11.50

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Ich weiß nicht, ich glaube, ich habe in der Diskussion vernommen, dass die SPÖ auch zustimmt.

Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen, liebe Zu­seher! Worum geht es? – Wir haben es jetzt schon gehört, es geht um den Euro­päischen Stabilitätsmechanismus und es geht vor allem auch darum, dass gerade ein neues Kriseninstrument geschaffen wird, der Pandemic-Crisis-Support. Das Ziel ist schlicht und einfach, dass man es schafft, dass Länder, die in der Eurozone Kredite für direkte und indirekte Gesundheitskosten aufnehmen, bestmögliche Konditionen be­kommen. Das Ganze soll flott über die Bühne gehen, es soll unbürokratisch über die Bühne gehen, und die bekannten Auflagen aus der Eurokrise sollen da auch nicht angewandt werden.

Schon Mitte Mai soll es ins Laufen kommen, soll es schon funktionsfähig sein, und kontrolliert wird eben auch im Nachhinein nur, ob die Gelder zweckgewidmet ange­wendet wurden. Das ist jetzt zwar ein bisschen eine breite Fassung – und wir haben das auch gestern diskutiert –, aber letztendlich muss man sagen, dieser Schock nach der Pandemie, ist ja nicht aus Eigenverschulden entstanden, der trifft alle gleich, und deswegen sehen wir heute auch, dass das eine gute Lösung ist und stimmen dem auch zu – vor allem, weil es wirklich rasche gemeinsame, solidarische Schritte auf der europäischen Ebene sind. Das finden wir wichtig und deswegen gibt es da auch un­sere Zustimmung.

Alles, was es an positiven Nachrichten heute hier im Plenum zu diesem Thema gibt, ist damit aber leider schon gesagt. Meine Damen und Herren, es gibt nämlich auch noch etwas anderes, was wir uns ganz genau anschauen müssen: Wir behandeln seit letztem Freitag im Budgetausschuss des Nationalrates das Budget der Republik. Das ist in Zeiten einer globalen Pandemie natürlich nicht einfach, und niemand – nie­mand! – von uns Abgeordneten nimmt diese Diskussion auf die leichte Schulter. – Halt, ich muss jetzt vielleicht eines sagen: Ich glaube, einer in diesem Saal nimmt diese Diskussion durchaus auf die leichte Schulter, und das ist unser Herr Finanzminister. Der weigert sich nämlich, dem Parlament ein aktuelles Budget vorzulegen.

Vielleicht nur ganz kurz zum Prozess, weil ja nicht alle diesen Budgetprozess auch immer vor Augen haben: Wie funktioniert das normalerweise? – Normalerweise legt der Finanzminister dem österreichischen Parlament einen Budgetentwurf auf Basis aller zum Zeitpunkt der Erstellung zur Verfügung stehenden Daten vor. Das wird dann diskutiert, das wird dann im Parlament abgestimmt. Die Regierung hat sich an dieses Budget zu halten und sie muss auch Rechenschaft über dieses Budget ablegen.

Es ist also gewissermaßen nichts anderes als ein Finanzrahmen, den das Parlament der Regierung für ihr Tun vorgibt, und alle Finanzminister der Zweiten Republik haben es bis jetzt ja durchaus geschafft, ein Budget vorzulegen – mit Ausnahme unseres jetzigen Finanzministers. Der verweigert hier nämlich die Vorlage. Was er macht, ist nichts anderes, als dass er den 183 Abgeordneten in diesem Saal einen Entwurf gibt, der vor der Pandemie, vor der Krise erstellt wurde, und sagt: Diskutiert jetzt darüber!

Selber sagt er über das gleiche Papier übrigens, er habe es in den Papierkübel geschmissen. – Jetzt frage ich mich schon, ganz im Ernst, wie wir mit dieser Argu­mentation weitertun. Ich meine, ich verstehe ja, dass Sie sich hinstellen und sagen, das ist alles unsicher und das ist alles schwierig. – Das ist nachvollziehbar. Es erwartet auch niemand von Ihnen, dass Sie genau in die Zukunft sehen und sagen, was hier passieren wird. Das kann niemand von uns, das ist auch klar, und wir würden Sie daran auch niemals messen.

Was Sie hier machen, ist aber schon wirklich einzigartig in diesem Parlament: dass Sie sich hinstellen und sagen, na ja, es ist unsicher, deswegen machen wir halt gar nichts, und wir geben den Abgeordneten halt einfach ein Papier, das Sie – ich zitiere Sie – in den Papierkübel schmeißen, das weder die vorauszusehenden Einnahmenausfälle noch die Hilfspakete im Zusammenhang mit der Coronakrise enthält. Das geben Sie dem Parlament zur Diskussion. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich weiß, Sie sind auch sauer auf mich, weil ich letzte Woche gesagt habe: Wollen oder können Sie nicht? Eigentlich ist es ja wirklich vollkommen egal, was Sie antwor­ten, es ist nämlich alles inakzeptabel. Ich bleibe dabei: Es ist eine Arbeitsverweigerung von einem Finanzminister, es ist Arbeitsverweigerung und es ist eine noch nie dage­wesene Missachtung des Parlaments. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Kollege Krainer von der SPÖ, Kollege Fuchs von der FPÖ, der ehemalige Staats­sekretär, und ich haben uns daher gemeinsam hingesetzt und einen Entschließungs­antrag ausgearbeitet, den ich heute im Namen der Opposition auch einbringen darf. Er lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kai Jan Krainer, MMag. DDr. Hubert Fuchs, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Vorlage eines korrekten Budgets durch den ÖVP-Finanzminister zur Beschlussfassung durch das Parlament“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufge­fordert, dem Parlament umgehend einen aktualisierten Budgetentwurf zur Beratung zu übermitteln, der die Auswirkungen der Corona-Pandemie sowohl auf der Einnahmen- wie auch auf der Ausgabenseite auf Basis aller aktuell zur Verfügung stehenden Daten und Vorhaben der Regierung berücksichtigt.“

