14.18

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Herr Präsident! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Jetzt weiß ich gar nicht: Ist Herr Prof. Taschner noch im Saal anwesend? – Wunderbar! Ich bräuchte nämlich zum Einstieg deine Hilfe. Ich habe ein bisschen nach­gedacht, und mir ist zum Krisenmanagement von Kurz und Anschober ein Zitat einge­fallen – ich kann nicht eruieren, von wem es ist, aber ich glaube, wir kennen es alle –: Wer nicht weiß, wohin er segelt, für den wehen alle Winde schlecht. – Zitatende. Herr Kollege Taschner, das ist ein gutes, treffendes Zitat, glaube ich. Es könnte auch von dir sein. Vielleicht können wir noch ausfindig machen, wer dieses Zitat in die Welt gesetzt hat.

Wer nicht weiß, wohin er segelt, für den wehen alle Winde schlecht: Das hat mich sehr stark an das Epidemiegesetz erinnert, das wir heute diskutieren. Ich weiß jetzt gar nicht, ob wir das 50 Mal oder 100 Mal geändert haben. Es gibt alle möglichen Verordnungen, wir kennen das ja, der Verfassungsgerichtshof hat ja auch nichts anderes zu tun. Also immer wieder wird daran herumgedoktert.

Das ist ja an und für sich, glaube ich, nichts Unanständiges. Mitten in einer Pandemie sollten wir uns doch miteinander die Zeit nehmen, das ordentlich zu machen. Natürlich muss man pragmatisch vorgehen, aber wenn alle paar Tage herumgedoktert wird, immer wieder neue Gesetzesparagrafen einfügt werden und der Verfassungsgerichtshof das Ganze aufhebt, merkt man natürlich schon, dass das Krisenmanagement nicht aus ei­nem Guss ist. Wenn die Regierung natürlich selbst nicht ganz genau weiß, wie wir aus dieser Krise kommen, und immer wieder pragmatisch von Lockdown zu Lockdown he­rumgestolpert wird – aufsperren, zusperren, aufsperren, zusperren –, dann ist das kein Krisenmanagement und dann muss man in der Folge auch alle paar Tage am Epide­miegesetz herumdoktern. Das Negative dabei ist, dass natürlich all das, was Menschen in der Krise brauchen würden – nämlich Verlässlichkeit, Planbarkeit und Vertrauen in die Handlungsfähigkeit von Kurz und Anschober –, mit der Zeit auch verloren gegangen ist.

Ein paar konkrete Beispiele zur jetzigen Novelle: Da hat es ja Tausende, Zehntausende kritische Rückmeldungen und auch ein vernichtendes Urteil von vielen besorgten Bürge­rinnen und Bürgern gegeben. Da waren Beispiele dabei, bei denen man nicht einfach mitgehen kann. Man hat sich ganz technisch überlegt: Wenn sich Oma und Opa in Zu­kunft mit den Enkelkindern zusammensetzen und ein Wiener Schnitzel essen, dann ist das eine anzeigepflichtige Veranstaltung – das kann man gar nicht anders machen, das muss man vorher auch bei der Behörde melden.

Nach diesem kritischen Aufschrei, weil das so praxisfremd war, hat es Fälle gegeben, dass man über Nacht etwas Neues hineingeschummelt hat: Man hat gesagt, man muss in Zukunft Menschen, die geimpft sind, von anderen unterscheiden. Sie dürfen etwas mehr, und Menschen, die noch nicht geimpft sind, werden in Österreich in Zukunft auch weniger Rechte haben. Man schafft also Menschen zweiter Klasse – und das ist in dieser Krise in Wahrheit blanker Hohn für Menschen, die noch verzweifelt auf den Impfstoff warten. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS.)

