Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Guten Morgen, Herr Vizekanzler! Bis zum Eintritt in die Bundesregierung waren die Grünen ja eine unüberhörbare Stimme für Men­schenrechte. Aus unserer Sicht ist diese Stimme seit Eintritt in die Bundesregierung leider etwas verstummt. Herr Vizekanzler, ich möchte ein aktuelles Thema abseits von Corona aufgreifen.

Die nächste Fußballweltmeisterschaft der Herren in Katar wird unter sklavenähnlichen Bedingungen vorbereitet. In vielen Ländern wie zum Beispiel Norwegen werden schon Konsequenzen diskutiert. Da auch Österreich an der Qualifikation für dieses Sportgroß­ereignis teilnimmt, betrifft das ja auch Österreich.

Die nächsten Olympischen Winterspiele finden in China statt, einem Land, das eine gan­ze Bevölkerungsgruppe, die Uiguren, interniert. Von einem grünen Sportminister erwar­ten wir uns, dass er eine treibende Kraft auf europäischer Ebene für strengere men­schenrechtliche Standards bei Sportgroßveranstaltungen und bei der Vergabe von Sportgroßveranstaltungen ist. Deshalb meine Frage:

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„Welche konkreten Schritte planen Sie im kommenden Jahr, um gemeinsam mit interna­tionalen Partnern eine deutliche Verbesserung bei der Berücksichtigung der Menschen­rechtslage möglicher Kandidaten im Rahmen der Vergabe von Sportgroßveranstaltun­gen sicherzustellen?“

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Vizekanzler, bitte.

Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Mag. Werner Kogler: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, tatsächlich ist es so, dass wir vom Sportministerium bei weiteren Vergaben hinkünftig – aber das bezieht sich ja auf die Zukunft – verstärkt darauf hinwirken wollen. Ich werde Ihnen gleich sagen, wie wir das angehen wollen.

Jetzt kam es akut bei der Eishockey-WM in Weißrussland zu einer Situation, die Sie ja mitverfolgt haben. Wir haben diesbezüglich als österreichisches Sportministerium im Hintergrund vorher sehr wohl Druck ausgeübt und haben uns dann bei den entsprechen­den SportministerInnentagungen, die bei so sensiblen Themen natürlich immer informell sind, als einer der Ersten der finnischen Initiative angeschlossen. Hier ist ja, gleichwohl auch aus ökonomischen Gründen, wie man fairerweise dazusagen muss, etwas ge­lungen.

Für die Zukunft würde ich mir das so vorstellen: Es kann nicht die Sportpolitik allein die Außenpolitik machen. Das heißt, es ist sinnvoll, in einem ersten Schritt zunächst etwas mit internationalen Organisationen – zuerst innerhalb der Union, aber durchaus auch über die UNO – zu bewirken und parallel auch auf die großen Verbände einzuwirken, die ja diese Spiele oder Veranstaltungen vergeben. Es ist ja nicht die Staatengemein­schaft, die irgendwo eine WM vergibt, sondern der jeweilige internationale Verband.

Die Reise soll dahin gehen, da verstärkt einzuwirken – wenn man so will, auch im Sinne einer Sportdiplomatie. Ich weise in diesem Zusammenhang noch einmal auf die Sportmi­nister der Europäischen Union hin. Es ist sehr erfreulich, dass die aktuelle portugiesische Ratspräsidentschaft im Rahmen des Konzepts faires und soziales Europa etwas vor­gelegt hat, bei dem wir intensiv mitarbeiten, was diese sportdiplomatischen Veränderun­gen betrifft. Ich sage Ihnen hierzu aber schon: Ich werde das in der Regel in Regierungs­abstimmung und mit dem Außenministerium machen, denn am Schluss können wir mit Ballsport nicht Weltdiplomatie betreiben. Es ist aber wesentlich mehr drinnen, als viele glauben. – Ich würde Ihnen da recht geben.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Herr Vizekanzler, ich bin schon bei Ihnen, dass man über den Sport nicht Politik machen sollte (Bundesminister Kogler: Na ein bissel schon!) – ja –, aber es ginge schon ein bisschen konkreter, als Sie ausgeführt haben, nämlich sich zum Beispiel auf europäischer Ebene ganz konkret Katar betreffend für eine international besetzte Menschenrechtskommission einzusetzen, die die schwe­ren Vorwürfe, die Amnesty International erhoben hat, überprüft. Ein Antrag von uns wur­de eingebracht. Würden Sie so einem Antrag Ihre Zustimmung geben?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Vizekanzler, bitte.

Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Mag. Werner Kogler: Ich bin ja nicht in der Situation, im Parlament zuzustimmen, aber ich finde, das ist natürlich schon ein sehr guter Hinweis, dass man das nicht einfach so vorbeiziehen lassen kann, weil bestimmte Vergaben, wenn sie stattgefunden haben, ja in der Form nicht ohne Weiteres revidierbar sind.

Es ist aber natürlich schockierend und dabei kann es alleine nicht bleiben. Wenn wir die Recherchen anschauen – die habe ich natürlich, seit ich im Amt bin, verfolgt –: Es geht in Katar offensichtlich um viele Tausende Tote. Das wird nicht einmal gescheit bestritten. Da gibt es Hinweise aus den Herkunftsländern der Betroffenen. Man muss eigentlich sagen, dass man da in einer Art arbeitsmäßigem Halbsklaventum unterwegs ist. Das sind unhaltbare Zustände.

Man kann überhaupt viel fragen, was Katar betrifft. Ich würde das auch gerne immer öffentlich machen, das tun wir ja auch, nur müssen wir uns international abstimmen, was noch die Möglichkeiten dort betrifft. Dass man aber einfach nur wegschaut, dafür bin ich sowieso nicht zu haben, und da ist eine Aufklärungskommission, was die bestehenden Vorwürfe betrifft, sicher ein gangbarer Weg.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Weitere Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Yılmaz. – Bitte.

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Guten Morgen, Herr Vizekanzler! Glauben Sie wirklich, dass man mit Außenpolitik und als Sportminister auf diese halbkorrupten Staa­ten im Staat Uefa/Fifa einwirken kann?! Dort gibt es ja mehr Verurteilte als in einem durchschnittlichen Parlament. (Heiterkeit bei SPÖ, FPÖ und NEOS. – Beifall bei der SPÖ.) Wenn mich nicht alles täuscht, hat Platini gesagt, er arbeitet am liebsten mit Diktatoren, weil es da die wenigsten Bröseln gibt. Ich mache mir wirklich Sorgen, wie sich das entwickelt. Die leben in der Schweiz, zahlen keine Steuern, vergeben - - Sie wissen ja Bescheid.

Glauben Sie das wirklich? – Ich glaube nämlich, dass das Jahre dauern würde, bis man auf diese Institution einwirken kann; und nicht durch einen Boykott bei oder nach der Vergabe. Da tun mir ja auch die Sportler leid, die brennen auf diese Spiele – egal, was es ist.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Darf ich vielleicht korrigieren: Es gibt im österrei­chischen Parlament aktuell keinen Verurteilten – nicht, dass die Zuseher das falsch ver­stehen; wir sind ja auch ein durchschnittliches Parlament, darum sage ich es zur Aufklä­rung. (Beifall bei der ÖVP. – Heiterkeit bei der FPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Yılmaz und Brandstätter. – Zwischenruf bei der FPÖ.)

Herr Vizekanzler, bitte.

Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Mag. Werner Kogler: Liebe Frau Abgeordnete, der Herr Präsident hat es eh schon vor­weggenommen. Wir werden jetzt nicht weiter erörtern, was in durchschnittlichen Parla­menten ist.

Das ist mir aber ohnehin zu ernst. Sie bringen ja tatsächlich eine Reihe von Argumenten, die ich vorhin selbst ins Treffen geführt habe, warum das genau nicht so einfach ist, wie vielleicht der Hauptanfragesteller insinuiert hat. Na selbstverständlich, aber man muss auf allen gesellschaftlichen Ebenen versuchen, darauf hinzuwirken, dass sich die Situa­tion in vielen Weltregionen verbessert. Dagegen ist ja nichts einzuwenden.

