22.02

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Jetzt habe ich (in Rich­tung Bundesminister Nehammer) den anderen Bundesminister da, der sollte die Vertre­tung von Bundesministerin Schramböck sein, für die ich an dieser Stelle hoffe, dass ihre Quarantäne bald vorbei ist; ich glaube, dass sie selbst nicht betroffen ist.

Eigentlich wollten wir das hier gemeinsam beschließen. Wir waren auf dem Weg dorthin, dass wir im Wirtschaftsausschuss zumindest das Bemühen der Regierungsparteien ge­sehen haben, einen Schritt entgegenzukommen, was die Mehrheitsverhältnisse in der interdisziplinären Ziviltechnikgesellschaft betrifft. Wir haben angeboten, gemeinsam et­was machen zu können, wenn ein entscheidender Punkt erfüllt wird: dass nämlich die Urkundenfähigkeit des Ziviltechnikers – der mit dem Bundesadler öffentliche Dokumente siegelt, die Rechtswirksamkeit bis zur Intabulierung führen – nicht beliebig an irgendei­nen beteiligten Baumeister in der interdisziplinären Gesellschaft gehen kann.

Letzter Versuch, doch die Zustimmung herzustellen, ist ein Abänderungsantrag von mir; ich möchte nämlich einen Abänderungsantrag in zweiter Lesung zur Regierungsvorlage 686 der Beilagen einbringen, und zwar sollte Folgendes geändert werden:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Christoph Matznetter, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der im Titel genannte Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

1. § 37f lautet:

„§ 37f. Die Bestimmungen des § 3 Abs. 4 bis 5, § 10, § 13 Abs. 2 hinsichtlich der Verle­gung des Sitzes, § 14, § 16 Abs. 1 Z 1, Z 4 und Z 5 und Abs. 2, 3, 4 und 10, § 24, § 25, § 28 hinsichtlich der Gesellschafter mit aufrechter Ziviltechnikerbefugnis sowie § 29 Abs. 2, 3, 4 und 6 sind auf interdisziplinäre Gesellschaften mit Ziviltechnikern anzu­wenden.“

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Das würde erlauben, dass wir das weite Feld der Ziviltechnik als freien Beruf, so wie es der EuGH in seinem Urteil C-209/18 vorschreibt, für die interdisziplinäre Gesellschaft eröffnen, aber nicht das Siegel und die Urkunde, denn das ist unmittelbar hoheitliche Gewalt; das ist in Artikel 51 primärrechtlich geregelt.

Was ich lustig finde, weil Sie (in Richtung Abg. Pöttinger) den Kopf schütteln, Herr Kol­lege: Ihr Bundeskanzler Kurz geht auf Rudi Anschober los und sagt, dass dieser seine Beamten nicht im Griff hat, dass er die doch von dort entfernen sollte. Vielleicht sollte die ÖVP einmal anfangen, nicht am Rockzipfel der Beamten zu hängen und vernünftige Maßnahmen zum Schutz eines 150-jährigen Berufsstandes zu ermöglichen und nicht dem erstbesten Baumeister zu ermöglichen, mit Siegel und Bundeswappen in den Beruf einzudringen. Das wäre Rückgrat gewesen, Herr Kollege, und das können Sie gleich erklären, wenn Sie die Ablehnung formulieren. – Danke. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

22.05

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Christoph Matznetter,

Kolleginnen und Kollegen

zur Regierungsvorlage 686 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zivil­technikergesetz 2019 geändert wird

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der im Titel genannte Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

1. § 37f lautet:

„§ 37f. Die Bestimmungen des § 3 Abs. 4 bis 5, § 10, § 13 Abs. 2 hinsichtlich der Verle­gung des Sitzes, § 14, § 16 Abs. 1 Z 1, Z 4 und Z 5 und Abs. 2, 3, 4 und 10, § 24, § 25, § 28 hinsichtlich der Gesellschafter mit aufrechter Ziviltechnikerbefugnis sowie § 29 Abs. 2, 3, 4 und 6 sind auf interdisziplinäre Gesellschaften mit Ziviltechnikern anzuwen­den.“

Begründung

Durch den Abänderungsantrag hinsichtlich des § 37f bleibt das Ausstellen von öffentli­chen Urkunden den Ziviltechnikern und den Ziviltechnikergesellschaften vorbehalten. In­terdisziplinäre Gesellschaften mit Ziviltechnikern bleiben von der Urkundentätigkeit aus­geschlossen.

