13.37

Bundesminister für Inneres Karl Nehammer, MSc: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Zunächst einmal auch von meiner Seite als Innenminister Anerkennung für die Initiatoren des Volksbegehrens. Volksbe­gehren sind ein wesentliches Element unserer Bundesverfassung im Rahmen der direkten Demokratie, und jedes Volksbegehren, das so viel Erfolg hat, dass es dann tatsächlich auch hier im Hohen Haus diskutiert wird, ist ein gutes Zeichen für die Demokratie und auch ein wichtiges Zeichen für die Diskussionskultur.

Die Asyl- und Migrationspolitik ist tatsächlich ein forderndes Thema – nicht nur für die Republik Österreich, sondern für die gesamte Europäische Union. Aus meiner Sicht gibt es drei Eckpfeiler unserer Politik, die wesentlich sind und es verdienen, dabei hervor­gestrichen zu werden.

Zum einen gibt es eine externe Dimension: Die externe Dimension umfasst all das, was mit dem Thema sichere Drittstaaten zu tun hat, und da braucht es eine starke, eine geschlossene Europäische Union, eine Kommission, die bereit ist, Verhandlungen aufzunehmen. Im letzten Innenministerrat – gemeinsam mit den Außenministern – wurde diese Aufforderung auch klar mit großer Mehrheit an die Kommission gerichtet, denn dieses Ziel eint alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union: Wenn es darum geht, Menschen rückführen zu können, die innerhalb der Europäischen Union keine Bleibebe­rechtigung haben, braucht es verstärkte Anstrengungen.

Das klingt jetzt so technisch, heißt aber nichts anderes als Folgendes: Wenn wir in der Lage sind, durch Rückführungen glaubhaft zu machen, dass es tatsächlich eine Asyl- und Migrationspolitik innerhalb der Europäischen Union gibt und es damit auch mit Konsequenzen verbunden ist, wenn man weder einen Asylgrund noch eine Berechti­gung zur Zuwanderung in die Europäische Union hat, sodass man dann die Europäische Union auch wieder verlassen muss, schaffen wir es, in der Diskussion innerhalb der Mitgliedstaaten auch wirklich voranzukommen.

Daher: Abkommen mit sicheren Drittstaaten, gebündelte Rückführungsaktionen! Jetzt schon beteiligt sich Österreich immer wieder an gemeinsamen Rückführungschartern. Das mag auf den ersten Blick, wenn man es betrachtet, dann immer schon die harte Seit einer Asylpolitik oder auch einer Migrationspolitik sein, aber in Wahrheit bedeuten effiziente Rückführungen auch, dass das Geschäftsmodell der organisierten Kriminalität, der Schlepper, die sich am Leid der Menschen bedienen, zusammenbricht.

Wir zeigen das in vielerlei Hinsicht auf, auch mit Kampagnen in sozialen Medien, um den Menschen klarzumachen, dass sie sich gar nicht erst auf den Weg machen sollen, wenn sie wissen, dass es keine Bleibeberechtigung in der Europäischen Union gibt, dass sie gar nicht erst 5 000 Dollar oder 5 000 Euro für eine unsichere Überfahrt Richtung Europa bezahlen und dann nichts außer Leid, Elend und die bittere Erkenntnis vorfinden, dass sie nicht bleiben können und sich den Falschen anvertraut haben, nämlich den Schleppern und der organisierten Kriminalität.

Es braucht hier viele Initiativen – das passiert. Die Kommission ist viel stärker als jemals zuvor bereit, genau auf diese Themen einzugehen. Es gibt einen intensiven Austausch, es gibt mit Kommissar Várhelyi einen, der es in dieser Frage ernst nimmt, sie auch in der Kommission vorantreibt, genauso wie den Vizepräsidenten der EU-Kommission Schinas. Auch mit Kommissarin Johansson gibt es dazu intensive Gespräche und die Bereitschaft, dieses wichtige Thema voranzutreiben und zu stärken, um klarzumachen, dass wir alle gemeinsam in der Europäischen Union daran arbeiten, dass die organi­sierte Kriminalität und die Schlepperei in Zukunft die Geschäftsgrundlage verlieren.

