12.27

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Bundesminister! Hohes Haus! Wir sprechen über eine Staatszielbestim­mung, die den Wirtschaftsstandort auf dieselbe Ebene heben soll wie den Umwelt­schutz, um es vereinfacht auszudrücken.

Was ist das Problem dahinter? Was ist überhaupt das Problem von Staatszielbestim­mungen, und was ist der Sinn und Zweck von Staatszielbestimmungen? – Staatsziel­bestimmungen sind an sich in der wissenschaftlichen Community sehr umstritten; die einen befürworten sie, die anderen halten nichts davon. Ich glaube, dass man mit die­sen Staatszielbestimmungen sehr vorsichtig umgehen muss. Letztendlich geben Staats­zielbestimmungen immer auch wieder, was der Gesellschaft wichtig ist.

Zu einem Zeitpunkt, da jeder weiß, dass sich die Klimakrise verschärft, jeder weiß, dass wir mit dem Umweltschutz Probleme haben, alle Universitäten davon sprechen, alle Wissenschaftler davon sprechen, dass man sich diesem Umweltschutz und dieser Klimakrise ernsthaft nähern muss, und letztendlich sogar der Vatikan eingeschwenkt ist und gesagt hat, das ist eines der herausfordernden Probleme unserer Welt, zu diesem Zeitpunkt, da jeder nur mehr darüber nachdenkt, wie man den Umweltschutz stärken kann, wie man die Klimakrise verhindern kann, denkt man in Österreich darüber nach, wie man den Umweltschutz schwächen kann, indem man ihm ein entgegengesetztes Staatsziel gegenübersetzt. – Das Staatsziel Stärkung des Wirtschaftsstandortes ist konträr zum Staatsziel Umweltschutz. Wenn man jetzt zwei einander widersprechende Staatsziele in die Verfassung stellt, dann ist das überhaupt widersinnig, denn: Was ist der Sinn und Zweck von Staatszielbestimmungen?

Es gibt zwei Gründe für Staatszielbestimmungen: Der eine ist, dass sich die Gesetzge­bung in ihrer Verantwortung nach diesen Staatszielbestimmungen in der gesellschaftli­chen Ausrichtung selbst bindet – auf nationaler Ebene, auf Landesebene und auf Ge­meindeebene. Das heißt, das Ziel ist, dass wir uns selbst diesen einen Schwerpunkt geben. Wenn man einen entgegengesetzten Schwerpunkt setzt, ist es klar, dass die Schwerpunkte einander wechselseitig aufheben und praktisch das eine Ziel aushebeln, das derzeit unsere Priorität ist.

Auf der anderen Seite gibt es eine zweite Wirkung, die für Verwaltungsebenen, aber auch für Gerichte entscheidend ist; man kann nämlich Staatszielbestimmungen zur Orientierung für eine Entscheidung heranziehen. Es gibt kein Recht auf Durchsetzung eines Staatszieles, aber man kann die Orientierung der Entscheidung davon ableiten. Wenn man zwei einander widersprechende Staatsziele in die Verfassung gibt, heißt das, man eröffnet den Gerichten die vollkommene Willkür, weil sie sich dann je nach­dem, wie es gerade gebraucht wird, entscheiden können.

Ich halte das für bedenklich, es ist überhaupt vollkommen sinnentleert, zwei einander widersprechende Staatszielbestimmungen in die Verfassung aufzunehmen. Ehrlicher wäre es gewesen, zu sagen, wir ersetzen den Umweltschutz durch eine Staatszielbe­stimmung Wirtschaftsstandort. (Zwischenruf des Abg. Jarolim.) Das wäre ehrlicher ge­wesen. Sie machen aber zu einem Zeitpunkt, zu dem die Diskussion über Umwelt­schutz und Bewältigung der Klimakrise am Höhepunkt ist, genau das Gegenteil und setzen den Schwerpunkt Wirtschaftsstandort.

