Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Herr Außenminister, Sie haben ja in Ihrem Haus in den letzten zwölf bis 15 Monaten im Bereich der humanitären Hilfe, der Katastrophenhilfe einiges umgestellt, den Bereich massiv ausgeweitet und gestärkt, wofür ich Danke sagen möchte, weil das vor Ort gut ankommt.

Ich konnte mir zum Beispiel im Nahen Osten ein Bild davon machen, dort ist erst vor wenigen Tagen – oder mittlerweile Wochen – die größte Tranche des AKF in der Höhe von 13,5 Millionen Euro für die Nachbarländer Syriens freigegeben worden.

Jetzt ist meine Frage: Wie sollen sich diese Hilfsmaßnahmen, die gesetzt werden, die Sie und Ihr Haus setzen, langfristig weiterentwickeln? Welche Bestrebungen gibt es? Die Leitlinie für die Internationale humanitäre Hilfe wurde 2007 erstellt. Es wäre wohl Zeit, diese wieder einmal anzupassen oder daran zu arbeiten. Welche Bestrebungen gibt es, daran zu arbeiten? Und welche Bestrebungen gibt es langfristig betreffend humanitäre Hilfe in der Entwicklungszusammenarbeit?

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Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 62/M, hat folgenden Wortlaut:

„Welche Bestrebungen gibt es, angesichts des Umstandes, dass die ‚Leitlinie für die Internationale Hilfe‘ seit 2007 nicht modernisiert oder an die internationale Entwicklung angepasst wurde, das Thema Humanitäre Hilfe in der österreichischen Entwicklungs­zusammenarbeit aufzuwerten?“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Danke, Herr Abgeordneter, und danke, dass Sie daran erinnern, dass die Bundesregierung letzte Woche die größte Einzelausschüttung – in der Höhe von 13,5 Millionen Euro – für die österreichischen NGOs, für die Hilfe vor Ort zur Verfügung gestellt hat. Es ging um vier Staaten in Afrika sowie um Jordanien, den Libanon und die Ukraine.

Im Regierungsprogramm haben wir eine ganz klare Linie festgelegt, nämlich die Er­stellung einer humanitären Strategie. Sie haben richtig darauf hingewiesen, dass die jetzigen Leitlinien auf 2007 zurückgehen. Es ist also an der Zeit, sie umzuarbeiten. Mit diesem Thema wollen wir das Thema der humanitären Hilfe innerhalb der österreichi­schen Entwicklungszusammenarbeit aufwerten. Es geht auch um ein besseres Zusam­menspiel der Instrumente. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, Konflikte dauern immer länger an und sind immer komplexer in ihrer Art. Wir wissen aber gleichzeitig, dass die Finanzmittel nicht unbeschränkt sind.

Ja, wir haben ein enormes Plus, sowohl bei der österreichischen Entwicklungs­zusam­men­arbeit als auch eine Verdopplung des österreichischen Auslandskatastrophenfonds für die humanitäre Soforthilfe, aber auch diese Mittel sind letztlich beschränkt. Um sie effizienter einzusetzen, vielleicht auch um innovative Elemente hineinzubringen und mehr Planbarkeit sicherzustellen – dieser Begriff ist mir wichtig, das war ja auch Thema der Ausschüttung letztes Wochenende –, wollen wir diese humanitäre Strategie aus­arbeiten.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Reimon? – Bitte.

Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Wie ist der derzeitige Stand der Dinge betreffend diese Ausarbeitung?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Die Arbeiten haben im Herbst letzten Jahres begonnen und sollen bis zum heurigen Sommer abgeschlossen werden. Die erste Plenarveranstaltung mit allen Stakeholdern hat diesen Januar stattgefunden.

Dabei ist mir wichtig, dass das ein Prozess ist, den wir nicht irgendwo in einem Elfen­beinturm im Außenministerium entwickeln, sondern mit den Stakeholdern, mit den Leuten, die Expertise bezüglich der Arbeit vor Ort haben: Was funktioniert? Was funktio­niert nicht? Wo brauchen wir vielleicht größere Planbarkeit? Welche innovativen Elemente der Kohärenz und Verzahnung können wir mit anderen Playern in diesem Bereich auf­nehmen?

Mir ist auch wichtig: Humanitäre Hilfe war dies nie und soll bitte auch keine reine Ver­anstaltung des Außenministeriums sein. Mein Problem in Bezug auf die ganze Thematik Entwicklungshilfe und Entwicklungszusammenarbeit ist, dass wir eher das Gefühl haben, dass alles dem Außenministerium zugewiesen wird. Viele andere Ministerien, auch die Bundesländer, sind aktiv, und auch die gilt es in einer kohärenten Strategie als Teilnehmer oder in Form von Ownership hereinzubringen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Matznetter stellt eine Zusatz­frage. – Bitte.

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sie haben gerade gesagt, dass das nicht im Elfenbeinturm des BMEIA entwickelt werden soll, sondern unter Einbeziehung aller.

