10.43

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren, die jetzt zusehen! In schweren Zeiten gilt ein Prinzip: Solidarität für alle. Es darf niemand auf der Strecke bleiben. Jedem und jeder, der oder die Hilfe braucht, muss geholfen werden. Wir als österreichische Sozialdemokratie sehen dieses 4-Milliarden-Euro-Paket deshalb als ersten Schritt, der getan werden muss, der aber bei Weitem nicht genug sein wird.

Es gibt Menschen, die aufgrund der gerechtfertigten Maßnahmen, die jetzt ergriffen werden, spätestens ab morgen alleine sind, die spätestens ab morgen nicht mehr wissen, wie es weitergeht, die ab morgen das erste Mal in ihrem Leben vielleicht das Gefühl haben, alles, was sie sich aufgebaut haben, werde jetzt zusammenfallen: die Frisörin, die ihren Salon alleine aufgebaut hat, die nicht mehr weiß, wie sie die Miete und die Betriebskosten zahlen und einen Kredit zurückzahlen soll; die Blumen­händ­lerin, die gerade ihre Osterkollektion bestellt, geliefert bekommen und bezahlt hat, diese aber jetzt nicht verkaufen kann; oder der Fotograf, der plötzlich keine Hoch­zeiten, keine Schulklassen mehr zu fotografieren hat, was sein Hauptgeschäft war; die Angehörigen, die plötzlich mit der Pflegesituation komplett überfordert sind und keine Hilfe haben; die Eltern, die Beruf und Kinderbetreuung unter einen Hut bringen müssen und sich dabei schwertun. Sie alle brauchen Hilfe, geschätzte Damen und Herren – schnell, rasch, unbedingt jetzt Hilfe! Es gibt noch keine Telefonnummer, die sie anrufen können. Auch sie brauchen eine Telefonnummer, damit ihnen rasch gesagt wird, was zu tun ist. – Das ist die eine Gruppe.

Die andere Gruppe sind die, die unser Land am Leben halten, die den Betrieb sichern: die Krankenschwestern, die Ärzte, die Menschen, die im Lebensmittelhandel tätig sind, die unglaublich gefordert sind, die Polizistinnen und Polizisten, ja, und all diejenigen, die für unsere Daseinsvorsorge da sind und sich exponieren müssen, wie etwa die Zugbegleiter, die weiterhin Fahrkarten kontrollieren müssen, die Menschen, die Züge reinigen, Flugzeuge, die noch fliegen, reinigen. – Alle diese Menschen brauchen jetzt unsere Hilfe und Unterstützung, müssen geschützt werden, geschätzte Damen und Herren. Das sind die Menschen, die unser Land am Laufen halten!

Wir haben uns deshalb dazu entschlossen, den Vorschlag der Bundesregierung durch einen eigenen Antrag zu ergänzen, den ich hiermit auch einbringen möchte, und zwar den Abänderungsantrag der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kolle­gen zum Bericht des Budgetausschusses betreffend Antrag 369/A der Abgeordneten Wöginger, Maurer, Kolleginnen und Kollegen.

In diesem Antrag geht es darum, dass sichergestellt werden soll, dass erstens diese wirklich strengen Maßnahmen auf einen demokratischen Boden treffen und dass die­sem Haus, dem Budgetausschuss regelmäßig berichtet wird, was da geschieht; dass zweitens alles, was an Hilfen zu gewähren ist, unbürokratisch über die Finanzämter organisiert werden kann, damit es schnell geht; dass drittens das Epidemiegesetz für Kleinstbetriebe, die diese Unterstützungen unbedingt brauchen, nicht ausgesetzt wird; und dass es viertens Sonderbetreuungszeitregelungen für Angehörige gibt, die entwe­der auf ihre Kinder oder auf ihre Angehörigen schauen müssen, geschätzte Damen und Herren.

