11.23

Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Danke, Herr Vilimsky, denn Sie haben einen wahren Satz gesagt, und den kann ich – nur ein bisschen abgeändert – wiedergeben: Bitte wählen Sie weder das Original noch die Kopie! (Beifall bei den NEOS und bei Abge­ordneten der SPÖ.) Jetzt ist es nämlich ganz eindeutig und klar, dass ÖVP und FPÖ in ihren europapolitischen Ansichten nicht mehr zu unterscheiden sind. (Neuerlicher Bei­fall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Leichtfried: Das stimmt eigentlich! Gute Rede!) Das haben die Wählerinnen und Wähler auch jetzt, heute, wieder einmal klar hören können, wie auch in den letzten Tagen, als die Vorschläge vom Herrn Bundeskanzler gekommen sind: „Regelungswahnsinn“, Bürokratiekonze- -, Bürokratiekoze- -, „Bürokratiekorsett“, „Bevormundung“ – ich kriege solche Worte kaum heraus. (Abg. Leichtfried: Hausverstand!)

Es erinnert jedenfalls sehr stark an die FPÖ, und es ist die Frage, ob an die FPÖ in ihren besten oder in ihren schlechtesten Zeiten, als das EU-Bashing in den Neun­zigerjahren noch sehr en vogue war.

Ein Zitat aus den letzten Tagen zeigt die Haltung, die die ÖVP jetzt einnimmt, sehr klar: „Statt ständig mehr Geld zu verlangen, sollte die EU aufhören, den Menschen immer mehr vorzuschreiben, wie sie zu leben haben.“ Wer hat das gesagt? Bundeskanzler Kurz oder H.-C. Strache? Es war überraschenderweise – oder nicht überraschender­weise, je nachdem, wie lange man schon genauer darauf schaut – der ÖVP-Parteichef und Bundeskanzler Sebastian Kurz, in einer Manier nach Strache, Le Pen oder Herrn Vilimsky, einem AfDler – je nachdem, wen man nehmen will –; anders als H.-C. nicht mit dem Kreuz, sondern mit dem Schnitzel in der Hand (Heiterkeit der Abg. Meinl-Reisinger), wütend auf Brüssel. (Beifall bei den NEOS.)

Es wird auf Europa geschimpft, und dann gibt es auch noch eine populistische Forde­rung extra obendrauf. Ist Ihnen das nicht peinlich, liebe ÖVP? (Beifall bei den NEOS.) Haben Sie das wirklich nötig? Haben Sie es wirklich nötig, hier die Kopie der FPÖ zu geben? Wie können Sie sich noch eine proeuropäische Partei nennen, denn von wel­cher Seite ist denn jetzt in den letzten Tagen Applaus gekommen? – Von der Leave-Kampagne im UK, der Kampagne für den Brexit, die getwittert hat: „Austria’s Chancel­lor [...] lays into the ,madness‘ of Brussels“. Da hat man seine Freunde gefunden. So war nämlich auch in Großbritannien der Anfang vom Ende: mit einer populistischen Kampagne, frei von Wahrheiten, frei von Fakten, aber stark an populistischen Aussprü­chen, stark an populistischen Sätzen, die jeden Tag gepredigt wurden, wie: Brüssel nimmt uns die Eigenverantwortung, Brüssel bevormundet uns.

Aber wie ist denn das in Wirklichkeit? Was stimmt wirklich? (Abg. Neubauer: Sie wol­len Österreich abschaffen! – Heiterkeit der Rednerin.) – Von den fünf Reformvorschlä­gen, die betreffend EU-Reform gekommen sind, sind wir uns eigentlich nur bei einem Vorschlag wirklich sicher, dass es dafür überhaupt eine Vertragsänderung braucht, und das wäre die Verlegung des Sitzes des EU-Parlaments, worüber sich im Übrigen alle einig sind – bis auf einen, und den kriegen wir vielleicht auch noch dazu.

Was aber schon bezeichnend ist: Warum sind diese Vorschläge eigentlich nicht wäh­rend der Ratspräsidentschaft gekommen? – Schauen wir uns doch an, was an euro­papolitischen Vorschlägen während der Ratspräsidentschaft gekommen ist: die Kür­zung der Familienbeihilfe für unsere UnionsmitbürgerInnen, das Nichtmittragen des UN-Migrationspakts und das Weiterführen von Grenzkontrollen an den österreichi­schen Grenzen – drei antieuropäische Forderungen, die die ÖVP damals auf den Tisch gelegt hat. Und jetzt kommt sie mit ihren Reformen und Vorschlägen daher, wie man den EU-Vertrag ändern sollte. (Beifall bei den NEOS.)

Dann diese abstrusen Zahlen: tausend Verordnungen, ohne genau sagen zu können, was gemeint ist. (Zwischenruf des Abg. Vogl.) Die Pommes! Wie hätten Sie denn ger­ne Ihre Pommes? Mit ein bisschen krebserregendem Acrylamid drübergestreut? Ich glaube, die Bürgerinnen und Bürger der Union hätten gerne die Sicherheit, zu wissen, egal in welchem Land der Europäischen Union sie in ein Lokal gehen und ein Schnitzel mit Pommes bestellen, es beinhaltet keine krebserregenden Stoffe. – Ich würde sagen, die Europäische Union hat da für ihre BürgerInnen geliefert. Wenn Sie das ändern wollen – bitte sehr, aber bitte auf eigene Gefahr! (Beifall bei den NEOS.)

Populismus und das Klein-Klein bringen uns hier jedenfalls nicht weiter, das ist nämlich nicht das, was Herr Karas hier gefordert hat. Er hat natürlich recht damit, dass wir es ohne ein gemeinsames Europa nicht werden schaffen können, die großen Herausfor­derungen dieser Zeit wirklich auch mit einer europäischen Handschrift positiv zu be­einflussen. Das kriegen wir alles nicht hin, aber wir werden mit dieser Politik dieser Bundesregierung ganz sicher nicht dort hinkommen. Das Klein-Klein muss endlich ein Ende haben, die junge Generation in Europa verlangt eine andere Europäische Union: Sie will eine Europäische Union, die positiv nach vorne blickt, die sich für sie einsetzt und die auch bereit ist, Entscheidungen zu treffen. Die Reformen, die dafür notwendig sind, sind ganz andere, und sie haben ganz sicher nichts mit populistischen Forderun­gen – von wegen Bevormundung und so weiter – zu tun.

Ich freue mich schon sehr darauf, diese tausend Vorschläge zu sehen, aus denen dann 28 000 Verordnungen in allen Mitgliedstaaten werden, im Worst Case auch noch überall unterschiedlich – der Binnenmarkt ist kaputt. Gratulation an die schwarz-blaue Bundesregierung! (Beifall bei den NEOS.)

11.28

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster ist Herr Klubobmann Mag. Bruno Rossmann zu Wort gemeldet. – Bitte.