Die Frage ist nur, was die richtige Herangehensweise ist. Da ist es sicherlich so, dass wir über die internationalen Verbände zukünftig mehr ausrichten können und die wirkli­che Sportdiplomatie zusätzlich über die Institutionen gehen muss. Ich bin da durchaus zuversichtlich, dass es da in Zukunft ein bisschen eine härtere Linie der Europäischen Union geben wird und dass wir immer wieder, glaube ich – so viel Multilateralist bin ich, man gibt den Glauben an das Bessere in der Welt nicht auf –, auch über die UNO gehen müssen. Dort, wo es aber Möglichkeiten im Sport gibt, sollen sie auch genutzt werden.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Weitere Zusatzfrage: Abgeordneter Brandstät­ter. – Bitte.

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Herr Vizekanzler, Sie haben schon die Formulierung verwendet: wohin die Reise geht, und das wollte ich Sie fragen. Kollege Shetty hat ja gesagt, die beiden Großveranstaltungen des nächsten Jahres finden in zwei Ländern statt, in denen die Menschenrechte nicht ernst genommen werden. Be­treffend Katar ist bekannt, wie die Spielstätten gebaut wurden – ich glaube, Sie haben von Sklavenarbeit gesprochen –, und von China kommen täglich neue Nachrichten, was die Lage der Uiguren betrifft. Wenn Sie die Gelegenheit dazu haben werden: Würden Sie zu diesen beiden Sportveranstaltungen hinfahren – hoffentlich wird Österreich qua­lifiziert, was den Fußball betrifft – oder würden Sie sagen, das sollte man innerhalb der EU besprechen und möglicherweise ein klares Signal setzen, dass wir nicht damit ein­verstanden sind, wie dort mit Menschenrechten umgegangen wird?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Vizekanzler, bitte.

Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Mag. Werner Kogler: Das ist eine knifflige Frage. Am heutigen Tag beginnt ja für die österreichische Nationalmannschaft die Qualifikation. Möge sie sich qualifizieren!, habe ich Ihren Worten entnommen.

Wenn diese Frage aufkommt, dann ist sie sicherlich zunächst einmal allgemein auf eu­ropäischer Ebene und auch vom Verband nicht nur zu stellen, sondern auch gemeinsam zu beantworten. Ob wir sie selber vorantreiben? – Das würde ich davon abhängig ma­chen, was es sonst für Bereitschaften gibt. Hinsichtlich China ist das ja noch einmal viel schwieriger, da brauchen wir uns ja nichts vorzumachen. Wenn wir aber nur bei Katar bleiben, muss ich sagen, dann gibt es schon die Möglichkeit, dass wir die mit bestimmten Transparenzanliegen und auch härteren Forderungen und Herausforderungen noch einmal auf die Probe stellen. Ich habe ja nur den Verdacht – das glaube ich –, dass wir uns dann als Österreich damit auch nicht unbedingt durchsetzen werden. Es wird in Zu­kunft sicherlich viel stärker um die Vergabeakte selber gehen, bei denen das eine stär­kere Rolle spielt.

Mich macht das durchaus betroffen, vielleicht hören Sie es auch. Ich war leidenschaftli­cher Fußballspieler – ich glaube, das ist bekannt – und habe sehr, sehr gelitten, als da­mals, 1978, in Argentinien die Fußballweltmeisterschaft stattgefunden hat. Ich halte das nach wie vor für schwer verzeihlich, dass das überhaupt stattfinden konnte, da dort die Menschen massakriert wurden, gefoltert wurden. Das war eine Militärdiktatur, wie man sie sich nur im Schlimmsten vorstellen kann, und trotzdem hat es noch nicht einmal an­nähernd ein Bewusstsein dafür gegeben. Das ist einer der Gründe, warum ich in der Politik bin. (Abg. Brandstätter: Und China?)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Zeit ist vorbei, es tut mir leid, wir haben sie schon weit überschritten.

Die 11. Anfrage, 51/M, stellt Frau Abgeordnete Großbauer. – Bitte.