13.05

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bundespräsident! Das öster­reichische Parlament beginnt heute mit seiner Arbeit für die kommenden fünf Jahre – ich hoffe, es werden fünf Jahre –, und es sollte für uns alle, nicht nur für die neuen Abgeordneten hier im Hohen Haus, zu denen ich auch sprechen und denen ich zu diesem wichtigen, ersten Tag in diesem wunderbaren Parlament gratulieren möchte, ein Neubeginn sein.

Es wurde schon erwähnt, dass wir alle einen langen Wahlkampf hinter uns haben, in dem wir aus Überzeugung und aus Leidenschaft für unsere Inhalte geworben haben. Nicht nur im Wahlkampf, sondern auch darüber hinaus gibt es unterschiedliche Positionen der verschiedenen politischen Fraktionen, der Parteien; und es ist gut und richtig, dass wir unsere Positionen auch mit Leidenschaft und mit allem Nachdruck vertreten, dass wir sozusagen um das bessere Argument debattieren. Das ist gelebte Demokratie, das hat hier in diesem Haus einen wichtigen Platz. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es war der französische Aufklärer Voltaire, der einmal gesagt hat: „Ich teile Ihre Meinung nicht, aber ich würde mein Leben dafür geben, dass Sie sie äußern dürfen.“ – Ja, andere Meinungen gelten lassen, respektieren, das ist das Wesen der Demokratie, und, wenn Sie so wollen, die Herzkammer der Demokratie ist dieses Hohe Haus, ist das Parlament. Es ist der zentrale Ort einer fairen politischen Debatte.

Wodurch zeichnet sich eine gute politische Debatte aus? – Sie zeichnet sich dadurch aus, dass wir hart in der Sache debattieren, diskutieren und miteinander reden, aber immer wertschätzend, respektvoll im Ton, ohne Untergriffe miteinander umgehen. Ich wünsche mir genau diese Debattenkultur bei uns im Parlament, die von Respekt getragen ist. Ich kann Ihnen unsererseits auf jeden Fall versichern, dass die Sozial­demokratie ihren Beitrag dazu leisten wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Neben dem respektvollen Umgang haben wir ein anderes Ziel – ein gemeinsames, das wir hier teilen –, nämlich die großen, die neuen Herausforderungen unserer Zeit zu meistern. Dafür wurden wir alle hier gewählt. Für uns Sozialdemokratinnen und Sozial­demokraten steht dabei ganz klar die soziale Gerechtigkeit im Mittelpunkt unseres Denkens, im Mittelpunkt unserer Entscheidungen und im Mittelpunkt unseres Han­delns. Es geht um Chancen, die Menschen in ihrem Leben bekommen, so wie ich sie als Tochter einer jungen Alleinerzieherin bekommen habe und wie viele von uns hier im Hohen Haus und in Österreich sie bekommen haben. Es geht um eine Politik, die Möglichkeiten schafft, die Türen öffnet, die Chancen eröffnet, Lebenswege so zu ge­hen, wie man sie gehen will, selbstbestimmt und stark, die es ermöglicht, den Traum­beruf zu ergreifen. Genau das ist es, was ich für Österreich will, und das ist es, was ich mir von diesem Parlament und von diesem Hohen Haus erwarte: allen Menschen Möglichkeiten zu geben, ihre Leistung zu erbringen, unabhängig von ihrer Herkunft, unabhängig von ihrem Geschlecht.

Dabei kann es uns nicht egal sein, dass – wie wir vor wenigen Tagen in der Zeitung lesen konnten – eine aktuelle Studie ergeben hat, dass die Chancen auf sozialen Aufstieg in Österreich gesunken sind. Nur 15 Prozent – 15 Prozent!, das ist sehr ge­ring – der Kinder aus Familien mit niedrigen Einkommen schaffen es nach oben. Berufschancen und Vermögen hängen demnach stark von den Vorfahren ab. Sozialer Aufstieg wird offenbar schwieriger, Armut wird vererbt.

