16.59

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Ja, wir alle haben immer gewusst, dass die Impfungen der Ausweg aus der Krise sein werden, und die ganze Welt hat sich auf diese Impfungen vorbereitet, möchte man meinen – nein, nicht die ganze Welt, weil Österreich offenbar gepennt hat. (Abg. Ottenschläger: Hat der Kollege Smolle vorher schon erklärt! – Zwi­schenrufe bei der ÖVP.)

Falsche Entscheidungen wurden getroffen, vieles wurde nicht umgesetzt, und ja, es wurde einfach schlecht gearbeitet. Wir haben den Satz noch im Ohr: Österreich ist besser durch die Krise gekommen als alle anderen, wir tun alles dafür! – Wir haben in­zwischen die Daten: Nein, das ist nicht so! Es ist einfach falsch. Nicht alles ist durch den höheren Anteil an Tourismus oder Gastronomie erklärbar.

Dann hat Bundeskanzler Sebastian Kurz gesagt: Ich mache das jetzt zur Chefsache; die Impfstrategie, die Impfplanung, das wird Chefsache! Ich muss ganz ehrlich sagen, ich finde das gar nicht schlecht, das ist ja auch durchaus das wichtigste Thema, das uns beschäftigt. Schauen wir uns aber das Resultat an: Es hat nichts gebracht. Das Versagen ist nicht nur eine gesundheitspolitische, eine pädagogische und eine soziale Katastrophe, sondern es ist eben auch eine wirtschaftliche Katastrophe, denn wenn ein Tag Lockdown bis zu 200 Millionen Euro kostet, dann muss man wirklich kein Star­ökonom sein, um sich anzuschauen, dass bei der Beschaffung von Impfstoff eben nicht gespart werden sollte.

Es liegt einfach auf der Hand, dass wirklich jede Verzögerung, die dadurch passieren könnte – und das ist einfach Ihre politische Entscheidung, die wirklich, wirklich falsch war –, immense Kosten verursacht. Das muss wirklich allen klar sein.

Darin liegt auch die ganz große Kritik am Finanzminister, denn man müsste schon verlangen können, dass er die Kosten des kompletten Zusperrens in Erwägung zieht. Es geht um den gesamten Zugang, es geht um die Volkswirtschaft, daher muss man sich als Finanzminister wirklich hinstellen und an allen Hebeln ziehen, mit allen Einzelnen wirklich reden, sodass man das so schnell wie möglich löst. Stattdessen mussten wir mitansehen, wie unser Finanzminister wieder einmal von einer Panne zur nächsten gondelt. Die Budgetierung für die Beschaffung von Impfstoff war einfach patschert.

Panne zwei ist die inzwischen lange Geschichte von Fehlentscheidungen betreffend Wirtschaftshilfen. Ich komme immer wieder darauf zurück, weil es dieses Muster der Verfehlungen der Bundesregierung einfach gut aufzeigt. Statt auf die Expertise der Finanzexperten zu hören und mit ihnen zu arbeiten – sie haben die Daten in der Hand, sie haben die Prozesse in der Hand –, nein, was macht man? – Man schafft die Cofag, chronisch unterbesetzt, ohne Know-how, vollkommen intransparent. Was sind die Folgen? – Die Unternehmer haben nicht einmal einen Rechtsanspruch auf Hilfen, und die erwartete Überlastung, die auch wirklich eingetroffen ist, hat natürlich dazu geführt, dass man sich jetzt über die Bande wieder die Finanzbeamten hereinholen muss, da man es letztendlich nicht schafft, diese ganzen Anträge abzuwickeln. Das Resultat ist, dass wegen dieser Fehlentscheidung nach wie vor ganz, ganz viele Unternehmer auf ihre Hilfen warten.

Dann gibt es auch noch die andere Seite, und da komme ich jetzt zu den Stichworten Treffsicherheit und Transparenz – auch das ist heute schon ein paar Mal angesprochen worden –: Manche Unternehmen, so hört man, haben Millionen Euro an Steuergeld bekommen beziehungsweise wurden ihnen Millionen Euro an Stundungen genehmigt, obwohl sie für 2020 hohe Gewinne ausweisen.

