15.49

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren! Eine Bundesregierung muss beim Auftauchen eines neuartigen, sich schnell ausbreitenden Virus, der für eine bestimmte Bevölkerungsgruppe sehr gefährlich ist, handeln. Es zählt da zu den Aufgaben der Bundesregierung, des Bundeskanzlers, des Bundesministers, sich sehr schnell ein umfassendes Bild zu machen, eine Strategie zu entwickeln und zu handeln.

Dieses Vorgehen muss dann auch sachlich, umfassend und verständlich kommuniziert werden. Dazu gibt es ja all die Pressekonferenzen, Presseaussendungen und auch die Social-Media-Möglichkeiten für die Mitglieder der Regierung. Da soll der Bevölkerung das verständlich gemacht werden, was vor sich geht, und da ist auch der Platz dafür, zu erläutern, warum man nicht den Empfehlungen anderer Experten, die eine andere Strategie vorschlagen, gefolgt ist.

Wir haben als Opposition sämtliche Maßnahmen, die seit Mitte März beschlossen worden sind, mitgetragen, denn es handelte sich um Maßnahmen zur Bekämpfung der Epidemie. Nun ist es ein sehr schmaler Grat von der Bekämpfung der Epidemie zur politischen Instrumentalisierung der Epidemie mit vielfältigen Grundrechts- und Frei­heitsrechtsbeschränkungen für Bürger, die dann unter Umständen aber nicht mehr verhältnismäßig sind. Dieser Versuchung kann die Bundesregierung, wie mir scheint, jetzt zunehmend nicht mehr widerstehen.

Über die Entstehung und die sinnvolle Bekämpfung des Coronavirus gibt es natur­gemäß von Medizinern, von Ökonomen, von Mathematikern und von sonstigen Wis­senschaftern unterschiedliche Meinungen. Das ist bei einem neuartigen Virus nicht überraschend, das kann man auch niemandem vorwerfen, sondern es ist völlig klar, dass auch die Fakten von verschiedenen Wissenschaftern anders bewertet werden. Man kann die Opfer des Virus in den Vordergrund stellen, man muss aber dann auch die Opfer der Wirtschaftskrise und der Maßnahmen in Rechnung stellen und schauen, dass dann nicht unter dem Strich mehr Opfer als durch die Bekämpfung des Virus herauskommen.

Diese verschiedenen Ansichten von Wissenschaftern sollen medial transportiert und auch diskutiert werden, und es soll von der Bundesregierung auch nachvollziehbar dar­gestellt werden, warum sie eben jenen Wissenschaftern gefolgt ist, die die drastischen Maßnahmen empfohlen haben. Es sollen aber nicht die Meinungen der Experten, die von der Regierungslinie abweichen, als gefährliche Beschwichtigungsversuche von Coronaverharmlosern bezeichnet werden, deren Meinung lebensgefährlich sei, die verantwortungslose Quacksalber seien, die jetzt nur mit der Angst der Bevölkerung spielen. – Nein, das tun sie nicht! Das ist nicht der Fall! Die Regierung muss die Menschen mit Argumenten überzeugen, aber nicht, indem die Meinungen derer, die von der Regierungslinie abweichen, einfach verschwinden, und sie danach trachtet, dass sie verschwinden, zum Beispiel durch Einsetzung eines digitalen Krisenstabs. (Beifall bei der FPÖ.)

Das hört sich harmlos an, aber dieser Krisenstab schnüffelt unter Zuhilfenahme von Polizeischülern jetzt rund um die Uhr im Internet nach Meinungen, die der Regie­rungslinie widersprechen. Diese sollen aufgefunden, korrigiert und getilgt werden. Da kann man nur sagen: Wo sind wir eigentlich?

Es werden auch Bürger, die sich über Messengerdienste austauschen, verunglimpft. Die Bürger möchten sich dort ungestört austauschen, sie wollen sich ihre eigene Meinung bilden, und das ist ihr gutes Recht – auch in der Krise!

