Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Herr Minister, die österreichische Ent­wicklungshilfe will sich ja in den nächsten drei Jahren für Frieden, Sicherheit, Rechts­staatlichkeit und Demokratisierung einsetzen. In einer Anfragebeantwortung vom April letzten Jahres schreiben Sie zum Thema Kontrolle der Verwendung der österreichischen EZA-Gelder, es soll – ich zitiere – „auch die Zivilgesellschaft unterstützt werden, um genau diese Kontrolle auszuüben und Transparenz einzufordern“.

Nun ist aber gerade die Zivilgesellschaft in Ländern, in denen autoritäre Regime Wahlen verfälschen, die Opposition unterdrücken oder Bürgerkrieg führen, extrem schwach. Die beiden Länder, die die höchsten Hilfen erhalten, sind Uganda und Äthiopien, und das sind genau solche Länder. Sie schreiben ja selbst auch im schriftlichen Update zur Umsetzung der OEZA in den Schwerpunktländern, dass die schweren Menschen­rechts­verletzungen im Umfeld der ugandischen Wahlen auch Partnerinstitutionen der OEZA betroffen haben.

Daher ist meine Frage:

60/M

„Wie können Sie in Staaten mit autoritären Regierungssystemen sicherstellen, dass die österreichischen EZA Zuwendungen tatsächlich den Entwicklungszielen und nicht dem Regime zugutekommen?“

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Das ist eine sehr wichtige Frage, die Sie stellen, Frau Abge­ordnete. Es ist aber, muss ich ganz klar sagen, nicht so, dass Österreich Budgethilfen leistet, indem wir einfach einem Drittstaat eine gewisse Summe Geld zur Verfügung stellen und sagen: Mach damit, was du willst! – Unsere EZA-Mittel sind ganz klar zweck­gebunden, sie müssen einem gewissen Zweck zugeführt werden. Natürlich haben wir Situationen, in denen auch österreichische Projekte betroffen sind, auch in Äthiopien in der Provinz Tigray, zum Beispiel das SOS-Kinderdorf, Don Bosco. Also verschiedene Partnerorganisationen von uns sind betroffen.

Es ist aber nicht so, dass wir einfach blind Geld in irgendeinen Staat reinschütten, son­dern es gibt ganz klare Zweckbindungen, es gibt Monitoring-Mechanismen, ein eng­maschi­ges Monitoring. Dazu dienen unsere Koordinierungsbüros im Ausland, in den Schwer­punktländern, deren Hauptaufgabe das ist. Es gibt klare Berichtspflichten, die zum Teil auch externe Wirtschaftsprüfer oder internationale Institutionen miteinschließen.

Also ja, es ist natürlich eine Herausforderung, am liebsten würden wir Entwicklungshilfen immer direkt an die notleidenden Menschen geben, aber ein gewisses Minimum an Zu­sammenarbeit mit staatlichen Strukturen lässt sich oft nicht verhindern, und letzten Endes haben wir da ein gemeinsames Ziel: Ohne Good Governance, ohne Rechtsstaat­lichkeit, ohne ein Minimum an Verlässlichkeit bei den öffentlichen Strukturen wird Entwicklungshilfe in einem Staat wenig bewirken können. Das heißt, es braucht einen Dialog, aber ich kann Ihnen versichern: Es gibt kein österreichisches Geld, das irgendwo versickert und das sozusagen als anonyme Budgethilfe ankommt.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage? – Nein.

Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Kugler. – Bitte.

Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Guten Morgen, Herr Bundesminister! Auto­ritäre Regierungen haben wir auch in unmittelbarer europäischer Nachbarschaft, ich denke jetzt an Belarus. Sie haben diese Woche gemeinsam mit 18 anderen Staaten einen Mechanismus vorgestellt, einen Rechenschaftsmechanismus für Belarus. Wie sieht dieser Mechanismus aus?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Es gibt eigentlich zwei Ansätze, und der Hintergrund ist, dass wir im Grunde genommen ein erschreckendes Maß an anhaltenden Menschenrechts­ver­letzungen in Belarus beobachten müssen: willkürliche Verhaftungen, Polizeigewalt. Es kann nicht sein, dass dort ein Gefühl der Straffreiheit überhandnimmt und die Behörden und die Polizeiinstitutionen glauben, sie kommen davon und werden nicht verfolgt.

Es gibt zwei Ansätze: Der eine ist im Rahmen der UNO. Im UN-Menschenrechtsrat haben wir sehr stark die Einrichtung eines Untersuchungsmechanismus unterstützt, da steht das Büro der UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte im Zentrum. Dieser Mechanismus soll zum Jahreswechsel Anfang 2022 operationell sein.