Mehr als 300 000 Kinder, sehr geehrte Damen und Herren, sind armutsgefährdet. Das kostet diese Kinder Lebensqualität, das kostet sie Zukunftsperspektiven, das kostet sie Kraft, das kostet sie ihre eigene Gesundheit, und das kostet uns als Land, als Ge­sellschaft Zukunftschancen. Es muss daher unsere gemeinsame Verantwortung im Parlament sein, dafür zu sorgen, dass wir in fünf Jahren nicht wieder hierstehen und genau dieselbe Zahl armutsgefährdeter Kinder nennen, dass wir nicht wieder diese Zahl beklagen und sagen: Das müssen wir ändern! – Nein, wir müssen es jetzt tun, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Sagen wir daher gemeinsam der Kinderarmut den Kampf an! Schaffen wir mit einem flächendeckenden Ausbau ganztägiger Kinderbetreuungseinrichtungen, ganztägiger Schulformen von hoher Qualität endlich faire Bildungschancen! Schaffen wir das nicht nur in den Städten, nicht nur in Wien, schaffen wir das in ganz Österreich! Geben wir den Menschen die Sicherheit, dass sie sich auf uns und auf die Politik verlassen können! Ich möchte am Ende der Legislaturperiode gemeinsam mit Ihnen sagen können: Wir haben unsere Arbeit gut gemacht, wir haben die Chancen der Öster­reicherinnen und der Österreicher auf sozialen Aufstieg erhöht! Wir wollen, dass die Menschen nicht erst am Ende der Legislaturperiode, sondern bereits in wenigen Wochen oder Monaten wieder mit Zuversicht und Hoffnung in ihre Zukunft blicken können.

Damit wir diese Ziele gemeinsam erreichen können, wird es notwendig sein, den Dialog zu stärken – den Dialog, der in den letzten Monaten und Jahren so gelitten hat, auch in diesem Haus; den Dialog zwischen Regierung und Parlament; den Dialog zwischen Regierung und Zivilgesellschaft; den Dialog zwischen Regierung und Sozial­partnern.

Bundespräsident Van der Bellen hat uns vor wenigen Monaten eine wichtige Botschaft mitgegeben; Sie alle kennen sie, er sagte: „Es reicht eben nicht, in einer Demokratie, wenn man mit den anderen nur redet, wenn man sie gerade braucht. Das rächt sich dann im Laufe der Zeit.“ – Ja, es rächt sich durch den Verlust von Vertrauen. Vertrauen ist aber die Basis, um gut miteinander zu arbeiten, und damit auch, um Erfolge zu erzielen. Nehmen wir die Worte unseres Bundespräsidenten ernst: Dialog statt Drüber­fahren; konstruktive Auseinandersetzung statt verbaler Untergriffe; Vorschläge ernst nehmen, auch wenn sie von anderen Fraktionen stammen, darüber nachdenken, zu­hören und diskutieren – nur dann wird es uns gelingen, die Herausforderungen erfolg­reich zu meistern, zu bewältigen. Das betrifft gerade auch – und das wurde auch ange­sprochen – die Klimakrise. Es wird vieler gemeinsamer Anstrengungen bedürfen, damit wir diese große Herausforderung bewältigen können – für unser Land und für die Österreicherinnen und Österreicher.

Ich möchte zum Schluss meiner Rede auch auf die jetzt anstehende Wahl eingehen: Eine, die wie keine andere in der Politik für die Kultur des Miteinanders und des Konsenses, des Dialogs steht, ist Doris Bures. Ihre Art der Vorsitzführung hier in diesem Haus wird über die Parteigrenzen hinweg hoch geschätzt. Nicht nur hier im Plenum, sondern auch in den Untersuchungsausschüssen hat sie die Qualität ihrer Vorsitzführung unter Beweis gestellt. Sie zeigt, dass das Parlament ein Ort des Zuhörens, des Dialogs ist, und dass es ein Ort ist, an dem Lösungen nicht nur gesucht, sondern auch gefunden werden können. Aus all diesen Gründen und weil ich zutiefst von ihrer Integrität, von ihrer Professionalität überzeugt bin, schlagen wir sie heute als Zweite Nationalratspräsidentin vor. – Ich darf Sie bitten, unseren dahin gehenden Vorschlag zu unterstützen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von Grünen und NEOS.)

Ich möchte Ihnen auch mitteilen, dass auch wir – so wie Sie, Herr Klubobmann, das schon gesagt haben – uns, was die Wahl des Nationalratspräsidiums betrifft, an den Usancen des Hauses der vergangenen Jahre und Jahrzehnte orientieren werden.

Sehr geehrte Damen und Herren, arbeiten wir in den nächsten Jahren konsequent mit unseren Überzeugungen für die Zukunft unseres Landes! Bringen wir die Arbeit des Parlaments auf den Punkt: das Parlament – ein Chancenbringer; ja, für ein Österreich der Chancen, der Sicherheit, der Zuversicht und der Hoffnung auf eine gute Zukunft! Auf eine gute Zusammenarbeit! – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ, Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.14

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Klub­obmann Kickl. – Bitte.