16.52

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Herr Bundeskanzler! Kinder, Jugendliche, junge Men­schen haben wirklich meisterhaft jede Maßnahme mitgetragen, sind vor großen Unsi­cherheiten gestanden und haben sich aber gleichzeitig noch zivilgesellschaftlich betei­ligt – Nachbarschaftshilfe, Zivildienst.

Mir ist jedoch in den letzten Monaten bei den unzähligen Pressekonferenzen aufgefallen, dass sich nicht eine mit den Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen wirklich be­schäftigt hat, nicht eine einzige – bis auf das Humankapital, kurz so als Schmankerl noch mit dazugenommen; Humankapital, das ist das, was die Regierungskoalition unter den Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen versteht.

Selbst im Bildungsbereich – wir haben es mitbekommen – sind nur häppchenweise und zäh Dinge verkündet worden. Die Unsicherheit war groß – weil es gerade aktuell ist: auch bei der Matura. Wenn man Schülerinnen und Schüler jetzt fragt, sagen sie: Ja, Gott sei Dank findet sie jetzt irgendwie statt, aber eigentlich haben wir nicht genau gewusst, wie das Ganze passiert.

Stefanie, 25, beispielsweise erzählt dem „Standard“: „Ich bin zum ersten Mal arbeitslos. Im März habe ich eine Traineestelle in einer Versicherung begonnen. Kurz nach dem ersten Arbeitstag bekam ich einen Anruf: Wegen der Wirtschaftslage würden alle in der Probezeit gekündigt. Das war wie ein Schlag ins Gesicht.“ Weiter: „Das Arbeitslosengeld ist gering, es deckt nur Fixkosten wie Auto und Versicherung. Die Miete erlassen mir meine Eltern, in deren Haus ich eine Wohnung habe, Lebensmittel zahle ich vom Er­sparten.“

Ökonomische Engpässe in der Familie aufgrund von Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit, Un­sicherheit, ob man eine Lehrstelle bekommt, ob man einen Ausbildungsplatz antreten kann oder ob man in die Jugendarbeitslosigkeit rutscht, Ungewissheit, wie man die Som­merferien überbrücken soll, ob Feriencamps stattfinden – all diese Ängste sind real, und Sie, Herr Bundeskanzler, handeln nicht. Das ist dramatisch, ich muss das wirklich sagen. (Beifall bei der SPÖ.)

Man hat auch nicht bedacht, dass von heute auf morgen jeder soziale Kontakt von Kin­dern und Jugendlichen abgebrochen werden musste – in der Schule, in den Aus­bildungseinrichtungen, bei der Feuerwehrjugend, beim Sportverein, bei all diesen Ver­einen und Organisationen –, man hat nicht bedacht, was diese Situation für Kinder und Jugendliche bedeutet.

Wir haben beispielsweise ein Paket auf den Tisch gelegt, das Unterstützung der Exeku­tive fordert, Absicherung von Kinder- und Jugendarbeit, sofort mehr Psychologinnen und Psychologen an Österreichs Schulen, Gewaltschutz für Frauen und Kinder, weitere ge­sundheitliche Maßnahmen – wirklich ein Rundumpaket mit ersten Schritten. Besonders die Kinder- und Jugendarbeit möchte ich hervorheben, weil das ein wahnsinnig wichtiger Baustein war, oftmals der letzte Anker, der letzte Kontakt außerhalb der eigenen vier Wände, und es braucht endlich eine langfristige Finanzierung für diese Organisationen und diese Arbeit, weil allen Kindern und Jugendlichen ein konsumzwangfreier Zugang zu sozialarbeiterischer Unterstützung zusteht (Beifall bei der SPÖ) – ganz einfach ein Raum, in dem man sich treffen und offen reden kann.

Genau darum geht es auch bei der psychologischen Beratung und Betreuung an Schu­len. Viele junge Menschen haben jetzt fürchterliche Dinge erlebt, über die sie vielleicht nicht mit LehrerInnen oder auch Mitschülerinnen und Mitschülern sprechen möchten. Gerade deshalb ist es unabdingbar, dass wir ab morgen 100 Psychologinnen und Psy­chologen mehr an Österreichs Schulen haben. Warum versteht man das nicht? Ich kann es wirklich nicht nachvollziehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Dieses Paket wird am Freitag abgelehnt, stattdessen wird ein Abänderungsantrag von Türkis-Grün darübergestülpt, in dem man auf das Regierungsprogramm verweist. Ei­gentlich ist genau das die Farce, weil man die Notwendigkeit von Sofortmaßnahmen verkennt – Sofortmaßnahmen, die man sofort braucht, die dringend sind und sofort wirken. Für die Schaumweinindustrie wird sofort eine Entlastung gefunden, für Kinder und Jugendliche nicht. Wer da eine Lobby hat, braucht man, glaube ich, nicht zu erwäh­nen.

