19.47

Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Minister! Meine Damen und Herren! Kollege Haider hat behauptet, dass über den Bre­xit nichts im EU-Arbeitsprogramm steht. (Abg. Haider: Nein! Nein! Von der Europa­flucht steht nichts drinnen! Der Brexit war ...! Ein bisschen zuhören, sinnerfassend!) Wahrscheinlich war er mit seinem persönlichen nationalen Öxit beschäftigt. Der Brexit kommt im Bericht vor, wenig substanziell, nur auf einer halben Seite.

Zum Bericht generell: Von den wichtigsten EU-Themen im heurigen Jahr kann nicht gerade gesagt werden, dass sie ambitioniert und offensiv angegangen worden sind. So ist eine klare Prioritätensetzung in Richtung Europa der Menschen anstatt in Richtung des Kapitals nicht vorhanden. Im Gegenteil: Die Bekämpfung von Lohn- und Sozial­dumping ist Ihnen kein Anliegen. Ja, diese Regierung fördert es geradezu, Österreich als Billiglohnland jeden Tag stärker zu machen, Österreich jeden Tag unattraktiver zu machen. Das ist Ihr türkis-blaues Motto.

Wenn Sie die Wirtschaft fördern, dann aber nicht den österreichischen Motor der Wirt­schaft, die Klein- und Mittelbetriebe, die KMUs, sondern die Wahlkampfspender, Ihre Mäzene, Ihre Günstlinge, die auch einmal tiefer in die Tasche greifen, und das zur rechten Zeit, vor Wahlauseinandersetzungen, damit ihr Lobbying bei Ihnen auch wirk­lich Gehör findet. Pierer von KTM ist da kein Einzelfall.

Österreich mit seiner besonderen geopolitischen Lage zwischen den ehemaligen Blö­cken im Osten und im Westen ist als Standort für die Europäische Arbeitsbehörde ge­radezu prädestiniert. Die grenzüberschreitende Arbeitsmobilität ist eine große Heraus­forderung für österreichische ArbeitnehmerInnen, da sie sich im unmittelbaren Span­nungsfeld der Lohngefälle befinden. Die österreichische Qualitätsarbeit – Qualität hat eben seinen Preis – muss auch in Zukunft erhalten werden.

Frau Minister, die großen europäischen Herausforderungen, die Bekämpfung der Kli­maerhitzung, die Bekämpfung der asozialen Konzernpolitik durch Steuervermeidung, die Friedenssicherung auf unserem Kontinent, also die großen Linien, sind diffus bezie­hungsweise defensiv verankert. Da wären Schwerpunkte zu setzen, genauso wie be­treffend Waffenexporte aus Europa, die die größte Niederlage der Menschheit, nämlich den Krieg, erst ermöglichen – und unbestritten in vielen Ländern bereits kriegerische Auseinandersetzungen verlängert haben. Diese werden in dem Bericht erst gar nicht erwähnt. Es ist beinahe eine Kapitulation für ein Land wie Österreich, das sich der im­merwährenden Neutralität verschrieben hat.

Ich möchte noch zwei Entschließungsanträge einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Kolleginnen und Kollegen betreffend „faire Arbeitsbedingungen in Europa – Lohn- und Sozialdumping bekämpfen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres werden aufgefordert

- sicherzustellen, dass Lohn- und Sozialdumping europaweit bekämpft wird, um ein fai­res und soziales Europa zu schaffen;

- im Sinne Österreichs zu handeln und sich aktiv dafür einzusetzen, dass der Sitz der Europäischen Arbeitsagentur in Österreich sein wird.“

*****

Der zweite Antrag lautet wie folgt – ich denke, die FPÖ wird da mitgehen –:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nein zu Sonderklagerechten für Konzerne – Mitbestimmung des Parlaments sichern“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirt­schaftsstandort, wird aufgefordert, keine Abkommen zu unterzeichnen oder solchen im Rat der EU zuzustimmen, wenn diese Sonderklagerechte für Konzerne enthalten.“

*****

Ich bedanke mich. (Beifall bei der SPÖ.)

