15.01

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer! Ich darf Ihnen am Anfang ein Zitat näherbringen:

Der Verfassungsgerichtshof hat in mehreren Erkenntnissen klar festgestellt, dass „die kompromisslose Ablehnung“ aller Formen „des Nationalsozialismus ein grundlegendes Merkmal der 1945 wiedererstandenen“ Demokratie ist. Das gilt natürlich auch für 2019. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten von JETZT.)

Das hat der Bundeskanzler gesagt, an den die Anfrage eigentlich gerichtet ist. – Wo ist der Bundeskanzler? (Ruf bei der ÖVP: Na geh!) Wo ist er? (Abg. Wöginger: In China ist er, und du weißt das ganz genau! – Ruf bei der ÖVP: Ganz Österreich weiß das!) Er ist wieder nicht da, aber das ist man eh schon gewohnt.

Der Herr Bundeskanzler hat noch etwas gesagt. Der Herr Bundeskanzler hat gesagt: Personen aus dem rechtsextremistischen Milieu dürfen keinerlei Platz in Kabinetten oder Büros der Bundesregierung haben. Sollte uns eine solche Tatsache bekannt wer­den, werden selbstverständlich umgehend Konsequenzen gezogen.

Das hat der Herr Bundeskanzler auch gesagt. Es wundert mich, dass Sie da nicht klat­schen zu dem, was der Bundeskanzler so sagt. (Abg. Zarits: Weil du es sagst!) Viel­leicht klatschen Sie aus einem ganz bestimmten Grund nicht, denn wenn man nur ein bisserl recherchiert, kommt man zu einer erstaunlichen Erkenntnis: Es gibt kaum ein freiheitliches Kabinett, in dem nicht jemand ist, der zumindest im Verdacht steht, rechtsextremistisch zu sein. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Rosenkranz: Das genügt!)

Geschätzte Damen und Herren! Was ist mit diesem Grundkonsens, Herr Bundeskanz­ler? Was ist mit Konsequenzen, Herr Bundeskanzler? Wo ist Ihre Haltung in dieser Frage, Herr Bundeskanzler? Nichts als hohle Worte! (Beifall bei der SPÖ.)

Es sind ja nicht nur die Mitarbeiter. In den vergangenen Wochen waren wir Zeuge von Ereignissen, die mir aus demokratiepolitischer Sicht große Sorgen machen. Was ist in den vergangenen Wochen deutlich in der Öffentlichkeit zutage getreten? – Enge Ver­bindungen von FPÖ-Politikern zu rechtsextremen, antidemokratischen Netzwerken wie zum Beispiel den Identitären; ein EU-Spitzenkandidat, Herr Vilimsky, der einen Mode­rator, der ihm unangenehme Fragen stellt, hinauswerfen will (Widerspruch bei der ÖVP) – lesen Sie „Österreich“, da steht es! (Heiterkeit bei ÖVP und FPÖ) –; ein Innenminister, der sich über das Recht stellt; ein Vizekanzler – Sie, Herr Vizekanzler! ‑, der eine Face­book-Seite bewirbt, die den Holocaust leugnet; und am Ostermontag dieses menschen­verachtende Rattengedicht als Ostergruß.

Ich frage: Was ist mit dieser Regierung? Was ist mit euch? Das kann doch nicht sein! (Beifall bei der SPÖ.)

Nach 15 Monaten schwarz-blauer Bundesregierung sind die Dämme in diesem Land gebrochen. (Abg. Rädler: Burgenland!) Es wurden immer mehr Verstrickungen der FPÖ mit Rechtsextremen an die Oberfläche gespült, die moralischen Dämme von Poli­tikern und Politikerinnen, insbesondere FPÖ-Politikern, reißen immer mehr ein und dro­hen einzustürzen.

Gegenwärtig, geschätzte Damen und Herren – denken Sie einmal darüber nach! –, stellt die Freiheitliche Partei Österreichs die Hälfte der Mitglieder der Bundesregierung und den Vizekanzler. Der Bundeskanzler – und es ist der Bundeskanzler, der dafür am Ende verantwortlich ist! – hat dieser FPÖ beide Sicherheitsressorts zugeteilt, die Nach­richtendienste und das Kommando über 86 000 bewaffnete Österreicherinnen und Ös­terreicher. Sebastian Kurz hat die FPÖ mit den höchsten bundespolitischen Ämtern versorgt. Es ist am Ende der Bundeskanzler, der hier die Verantwortung trägt und sich heute vor dieser Sitzung drückt, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: Der Kanzler ist entschuldigt! Das geht so nicht! So geht das nicht!)

Und alles, was man hört, sind nur leere Worte, Worthülsen. (Abg. Wöginger: Er ist ent­schuldigt! Die Geschäftsordnung gilt auch für die SPÖ!) – Herr Klubobmann Wöginger! (Abg. Wöginger: Nein, da tut es sich wirklich einmal!) Der Kalender des Nationalrates dürfte dem Bundeskanzler mindestens schon seit einem Jahr bekannt sein. Und wenn er jedes Mal, wenn das Parlament tagt, irgendwo anders ist, ist das seine Verantwor­tung (Abg. Wöginger: Das ist ja nicht wahr!), und daran sieht man auch, wie ernst er dieses Parlament nimmt! (Beifall bei SPÖ und JETZT.)