Die Bundesregierung hat zwar wohl Maßnahmen zu verordnen, aber keine Einheits­meinung, denn die Meinungsfreiheit muss trotzdem erhalten bleiben. Die Bundesre­gierung muss entscheiden, sie ist aber deswegen noch lange nicht im Besitz der Wahrheit und soll nicht abheben. Sie hat ja auch in den vergangenen Wochen durch viele widersprüchliche Aussagen eindrucksvoll bewiesen, dass sie nicht im Besitz der absoluten Wahrheit ist.

Wenn man sich jetzt künftig an den Kurs der ostasiatischen Länder halten will, wie der Bundeskanzler angekündigt hat, die im Kampf gegen das Virus bereits erfolgreich waren, kann ich nur sagen: Sehr vernünftig! Das Problem ist nur, dass bisher eine Strategie eingeschlagen wurde, die der Strategie dieser Länder diametral entgegen­gesetzt ist. Was hat in diesen Ländern nämlich zu Erfolg geführt? – Sehr frühzeitig medizinische Ausrüstung für Krankenhäuser, aber auch Masken, nicht nur für das Personal, sondern auch für die Bürger; sehr frühzeitig Massentests inklusive Schnell­test-Drive-ins mit anschließender Isolation der Kranken – und nicht umgekehrt. Das haben wir nicht gemacht.

Zu einem sehr frühen flächendeckenden Maskentragen in der Öffentlichkeit hat es bei uns geheißen: Nein, da wiegen wir uns in falscher Sicherheit. Geschlossene Grenzen: Die ostasiatischen Länder haben kein so weitgehendes Herunterfahren – wir schon. Und dann gibt es nur noch einen Grund, aus dem sie sicherlich sehr erfolgreich sind, und zwar Big Data, die Überwachung, die in diesen Ländern eine andere Tradition hat. Ich würde die Bundesregierung jetzt aber schon ersuchen: Wenn sie schon in allen anderen Maßnahmen diesen asiatischen Ländern nicht gefolgt ist, sollte sie das jetzt bei Big Data auch nicht tun.

Wir brauchen keine Überwachung, wir wollen uns auch weiterhin frei bewegen! Es sollen sich nicht nur die frei bewegen können, die eine Überwachung auf Schritt und Tritt zulassen. Die grüne Justizministerin hat aber eh gesagt, es kommt keine indivi­duelle Überwachung. Wir verlassen uns darauf! Sie wird sich da sicher durchsetzen.

Nur einen Satz zu den grünen Abgeordneten, die sich jetzt über Viktor Orbán und Ungarn so aufregen und so empören: Bitte, sehr verehrte grüne Abgeordnete, Sie haben in den letzten Sitzungen die größten Grund- und Freiheitsrechts­einschrän­kungen seit dem Zweiten Weltkrieg – um jetzt bei dieser Floskel zu bleiben, die wir heute sehr oft gehört haben – mit Ihrem Koalitionspartner mitbeschlossen. Sich jetzt also hier darüber aufzuregen, dass in Ungarn Viktor Orbán eine Machtfülle hat und Notstandsdekrete erlässt: Das ist in der Verfassung so geregelt. Im Unterschied zu Ihnen verfügt Viktor Orbán über eine Zweidrittelmehrheit, die ihm von der Bevölkerung schon in mehreren Legislaturperioden verliehen worden ist. (Zwischenrufe bei den Grünen.)

Wenn der Vizekanzler da von einer „Semidiktatur“ redet: Also bitte, kehren Sie in Österreich vor der eigenen Tür! Sorgen Sie dafür, dass keine flächendeckende Über­wachung kommt, und kümmern Sie sich um die Semiwirtschaftskrise, in der wir uns nämlich schon befinden! (Zwischenrufe des Abg. Stögmüller.)