Es gibt in unserem Land eine Gruppe von Menschen, für die es derzeit besonders hart ist. Ich habe gestern mit meiner Großmutter telefoniert, die jetzt einen runden Geburts­tag hatte. Da gibt es jetzt keine Party, sie ist ganz alleine zu Hause, weil man ja auch mit den Besuchen vorsichtig sein muss. In Österreich gibt es viele solche Menschen: Menschen, die alt sind, die allein sind und die Angst haben. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Kümmern wir uns gemeinsam um diese Menschen! Versuchen wir, dafür zu sorgen, dass sie keine Angst haben! Versuchen wir, dafür zu sorgen, dass sie sich nicht komplett alleine fühlen! Das ist eine gemein­same Aufgabe, der wir alle nachkommen können, um deren Erfüllung wir uns bemühen sollten.

Schauen Sie, dass Sie gesund bleiben! Schauen Sie, dass wir alle uns um uns alle kümmern! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der FPÖ sowie der Abgeordneten Höfinger und Prinz.)

10.48

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Krainer, Gabriele Heinisch-Hosek

Genossinnen und Genossen

zum Bericht des Budgetausschusses (102 d.B.) betreffend Antrag 396/A der Abgeord­neten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errichtung des COVID 19 Krisenbewältigungsfonds (COVID-19-FondsG) und ein Bundesgesetz be­tref­fend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Maßnahmengesetz) erlassen sowie das Gesetzliche Budgetprovisorium 2020, das Bundesfinanzrahmengesetzes 2019 bis 2022, das Bundesgesetz über die Einrichtung einer Abbaubeteiligungsaktiengesellschaft des Bundes, das Arbeitsmarkt­politik-Finanzierungsgesetz, das Arbeitsmarktservicegesetzes und das Arbeitsvertrags­rechts-Anpassungsgesetz geändert werden (COVID-19 Gesetz).

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der dem Ausschussbericht angeschlossene Gesetzesentwurf wird wie folgt geändert:

1. Artikel 1 Bundesgesetz über die Errichtung des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds (COVID-19-FondsG) wird wie folgt geändert.

1.         § 3 Abs. 1 Z 5 lautet:

„5. Maßnahmen zur Abfederung von Einnahmenausfällen in Folge der Krise, insbe­sondere für kleine und mittlere Unternehmen sowie Kunst- und Kulturbetriebe;“

2.         § 3 Abs. 2 lautet:

„(2) Die Bundesregierung hat im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des National­rates per Verordnung Richtlinien für die Abwicklung der Fondsmittel festzulegen.“

3.         § 3 Abs. 3 lautet:

„(3) Über die konkrete Auszahlung der finanziellen Mittel entscheidet der Bundesminis­ter für Finanzen im Einvernehmen mit Vizekanzler. Die Abwicklung der Auszahlung er­folgt über die Finanzämter.“

4.         In § 3 wird nach Abs. 3 folgender Abs. 4 angefügt:

„Der Bundesminister für Finanzen hat dem Hauptausschuss monatlich einen Bericht, in dem sämtliche Maßnahmen, die nach diesem Bundesgesetz ergriffen wurden, de­tailliert dargestellt sind, vorzulegen. Der Bericht hat insbesondere die finanziellen Aus­wirkungen der gesetzten Maßnahmen auszuweisen.“

II. Artikel 4 Änderung des ABBAG-Gesetzes wird wie folgt geändert:

1.         In § 3b Abs. 1 entfällt nach der Wortfolge „in Österreich ausüben.“ der Punkt und folgender Halbsatz wird angefügt:

„und für ihre ArbeitnehmerInnen eine Arbeitsplatzgarantie abgeben.“

2.         § 3b Abs. 3 lautet der erste Satz:

„(3) Die Bundesregierung hat im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des National­rates unter Beachtung der geltenden Vorgaben des EU-Beihilfenrechtes eine Verord­nung zu erlassen, die insbesondere nachstehende Regelungen zu enthalten hat:“