Es gibt Menschen, die verzweifelt sind, die sich um ihre Eltern, ihre Lebensgefährtin oder ihren Lebensgefährten Sorgen machen. Wir kennen ja alle diese Beispiele, das sind oft Menschen, die Risikopatientinnen und Risikopatienten sind, die in Österreich alle bis heute keine Impfung bekommen haben. Dann schreibt man in den Entwurf und macht sich Gedanken darüber: Menschen, die bereits eine Impfung haben, sollen mehr Rechte haben als andere. – Das schafft kein Vertrauen, das kostet Vertrauen und ist in Wahrheit gegenüber all den Menschen, die in der gegenwärtigen Situation verzweifelt sind und nicht weiterwissen, wirklich zynisch. So kann man nicht mit Menschen umgehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Schlimme, das alle Oppositionsparteien miteinander heute aufgedeckt haben, ist ein Vorgang, der wirklich einzigartig ist: dass man in Österreich anscheinend nicht nur die Beschaffung und die Organisation versemmelt hat. Sie wissen, das Einzige, das beim Impfen funktioniert hat, waren die netten Fotos von Kurz und Anschober am Anfang. Danach hat man gesagt: Wir schaffen das nicht mehr, da müssen die Länder aushelfen.

Das Schlimme ist allerdings, dass nicht nur die Planung nicht funktioniert hat – da hat man die Zeit nicht genützt –: Anscheinend hat Finanzminister Blümel am völlig falschen Ort gespart. Ausgerechnet im Bereich der Impfungen war er geizig und hat den Spare­froh raushängen lassen. Da hat Sparefroh Blümel gesagt: maximal 200 Millionen Euro. Dann hat er einen Beamten namens Auer mit 200 Millionen Euro im Gepäck nach Brüs­sel geschickt und hat sich danach beschwert, warum er nicht um 400 Millionen Euro Impfstoff nach Hause bringt. Das ist ein zynischer Vorgang. Während andere Staaten, die wie Israel um 660 Millionen Euro eingekauft haben, es geschafft haben, hat man in Österreich gesagt: Da muss man sparen! Beim Impfstoff sind wir sparsam, wenn es um die Konzerne und um die Großspender von Herrn Kurz geht, das kennen wir eh alle, spielt Geld keine Rolle, ja, aber beim Impfstoff wird um jeden Cent gerungen, da kann man nicht so viel ausgeben, so geht das natürlich nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Leider ist uns diesbezüglich auch tagelang die Unwahrheit erzählt worden, wir haben das Gott sei Dank auch nachweisen können. Dieser dramatische Fehler, dass man die Beschaffung verschlafen hat, weil man zu geizig war, muss allerdings umgehend repa­riert werden. Deswegen bringen wir folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Prolongierung des Impfchaos vermeiden – Abschaffung des Kostendeckels bei der Beschaffung von Impfstoffen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundeskanzler wird aufgefordert umgehend im Rahmen eines neuen Ministerrats­beschlusses festzulegen, dass für die Beschaffung von Impfstoffen gegen Covid-19 kei­ne Kostenobergrenze mehr zur Anwendung kommt.“

*****

Wir haben miterlebt, dass es einen Streit zwischen Finanzministerium und Gesundheits­ministerium gegeben hat und das Finanzministerium in Österreich einen Kostendeckel vorgeschlagen hat. Das ist eine Sache, die man, glaube ich, noch sehr intensiv wird diskutieren müssen. Das, was Blümel da getan hat, war Wahnsinn.

Abschließend vielleicht noch ein Punkt, den man ansprechen sollte: Was natürlich gar nicht geht, ist wieder einmal der Vertrauensverlust, der daraus resultiert, dass man nun mit einem Pass hantiert, mit einem grünen Pass als Impfausweis, in den man über Nacht Gesundheitsdaten der österreichischen Bevölkerung hineinschreibt, die irgendwo in der Welt herumfliegen, wobei sich niemand mehr auskennt. Anstatt das Ganze sauber zu erledigen, schummelt man über Nacht Gesetzesänderungen in Gesetze hinein und ist dann wieder völlig verzweifelt und wundert sich: Die Bevölkerung kennt sich nicht aus, alle sind verunsichert.