19.52

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Robert Laimer,

Genossinnen und Genossen

eingebracht in der 68. Sitzung des Nationalrates im Zuge des Berichts des Außenpoli­tischen Ausschusses über den Bericht der Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres über das EU-Arbeitsprogramm 2019 (III-251/524 d.B.) (TOP5)

betreffend faire Arbeitsbedingungen in Europa – Lohn- und Sozialdumping bekämpfen

Begründung

Lohn- und Sozialdumping steht in Europa noch immer auf der Tagesordnung. Öster­reich ist davon besonders stark betroffen Die österreichische Bundesregierung hat sich während der Ratspräsidentschaft nicht dafür eingesetzt, dass sich daran etwas ändert.

Österreich ist Zielland von Entsendungen, gleichzeitig steigt Lohn- und Sozialbetrug bei Entsendefirmen. Im Jahr 2017 kamen im 300.000 EU-Arbeitskräfte per Entsendung nach Österreich. Parallel dazu ist der Sozialbetrug durch neue betrügerische Praktiken ge­stiegen. Umso wichtiger ist es, das Prinzip "gleiches Entgelt am gleichen Ort für gleiche Arbeit" in allen EU-Staaten umzusetzen.

Kontrollen der österreichischen Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) belegen die Problematik: Bei Kontrollen im ersten Halbjahr 2017 gab es bei 0,9 Pro­zent der ArbeitnehmerInnen von österreichischen Betrieben Verdachtsfälle auf Unter­bezahlung, bei Entsendebetrieben mit einem Firmensitz in anderen EU-Staaten, die ih­re Beschäftigten nach Österreich entsenden, hingegen in 44 Prozent der Fälle.

Aber damit nicht genug: Das Problem der Scheinentsendungen und der fehlenden Sanktionsmöglichkeiten bei grenzüberschreitenden Sachverhalten wird immer wieder in Österreichs Grenzregionen deutlich. Im Burgenland wurden im Jahr 2017 Strafen in Höhe von einer Million Euro von ungarischen Unternehmen eingefordert, davon konn­ten aber nur 2.000 Euro tatsächlich eingetrieben werden. Genau aus diesem Grund muss die grenzüberschreitende Kontrolle sowie der grenzüberschreitende Vollzug von Verwaltungs- und Strafverfahren lückenlos sichergestellt werden, indem die nationalen Behörden in den Mitgliedstaaten zur Zusammenarbeit verpflichtet werden.

Bei der Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping ist noch einiges zu tun. Die Euro­päische Union hat aus diesem Grund – ohne die Unterstützung der österreichischen Bundesregierung – kürzlich eine Europäische Arbeitsagentur beschlossen. Dies ist ein erster wichtiger Schritt, um den massiven Problemen im Zusammenhang mit Entsen­dungen wirksam zu begegnen. Denn die Mitgliedstaaten allein stoßen wie oben darge­stellt an administrative Grenzen, die auch die vorbildlichste rechtliche Regelung (vgl. das Lohn- und Sozialdumpingbekämpfungsgesetz) ins Leere laufen lassen.

Umso bizarrer ist es, dass die schwarz-blaue Bundesregierung diesen sinnvollen Vor­schlag der EU-Kommission zuerst pro forma ablehnte, dann verzögerte und erst durch massiven Druck der Oppositionsparteien, der Sozialpartner und des Kommissionsprä­sidenten reagierte und dieses Dossier überhaupt begann zu verhandeln. Beschlossen wurde es nun ohne die Stimme der österreichischen Bundesregierung.

Das Ergebnis hätte aus Sicht der Sozialdemokratie– vor allem was die Schlagkräftig­keit und die Durchsetzbarkeit angeht, besser sein können, aber es ist ein erster wich­tiger Schritt. Letztendlich wurde die Einbindung der Sozialpartner gestärkt und der Kampf gegen Briefkastenfirmen in die Aufgabe der Agentur integriert – auch dies ge­schah ohne die Zustimmung der österreichischen Bundesregierung, die dagegen stimm­te und dies mit „überschießenden Bestimmungen“ argumentierte. (vgl. Die Presse, am 20.2.2019)

Während für Konzerne günstige Regelungen im Schnelldurchgang beschlossen wer­den, müssen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer den Preis dafür zahlen. Die Bun­desregierung muss im Sinne Österreichs handeln. Die Privilegien der Konzerne dürfen nicht fortwährend über die Rechte und Anliegen der BürgerInnen, insbesondere der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gestellt werden. Dies muss sich ändern.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres werden aufgefordert

- sicherzustellen, dass Lohn- und Sozialdumping europaweit bekämpft wird, um ein faires und soziales Europa zu schaffen;

- im Sinne Österreichs zu handeln und sich aktiv dafür einzusetzen, dass der Sitz der Europäischen Arbeitsagentur in Österreich sein wird.