Es ist bei leeren Ankündigungen geblieben. Ja, ein Vizebürgermeister ist irgendwo zu­rückgetreten – großartig, großartige Leistung! Aber das war es auch schon. Die wirkli­chen Konsequenzen bleiben aus. Was ist mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Ihren Kabinetten, Herr Vizekanzler? Was ist mit denen? Sind die noch immer dort? Ich frage Sie: Sind die noch immer dort? – Ja, sie sind noch immer dort! (Abg. Rosen­kranz: Weil es keine Rechtsextremen sind!) Keinerlei Konsequenzen hat es gegeben, keinerlei Konsequenzen! Und das ist eine Gefahr für die Demokratie im Land, für die Sicherheit im Land und für die Österreicherinnen und Österreicher, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Und was macht die FPÖ? Was macht ihr? – Ihr sitzt da und ignoriert die ÖVP, ihr igno­riert den Bundeskanzler. Ja, wenn sie sich das gefallen lassen, ist das ihre Sache. Und die Regierungsmitglieder der FPÖ sprechen weiter auf rechtsextremen Veranstaltun­gen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind weiter in den Regierungsbüros, und die FPÖ-Minister finanzieren weiter rechtsextreme Zeitungen, geschätzte Damen und Her­ren! Das ist das, was de facto in unserem Land passiert, und das ist das, was die gro­ße Gefahr für dieses Land ist, für unser Österreich!

Allein diese Einblicke zeigen, ihr seid ein Risiko für unser Land! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir erleben, dass die Grenzen des politischen und menschlichen Anstands in Öster­reich laufend ohne Konsequenzen überschritten werden – und damit diese Grenzen auch immer weiter verschoben werden. Ich fordere Sie alle auf, und es ist mir bitter­ernst damit: Es muss in unserem Land demokratischer Grundkonsens bleiben, dass Menschen nicht herabgesetzt, nicht beleidigt und nicht gedemütigt werden dürfen! (Bei­fall bei der SPÖ.)

Ich frage Sie, Sie von der ÖVP: Was muss noch passieren, dass es Konsequenzen gibt? Fakt ist leider, dass der Bundeskanzler nicht willens oder nicht in der Lage zu sein scheint, diese Entwicklung zu stoppen. Beides ist höchst gefährlich. Deshalb ha­ben wir uns auch an den Bundespräsidenten gewandt, und er hat im Gegensatz zum Bundeskanzler reagiert. Er hat den Herrn Vizekanzler zu sich zitiert. Er hat nicht weg­gesehen.

Es ist aber auch wichtig, geschätzte Damen und Herren, vor allem jene, die uns zuse­hen, dass die Österreicherinnen und Österreicher sehen, dass dieses Parlament, die­ses Hohe Haus, das die wichtigste Institution eines demokratischen Staates ist, solche Entwicklungen nicht hinnimmt. (Beifall bei SPÖ und JETZT.)

Deshalb haben wir auch diese Dringliche Anfrage eingebracht und deshalb fordern wir dazu auf, Rechtsextremismus in all seinen Formen zu bekämpfen. Deshalb fordern wir auch ein klares Bekenntnis zur Europäischen Union, zur liberalen Demokratie, zum Rechtsstaat, und, geschätzte Damen und Herren, der Bundeskanzler wird aufgefordert, endlich die Frage zu beantworten – jetzt tut er sich schwer, weil er nicht hier ist; jetzt müssen Sie das machen, Herr Strache, was natürlich ein bisschen schwierig ist, aber Sie kriegen das schon hin –, welche konkreten Handlungen er setzt, um gegen den Rechtsextremismus in Österreich und die Verstrickungen seiner Regierung in rechts­extremen, antidemokratischen Gruppen und Netzwerken vorzugehen.

Ich bin der Überzeugung, dass die FPÖ zu viele dieser Chancen, die sie auch gehabt hat, verspielt hat (Abg. Gudenus: Im Burgenland vor allem!): ein Vizekanzler, der In­halte einer Webseite teilt, die den Holocaust leugnet – Herr Strache, das ist nicht trag­bar, das sage ich Ihnen ganz offen; und Sie teilen sie nicht nur, Sie bewerben sie da­durch und machen sie einer noch größeren Gruppe von Menschen zugänglich –, In­halte, die uns an eine Zeit erinnern, von der hoffentlich wir alle hoffen, dass sie nie wie­derkommt.

Herr Strache, Sie sind nicht irgendjemand. Sie sind der Vizekanzler dieser Republik, Sie sind der FPÖ-Parteiobmann, Sie sind für die FPÖ-Ministerinnen und FPÖ-Minister verantwortlich, und Sie können und dürfen sich nicht aus dieser Verantwortung stehlen. Und wenn der Bundeskanzler nicht in der Lage ist, diese Verantwortung wahrzuneh­men, müssen wir Sie, Herr Strache, parlamentarisch zur Rechenschaft ziehen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

Für die Sozialdemokratie ist das Maß voll. Aus unserer Sicht sind Sie für die Republik, für unsere Heimat in dieser Funktion nicht mehr tragbar. (Beifall bei der SPÖ. – Zwi­schenruf des Abg. Gudenus.)

Wir stellen heute einen Misstrauensantrag gegen Sie, Herr Strache, und die ÖVP wird die Möglichkeit haben, zu zeigen, wie sie zum Verfassungskonsens steht, wie sie zu Konsequenzen steht und wie sie zu Haltung steht. Das wird sich heute zeigen, ge­schätzte Damen und Herren! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordne­ten von JETZT. – Abg. Wöginger: Zur Geschäftsbehandlung!)

15.12

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Schülergruppe aus dem Gymnasium in Eisenstadt und die Schülergruppe der Handelsschule in Oberpullendorf herzlich be­grüßen. Herzlich willkommen hier bei uns im Hohen Haus! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ. – Abg. Wöginger: Herr Präsident! Zur Geschäftsordnung!)

*****

Herr Klubobmann Wöginger hat sich zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet. – Bitte.