So kann man doch nicht miteinander umgehen, ich meine, das kostet alles Vertrauen! Das sind hochsensible Daten von Patientinnen und Patienten, und anstatt das einfach ordentlich zu machen, wird das Ganze über Nacht hineingeschrieben – kein Begutach­tungsverfahren, keine Transparenz. So können wir doch nicht miteinander arbeiten. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Ich bitte wirklich um Verständnis: Heute gibt es keine Zustimmung zu diesem Gesetz. So kann man nicht arbeiten. Ich bitte euch wirklich, wenn ihr von Partnerschaft in der Regierung redet, dann müsst ihr sie auch leben und nicht vorbei an der Bevölkerung über Nacht irgendetwas mit Nebelgranaten durchpeitschen. (Beifall bei der SPÖ.)

14.25

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Philip Kucher, Genossinnen und Genossen

betreffend: Prolongierung des Impfchaos vermeiden – Abschaffung des Kostendeckels bei der Beschaffung von Impfstoffen

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 1324/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19- Maßnahmengesetz geändert werden (757 d.B.)

Die Verzögerung bei der Durchimpfung der Bevölkerung in Österreich ist leider teilweise hausgemacht. Mittlerweile wurde bekannt, dass es aufrechte Regierungsbeschlüsse gibt, die bei der Beschaffung von Impfstoffen gegen Covid-19 Kostenobergrenzen nor­miert haben.

So hat die Regierung am 15.09.2020 in ihrem Ministerrat einstimmig folgenden Text be­schlossen:

„Entsprechend des Vortrags an den Ministerrat 27/44 vom 29. Juli 2020 sollen die im Budgetjahr 2020 wirksam werdenden Aufwendungen im laufenden Budgetjahr aus Mit­teln des COVID19-Krisenbewältigungsfonds, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen, ausschließlich im Rahmen der avisierten Obergrenze iHv. 200 Mio. EUR ihre Bedeckung finden.“

Aus diesem Text geht klar hervor, dass die Regierung bei der Beschaffung von Impf­stoffen eine Kostenobergrenze vorgesehen hat. Dies wird dadurch verdeutlicht, dass man sich im Februar 2021 bei einem neuerlichen Regierungsbeschluss offenbar ge­zwungen sah, diese Kostenobergrenze zu erhöhen.

Der Beschlusstext vom 09.02.2021 lautet:

„Für alle bisherigen Optionen auf Abruf der Impfstoffe gilt bisher die Grundlage des COVID- 19-Ermächtigungsgesetz (Bundesgesetz, mit dem zur Abdeckung des Bedarfes zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie Ermächtigungen zur Verfügung über Bundes­vermögen erteilt werden) und für weitere 115,3 Millionen Euro der Ministerratsvor­trag 45/16 am 20. Jänner 2021. Für die Erweiterung des österreichischen COVID-19 Impfstoffportfolios um die zusätzlichen 2,9 Mio. Dosen von Moderna, sowie die zwei weiteren Vorkaufverträge für Novavax und Valneva sowie die Entscheidung, diese Men­gen bei Vertragsabschluss abrufen zu können, werden insgesamt zusätzlich bis zu 73 Millionen Euro benötigt. Der gesamte Kostenrahmen für das oben beschriebene Ri­siko-Portfolio von 30,5 Millionen Dosen beträgt daher in Summe 388,3 Millionen Euro.

Diese Kostendeckelung bei der Impfstoffbeschaffung macht keinen Sinn. Ein Tag im Lockdown kostet der österreichischen Wirtschaft rund 200 Mio. Euro. Dieser Betrag war ursprünglich als Kostenobergrenze für die Impfstoffbeschaffungen vorgesehen. Das ist zweifelsohne Sparen am falschen Platz. Israel hat bereits 660 Mio. Euro für die Beschaf­fung von Impfstoffen ausgegeben und plant dieselbe Summe für weitere Ankäufe zu investieren.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundeskanzler wird aufgefordert umgehend im Rahmen eines neuen Ministerrats­beschlusses festzulegen, dass für die Beschaffung von Impfstoffen gegen Covid-19 kei­ne Kostenobergrenze mehr zur Anwendung kommt.“

*****

Präsident Ing. Norbert Hofer: Mag. Dr. Rudolf Taschner hat sich zu einer tatsächli­chen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Sie kennen die Bestimmungen der Geschäfts­ordnung. (Zwischenruf des Abg. Stöger.) Bitte, Herr Doktor.