11.13

Mitglied des Europäischen Parlaments Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie schon viele gesagt ha­ben, wissen wir seit Jahren Bescheid, wie die Zustände in griechischen Flüchtlingslagern sind. Jetzt wissen wir seit zwei Wochen Bescheid, wie die aktuelle Situation in Moria ist, und manche schauen ungerührt dabei zu, wie Familien, Menschen, Kinder in den Wäl­dern, im Dreck, auf der Straße hausen und schlafen.

Seit heute haben wir die Chance, diese Geschichte für die Zukunft neu zu schreiben, anstatt sie fortzuschreiben. Wir haben die Chance, etwas in der europäischen Politik zu ändern. Das, was man bisher darüber lesen konnte, was die Kommission heute hinsicht­lich einer Reform für das europäische Asylwesen vorstellen wird, ist der Versuch, ein Moria in Zukunft zu verhindern. Es ist ganz sicher nicht genau das, was wir NEOS uns vorstellen, nämlich einen ganzheitlichen Zugang, aber es ist ein Anfang. Wir haben die Verpflichtung, jetzt konstruktiv auch mit der Öffentlichkeit darüber zu diskutieren, wie wir diese Herausforderung wirklich so angehen können, dass wir ein Moria in Zukunft verhin­dern können.

Hinsichtlich dessen, was Klubobfrau Meinl-Reisinger angesprochen hat, was Österreich verhindert, ist es nicht nur darum gegangen, dass wir jetzt verhindern, Kinder aus Moria zu retten, sondern es ist auch darum gegangen, dass wir eben nicht dabei sind, wenn es darum geht, ein europäisches Migrations- und Asylsystem auf gute Beine zu stellen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das Einzige nämlich, das heute schon in den österreichischen Medien zu vernehmen war, war, dass die Bundesregierung – der Innenminister und der Bundeskanzler – sagt: Verteilung ist gescheitert! – Das ist es! Das ist das Einzige, was wir bisher gehört haben. Was soll das bitte? Das ist doch politische Selbstaufgabe, das ist Kapitulation vor der Realität. (Beifall bei den NEOS.)

Es ist eine Frechheit, es ist innenpolitische, zynische Spielerei, es ist eine Spielerei mit dem Schicksal, mit dem Leben von Menschen, die davon abhängig sind, dass wir uns zusammenreißen und zu einer ordentlichen Reform des europäischen Migrations- und Asylsystems kommen. Das ist es! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.) Sich hinzustellen, als wäre Migration, als wäre Flucht etwas, das man aussitzen kann, das ist Realitätsverweigerung! (Beifall bei den NEOS.)

Die ÖVP hat ja in der Vergangenheit schon viele Dinge erfolgreich ausgesessen und gibt auch jetzt das Versprechen: Das werden wir schon irgendwie hinkriegen, wir bleiben sitzen! – Das ist aber nicht unsere Verantwortung in der Politik!

Die Realität ist folgende: Migration wird uns, die Generation nach uns, die Generationen nach ihnen begleiten. Flucht wird uns begleiten, Krieg, Klimawandel, Umweltkatastro­phen. Das ist ein Thema, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen. Wir müssen einen Weg finden, akut Krisen begegnen zu können, wir müssen aber auch einen Weg finden, langfristig mit dem Thema Migration normal umgehen zu können. Wir können nicht so tun, als würde das an uns vorbeiziehen. Damit verweigern wir uns einer wichtigen Aufga­be in der Politik, nämlich uns mit der Realität zu beschäftigen.

Ich möchte schon auch noch darüber reden, wie es jungen Menschen, vielen, die mir schreiben, damit geht, dass Österreich sich jetzt in dieser Situation nicht daran beteiligt, Menschen von griechischen Inseln zu holen, sie zu retten, Kinder zu retten. Sie sind entsetzt darüber, dass das die europäischen Werte sind, die hier hochgehalten werden, auch gerade hier in diesem Haus, wo oft darüber geredet wird: Was ist Anstand? Was sollten wir als Europäerinnen und Europäer tun? Was sind unsere Werte? Wenn wir auch oft mit dem erhobenen Zeigefinger über andere Länder sprechen und feststellen, dass sie mit Werten nicht ordentlich umgehen, dann müssen wir auch darüber reden, wie wir mit unseren Werten umgehen.

Wir waren als Nation früher stolz darauf, anderen zu helfen. Ich bin mit der Dauerschleife von Nachbar in Not im Fernsehen aufgewachsen. Wir waren als Nation früher stolz darauf, anderen aus dem Krieg eine Chance auf ein anderes Leben zu geben, Kindern eine Perspektive auf ein Leben zu geben. Wir waren als Nation stolz darauf, anderen die Chance zu geben, auch Österreicherinnen und Österreicher zu werden. (Zwischenruf des Abg. Zanger.) Wir waren als Nation einmal stolz darauf, Vielfalt zu leben. Jedenfalls waren wir in der Vergangenheit aber immer stolz darauf, Kinder zu retten. So bin ich aufgewachsen, und viele junge Menschen fragen sich: Wo ist dieses Österreich bei der ÖVP hin? (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

Es darf in Zukunft kein Moria mehr geben, es darf keine Elendslager mehr geben und es darf keine Selbstaufgabe der europäischen Werte mehr geben! Wir müssen uns für ein europäisches Asyl- und Migrationssystem einsetzen, das diesen Werten eine Chance gibt und das den Kindern aus Moria eine Chance gibt. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

11.18

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Karl Mahrer. – Bitte. (Ruf bei der SPÖ: Oje!)