14.12

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauer! Jetzt ein bisschen weniger Emotion, viel­leicht ein bisschen mehr Sachlichkeit und kühlen Kopf! Es ist zweifelsohne die turbu­lenteste Zeit der österreichischen Innenpolitik, die nicht nur ich, sondern wahrscheinlich alle erlebt haben, und es ist höchst bedauerlich, welches Bild wir als Österreich im Ausland, aber auch als Politik gegenüber den Menschen abgeben. Die Verunsicherung und vor allem der Vertrauensverlust bei den Menschen, der vor allem natürlich mit den Bildern in dem Video, das wir gesehen haben, einhergegangen ist, sind sehr, sehr schwer wiedergutzumachen. Wir alle miteinander haben dafür Sorge zu tragen, dass wir beweisen und sicherstellen, dass klar ist, dass wir nicht so sind. (Beifall bei den NEOS.)

Wir haben davor gewarnt, dass mit den Populisten kein Staat zu machen ist, und wir haben auch davor gewarnt, dass die Nähe der FPÖ zu Russland auch dubiose Bezie­hungen beinhaltet. Wir haben noch am Tag vor der Veröffentlichung des Videos Sie, Herr Bundeskanzler, gefragt, ob Österreich über die nötig scharfen Parteienfinanzie­rungsgesetze verfügt, sodass wir ausschließen können, dass über dubiose Kanäle, über möglicherweise illegale Kanäle Parteien finanziert werden. Und Sie haben uns ab­geschasselt, Sie haben gemeint, wir sind eines der transparentesten Länder. – Recht haben wir gehabt! Und wissen Sie was? – Ich bedaure, dass wir recht gehabt haben. Wie recht wir gehabt haben, haben wir im Video gesehen: Da ist eine Partei, die bereit ist, für den Griff zur Macht die Interessen Österreichs, die Schätze Österreichs, das Wasser, zu verraten und zu verkaufen – für Macht, für Einfluss und aus Gier. (Zwi­schenruf bei JETZT.)

Das ist eine besondere Kategorie, die wir da gesehen haben, für die ich mich sehr schäme. Aber, und das möchte ich auch sagen – ein historischer Moment, ich nehme die FPÖ in Schutz –, das, was wir in dem Video auch gesehen haben, diese Bereit­schaft, dass man über Vereine finanziert, dass man sagt: Na ja, da können wir schon irgendetwas machen, wenn wir an der Macht sind!, dass man auch zumindest versucht, über Medien Einfluss zu bekommen, das ist ja nicht neu, das ist ja ein Biotop in der österreichischen Politik, das wir über Jahrzehnte gesehen haben; in dem Video natürlich besonders in einer Form, die möglicherweise auch strafrechtlich relevant ist. Aber dass die Kultur der Intransparenz, der Freunderlwirtschaft, der Postenvergaben an Freunde, der Auftragsvergaben an Freunde, der – sagen wir einmal – etwas ver­strickten Parteienfinanzierung – sodass wir nicht wirklich offenlegen müssen, wie es ist – gepflegt wurde, und zwar über Jahrzehnte von SPÖ und ÖVP zur Perfektion kulti­viert wurde, das wissen die Menschen in unserem Land auch. (Beifall bei den NEOS.)

Deshalb habe ich klar gesagt: Wenn wir eine Lehre daraus ziehen, dann die, dass die­se Krise eine Chance ist, jetzt endlich ein für alle Mal mit diesem Sumpf aufzuräumen. Macht macht anfällig für Machtmissbrauch, und niemand ist davor gefeit, das sage ich auch. Das heißt, wir müssen alle miteinander dafür Sorge tragen, dass es Politiker gibt, die freiwillig ihre Macht beschränken, die sich freiwillig einer umfangreichen Kontrolle unterwerfen und die freiwillig den Weg der größtmöglichen Transparenz gehen, denn nur dann können die Menschen in Österreich sicher sein, dass die Politikerinnen und Politiker, die sie vertreten, ausschließlich die Interessen dieser Menschen und von niemandem sonst vertreten. (Beifall bei den NEOS sowie der Abgeordneten Rädler und Zadić.)

Ja, das türkis-blaue Experiment ist gescheitert. Sie stehen auf dem Scherbenhaufen dieses Projekts, das – und das ist, glaube ich, kein Geheimnis – wir in vielerlei Hinsicht aus tiefer Überzeugung abgelehnt haben; inhaltlicher Natur, personeller Natur und auch struktureller Natur. Wir sind nicht der Meinung gewesen, dass der Weg, den Sie in den letzten Monaten beschritten haben, der beste Weg für Österreich ist. Es waren sehr viele Luftblasen, sehr viel Schaumschlägerei, kaum die Reformen, die wir wirklich eingemahnt haben, und wir hatten große Sorge um die Errungenschaften der liberalen Demokratie in unserem Land.

Es war ein Fehler, die Rechtspopulisten an die Schalthebel der Macht zu lassen. Ich glaube, auch das hat man gesehen. Und da ich gerade vorhin gehört habe, es sei das Wiederergreifen der Macht: Es war ein Fehler, der FPÖ alle Schalthebel im Bereich der Sicherheitspolitik in die Hand zu geben. Das ist wohl wirklich jedem sonnenklar.

Ich bin allerdings auch etwas überrascht, Herr Kollege Kickl, dass die Bewertung der Person Sebastian Kurz vom Messias zum Leibhaftigen in so wenigen Sekunden von­stattengehen kann. Das ist ja wirklich ein Rosenkrieg der Sonderklasse, der auch sehr unglaubwürdig ist.

