12.27

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Damen und Herren der neuen Bundesregierung! Geschätztes Plenum! Der Herr Bundeskanzler hat es heute zu Beginn seiner Rede ausgeführt: Es wird ein neues Ka­pitel aufgeschlagen. – Ja, es wird ein neues Kapitel aufgeschlagen, wenn es darum geht, vieles an Geschenken an die Wirtschaft, an die Landwirtschaft, vor allem aber an die Großkonzerne auszuschütten. Es liegt vieles an Absichtserklärungen für eine bes­sere Klima- und Umweltpolitik auf dem Tisch, aber es liegt nichts an Maßnahmen im Bereich Soziales vor, wenn es um mehr soziale Gerechtigkeit und soziale Sicherheit geht.

Man kann der ÖVP gratulieren: Es ist ihr gelungen, sich gegenüber den Grünen durch­zusetzen, nämlich insofern, als sie ihren konservativen Mitte-rechts- und Reichenkurs fortsetzen darf. Wir als SPÖ haben sehr gehofft, dass die Grünen in ihrer bisherigen Leidenschaft – so wie wir sie in der Opposition kennenlernen durften – für ein noch besseres soziales Österreich eintreten. Wir haben gehofft, dass sie Maßnahmen set­zen, die verhindern, dass die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter auseinan­derklafft. Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt; im Gegenteil, die Schere zwischen Arm und Reich geht mit diesem Koalitionspapier noch weiter auseinander.

Lassen Sie mich das vielleicht mit zwei Beispielen untermauern: Mit der Steuerreform – vom Herrn Finanzminister bereits ausgeführt – wird es zur Absenkung der Lohnsteu­erstufen kommen. Wie aber wirkt sich diese aus? Bei den Besserverdienenden gibt es in Euro wieder mehr an Steuerersparnis als bei den Niedrigverdienern. (Abg. Wö­ginger: Der zahlt auch mehr!)

Als zweites Beispiel der Familienbonus, der an und für sich im Grundgedanken etwas Richtiges ist: Es ist aber nicht richtig, dass da wieder die Besserverdienenden ein Plus von 250 Euro erhalten, während jene 300 000 Kinder, die es sich nicht haben aussu­chen können, in einer reichen Familie aufwachsen zu dürfen, mit 100 Euro pro Jahr plus abgespeist werden. Das ist nicht sozial gerecht, das ist nicht fair! Sozialdemokra­tische und soziale Handschrift sieht anders aus, nämlich dass jedes Kind in unserem Land gleich viel wert ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich erinnere an den 30. Juni 2018: Einige von den Grünen hier waren am Heldenplatz mit dabei, als wir gegen die 60-Stunden-Woche, gegen den 12-Stunden-Tag, für eine Viertagewoche, für mehr Freizeit demonstriert haben. Nichts davon findet sich in die­sem Papier wieder.

Was machen Sie? – Statt jetzt wirklich zu beginnen, Ihr Koalitionspapier abzuarbeiten, war die erste große Meldung in den Medien nach der Angelobung jene, dass Sie jenen Menschen, die 45 Jahre hart gearbeitet haben, ihre abschlagsfreie Pension wieder wegnehmen wollen. Das ist nicht fair. Das ist deshalb nicht fair, weil damit wirklich ver­sucht wird, die Gesellschaft auseinanderzudividieren. Wenn es darum geht, dass diese Maßnahme im ersten Jahr bis zu 30 Millionen Euro kostet und dann pro Jahr zwischen 40 und 50 Millionen dazukommen, das also Mehrkosten von einigen Hunderten Mil­lionen Euro sind, schreien sofort alle auf und sagen: Wie finanziert man die Ge­genfinanzierung? Wir brauchen da ein Gutachten! – Wo ist aber das Gutachten zu Ihren 2 000 Millionen Euro an Steuergeschenken an die Großkonzerne und an die Wirtschaft, die Sie ausschütten? Wer finanziert da die Gegenfinanzierung? (Beifall bei der SPÖ.)

Diesbezüglich sind wir uns in der sozialdemokratischen Partei ganz klar einig, und jetzt darf ich die Worte des August Wöginger verwenden, dass alle Menschen, die in die­sem Land jeden Tag in der Früh aufstehen, so wie er das heute gesagt hat, die Tag für Tag arbeiten, die Monat für Monat Steuern und auch Sozialversicherungsbeiträge zah­len, die 45 Jahre einzahlen (Abg. Wurm: Meine Worte, Beppo!), eine abschlagsfreie Pension verdient haben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Wurm: Bravo!)

Ich bringe daher auch folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Beibehaltung der abschlagsfreien Pensionen mit 540 Beitragsmonaten“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit, Soziales, Gesund­heit und Konsumentenschutz wird aufgefordert, die abschlagsfreie Pension bei 540 Bei­tragsmonaten beizubehalten und nicht wieder abzuschaffen.“

*****

Wir ersuchen Sie, diesem Antrag hier auch zuzustimmen.