Ich bringe noch folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Wahrung der Grundrechte“

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert umgehend, längstens jedoch bis zum 15. April 2020, einen Berichtsmechanismus der Mitglieder der Bundesregierung an den Natio­nalrat jeweils zu Monatsbeginn zur Wahrung der Grundrechte zu etablieren, welcher folgendes vorsieht:

- Bericht über alle in Folge der COVID-19-Pandemie geplanten und umgesetzten Ver­ordnungen, Erlässe sowie sonstiger damit im Zusammenhang stehender Verwaltungs­handlungen, wobei Tätigkeiten der zur Bewältigung von COVID-19 eingerichteten Stellen gesondert auszuweisen sind.

- Bericht über Maßnahmen zur Bekämpfung sogenannter ‚Fake News‘.

- Bericht über sämtliche Verwaltungsstrafen, die im Zusammenhang mit COVID-19 verhängt werden, sind unter Angabe der Rechtsgrundlage und der verhängten Strafe im Einzelnen nachvollziehbar aufzuschlüsseln.

- Bericht über die Verwendung von Daten, welche für Datamining oder Big Data-Maß­nahmen geeignet sind, unter Offenlegung der Datenquellen sowie deren Verarbeitung.“

*****

Danke. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

15.57

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten KO Kickl, Dr. Fürst und weiterer Abgeordneter betreffend

Wahrung der Grundrechte

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 2, Bericht des Bud­getausschusses über den Antrag 402/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Garantiegesetz 1977, das Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz –WiEReG, das Zivildienstgesetz 1986, das KMU-Förde­rungsgesetz, das Bundesgesetz über die Errichtung eines Härtefallfonds, das Arbeits­marktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Arbeitsverfassungsgesetz, das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Einkommen-steuergesetz 1988, das Gebührengesetz 1957, das Finanzstrafgesetz, das Alkohol­steuer­gesetz, das Schulorganisationsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz, das Schulun­terrichtsgesetz für Berufstätige, Kollegs und Vorbereitungslehrgänge, das Schulzeit­gesetz 1985, das Schulpflichtgesetz 1985, das Land- und forstwirtschaftliche Bun­des­schulgesetz, das Innovationsstiftung-Bildung-Gesetz, das Transparenzdatenbank­gesetz 2012, das Telekommunikationsgesetz 2003, das ABBAG-Gesetz, das Familien­lastenausgleichsgesetz 1967, das COVID-19-FondsG, die Bundesabgabenordnung, das Bundesgesetz über die personellen Maßnahmen aufgrund der Modernisierung der Steuer- und Zollverwaltung, das Bundesgesetz über die Schaffung eines Amtes für Betrugsbekämpfung, das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz 2010, Artikel 91 des Finanz-Organisationsreformgesetzes, das Finanzstrafzusammenarbeitsgesetz, das Sanitätergesetz, das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das MTD-Gesetz, das Psychotherapiegesetz, das Ärztegesetz 1998, das Bundesgesetz über Krankenan­stal­ten und Kuranstalten, das Medizinproduktegesetz, das Arzneimittelgesetz, das Allge­meine Sozialversicherungs-gesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungs­gesetz, das Allgemeine Pensions-gesetz, das Freiwilligengesetz, das Epidemiegesetz 1950, das COVID-19-Maßnahmen-gesetz und das Postmarktgesetz geändert sowie ein Bundesgesetz, mit dem eine Ermächtigung zur Verfügung über Bundesvermögen erteilt wird, ein Bundesgesetz über hochschulrechtliche und studienförderungs­recht­liche Sondervorschriften an Universitäten, Pädagogischen Hochschulen, Einrichtungen zur Durchführung von Fachhochschul-Studiengängen und Fachhochschulen aufgrund von COVID-19 (COVID-19-Hochschulgesetz –C-HG), ein Bundesgesetz über das Inverkehrbringen von Mund-Nasen-Schnellmasken während der Corona COVID-19-Pandemie und ein Bundesgesetz über die Errichtung eines COVID-19-Schulver­an­staltungsausfall-Härtefonds (COVID-19-Schulstornofonds-Gesetz) erlassen werden (3. COVID-19-Gesetz) (115d.B.), in der 22. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 3. April 2020

Im Kampf um die Eindämmung der aktuellen Coronavirus-Pandemie braucht es rasches Handeln um die Österreicherinnen und Österreicher zu schützen.