Meine Frage geht in eine ganz konkrete Richtung: Die Einbeziehung des Parlaments würde bedeuten, dass Sie uns sehr kurzfristig im EZA-Unterausschuss zur Verfügung stehen, damit wir bei der Neugestaltung eine parlamentarische Einbindung haben. – Wann kommen Sie, Herr Bundesminister?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. (erheitert): Eine Fragestunde zu verwenden, um den Termin einer Sitzung eines Ausschusses oder eines Unterausschusses festzulegen, ist ungewöhn­lich. (Ruf bei der SPÖ: Aber wichtig!) Ich stehe natürlich zur Verfügung. Wir hatten, glaube ich, vor einiger Zeit eine sehr gute Sitzung des Unterausschusses. Wir haben mehrere Themen von der humanitären Strategie bis zum Dreijahresprogramm. Ich glaube, da werden wir sicher einen Termin finden. (Abg. Matznetter: Danke, Herr Bun­des­minister!)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Salzmann stellt eine Zusatz­frage. – Bitte.

Abgeordnete MMMag. Gertraud Salzmann (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundes­minis­ter, der Konflikt in Syrien besteht ja mittlerweile seit mehr als zehn Jahren und hat eine der am längsten anhaltenden humanitären Krisen gebracht. Mich würde Ihre Einschät­zung interessieren: Wie sehen Sie die Chance für eine politische Lösung für den Syrienkonflikt? Und als zweite Frage: Was tut Österreich, um die betroffenen Staaten in dieser Region zu unterstützen?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Frau Abgeordnete, Sie haben vollkommen recht. Der zehnte Jahrestag, den wir letzte Woche begangen haben, war eigentlich eine bittere Erinnerung daran, dass das wirklich ein Konflikt mit einem unglaublichen Maß an Zerstörung, an Leid und an zu beklagenden Todesopfern ist, in einem – ich sage es wirklich persönlich dazu – wunderbaren Land, das so tief an Geschichte, an Reichhaltigkeit und auch an kultureller Vielfalt ist. Eine der ältesten christlichen Gemeinden war in und um Aleppo angesiedelt. Das ist an Bitternis kaum mehr zu überbieten.

Wir haben in Syrien aber immer noch die Problematik, dass einige Gruppierungen weiterhin glauben, mit Waffengewalt Lösungen herbeiführen zu können. Es gab ja erst vor Kurzem wieder Luftangriffe auf Aleppo. Solange also einige glauben, dass Waffen­gewalt das Mittel ist, um etwas zu erzielen, haben wir ein Problem. Wir haben natürlich auch die Thematik des Stellvertreterkriegs. Ich glaube aber, dass auch durch den Wechsel in der US-Administration ein Wandel stattfinden könnte.

Wir dürfen als internationale Gemeinschaft die Hände nicht einfach in den Schoß legen und sagen: Das ist schrecklich, aber wir können nichts ändern! – Wir müssen etwas ändern. Österreich leistet auch seinen Beitrag. Wir haben vor Ort ein Antiminenprojekt laufen, und am 30. März findet eine Pledging-Conference zu Syrien statt. Österreich wird eine sehr namhafte Summe, nämlich immerhin 18,2 Millionen Euro, für humanitäre Hilfe in Syrien zur Verfügung stellen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Brandstötter. – Bitte.

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Minister! Im Prinzip hat Kollege Reimon ja nach Erneuerung gefragt, nach neuen Ideen und einer neuen Ausrichtung. Heuer ist die Geschäftsführerposition der ADA neu zu besetzen, der derzeitige Geschäftsführer ist seit zwei Amtsperioden im Amt.

Es gibt in der ADA keine einzige Frau in einer leitenden Position, obwohl Geschlech­tergerechtigkeit auch ein erklärtes Ziel der ADA ist. Das wäre jetzt natürlich eine außerordentlich gute Möglichkeit, gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: neue Ideen, wie Kollege Reimon sich das wünscht, neuen Schwung durch eine neue Geschäftsführung und endlich die Chance, auch einmal eine Frau in Betracht zu ziehen.

Deshalb meine Frage: Herr Minister, werden Sie die Chance dieser Neubesetzung der Geschäftsführung nutzen, um die ADA wirklich zu reformieren und neu auszurichten?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Ganz offen: Die ADA beruht auf einem eigenen Bundesgesetz und ist eine GmbH. Ich bin noch gar nicht darüber informiert – es gab eine Aus­schreibung, die Frist ist abgelaufen und die Kommission muss noch tagen –, ich weiß gar nicht, wer sich dafür beworben hat. Mir wurde auch noch niemand vorgeschlagen. Das ist auch richtig so, weil sie erst die Bewertung vornehmen soll.

Ich weiß, es gab dazu in letzter Zeit Medienberichte über eine Evaluierung, die 2019 stattgefunden hat. Ja, ich gebe Ihnen recht: Bei der Frauenquote müsste man zum Beispiel mehr machen. Ich glaube aber, die Situation hat sich – wie mir berichtet wurde – in den letzten Jahren erheblich verbessert. Das ist auch eine Bestandsaufnahme, die teilweise vier bis fünf Jahre zurückliegt.

Der Bericht wurde 2019 veröffentlicht und ging teilweise auf Informationen von 2017/2018 zurück. Da hat sich die Situation verbessert, und ich kann Ihnen eines versichern: Was wir als Außenministerium in diesen Fällen machen und was wir auch gemacht haben, ist, auf die ADA einzuwirken – und das eigentlich mit Erfolg –, damit sie diese Kritik­punkte aufgreift, sei es im Personalmanagement, sei es, dass sie bei der Frauenquote klare Schritte setzt und eine eigene Strategie aufbaut. Das ist in den letzten Monaten auch erfolgt.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Hauptfrage stellt Frau Kollegin Brandstötter. – Bitte.