Der Schwerpunkt Wirtschaftsstandort ist auch von der praktischen Wirksamkeit her gar nicht notwendig, weil Österreich auch mit dem Schwerpunkt Umweltschutz ein durch­aus attraktiver Wirtschaftsstandort ist. Es ist ja nicht so, dass wir irgendeinen Nachteil daraus hätten. Wir sind eines der besten Länder, wenn man den Wirtschaftsstandort betrachtet. Wir sind bestbewertet in Europa, wir sind bestbewertet in der Welt – wozu dann noch eine Abschwächung des übergeordneten Ziels Umweltschutz? (Abg. Bösch: Warum nicht?) – Genau das ist Ihr Problem! Ich halte es für Ignoranz. Die jun­gen Leute führen uns jeden Freitag vor Augen, was sie von Ihrer Umweltschutzpolitik halten, nämlich gar nichts! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Gudenus.)

Es ist in der Bevölkerung ganz einfach evident, dass man jetzt, wenn alle über Kli­maschutz und Umweltschutz sprechen und das eines der notwendigsten Ziele ist, das nicht abschwächt und verhindert. Das ist Ihre Ankündigungspolitik, die Sie in allen Be­reichen betreiben. Sie sagen Umweltschutz – in Wirklichkeit passiert nichts. Ich frage mich: Wie lange kann sich ein Land wie Österreich eine Umweltschutzministerin leis­ten, die dem Land 6 Milliarden Euro kostet? (Abg. Jarolim: Eine Katastrophe!) In Wirk­lichkeit ist ein Minister, der mit seiner Umweltschutzpolitik dem Land letztendlich 6 Mil­liarden Euro kostet, in keinem anderen Land überlebensfähig. (Beifall bei der SPÖ.) Es ist für mich ein absolutes No-Go, was hier passiert.

Frau Minister, lassen Sie sich zur Umgangsform eines sagen: Sie wollen eine Staats­zielbestimmung. Sie haben kein einziges Mal mit der SPÖ gesprochen, obwohl Sie ei­ne Verfassungsmehrheit brauchen. Ich weiß nicht, wie oft Sie mit den NEOS gespro­chen haben. (Abg. Meinl-Reisinger: Einmal! Nicht einmal auf mein Mail geantwortet!) Ich glaube, es geht ihnen ähnlich wie uns, es haben keine Gespräche stattgefunden. Diese Überheblichkeit wird nicht dazu führen, dass Sie erfolgreich sind. Es wird heute ein fulminanter Sieg der Opposition werden, denn Sie werden keine Staatszielbestim­mung Wirtschaftsstandort bekommen! (Abg. Jarolim: Ein Sieg für die Opposition!)

Sie haben sich das selbst zuzuschreiben: Sie haben ja eine Fristsetzung bis 14. Mai beantragt, so dass wir heute abstimmen müssen. Sie werden heute eine Abstim­mungsniederlage erleiden – und Gott sei Dank erleiden Sie diese! (Beifall bei SPÖ, NEOS und JETZT. – Abg. Haubner: Eine Niederlage für den Standort!) Es wird endlich einmal diese Überheblichkeit bestraft, die Sie dem Hohen Haus gegenüber an den Tag legen. (Zwischenruf des Abg. Fürlinger.)

Diese Überheblichkeit, die Sie an den Tag gelegt haben, wird dadurch bestraft, dass Sie das, was Sie wollen, nicht bekommen. Ganz einfach! Wenn Sie nicht lernen, mit der Opposition über Verfassungsbestimmungen zu verhandeln, dann wird es das in Zukunft auch nicht geben. Ich frage mich, warum man überhaupt eine Fristsetzung ma­chen muss, wenn man weiß, dass man dann eh verliert. Ich gratuliere Ihnen zu diesem Misserfolg! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haubner: Eine Niederlage für die Arbeits­plätze!)

12.34

Präsidentin Doris Bures: Ich begrüße auf der Galerie Schülerinnen und Schüler der Neuen Mittelschule St. Stefan ob Stainz sehr herzlich! Schön, dass Sie der Debatte folgen! (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Andreas Ottenschläger. – Bitte. (Abg. Jarolim: Ich habe noch selten so viele fröhliche Gesichter bei der FPÖ gesehen wie jetzt! – Ruf bei der ÖVP: Der lustige Herr Jarolim!)