Deswegen bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sofortige Rettung österreichischer Arbeitsplätze und KMUs“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend ein Gesetzespaket zur Rettung österreichischer Arbeitsplätze und EPUs bzw. KMUs vorzulegen, das die volle Entschädigung nach dem Epidemiegesetz für Unternehmen bis zu 25 MitarbeiterIn­nen unter rückwirkender Aufhebung der 6-Wochen-Frist gem. § 33 Epidemiege­setz 1950 vorsieht. Bis zur Abwicklung dieser Maßnahmen sind die Mindestauszahlun­gen aus dem Härtefallfonds auf den Sozialhilferichtsatz – rückwirkend – anzuheben und gleichzeitig ist sicherzustellen, dass alle offenen Anträge bis Ende Mai 2020 zur Auszahlung gelangen. Des Weiteren wird die Bundesregierung – zur Stärkung der Kauf­kraft – aufgefordert, das Arbeitslosengeld umgehend auf 70% der Nettoersatzrate zu erhöhen sowie die Steuerreform für kleinen und mittlere Einkommen auf den 1.7.2020 vorzuziehen.“

*****

Zum Abschluss noch die aktuellen Beratungszahlen von Rat auf Draht: Es gab um 240 Prozent mehr Schlafprobleme, um 146 Prozent mehr Anfragen zu Panikattacken und Depressionen, um 54 Prozent mehr Suizidgedanken und Autoaggression wie Ritzen und um 88 Prozent mehr physische Gewalt in der Familie.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen Prost, wenn Sie nach den Budgetbeschlüssen mit Ihrem Wunschschaumwein anstoßen. (Abg. Schmidhofer: Das ist eine Mutmaßung!) Ihre Maßnahmen helfen leider weder den Arbeitslosen noch den ArbeiterInnen noch den Familien, Kindern und Jugendlichen in Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)

16.58

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

gemäß § 55 GOG-NR

der Abgeordneten Jörg Leichtfried, Christoph Matznetter, Eva-Maria Holzleitner

Genossinnen und Genossen

Betreffend: Sofortige Rettung österreichischer Arbeitsplätze und KMUs

eingebracht im Zuge der Debatte zur Dringlichen Anfrage der Abgeordneten Jörg Leicht­fried, Genossinnen und Genossen an den Bundeskanzler betreffend: „Es braucht echte Hilfe statt leerer Versprechen – das Versagen der Kurz-Regierung bei der Bekämpfung der wirtschaftlichen und sozialen Krisen-Folgen“

Die Stimmung bei Österreichs Selbstständigen ist schlecht. Viele kleine Unternehmer, die jetzt ohne Umsatz dastehen, bekommen nicht mal eine Unterstützung in der Höhe der Sozialhilfe. Dazu belasten undurchsichtige Bürokratie und unklare Zuständigkeiten die Unternehmen in einer ohnehin schon schwierigen Zeit. Vor allem der Härtefallfonds erntet viel Kritik: 66 Prozent der Kleinstunternehmen geben der Regierung dafür die Note „Nicht genügend“.

Vor rund 2 Monaten präsentierte die Regierung ihren Rettungsschirm. Sie kündigte an, Arbeitsplätze und der Wirtschaftsstandort sollen gesichert werden „koste es, was es wol­le“. Die Realität für Klein- und Mittelunternehmen sieht anders aus. Viele Unternehmen fielen beim Härtefallfonds zuerst ganz durch und wurden auch in der zweiten Phase gar nicht oder nur gering gefördert.

„Nachdem ich beim ersten Härtefallfonds gar nicht beantragen konnte, weil ich erst seit einem Jahr offen habe, habe ich jetzt etwas bekommen: 500 Euro. Ich will wirklich nicht undankbar sein. Aber davon kann ich die zwei Monate, die wir schon geschlossen ha­ben, nicht mal meine private Miete zahlen – geschweige denn die Lokalmiete!“ sagt etwa die Café-Betreiberin Viola Bachmayr-Heyda

66 Prozent geben dem Härtefallfonds ein „Nicht genügend“

Dass das kein Einzelschicksal ist, zeigt eine Studie der Universität Wien. Darin wurden Einpersonen- und Kleinstunternehmen (Unternehmen mit bis zu neun Mitarbeitern) be­fragt und die zeigen sich sehr enttäuscht von der Regierung. Besonders der Härtefall­fonds wird negativ beurteilt. In Summe beurteilen nur 0,3% der Teilnehmer den Härtefall-Fonds mit der Note „Sehr gut“. Knapp 2% der Teilnehmer vergeben die Note „Gut“, 7% die Note „Befriedigend“, und 22% die Note „Genügend“.

Die große Mehrheit der Teilnehmer beurteilt den Härtefall-Fonds mit der Note „Nicht ge­nügend“: 63% der teilnehmenden EPU und 66% der teilnehmenden Kleinstunternehmer vergeben diese Note.

