12.17

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Frau Präsidentin! Werte Mitglieder der Bun­desregierung! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! In unserer Welt gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten, der Allgemeinheit Mitteilungen, Meinungen und Infor­mationen zukommen zu lassen, und das mit einer Reichweite, die nahezu unbegrenzt ist. So trägt die moderne Kommunikation zu Information, Meinungsfreiheit und Vielfalt bei. Tatsache ist aber leider auch, dass manche irregeleitete Personen diese Möglich­keiten dazu nützen, Unwahrheiten über Fakten und Verschwörungstheorien schnell in einem großen Kreis von Menschen zu verbreiten. Jede und jeder von uns stößt immer wieder auf derartige – ich nenne sie jetzt einfach einmal so – Fakenews.

Ein derartiges Verhalten, sehr geehrte Damen und Herren, darf in unserer Gesellschaft keinen Platz haben. Bisher standen Betroffene dem relativ machtlos gegenüber. Das wird sich nun ändern, und darüber bin ich schon sehr froh.

Der Justizteil des Gesetzespaketes wurde im Ausschuss mit einem gemeinsamen Ziel gut debattiert und mit Zustimmung fast aller Fraktionen vorbereitet. Anregungen und Kritikpunkte aus dem Begutachtungsverfahren wurden im Großen und Ganzen berück­sichtigt und in den Gesetzesvorschlag eingearbeitet.

Das Ergebnis dieses Prozesses ist ein Gesetzespaket mit dem Ziel, Hass im Netz einen Riegel vorzuschieben. Opfer sollen damit besser geschützt werden, und das Begehren der Unterlassung soll einfacher durchsetzbar werden. Auch der Bereich des soge­nannten Upskirting – ich erinnere an meinen diesbezüglichen Antrag, Frau Ministerin, den ich bereits im Dezember 2019 eingebracht habe – wurde berücksichtigt. Das uner­wünschte Fotografieren insbesondere unter den Rock von Frauen beziehungsweise das Anfertigen von Nacktfotos oder Nacktvideos ohne Wissen oder Einwilligung der Betrof­fenen werden nunmehr ausdrücklich unter Strafe gestellt.

Die SPÖ wird diesem Gesetzespaket im justiziellen Teil daher ihre Zustimmung geben, weil damit ein Schritt in die richtige Richtung gemacht wird. Ein Wermutstropfen ist dabei jedoch, dass der Strafrahmen für das bloße Anfertigen dieser Bilder von dem ursprüng­lich vorgesehenen einen Jahr auf sechs Monate reduziert wurde. Damit ist die Straf­drohung im internationalen Vergleich schon sehr gering. Um es klar zu benennen: Es geht um sexuelle Gewalt gegen Frauen, es geht um Grenzüberschreitungen, es geht um unzulässige Machtausübung. Heimlich intime Fotos zu machen und dann womöglich im Netz zu verbreiten ist ein schwerer Angriff auf die Integrität von Menschen, insbesondere von Frauen und Mädchen. (Beifall bei der SPÖ.) Das ist kein Kavaliersdelikt, daher sollte auch die Strafdrohung dem Unrechtsgehalt der Tat entsprechen. Wir werden daher einen Abänderungsantrag einbringen, der den Strafrahmen wieder mit einem Jahr fest­legt.

Ich möchte aber an dieser Stelle auch einen Hilferuf von SOS-Kinderdorf aufgreifen, der zu Recht auf besondere Betroffenheit von Kindern und Jugendlichen hinweist, und bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Begleit­maßnahmen zur tatsächlichen Wirksamkeit der Rechtsmittel bezüglich ‚Hass im Netz‘ für Kinder und Jugendliche“

Der Nationalrat möge beschließen:

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden ersucht, sicher zu stellen, dass speziell Kinder und Jugendliche tatsächlich Zugang zu den in der Regierungsvorlage vorgesehenen Rechtsmittel haben.

Dazu braucht es zum einen den Abbau von Zugangshürden, wie

- der Befreiung von der Gerichtsgebühr und damit ein gänzlicher Entfall der Kosten­ersatzpflicht für Minderjährige;

- die verpflichtende Prozessbegleitung für Minderjährige;

- die Möglichkeit, einen Antrag nach § 549 ZPO gleichzeitig mit dem Antrag auf pflegschaftsgerichtliche Genehmigung stellen zu können – ansonsten wäre der Rechts­schutz gegen Gewalt und Hass im Netz für Minderjährige faktisch langsamer und damit weniger wirksam als für Erwachsene!

Zum anderen müssen Kinder und Jugendliche überhaupt einmal erfahren, welche Rechte sie haben. Nur dann können sie sie auch wahrnehmen. Dazu braucht es:

- niederschwellige und für Kinder und Jugendliche verständliche Informationen, sowie kostenlose Beratung darüber, welche Möglichkeiten sie haben, sich gegen Gewalt und Hass im Netz zu wehren.

- Plattform-Betreiber müssen dazu angehalten werden, ihre Meldeverfahren entsprechend niederschwellig und kindgerecht zu gestalten.