Herr Bundeskanzler! Ich bin der Meinung und sehr viele Menschen in Österreich waren über die letzten Monate der Meinung, dass rote Linien viel früher hätten gezogen wer­den müssen. Rote Linien erst dann zu ziehen, wenn das Strafrecht da hineinfährt, ist zu spät. Der moralische Verfall findet viel früher statt oder – um einen Richter dieser Republik zu zitieren –: Nicht alles, was stinkt, ist strafrechtlich relevant! Daher ist unse­rer Meinung nach auch nach dem Auftauchen dieses Videos klar gewesen, dass an Neuwahlen kein Weg vorbeiführt.

Was soll bis dahin passieren? – Meines Erachtens alles, damit wir das Vertrauen der Menschen in die Politik wiedererlangen. Ich habe auch klar gesagt – und man kann sich ja nicht aussuchen, von welcher Seite Lob kommt, aber es ist keine Anregung ge­wesen und auch kein Wunsch, sondern eine Forderung –, dass diese Regierung eine Verwaltungsregierung sein soll, dass jetzt keine wesentlichen Gesetze auf den Weg gebracht werden, die nicht vielleicht noch bis nach der Wahl Aufschub haben könnten. Es ist im Übrigen auch eine Forderung an dieses Haus, dass wir uns selbst verpflich­ten, nicht wieder im freien Spiel der Kräfte teure Wahlzuckerl zu verteilen – wir haben das eh nie gemacht, Sie müssen sich an der Nase nehmen –, an denen sich die Steu­erzahlerinnen und Steuerzahler am Ende verschlucken. Daher habe ich auch vorge­schlagen, dass wir diesen Pakt für Verantwortung alle gemeinsam unterzeichnen, denn das ist auch verantwortungsvoll für die nächste Zeit.

Ich habe damit schon klar gesagt, was ich von Ihnen als Regierung, als Kanzler und übrigens auch als ÖVP-Parteichef erwarte. Ich nehme Sie beim Wort, wenn Sie sagen: umfangreiche Aufklärung. Da will ich Sie auch gar nicht aus der Verantwortung lassen, da will ich Ihnen als Parlament ein enges Korsett geben, damit wir jetzt endlich den Sumpf aufräumen. Ich will Ihnen auch als ÖVP-Parteichef ein enges Korsett geben, sodass Sie endlich offenlegen, wer die 13 Millionen Euro des Nationalratswahl­kampfs 2017 finanziert hat. Ich will Ihnen auch ein enges Korsett geben, damit wir hier endlich miteinander beschließen, dass es bei illegaler Parteienfinanzierung klare straf­rechtliche Sanktionen gibt. Und ich will Ihnen auch ein enges Korsett geben, dass Sie das Amt des Bundeskanzlers und der Minister und Ministerinnen in den Ministerien nicht für Wahlkampf missbrauchen.

Das alles können wir tun als Parlament, und das ist unsere Aufgabe als Parlament – und dieser Aufgabe wollen wir als NEOS in den nächsten Monaten nachkommen. (Bei­fall bei den NEOS.)

Das ist eine Aufforderung: Tun wir das jetzt! Beschließen wir jetzt, dass es keine Par­teiwerbung oder parteitaktisch gefärbte Werbung mehr aus den Ministerien, von den Ministern gibt! Wenn wir miteinander für die Zukunft ausschließen wollen, dass ein Bundeskanzler das Parkett für Wahlwerbung nutzen kann, dann wäre das ein richtiger Schritt für die Zukunft. Im Übrigen hat mir das auch in der Vergangenheit nicht gefallen, und da habe ich es auch immer wieder gesehen.

Mir war letzte Woche klar, dass ich daran glaube, dass jetzt Parteitaktik tatsächlich kei­nen Raum einnehmen sollte. Es gibt in dieser Republik tendenziell zu viel Taktiererei und parteipolitische Spielchen als zu wenig. Was es jetzt von uns allen braucht, ist ein Verantwortungsbewusstsein für die Menschen und ein Verantwortungsbewusstsein für die Republik.

Die Österreicherinnen und Österreicher werden im September zu der Frage: Wer soll den Kurs unseres Landes weiter bestimmen?, zu Wort kommen. In den kommenden Monaten erwarte ich nichts anderes als eine Verwaltungsregierung, die sozusagen das Nötigste auf den Weg bringt, aber ich erwarte mir auch, dass wir Druck aufbauen, dass wir endlich diese Chance nutzen, zu einer neuen politischen Kultur in diesem Land zu kommen, zu einer Kultur der Transparenz, zu einer Kultur der Sauberkeit, zu einer Kul­tur, die Kontrolle sucht und nicht umgeht, zu einer Kultur, die ausschließt, dass wir die Interessen von Spenderinnen und Spendern anstatt die Interessen der Österreicherin­nen und Österreicher vertreten.

Das ist unser Auftrag für die nächsten Monate. Das ist das, was wir den Menschen in unserem Land schuldig sind, und das ist auch das, was Bundespräsident Van der Bel­len gemeint hat – im Übrigen in Richtung aller Parteien, auch in Richtung ÖVP –, als er gesagt hat, dass es jetzt darum geht, Verantwortung für das Land zu übernehmen, damit wir sagen können: So sind wir nicht, wir Österreicherinnen und Österreicher, so sind wir aber auch nicht als Politikerinnen und Politiker! – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Dönmez.)

14.22

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Noll. – Bitte.