Fünfer für Corona-Hilfspaket

Die Unzufriedenheit ist auch beim gesamten Corona-Hilfspaket groß. Auf die Frage: „Mit welcher Schulnote würden Sie Ihre finanzielle Unterstützung durch das Corona-Hilfspa­ket beurteilen?“ antworten nur zwei Prozent der EPUs und drei Prozent der Kleinstun­ternehmen mit „Sehr gut“. Einen Fünfer gibt es hingegen von mehr als der Hälfte (56 %) der Einpersonenunternehmen und von 49 Prozent der Kleinstunternehmen.

Wenig Geld – viel Bürokratie

Dass die Unternehmen so unzufrieden mit der Regierungsarbeit sind, liegt wohl auch an der Bürokratie. Beispielsweise ist für die Abwicklung des Härtefall-Fonds die Wirtschafts­kammer zuständig und nicht wie in anderen Ländern das Finanzministerium. Wer, wo, welche Förderung bekommt, ist oftmals nicht klar. Der Standard berichtet von Fällen, die zwischen Wirtschaftskammer, Wirtschaftsministerium und Finanzamt hin und her geschickt worden sind. Derartige Verzögerungen sind besonders bitter. Schließlich sind bei einigen die ersten Zuschüsse längst verbraucht. Vor allem Einpersonen- und Kleinst­unternehmen müssen ihre Rücklagen auflösen oder sich verschulden, um Löhne, Mieten und Lebenserhaltungskosten bezahlen zu können. „Die Situation ist fatal“, sagt auch die Unternehmensberaterin Sonja Lauterbach gegenüber dem Standard.

„Offenbar hat keiner der Verantwortlichen das Wesen der Einnahmen-Ausgaben-Rech­nung verstanden.“

Regierung zeigt beispiellose Ignoranz gegenüber der Lebensrealität von Kleinstbe­trieben

Die SPÖ befragte im Budgetausschuss zum Härtefallfonds für Selbstständige und kleine Betriebe Wirtschaftsministerin Schramböck. Der Abgeordnete Max Lercher wollte von der Ministerin wissen, warum der Härtefallfonds den hunderttausenden Einpersonenun­ternehmen, die jetzt ohne Umsatz dastehen, nicht wenigstens 920 Euro pro Monat aus­zahlt – das entspricht der Höhe des Sozialhilferichtsatzes. Schramböck lehnt das ab und verweist auf Experten, die ihr davon abgeraten haben. Welche Experten das waren und mit welcher Begründung, wollte Schramböck auf Nachfrage von Lercher nicht sagen.

Kleine Unternehmen sind für ein Viertel der Jobs verantwortlich

Viele Einpersonen- und Kleinstunternehmen fürchten nun um ihre Existenz – die Folgen wären auch für den Wirtschaftsstandort Österreich fatal: Diese Unternehmen erwirt­schaften knapp 40 Milliarden Euro an Bruttowertschöpfung. Insgesamt gibt es von ihnen 300.000 und sie sind für 720.000 Jobs verantwortlich – das sind ein Viertel der öster­reichischen Arbeitsplätze.

Massenkündigungen und drohende Masseninsolvenzen aufgrund der Streichung der Entschädigungszahlungen aus dem Epidemiegesetz

Der Kardinalfehler der Regierung war die Streichung der Entschädigungszahlungen aus dem Epidemiegesetz. Dadurch wurden die Unternehmen nicht nur zu Bittstellern de­gradiert und an den Rand des Ruins getrieben. Man zwang sie dadurch auch zu Kün­digungen. Dadurch verloren binnen weniger Tage 200.000 Menschen in Österreich ihren Job.

Die wirtschafts- und sozialpolitische Performance dieser Regierung gefährdet hundert­tausende Arbeitsplätze und zehntausende KMUs in Österreich, die das Rückgrat unse­rer Wirtschaft sind.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend ein Gesetzespaket zur Rettung österreichischer Arbeitsplätze und EPUs bzw. KMUs vorzulegen, das die volle Entschädigung nach dem Epidemiegesetz für Unternehmen bis zu 25 MitarbeiterIn­nen unter rückwirkender Aufhebung der 6-Wochen-Frist gem. § 33 Epidemiegesetz 1950 vorsieht. Bis zur Abwicklung dieser Maßnahmen sind die Mindestauszahlungen aus dem Härtefallfonds auf den Sozialhilferichtsatz – rückwirkend - anzuheben und gleichzeitig ist sicherzustellen, dass alle offenen Anträge bis Ende Mai 2020 zur Auszahlung gelangen. Des Weiteren wird die Bundesregierung - zur Stärkung der Kaufkraft - aufgefordert, das Arbeitslosengeld umgehend auf 70% der Nettoersatzrate zu erhöhen sowie die Steuer­reform für kleinen und mittlere Einkommen auf den 1.7.2020 vorzuziehen.“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Niss. – Bitte.