Um aber nicht so lange zu warten – denn wir haben jetzt März und können nicht einfach neun Monate zuwarten –, haben wir jetzt schon die Einrichtung einer internationalen unabhängigen Plattform von NGOs – belarussischen und europäischen NGOs – politisch und finanziell unterstützt, die Beweismittel sammeln und aufbewahren, damit wir sie dann zur Verfügung haben, wenn wir sie brauchen, wenn wir dann sozusagen die Rechenschaftsnotwendigkeit und die Verantwortlichkeit der Täter in Belarus zutage bringen wollen. Das sind jetzt keine Duplizitäten oder widersprüchliche Mechanismen, sondern sie greifen ineinander über. Ich sehe das so, dass diese internationale zivil­gesellschaftliche Plattform der Beweissicherung dann der UNO-Hochkommissarin ihren Bericht vorlegt, die dann die Arbeit, wenn man will, „offiziell“ – unter Anführungs­zeichen – weiterführt.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Hafenecker stellt eine Zusatz­frage. – Bitte.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Schönen Vormittag, Herr Bundes­minister! Ich möchte an die Frage von Frau Kollegin Künsberg Sarre anschließen. Es geht darum, wie man mit den EZA-Geldern umgeht, und es geht auch darum, dass wir gerade jetzt, in einer Krise, in der die wirtschaftliche Situation nicht einfach ist, auch noch die EZA-Gelder erhöhen.

Wie gehen wir damit um, dass es auch EZA-Gelder gibt, die in totalitäre Systeme fließen, das heißt, wie können wir da eine Sicherheitsschleife einziehen, damit diese Gelder, die wir zur Verfügung stellen, sozusagen dem österreichischen Steuerzahler abringen, ver­nünftig eingesetzt werden und nicht in irgendwelchen korrupten Systemen landen? Das wäre eine Frage, die ich an Sie hätte.

Und vor allem: Sollten wir in diesem Zusammenhang nicht davon ausgehen, dass wir uns auch anschauen müssen, welche Länder, die EZA-Gelder empfangen haben, zum Beispiel höhere Militärbudgets als Österreich haben? Subventionieren wir damit nicht auch Militärbudgets von totalitären Systemen quer? Auch das sollte man sich an­schauen.

Schlussendlich: Sollte man die EZA-Gelder nicht auch davon abhängig machen, dass es jedenfalls Rückführungsabkommen für Migranten gibt? All das sind Punkte, die man gerade in Zeiten einer Krise, in der es um die Wirtschaft nicht gut bestellt ist, überlegen sollte. Deswegen würde mich Ihr Zugang dazu interessieren.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Also ganz offen: Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir die Ent­wicklungszusammenarbeitsmittel erhöht haben, in Wirklichkeit waren sie viele Jahre und Jahrzehnte nicht wirklich berauschend hoch in diesem Land, da ist noch Luft nach oben.

Punkt zwei: Natürlich haben Sie recht, die Entwicklungsstaaten sind oft auch Staaten mit schwachen staatlichen Strukturen, mit einem Korruptionsproblem, aber unsere Entwick­lungszusammenarbeit richtet sich auf die Menschen. Da geht es um Frauenrechte, um Wasseraufbereitung, um ganz konkrete Maßnahmen, bei denen wir nicht dem Staat Geld geben, sondern mit ihm zusammen eventuell – das ist das Maximum – Projekte durchführen, die streng gemonitort werden, bei denen das Geld, wie ich schon aus­ge­führt habe, zweckgewidmet ist und überprüft wird. Es muss aber natürlich ein Minimum an Zusammenarbeit mit den staatlichen Strukturen geben.

Letzten Endes: Wenn wir ein Entwicklungsland aus seiner Situation herausführen wollen, dann müssen wir auch darauf abzielen, dass es am Schluss sinnvolle Verwaltungs­struk­turen gibt; aber eine Querfinanzierung von Militärausgaben oder anderen Ausgaben wird es sicher nicht geben und hat es auch nicht gegeben. (Abg. Hafenecker: Rück­füh­rungs­abkommen?)

Noch ein wichtiger Zusatz, wenn ich darf: Sie haben vollkommen recht, ich glaube, Kohä­renz und Konditionalität sind zwei ganz wesentliche Stichworte, auch bei der Ent­wicklungszusammenarbeit. Das ist nicht etwas, was im luftleeren Raum stattfindet, und so wie wir auf europäischer Ebene darauf drängen, mache ich das auch auf natio­naler Ebene. Da gibt es aber nicht nur die Entwicklungsgelder, sondern da kommt auch der Freihandel dazu, und generell geht es sozusagen um die Gestaltung unserer bilate­ralen Beziehungen, wenn wir bei Rückübernahmen Fortschritte erzielen wollen – da bin ich ganz bei Ihnen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Herr Abgeordneter Strasser. – Bitte.