Das Parlament hat in dieser schwierigen Situation gezeigt, dass sich die öster­reichi­schen Bürger auf die Gesetzgebung verlassen können. Über alle Fraktionen hinweg wurde ein nationaler Schulterschluss gefasst und das Verbindende vor das Trennende gestellt.

Im Schnellverfahren haben die Abgeordneten gleich zwei umfangreiche Gesetzes­pakete beschlossen, um auf der einen Seite die Verbreitung des Coronavirus einzu­dämmen und auf der anderen Seite Wirtschaft und Arbeitnehmer zu unterstützen. Dabei wurden jedoch konstruktive Beiträge der Opposition zum Gesundheitsschutz und zur Abwicklung des Härtefallfonds, aber auch zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit von der Regierung ignoriert.

Insbesondere wenn eine nationale Kooperation unter Verzicht auf individuelle Rechte eingefordert wird, braucht es eine laufende Debatte über die Sinnhaftigkeit, zeitliche Angemessenheit und Grundrechtskonformität entsprechender Maßnahmen. Keinesfalls darf das Ausrufen einer scheinbaren Alternativlosigkeit seitens der Regierung dazu führen, dass über solche nicht mehr gesprochen werden darf.

Die von der Bundesregierung gesetzten Maßnahmen greifen in sämtliche Lebens­bereiche ein und berühren eine Vielzahl unserer verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrechte. Dabei geht es nicht nur um die augenscheinlichen Beschränkungen des öffentlichen Lebens, die zur Eindämmung des Virus wichtig sind, sondern gerade auch um Einschränkungen des Schutzes der Kommunikationsfreiheit bei der Suche nach „Fake-News“ oder um Einschränkungen des Grundrechts auf Datenschutz.

Kritisches Hinterfragen dieser Grundrechtseingriffe darf nicht als Bedrohung der Allge­meinheit abgestempelt werden, sondern muss zum Schutz des demokratischen und freien Denkens zulässig sein. Insbesondere gilt es zu schützen:

•           Die Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz

•           Das Recht auf Leben

•           Das Recht auf persönliche Freiheit

•           Das Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens

•           Die Unverletzlichkeit des Hausrechtes

•           Das Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit

•           Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter

•           Das aktive und passive Wahlrecht

Jede freiheitsbeschränkende Maßnahme muss einer verfassungsrechtlichen Überprü­fung standhalten. Um überbordende Eingriffe in die Grundrechte der Österreicherinnen und Österreicher zu verhindern und eine Rückkehr zur Normalität nach dem Ende der aktuellen Krise zu gewährleisten, stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert umgehend, längstens jedoch bis zum 15. April 2020, einen Berichtsmechanismus der Mitglieder der Bundesregierung an den Natio­nalrat jeweils zu Monatsbeginn zur Wahrung der Grundrechte zu etablieren, welcher folgendes vorsieht:

•           Bericht über alle in Folge der COVID-19-Pandemie geplanten und umgesetzten Verordnungen, Erlässe sowie sonstiger damit im Zusammenhang stehender Verwal­tungshandlungen, wobei Tätigkeiten der zur Bewältigung von COVID-19 eingerichteten Stellen gesondert auszuweisen sind.

•           Bericht über Maßnahmen zur Bekämpfung sogenannter „Fake News“.

•           Bericht über sämtliche Verwaltungsstrafen, die im Zusammenhang mit COVID-19 verhängt werden, sind unter Angabe der Rechtsgrundlage und der verhängten Strafe im Einzelnen nachvollziehbar aufzuschlüsseln.

•           Bericht über die Verwendung von Daten, welche für Datamining oder Big Data-Maßnahmen geeignet sind, unter Offenlegung der Datenquellen sowie deren Verar­beitung.“

*****

Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Sibylle Hamann. – Bitte.