- Und nicht zuletzt müssen die Strafverfolgungsbehörden und Gerichte das notwendige Wissen haben, damit Kinder und Jugendliche zu ihrem Recht kommen. Dazu sind drin­gend spezifische Informationskampagnen bzw. Ausbildungsoffensiven bei Polizei, Rich­terschaft und Staatsanwaltschaft notwendig.“

*****

Ich hoffe doch auf ein Einsehen und ein Einlenken sowie auf Ihre Zustimmung. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.23

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag.a Selma Yildirim, Eva Maria Holzleitner BSc

Kolleginnen und Kollegen

betreffend Begleitmaßnahmen zur tatsächlichen Wirksamkeit der Rechtsmittel bezüglich „Hass im Netz“ für Kinder und Jugendliche

eingebracht im Zuge der Verhandlung über den Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (481 d.B.): Bundesgesetz, mit dem Maßnahmen zur Bekämpfung von Hass im Netz getroffen werden (Hass-im-Netz-Bekämpfungs-Gesetz – HiNBG) (516 d.B.)

(TOP 1)

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden ersucht, sicher zu stellen, dass speziell Kinder und Jugendliche tatsächlich Zugang zu den in der Regierungsvorlage vorgesehenen Rechtsmittel haben.

Dazu braucht es zum einen den Abbau von Zugangshürden, wie

•           der Befreiung von der Gerichtsgebühr und damit ein gänzlicher Entfall der Kostenersatzpflicht für Minderjährige;

•           die verpflichtende Prozessbegleitung für Minderjährige;

•           die Möglichkeit, einen Antrag nach § 549 ZPO gleichzeitig mit dem Antrag auf pflegschaftsgerichtliche Genehmigung stellen zu können – ansonsten wäre der Rechts­schutz gegen Gewalt und Hass im Netz für Minderjährige faktisch langsamer und damit weniger wirksam als für Erwachsene!

Zum anderen müssen Kinder und Jugendliche überhaupt einmal erfahren, welche Rechte sie haben. Nur dann können sie sie auch wahrnehmen. Dazu braucht es:

•           niederschwellige und für Kinder und Jugendliche verständliche Informationen, sowie kostenlose Beratung darüber, welche Möglichkeiten sie haben, sich gegen Gewalt und Hass im Netz zu wehren.

•           Plattform-Betreiber müssen dazu angehalten werden, ihre Meldeverfahren ent­sprechend niederschwellig und kindgerecht zu gestalten.

•           Und nicht zuletzt müssen die Strafverfolgungsbehörden und Gerichte das notwendige Wissen haben, damit Kinder und Jugendliche zu ihrem Recht kommen. Dazu sind dringend spezifische Informationskampagnen bzw. Ausbildungsoffensiven bei Polizei, Richterschaft und Staatsanwaltschaft notwendig.

Begründung

Bereits im Zuge des Begutachtungsverfahren haben SOS-Kinderdorf und andere Kinderrechts- und Kinderschutzorganisationen darauf hingewiesen, dass der Schutz, die Rechte und die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen gemäß dem Verfassungs­gesetz zu den Rechten von Kindern besonders in der garantierten Wirksamkeit des Gesetzes stärkere Beachtung finden muss. Denn die Ausgestaltung des geplanten Rechtsschutzes entscheidet letztlich darüber, ob Kinder und Jugendliche sich in der Praxis tatsächlich wirksam gegen Gewalt und Hass im Netz wehren können. In der geplanten Art und Weise können sie das nicht!

Bereits 2018 hat eine von SOS-Kinderdorf beauftragte Studie1 gezeigt, dass fast 30% aller Kinder und Jugendlichen von sexueller Gewalt im Internet betroffen sind. Häufig wissen Kinder und Jugendliche aber gar nicht, welches Verhalten strafbar ist und nur 8% erstatten Anzeige. Eine Auswertung von 600 anonymen Protokollen der Helpline Rat auf Draht zeigte zudem, dass Kinder und Jugendliche, wenn sie sich gegen sexuelle Belästigung und Gewalt im Netz wehren möchten, auf zahlreiche Hürden stoßen2. So fehlt etwa auch der Polizei oft das nötige Wissen im Umgang mit Gewalt im Netz. Nicht selten wird Opfern suggeriert, sie seien selbst schuld an der Situation und ihnen geraten, sich von der jeweiligen sozialen Online-Plattform zurückzuziehen, statt Anzeige zu erstatten. Ohne diese Aspekte mitzubedenken, geht jede noch so gut gemeinte Initiative gegen Gewalt und Hass im Netz letztlich ins Leere. Ohne Betroffene altersgerecht zu informieren, zu begleiten und zu stärken, bleibt ein solches Gesetz ohne relevante posi­tive Auswirkungen.

1 https://www.sos-kinderdorf.at/so-hilft-sos/einsatz-fur-kinderrechte/sicheronline/studie

2 https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20200818_OTS0075/mehr-schutz-fuer-jugendliche-bei-sexueller-belaestigung-im-netz

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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als Nächste gelangt Frau Klubvorsitzende Sigrid Maurer zu Wort. – Bitte.