Die Urkundentätigkeit ist nicht Gegenstand des EuGH Urteils C-209/18; dort geht es vielmehr um den Zugang zum freien Beruf des Ziviltechnikers und der damit einherge­henden höheren Reputation und den Dienstleistungen an sich. Die Urkundentätigkeit ist jedoch nicht das Merkmal eines freien Berufes, sondern dies sind die Unabhängigkeit und die besondere Qualifikation.

Unter dem Gesichtspunkt der Urkundentätigkeit besteht auch eine sachliche Rechtferti­gung dafür, dass ZT-Gesellschaften auch hinkünftig im Rahmen ihrer Fachgebiete zu ausführenden Tätigkeiten nicht berechtigt sind. Umgekehrt formuliert: wird die Urkun­dentätigkeit auch interdisziplinären Gesellschaften mit Ziviltechnikern zugestanden, führt sich die Konzeption einer „ZT-Gesellschaft“ und einer „interdisziplinären Gesellschaft mit Ziviltechnikern“ ad absurdum. In der derzeitigen Fassung werden die „reinen“ ZT-Ge­sellschaften damit schlechter gestellt.

Während bei der Berufsausübung für den Ziviltechniker die Unabhängigkeit, die Unpar­teilichkeit und die Objektivität die Grundvoraussetzungen sind, ist bei der Urkundentä­tigkeit zusätzlich auch der Anschein der Befangenheit zu vermeiden. Dieser wäre mit der Beteiligung von facheinschlägig Gewerbetreibenden gegeben.

Für die interdisziplinären Gesellschaften mit Ziviltechnikern entsteht durch die Abände­rung kein Nachteil. Die Chancen, die durch die Öffnung zum Gewerbe verbunden sind, bleiben unverändert erhalten. Große Strukturen, die auch international wettbewerbsfähig sind, werden möglich (Stichwort Totalunternehmer). Für diese Unternehmen ist die Ur­kundentätigkeit nicht erforderlich, international ist sie unbedeutend. Der an einer inter­disziplinären Gesellschaft mit Ziviltechnikern beteiligte Ziviltechniker kann darüber hi­naus als Ziviltechniker auch in Zukunft Urkunden ausstellen.

Auch bei enger Auslegung des Art. 51 AEUV (primärrechtliche Bestimmung) wird von der gesamten Tätigkeit eines Ziviltechnikers jedenfalls die „Siegelung“ (Urkundenerstel­lung) unter die Ausübung öffentlicher Gewalt, die über eine Hilfstätigkeit hinausgeht, an­zusehen sein. Beispielsweise sei dabei auf die Fertigstellungsanzeige und insbesondere § 128 Abs 2 Z 1 Wiener Bauordnung verwiesen, bei der die Siegelung durch den ZT die in früheren Fassung der WrBO erforderliche behördliche Abnahme ersetzt und damit die Benutzungsbewilligung eröffnet. Diese Einschränkung des Berechtigungsumfangs der interdisziplinären Gesellschaften stellt keinerlei Beschränkung im umfassenden Berufs­feld des freien Berufs dar und schränkt nur bei diesen hoheitlichen Akten den Anwen­dungsbereich im Einklang mit Art. 51 AEUV ein.

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß ein­gebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Pöttinger. – Bitte. (Zwischenruf des Abg. Wurm.)