10.43

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Liebe Liliane, Frau Präsidentin des Europarates! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Europarat ist – wie wir in der letzten Stunde bereits ausführlich diskutiert haben – eine der entscheidenden Institutionen, die jene wesentlichen euro­päischen Rechte nicht nur entwickelt hat, sondern auch darauf schaut, dass sie einge­halten werden und dass sie bestehen bleiben.

Es geht um die Menschenrechte, es geht um Prinzipien wie Rechtsstaatlichkeit, es geht aber auch um Frauenrechte, es geht um das Recht auf den eigenen Körper, es geht um Homosexuellenrechte, es geht um Kinderrechte, es geht um Medienfreiheit, es geht um das Recht der kommunalen und regionalen Selbstverwaltung. – Das alles sind die Grundrechte, um die es im Zusammenhang mit dem Europarat geht, um die es aber auch bei uns in Österreich geht.

Gerade jetzt ist es nicht nur ein Thema für Festreden, bei denen man über ein 70-jähriges Bestehen spricht, sondern es ist auch ein Thema, bei dem wir aufgrund der tagespolitischen Diskussion merken, dass diese politischen Rechte oft infrage gestellt werden. Es ist daher unsere politische Pflicht, diese Rechte zu bewahren, wo immer es geht. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

Man kann umgekehrt auch sagen, diese Rechte zu bewahren reicht nicht, es gilt, sie zu verteidigen und auch diesen Millimetern, um die oft Grenzen verschoben werden, nicht nachzugeben. Zudem gilt es auch, Folgendes zu sagen: Wer den Europarat so infrage stellt, wie wir das heute hier gehört haben, stellt damit auch diese Grundrechte infrage. Auch das sollten wir nicht zulassen (Beifall bei der SPÖ), denn die Orien­tierung auf Frieden, auf Dialog, auf Grundrechte ist nicht nur unverrückbar, die Grund­rechte betreffen ja auch jeden einzelnen Menschen. Es ist nicht nur eine Frage zwischen Staaten, wie es sehr oft diskutiert wird, sondern es geht um einzelne Menschen.

Das, was wir heute in den Morgennachrichten über die Situation in Russland gehört haben, wie dort mit Oppositionellen, wie dort mit dem Demonstrationsrecht umgegan­gen wird, ist eine Frage der individuellen Freiheitsrechte.

Die Situation in Ungarn zeigt auch, dass es nicht nur ein Thema für Staaten – wenn man so will – am politischen Rand Europas ist, sondern dass auch im Herzen Europas diese Grundrechte sehr stark infrage gestellt werden.

Da bildet der Europarat jenen Rahmen, der den Menschen zumindest über den Menschenrechtsgerichtshof und über andere Institutionen die Möglichkeit gibt, sich zu wehren, jedoch oft zu wenig, oft nicht ausreichend, wie wir es zum Beispiel in der Frage der Türkei seit vielen Jahren immer wieder sehen. Vielleicht könnte der Euro­parat, wenn er in diesen Fragen geschlossener wäre, auch wesentlich strenger und schneller gegen solche Rechtsbrecherstaaten vorgehen.

Ich schweife jetzt ein wenig ab, wenn ich erwähne, dass – und das wissen die wenigsten – die Europaflagge (auf die hinter dem Präsidium hängende Europaflagge deutend) und die Europahymne für den Europarat entworfen und in Auftrag gegeben worden sind und sich die Europäische Union diese beiden Symbole – jene beiden Symbole der europäischen Einigung – eigentlich vom Europarat ausgeborgt hat.

Lassen Sie mich darauf eingehen, dass gestern vor 25 Jahren, am 12. Juni 1994, die österreichische Volksabstimmung über den Beitritt zur Europäischen Union mit einer Zweidrittelmehrheit positiv ausgegangen ist. Ich erwähne das nicht nur, weil es der Startpunkt für Österreichs Mitgliedschaft in der Europäischen Union war, sondern weil es auch so etwas wie ein gemeinsames österreichisches Projekt dargestellt hat – vermutlich einer der wenigen starken Momente in unserer Geschichte im letzten halben Jahrhundert, in den letzten Jahrzehnten jedenfalls.