Wir werden einen weiteren Antrag einbringen, einen Selbständigen Antrag, der das auch dementsprechend repariert, wobei es hier im Parlament bisher nicht gelungen ist, eine Mehrheit dafür zu finden, nämlich einen Antrag für alle Berufsgruppen nach 45 Bei­tragsjahren unter Einbeziehung aller Jahrgänge, die diese 45 Jahre erreicht haben, und mit Anrechnung der Präsenz- und Zivildienstzeiten.

Herr Sozialminister, wir werden dazu im Sozialausschuss am 16. Jänner die ersten Be­ratungen aufnehmen.

Ich lade Sie alle wirklich ein: Machen wir gemeinsam eine Politik, die auch für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land und auch für unsere ältere Ge­neration fair und gerecht ist! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordne­ten der FPÖ.)

12.33

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Muchitsch, Rainer Wimmer,

Genossinnen und Genossen

betreffend Beibehaltung der abschlagsfreien Pensionen mit 540 Beitragsmonaten

eingebracht im Zuge der Debatte zur Erklärung der Bundesregierung (TOP 1)

Mit Beschlussfassung vom 19. September 2019 wurden Pensionsleistungen mit 540 Bei­tragsmonaten aus Erwerbstätigkeit mit Pensionsantritt ab 1.1.2020 abschlagsfrei ge­stellt. Seit diesem Beschluss ist vor allem die ÖVP bemüht, diese Regelung als unge­recht und unsozial darzustellen und deren Abschaffung voranzutreiben. Zuletzt hat Bundeskanzler Kurz angekündigt, dass die beschlossene abschlagsfreie Pension mit 45 Arbeitsjahren nicht bleiben wird, obwohl sich dazu nichts im Regierungsprogramm findet.

Umso erstaunlicher ist es, dass sich auch die Grünen, allen voran Vizekanzler Kogler gegen die arbeitende Bevölkerung stellt und eine mögliche Abschaffung in den Raum stellt. Auch der zuständige Bundesminister Anschober ergreift nicht das Wort für jene Menschen, die so lange Jahre gearbeitet haben, sondern redet sich auf Kommissions­gutachten aus. Manchmal braucht es aber neben wissenschaftlicher Expertise auch politische Entscheidungskraft um den Menschen das zukommen zu lassen, was ihnen gebührt.

Vizekanzler Koglers Ansatz, die sogenannte Hacklerregelung wieder abschaffen zu wollen, weil sie ausschließlich Männern zugutekommt, ist der vollkommen falsche Weg. Das wäre ein Schritt zurück statt vorwärts. Dadurch würde sich das Leben der ar­beitenden Frauen in Österreich auch in keiner Hinsicht verbessern. Im Gegenteil, man rechtfertigt ein Unrecht mit einem anderem Unrecht. Um die Pensionen der Frauen anzuheben, braucht es eine Reihe von Maßnahmen, vor allem aber den flächende­ckenden Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen, damit Frauen nicht aufgrund von Betreuungspflichten zur Teilzeitarbeit gezwungen werden. Teilzeitbeschäftigung redu­ziert das Einkommen, senkt damit die Pensionshöhe und erhöht die Gefahr der Alters­armut.

Darüber hinaus muss auch klargestellt werden, dass Frauen nach wie vor ab dem 60 Le­bensjahr abschlagsfrei in Pension gehen können. Wenn die Angleichung des Pen­sionsantrittsalters zwischen Männern und Frauen erfolgt ist, werden auch Frauen von der sogenannten Hacklerregelung profitieren. Zusätzlich werden für Frauen auch noch 60 Monate Kindererziehungszeiten angerechnet.

Die Abschaffung der Regelung bedeutet für ASVG-Pensionisten pro Jahr Einbußen bis zu rund 5.000 Euro und damit eine wesentliche Kürzung ihrer Pensionen. Außerdem ist sie auch für den Arbeitsmarkt kontraproduktiv, solange die Arbeitslosigkeit bei den Über-50-Jährigen weiterhin steigt und die Unternehmen oftmals ältere Beschäftigte in die Pension drängen.

Auch das Finanzierungsargument geht ins Leere, denn, wenn man das schwarz-grüne Regierungsprogramm liest, wird ganz klar, dass mehr als genug Geld vorhanden sein muss, wenn für Steuergeschenke an Konzerne, Superreiche und Großbauern rund 2 Milliarden Euro jährlich zur Verfügung stehen. Es kann dann wohl auch kein Problem sein, wenn 30 bis 40 Millionen für Pensionen von lang arbeitenden Menschen ausge­geben werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit, Soziales, Gesund­heit und Konsumentenschutz wird aufgefordert, die abschlagsfreie Pension bei 540 Bei­tragsmonaten beizubehalten und nicht wieder abzuschaffen.“

*****

Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Peter Haubner. – Bitte.