11.24

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Regierungsmitglieder! Wir diskutieren hier eine humanitäre Katastrophe. Alle Menschen im Lager Moria haben nach dem Brand ihr Heim, ihre ganz bescheidene Bleibe, ihre primitive Baracke oder ihr kleines Zelt verloren – 13 000 Men­schen hausen im Wald, schlafen auf dem feuchten Boden.

Die SPÖ fordert hier klare und rasche Hilfe! (Abg. Kickl: Die ganze SPÖ?) Wenn nun Maßnahmen anlaufen, so hätte das schon vor zwei bis drei Jahren passieren müssen, nicht erst jetzt. Beim diesbezüglichen Antrag von Kollegin Pamela Rendi-Wagner ist die Fristsetzung abgelehnt worden – so schaut keine Sofortmaßnahme aus! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler, Sie sagen, wir können nicht alle aufnehmen. Sie verschanzen sich hinter Stehsätzen, Herr Bundeskanzler. 100 Prozent der Österreicher werden Ihnen zu­stimmen, wenn Sie sagen: Wir können nicht alle aufnehmen. Sie sagen: Ich habe die Balkanroute geschlossen. – Das ist ein Stehsatz, Herr Bundeskanzler. Diese Sätze helfen uns in der konkreten Situation nicht weiter. Ich würde sogar sagen, Herr Bundes­kanzler, das ist kaltschnäuzig, das ist überheblich, es ist nicht menschlich! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Herr Bundeskanzler, Sie sagen: Wir können nicht alle aufnehmen. Da geht es nicht um alle! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Es geht nicht um eine Flüchtlingspolitik, es geht um eine ganz konkrete humanitäre Hilfe für zum Beispiel 100 Kinder, wie es der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig erklärt hat, der auch bereit ist, da etwas zu tun. (Beifall bei der SPÖ. Abg. Kickl: ... aber ... sagt was anderes!)

Wir sagen: Holen wir Kinder aus Moria, aus diesem Inferno, aus dieser Hölle raus! Und Sie sagen darauf: Wir können nicht alle aufnehmen. Das ist ein Armutszeugnis. (Ruf bei der ÖVP: ... die nimmt das Burgenland auf?) Die Grünen und die ÖVP verschleppten den Fristsetzungsantrag – so schaut konkrete Hilfe, so schaut humanitäre Hilfe sicher nicht aus.

Die Frage ist: Macht die EU genug? Sind die Maßnahmen der Europäischen Union effi­zient? Herr Bundeskanzler, Sie waren ja auch während der EU-Ratspräsidentschaft aktiv oder agierend, haben eine bestimmte Verantwortung gehabt. Hat es damals konkrete Vorschläge gegeben, die Lage der 13 000 Verzweifelten in Moria spürbar und nachhaltig zu verbessern? Nein, es hat nichts gegeben.

Ganz, ganz wichtig, sichere Außengrenzen in Europa: Hat es während Ihrer EU-Ratsprä­sidentschaft konkrete Maßnahmen für sichere Außengrenzen in Europa gegeben, dass diese besser geschützt sind, besser kontrolliert werden? (Rufe: Nein!) Nein. De facto wurde das Thema der sicheren Außengrenzen in Europa auf 2024 verschleppt. Die ös­terreichische Ratspräsidentschaft hat da unentschlossen und unfähig agiert.

Schauen wir doch einmal über den österreichischen Tellerrand hinaus; manchmal lohnt sich ein Blick nach München, nach Bayern! Dort sitzt die CSU, und Bundeskanzler Kurz hat ja die CSU zu besonders engen Freunden von Österreich und der ÖVP erklärt. (Ruf bei der ÖVP: Was du alles weißt!) Nun, wie sehen diese Freunde der CSU die starre Haltung der ÖVP und der Grünen? (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Der CSU-Chef Markus Söder erwartet sich von der österreichischen Regierung (Ruf bei der ÖVP: Was erwartet er sich?) „etwas mehr Herzlichkeit”. Söder ist da charmant, denn er meint etwas mehr Menschlichkeit, Söder ist da charmant, denn er meint etwas mehr Nächstenliebe. (Abg. Hörl: ... ist auch charmant! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ganz konkret: Innenminister Seehofer macht ganz konkrete Angebote, wie viele Fami­lien und Kinder man nach Deutschland holen kann. (Abg. Kickl: Das ist nur ein abge­kartetes Spiel!) Dass die Kurz-ÖVP die CSU rechts überholt, wundert mich nicht. Die ÖVP war nie sozial. Sie war einmal christlich, jetzt ist die ÖVP auch nicht mehr christlich. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Melchior und Ottenschläger.)

Jetzt überholen aber die Grünen die CSU rechts. Die Grünen waren nie explizit christlich, aber jetzt sind sie auch nicht mehr sozial und nicht mehr humanitär.

Zum Thema Nächstenliebe: Die Nächstenliebe ist eine schöne, vielleicht die schönste christliche Tugend. Die Nächstenliebe ist aber mehr als eine christliche Tugend – die Nächstenliebe ist eigentlich das Fundament des Christseins. Die Österreichische Bi­schofskonferenz sagt, dass die Maßnahmen, die jetzt vor Ort gesetzt werden, zu wenig sind. Das sagt die Österreichische – die katholische – Bischofskonferenz. Und die evan­gelische Diakonie meint, dass Moria zum Inbegriff des Scheiterns der europäischen Flüchtlingspolitik geworden ist. (Abg. Gabriela Schwarz: Und was hat ...?!)

Präsidentin Doris Bures: Sie müssen jetzt den Schlusssatz formulieren, Herr Abgeord­neter!

Abgeordneter Dr. Harald Troch (fortsetzend): Die SPÖ hat hier eine klare Haltung, eine Haltung der Menschlichkeit, der Nächstenliebe. (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP.) Konkrete Vorschläge liegen auf dem Tisch, unter anderen des Wiener Bürgermeisters: Holen wir 100 Kinder aus Moria, aus dem Schlamm, aus dem Inferno nach Wien! (Beifall bei der SPÖ. – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Ernst-Dziedzic.)

11.29

Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Petra Steger. – Bitte.