*****

Ganz ehrlich, Herr Finanzminister, vielleicht sparen Sie sich einfach zwei dieser fünf Pressekonferenzen pro Woche, setzen sich hin und beginnen mit der Arbeit. Ich bin mir ganz sicher, dass das Finanzministerium da gerne unterstützt und mitmacht, denn ich kann mir ja auch nicht vorstellen, dass Sie der erste Finanzminister sein wollen, der in den Geschichtsbüchern steht, weil er es als einziger in Europa nicht schafft, ein Budget zu aktualisieren, und auch nicht, dass Sie der erste Finanzminister der österreichi­schen Republik sein wollen, der es nicht schafft oder daran scheitert, dieses Budget zu aktualisieren.  Vielen Dank. (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

11.56

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kai Jan Krainer, MMag. DDr. Hubert Fuchs, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Vorlage eines korrekten Budgets durch den ÖVP-Finanzminister zur Beschlussfassung durch das Parlament

eingebracht im Zuge der Debatte in der 30. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Ständigen Unterausschusses in ESM-Angelegenheiten über den Antrag gemäß Art. 50b Z 1 B-VG iVm § 74d Abs. 2 GOG-NR des Bundesministers für Finanzen auf Ermächtigung, einem Vorschlag für einen Beschluss, den Mitgliedstaaten des ESM im Rahmen des Pandemic Crisis Supports grundsätzlich Finanzhilfe zu gewähren, zuzustimmen (12/BAESM) – TOP 5

In entwickelten Demokratien werden Budgets in der Regel auf Vorschlag der Re­gierung durch Parlamente beraten und beschlossen. Im Rahmen der solcherart be­schlossenen Haushalte haben sich Regierungen in der Folge zu bewegen und danach auch Rechenschaft abzulegen.

Alle Finanzminister der zweiten Republik haben dem österreichischen Parlament bis-her entsprechende Budgetentwürfe auf Basis aller zum Zeitpunkt der Erstellung zur Verfügung stehenden Daten zugeleitet und zur Diskussion und Beschlussfassung gestellt.

Finanzminister Blümel verweigert dies und belässt es bei den Entwürfen, die vor Aus-bruch der Corona-Krise erarbeitet wurden – dies mit der Argumentation, dass alles sehr unsicher sei, die Zahlen wären für ihn als Finanzminister unberechenbar, und er wisse, dass die Zahlen vom März falsch seien, aber selbst wenn diese jetzt aktualisiert würden, wären sie wieder falsch. In der Tat ist die Situation eine außergewöhnliche und niemand erwartet, dass alle Unwägbarkeiten vorhergesehen werden können. Dass ein ÖVP-Finanzminister dem Parlament veraltete und somit falsche Budgetzahlen zur Beschlussfassung vorlegt ist einmalig.

Der Finanzminister hat die Pflicht, auf Basis der aktuellen Wifo-Prognose und der zur Verfügung stehenden Daten nach bestem Wissen und Gewissen ein Budget zu erstellen. Dies ist nicht der Fall, wenn dem Parlament ein Budgetentwurf zur Beratung und Beschlussfassung zugeleitet wird, der weder die vorauszusehenden Einnah­menausfälle noch die Hilfspakete im Zusammenhang mit der Corona-Krise berück­sichtigt und einrechnet. Dem Parlament wird ein Zahlenwerk vorgelegt, dass auf der Fortschreibung des Budgets 2019 aus Vorkrisenzeiten basiert, gerade einmal den Beschluss des ersten Covid-19-Gesetzes über 4 Mrd. € für den Hilfsfonds von Mitte März enthält, und durch einen Abänderungsantrag der Regierungsfraktionen ÖVP und Grüne um einen Blankoscheck um weitere 24 Mrd. € (in Summe 28 Mrd. €) erweitert wurde.

Das ist eine Missachtung des Parlaments.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufge­fordert, dem Parlament umgehend einen aktualisierten Budgetentwurf zur Beratung zu übermitteln, der die Auswirkungen der Corona-Pandemie sowohl auf der Einnahmen- wie auch auf der Ausgabenseite auf Basis aller aktuell zur Verfügung stehenden Daten und Vorhaben der Regierung berücksichtigt."

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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Angela Baumgartner. – Bitte.