Der zweite Eckpfeiler ist aus unserer Sicht ein effektiver Grenzschutz. Der beginnt aber nicht an der österreichischen Grenze, sondern nach unserer Dreisicherheits­netz­stra­tegie ist das erste Sicherheitsnetz gegen illegale, irreguläre Migration, gegen die organi­sierte Kriminalität der Grenzschutz an der EU-Außengrenze. Auch da gibt es starke Bestrebungen, Frontex – das ist die europäische Grenzschutzagentur – auszuweiten und darüber hinaus nationalstaatlich zu unterstützen, so wie es Österreich getan hat, als Griechenland vonseiten der Türkei in Bedrängnis gebracht worden ist. Das waren knapp vor einem Jahr dramatische Szenen an der Landgrenze zwischen Griechenland und der Türkei, als gewaltbereite irreguläre Migranten, die von der Türkei dort bewusst hingeführt worden sind, mit Unterstützung türkischer Sicherheitsbehörden versucht haben, den Grenzzaun einzureißen. Tränengasgranaten wurden auf europäisches Territorium abge­feuert, und Österreich hat durch seine Leistung der Solidarität in polizeilicher Hinsicht gezeigt, dass Griechenland nicht alleingelassen wird.

Die österreichische Strategie der Sicherheitsnetze geht aber weiter. Es ist nicht nur der EU-Außengrenzschutz, es ist der Grenzschutz der Westbalkanstaaten, die heute schon erwähnt worden sind, die besonders herausgefordert sind. Dem Engagement der Staaten des Westbalkans ist es zu verdanken, dass wir derzeit keine massive Migrationswelle spüren, weil sich auch dort die Behörden bemühen, die dort aufhältigen irregulären Migrantinnen und Migranten auch tatsächlich dort zu belassen. Auch da müssen wir ein Zeichen setzen, auch da müssen wir signalisieren, dass Bosnien und Herzegowina, Serbien, Nordmazedonien nicht alleingelassen werden, und dass auch ein EU-Außen­grenzland wie Kroatien genauso unsere Solidarität spürt, denn die Kroaten leisten derzeit einen intensiven und geschlossenen Kampf gegen die organisierte Kriminalität, gegen die Schlepperei, und den gilt es zu unterstützen. (Beifall bei der ÖVP.)

Der dritte wichtige Bereich des Sicherheitsnetzes ist dann der eigene Grenzschutz. Ich komme gerade von der burgenländisch-ungarischen Grenze. Gemeinsam mit der Verteidigungsministerin haben wir einen Einsatz begleitet, bei dem es im Assistenz­einsatz gemeinsam mit dem österreichischen Bundesheer in einer seit mehr als 30 Jahren gewohnten Partnerschaft darum geht, Schlepperei, organisierte Kriminalität zu bekämpfen. Es ist gelungen, die Festnahmequote von Schleppern, die ein gewis­senloses Geschäft verüben – sei es beim Menschenhandel oder tatsächlich bei der irregulären Migration –, deutlich zu erhöhen. Wir haben die Rate um 30 Prozent steigern können. Das ist das Verdienst der Soldatinnen und Soldaten, der Polizistinnen und Polizisten, die hier einen wesentlichen Beitrag im Kampf gegen die organisierte Krimi­nalität leisten, der auch entschlossen weitergeführt wird. Dieser Kampf hat auch immer eine internationale Dimension, denn die organisierte Kriminalität ist grenzenlos, ist multi­national und muss genauso auch multinational bekämpft werden.