5.         In § 3b wird nach Abs. 3 folgender Abs. 4 angefügt:

„Der Bundesminister für Finanzen hat dem Hauptausschuss monatlich einen detailliert dargestellten Bericht, in dem sämtliche Maßnahmen zugunsten von Unternehmen gem. § 3b Abs. 1, die zu Erhaltung der Zahlungsfähigkeit und Überbrückung von Liqui­ditätsschwierigkeiten im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Erregers SARS-CoV-2 (COVID-19) geboten sind, die nach diesem Bundesgesetz ergriffen wurden, vorzulegen. Der Bericht hat insbesondere die finanziellen Auswirkungen der gesetzten Maßnahmen auszuweisen.“

III. Artikel 7 Änderung des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes wird wie folgt geändert

1. § 18b lautet:

            „§18b. Werden auf Grund behördlicher Maßnahmen Betreuungspflichten notwendig und hat ein Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Dienstfreistellung zur Be­treuung, hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Sonderbetreuungszeit im Ausmaß von bis zu drei Wochen, ab dem Zeitpunkt der behördlichen Maßnahmen für die not­wendige Betreuung von Angehörigen zu gewähren. Ausgenommen davon, kann der Arbeitgeber Arbeitnehmern, die in einem versorgungskritischen Bereich (wie etwa Ge­sundheit, Pflege, öffentliche Sicherheit, Lebensmittelhandel und -produktion, Apothe­ken, Drogerien, öffentlicher Verkehr, Wasser- und Energieversorgung) tätig sind, eben­falls eine solche  Sonderbetreuungszeit gewähren.  Arbeitnehmer haben Anspruch auf Entgeltfortzahlung gemäß Entgeltfortzahlungsgesetz. Arbeitgeber haben Anspruch auf die Vergütung des in der Sonderbetreuungszeit an die Arbeitnehmer gezahlten Ent­gelts durch den Bund. Der Anspruch auf Vergütung nach dem ersten Satz ist mit der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage nach dem Allgemeinen Sozialversicherungs­gesetz, BGBl. Nr. 189/1955, gedeckelt und binnen sechs Wochen vom Tage der Auf­hebung der behördlichen Maßnahmen bei der zuständigen Abgabebehörde gelten zu machen.“

IV. Artikel 8 Bundesgesetz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Maßnahmengesetz) wird wie folgt geändert:

1.         In § 4 Abs. 1 lautet:

„(1) Dieses Bundesgesetz tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft und mit Ablauf des 31. Mai 2020 außer Kraft.“

2.         In § 4 Abs. 2 wird nach der Wortfolge „betreffend die Schließung von Betriebs­stätten“ folgende Wortfolge eingefügt:

„für Unternehmen mit mehr als 25 ArbeitnehmerInnen“

Begründung

Es soll sichergestellt werden, dass ein ausreichendes Maß an Transparenz und Kon­trolle für die Verwendung der Mittel aus dem Fonds erfolgt.

Die Abwicklung soll unbürokratisch über die Finanzämter erfolgen.

Das seit 1950 geltende Epidemiegesetz soll mit diesem Initiativantrag ausgehebelt wer­den. Damit würden vor allem Klein- und Kleinstbetriebe keine entsprechenden Ent­schädigungen erhalten. Daher soll das Epidemiegesetz für Betriebe bis 25 Mitar­bei­terin­nen weiter in Geltung bleiben.

Die Sonderbetreuungszeitregelung des Antrages der Regierungsfraktionen bedeutet enorme Unsicherheit für ArbeitnehmerInnen, die notwendige Betreuungspflichten wahr­nehmen müssen. Daher ist es erforderlich, einen Rechtsanspruch zu normieren. Außerdem sollen bei notwendigen Betreuungspflichten alle Arbeitnehmerinnen vollen Entgeltanspruch haben und Arbeitgeber diesen ersetzt bekommen.

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Fuchs. – Bitte.