Das ist mir wichtig, weil es eine wesentliche Entscheidung für meine Generation war, aber natürlich auch für alle kommenden Generationen, und weil es eine Gemein­samkeit zeigte, einen Austrian Spirit, wie er in den letzten Monaten oft sehr verschütt­gegangen erschienen ist. Genau deswegen sollten wir auch an diesen Geist von vor 25 Jahren anknüpfen. Man muss ja deshalb nicht gleich als ÖVP-Chef im SPÖ-Zelt die Internationale singen, aber auch das ist etwas, was man meiner Meinung nach jederzeit gerne tun kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! – Übrigens ist das eine Bezeichnung, die, wie ich finde, dieses Haus nicht umsonst tragen sollte. Hohes Haus – diese Be­zeich­nung beinhaltet nicht nur die Frage, welche wichtigen Entscheidungen hier getrof­fen werden können und hier getroffen werden, sondern natürlich auch die Frage, wie Parlamentarismus, wie Politik in unserem Land gelebt wird.

Ich erwähne das deshalb, weil ich heute das letzte Mal die Möglichkeit habe, als Abgeordneter zum Nationalrat hier das Wort zu ergreifen. Ich möchte mich nach 13 Jahren aus diesem Parlament verabschieden. Ich denke, dass gerade die Frage der politischen Kultur des Miteinanders, die der Diskussionskultur und ja, auch die der Streitkultur etwas Wesentliches für unser Land und für unsere Politik ist.

Das hängt von vielen von uns ab, von jedem einzelnen Abgeordneten – oft schlägt man über die Stränge –, das hängt auch von den Klubobleuten ab, und auch das Präsidium hat einen gewissen Einfluss, denn wenn man sich darüber im Klaren ist, dass man diese Sitzungen nicht nur breit, fair und souverän zu leiten hat, sondern auch darüber, dass ein parteiloses Agieren vom Präsidium herunter ein wesentliches Asset – wie man auf Neudeutsch sagt – eines funktionierenden Parlamentarismus ist, dann, glaube ich, kommen wir einen wesentlichen Schritt weiter.

Ich möchte in diesem Zusammenhang vor allem auch jene Präsidentin erwähnen, die Präsidentin des Nationalrates war, als ich ins Hohe Haus gewählt worden bin, nämlich Barbara Prammer, die leider viel zu früh verstorben ist, denn ich denke, dass sie sehr stark die Standards hier geprägt hat.

Ich möchte mich heute verabschieden. Ich bin 2006 in dieses Haus gewählt worden, durfte auch immer Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates sein. Als Vorsitzender des Außenpolitischen Ausschusses habe ich den Schwerpunkt immer auch auf Außenpolitik gelegt. Später durfte ich als Klubobmann meiner Fraktion daran mitwirken, dass dieses Haus wesentliche Dinge vorangebracht hat – übrigens auch § 19a der Geschäftsordnung, der Liliane als Präsidentin des Europarates heute als zweiter Person nach dem Generalsekretär der Vereinten Nationen das Rederecht hier einräumt –, unter anderem das Minderheitsrecht zur Einsetzung von Untersuchungs­ausschüssen, das auf diese Zeit zurückgeht, und auch wesentliche parlamentarische außenpolitische Erklärungen wie zum Beispiel zur Lage der Kurdinnen und Kurden oder auch zum Völkermord an den Armenierinnen und Armeniern.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte zum Abschluss meinen Dank nicht nur an meine Bezirkspartei richten, die einmal der wesentliche erste Schritt war, denn hätte sie mich nicht immer wieder nominiert, hätte ich die Möglichkeit nicht bekommen, sondern auch an jene Parteivorsitzenden, die in dieser Zeit aktiv waren, von Alfred Gusenbauer über Werner Faymann und Christian Kern bis zur heutigen Partei­vor­sitzenden Pamela Rendi-Wagner. Weiters möchte ich meinen Dank an alle Mitglieder meiner Fraktion, insbesondere an die Sozialdemokratinnen im Präsidium – Barbara habe ich schon erwähnt, aber auch Doris Bures –, sowie an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die uns im Klub und im Parlament in der Arbeit unterstützt haben, insbe­sondere mein Sekretariat und meine MitarbeiterInnen, richten.

Ich darf Ihnen sagen, diese 13 Jahre Parlamentarismus – mit ein paar Jahren Regie­rungsbank, aber ich sah das auch als Beitrag zum Parlamentarismus – waren schöne Jahre, sowohl in meiner Fraktion als auch generell hier im Hohen Haus, wo es auch gelungen ist, mit vielen von Ihnen aus den verschiedenen Fraktionen, aus den nicht sozialdemokratischen Fraktionen Freundschaft zu schließen; das ist mir auch in wirklich wichtiger Erinnerung.

Sehr geehrte Damen und Herren, machen Sie es gut! Österreich wird es Ihnen danken. (Anhaltender Beifall bei SPÖ, NEOS und JETZT sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.52

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Graf. – Bitte.