoretisch auch Alkohol trinken könnten.

Das ist leider derselbe Schmäh, den uns Strache schon einmal versucht hat, einzu­reden. Ihr erinnert euch an den Schweinsbraten und an H.-C. Strache, als er gesagt hat: Das wird nämlich als Nächstes verboten, wenn wir jetzt den Nichtraucherschutz einführen! – Dasselbe erzählt uns jetzt die Frau Ministerin. Wenn Sie (in Richtung Bundesministerin Hartinger-Klein) fünf Bier trinken, sind Sie vielleicht rauschig, aber nicht wir alle. Das ist der Unterschied. (Heiterkeit bei und Zwischenbemerkung von Bundesministerin Hartinger-Klein.) Wenn Sie fünf Zigaretten rauchen, rauchen wir alle mit. So einfach ist es! So einfach ist es! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Herr Strache seinen Schweinsbraten isst, kostet nicht jeder von uns den Schweinsbraten von Herrn Strache, und das macht den Unterschied. Es geht um den Schutz von Nichtraucherinnen und Nichtrauchern – so einfach ist es! –, indem man als Raucher vor die Türe geht, draußen die Zigarette raucht, miteinander diskutiert und sich unterhält. Das ist eine Möglichkeit. (Zwischenruf des Abg. Neubauer.) Es geht um den Schutz von Menschen, die in der Gastronomie arbeiten.

Weiters haben wir von neuen Studien, zum Beispiel über die Schäden durch den kalten Rauch, gehört. Ihr erinnert euch vielleicht – diejenigen, die im Gesundheitsausschuss waren –: Die Räume sind ja auch Stunden und Tage danach noch kontaminiert. Mir war das selber in dieser Form gar nicht bewusst, was das vor allem für das Reini­gungspersonal heißt, dass die Leute, die danach sauber machen müssen, weiterhin die Schadstoffe einatmen. Ich meine, die Reinigungskräfte gehören doch nicht zu jener Berufsgruppe, die am allerbesten verdient. Da müssten wir doch sagen: Wir sind als Politikerinnen und Politiker verantwortlich, auch für diese Menschen zu kämpfen und das Richtige zu tun! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte nur um Folgendes bitten: Auf allen Wahlplakaten ist immer etwas von Mut und neuem Stil gestanden. Der neue Stil kann doch nicht sein, dass wir sagen: Die Fakten sind uns völlig egal, die Ärztinnen und Ärzte haben keine Ahnung, und Wunderwuzzi Sebastian Kurz ist überhaupt der Topexperte, der sich viel besser auskennt als alle Ärztinnen und Ärzte dieses Landes!

Ich bitte euch wirklich: Habt den Mut! Wenn ihr nicht selber bereit seid, in den eigenen Reihen einen Kurswechsel herbeizuführen, glaubt wenigstens 900 000 Menschen, die bereit waren und den Mut gehabt haben, für das Richtige auf das Gemeindeamt zu gehen und für den Nichtraucherschutz zu kämpfen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten von JETZT.)

11.38

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Josef Riemer. – Bitte.