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Robert Laimer,

Genossinnen und Genossen

betreffend Nein zu Sonderklagerechten für Konzerne - Mitbestimmung des Parlaments sichern

eingebracht in der 68. Sitzung des Nationalrates im Zuge der Debatte Top 5 Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Bericht der Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres über das EU-Arbeitsprogramm 2019 (III-251/524 d.B.)

Begründung

Die bedingungslose Zustimmung von ÖVP und FPÖ zu CETA, dem Handelsabkom­men mit Kanada, hat bereits gezeigt, dass die schwarz-blaue Bundesregierung nicht bereit ist, sich den Interessen von großen Konzernen entgegenzustellen. Sogar die Wiederbelebung von TTIP strebt die Wirtschaftsministerin an.

Der nunmehrige Vizekanzler Strache erklärte noch am 20. September 2017: „Soge­nannte ‚unabhängige‘ Schiedsgerichte, vor denen Konzerne ganze Staaten verklagen können, sind in dieser Form nicht zu akzeptieren! Es ist völlig unklar, wer diese Urteile fällt und wem diese ‚Richter‘ verpflichtet sind. Wir aber wollen unseren österreichischen Rechtsstaat, der ein Pfeiler der Demokratie ist, schützen und bewahren. Daher darf ei­ne Entscheidung darüber nur mit Volksabstimmung erfolgen.“ (https://www.fpoe.at/artikel/hc-strache-mehr-direkte-demokratie-und-selbstbestimmung-statt-ceta-und-ttip-diktate/).

Noch drei Tage vor der Wahl, am 12.10.2017, stimmte die FPÖ einem Antrag der SPÖ zu, der ein endgültiges Inkrafttreten von CETA verhindern wollte, so lange das Abkom­men Bestimmungen über Sonderklagerechte für Konzerne enthält. Die endgültige Ra­tifikation von CETA durch Österreich ist noch ausständig, da der Bundespräsident zu­nächst das Gutachten des Europäischen Gerichtshofes abwartet, ob CWETA tatsäch­lich mit dem Unionsrecht kompatibel ist.

Derzeit verhandelt die EU Kommission rund 20 weitere Handelsabkommen, darunter nach wie vor TTIP, das Abkommen mit den USA. Diese Verhandlungen befinden sich in unterschiedlichen Stadien. Viele dieser Abkommen enthalten Bestimmungen zum Konzernschutz. Jedes einzelne dieser Abkommen greift tief in die Regelungshoheit der Mitgliedstaaten ein. Selbst wenn Abkommen wie im Falle Japans oder Singapurs in ei­nen europäischen und einen mitgliedstaatlichen Teil aufgespalten werden, erfüllt die Bundesregierung ohne Zögern die Wünsche großer Konzerne.

Die Gefahr von Sonderklagerechten für Konzerne bleibt evident: solche Klagerechte ermöglichen es großen Konzernen, Druck auf einzelne Staaten aufzubauen. Erst vor Kurzem wurde Österreich erneut von einem Julius Meinl zuzuordnendem Konzern vor einem solchen Konzerngericht verklagt. Bereits die erste Klage kostete die österreichi­schen SteuerzahlerInnen über fünf Mio. Euro. ArbeitnehmerInnen oder andere gesell­schaftliche Gruppen haben keine solchen Möglichkeiten, was dem Grundsatz der Gleich­heit vor dem Gesetz widerspricht.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirt­schaftsstandort, wird aufgefordert, keine Abkommen zu unterzeichnen oder solchen im Rat der EU zuzustimmen, wenn diese Sonderklagerechte für Konzerne enthalten.“

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Präsidentin Doris Bures: Beide Entschließungsanträge sind ordnungsgemäß einge­bracht und stehen mit in Verhandlung.

Herr Abgeordneter Dr. Eugen Bösch ist nun zu Wort gemeldet. – Bitte.