Der dritte Eckpfeiler der Sicherheitsstrategie, wenn es um das Thema Asyl und Migration geht, ist die Frage, wie wir selbst mit den Vorschlägen umgehen, die heute schon ange­sprochen worden sind, mit den Vorlagen der EU-Kommission betreffend den Pakt für Asyl und Migration. Wir haben der Europäischen Kommission ganz klar zu verstehen gegeben, dass wir mit vielen Ideen und Vorschlägen in höchstem Maße einverstanden sind, wenn es darum geht, Asylverfahren zu beschleunigen, wenn es darum geht, Rückführungen schneller, effizienter und nachhaltiger zu organisieren.

Damit es nicht so technisch bleibt: Es ist für die Europäische Union unannehmbar, dass Staaten wie Marokko immer wieder neu zu verhandeln beginnen, wenn es darum geht, Staatsbürger zurückzunehmen, die sich hier unrechtmäßig aufhalten. Es braucht Klarheit, es braucht Geschlossenheit, es braucht aber natürlich auch eine Perspektive. Das heißt, es braucht die Perspektive für Marokko, gute Handelsbeziehungen zur Euro­päischen Union unterhalten zu können, klare Visaabkommen zu haben und klare Per­spektiven für die Menschen vor Ort aufzubauen. Es braucht aber auch die Klarheit, dass, wenn die Bereitschaft nicht besteht, mit den Sicherheitsbehörden zu kooperieren, die Kommission, die Union das so nicht zur Kenntnis nimmt und auch ihre Möglichkeiten geltend macht, wenn es darum geht, dabei Stärke, Geschlossenheit, aber auch Klarheit zu zeigen.

Wogegen wir uns definitiv aussprechen, ist das oft sehr sperrige und emotional dis­kutierte Thema Verteilung. Wir sind auch gegen eine Verteilung durch die Hintertür. (Abg. Kassegger: Das betrifft uns eh nicht!) Wir sind im Unterschied zur Kommission für eine verpflichtende, flexible Solidarität, die bedeutet, dass die 27 EU-Mitgliedstaaten in der Lage sind, nach ihrer Maßgabe und ihren Möglichkeiten zu helfen und tatsächlich ihren Beitrag zu leisten. (Abg. Belakowitsch: Nach Maßgabe ihrer Möglichkeiten! Da gibt es Spielraum!) Alle anderen Möglichkeiten, eine Einigung in der Europäischen Union herzustellen, sind geradezu unmöglich. Es gibt ganz klare Ablehnungen. Was uns alle aber eint – ganz egal ob Visegrádstaaten oder nicht, von Frankreich bis nach Bulgarien –, ist, dass es wichtig ist, klarzumachen, dass wir, wenn wir eine geschlossene gemein­same Asyl- und Migrationspolitik vorantreiben und beginnen, uns dort zu finden, wo Einigung besteht, eine Chance haben, voranzukommen. (Zwischenruf der Abg. Yılmaz.) – Doch, Frau Abgeordnete!

Es gibt ein deutliches Weiterkommen in der Frage schnellerer Asylverfahren. Es gibt eine hohe Einigung und Bereitschaft, den Grenzschutz der Europäischen Union auszu­bauen. (Zwischenruf der Abg. Yılmaz.) Ich habe unlängst mit dem französischen Innen­minister gesprochen, der dazu bereit ist, da auch noch mehr zu investieren.

Darüber hinaus gibt es die Bereitschaft – und das sind jetzt schon drei Punkte, in denen sich 27 EU-Mitgliedstaaten einig sind – zu einer effizient organisierten, klar strukturierten Rückführung, verbunden mit Rückführungsabkommen – das ist immer wichtig –, sodass für die Länder auch eine Perspektive besteht, warum sie mit der Europäischen Union oder Mitgliedstaaten der Europäischen Union kooperieren sollen.

Ich bin viel zuversichtlicher als noch vor vielen Jahren, dass uns tatsächlich etwas gelingen kann, wenn wir damit beginnen, darüber zu sprechen und zu entscheiden, worüber wir uns einig sind, und das, bei dem wir uns uneinig sind, hintanzustellen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Obernosterer: Jetzt habt ihr es gehört!)

13.47

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.