Da geht es beispielsweise um einen mit dem Bundeskanzler befreundeten Unternehmer, dessen Unternehmen – so hört man – offenbar durch den Fixkostenzuschuss 1 Millionen Euro an Mietzuschüssen bekommen hat, die man dann bei einer Schwester im gleichen Konzern abgibt, weil man dort ja eingemietet ist. Dazu gibt es angeblich millionenschwere Steuerstundungen. – Ganz im Ernst: Was soll das?! Das versteht kein Mensch, das ist nicht nachvollziehbar.

Ich sage: man hört und man sagt, denn wissen tun wir es ja nicht. Die Cofag ist eine Blackbox, und wir wissen wirklich nicht, wo die Hilfen hingehen und wer sie erhält. Es gibt keine Transparenz. Es sind ja offenbar eh nur Steuergelder. Ist ja eh wurscht, oder? Die können wir ja offenbar einfach so ausgeben. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Und nein: Ich zettle hier auch keine Neiddiskussion an, wie das immer wieder einge­wandt wird. Ich hätte nur wirklich gerne eine Frage beantwortet. Eine Frage lautet – wenn wir alle Hilfen transparent vergeben würden –: Glauben Sie wirklich, dass alle Unter­nehmen, die jetzt diese millionenschweren Hilfen bekommen haben, wirklich angesucht hätten? Glauben Sie wirklich, dass alle Hilfen so ausbezahlt worden wären, wenn es Transparenz geben würde? – Ich glaube nicht. Da frage ich auch noch einmal in Richtung der Grünen: Wen hätte der Anstand gewählt? (Zwischenrufe bei den Grünen.) Mich macht das wirklich wütend, mich macht es verdammt wütend, vor allem auch als Steuerzahlerin in diesem Land. (Beifall bei den NEOS.)

Man könnte hier noch stundenlang weiterreden, aber ich komme zu einer dritten Panne, die soeben passiert ist und sehr aktuell ist. Die EU hat gerade den EU-Aufbaufonds vorgestellt. Für Österreich stehen daraus mindestens 3,3 Milliarden Euro, so sagt man, zur Verfügung, die man sich abholen könnte. Was braucht es dazu? – Es braucht Vorbereitung, es braucht einen Plan. Was ist diesbezüglich passiert? – Na ja, andere Länder in der Europäischen Union kümmern sich schon seit Monaten darum. Da gibt es Stakeholderprozesse mit der Wirtschaft, mit der Wissenschaft. Es wird gearbeitet, um wirklich innovative Projekte auf den Weg zu bringen.

In Österreich hört man wieder einmal ganz, ganz wenig. Seit Monaten fragen wir nach. Wir haben uns vor Weihnachten schon einmal mit dem Thema auseinandergesetzt. Wir haben im Jänner wieder nachgefragt: Was passiert da, wie wird da gearbeitet? – Na ja, es gibt einen Drei-Wochen-Prozess, der offenbar ins Spiel kommt, indem man bei einer E-Mail-Adresse einmelden kann, welche Ideen man denn vorbringen möchte.

Meine Damen und Herren, das ist wirklich nicht viel. Dann kam gestern noch die Antwort auf meine Anfrage zu diesem Thema, was natürlich auch wieder ganz spannend zu lesen war. In aller Kürze: Der Bundeskanzler fühlt sich nicht zuständig. Offenbar haben 3,3 Milliarden Euro keine Priorität für den Bundeskanzler. – Okay. Die Wirtschafts­ministerin – auch ganz spannend – fühlt sich auch nicht wirklich zuständig, sie hat sich nicht mit der Europäischen Kommission auseinandergesetzt und sagt offenbar: nicht mein Thema! Die Europaministerin koordiniert zumindest, das ist ja wenigstens ein Start. Alle aber zeigen mit dem Finger auf den Finanzminister und sagen: Ja, der Finanz­minister ist da im Lead, er ist zuständig! Was steht denn in der Anfragebeantwortung des Finanzministers? – Na ja, ich kann Ihnen sagen, viel war es nicht, es gab vage Hinweise auf laufende Gespräche.

Da zeigt sich einmal mehr, dieses Projekt wurde auch verschlafen. Jetzt wird wieder improvisiert werden, und in letzter Sekunde wird man schon irgendetwas nach Brüssel schicken. Ich frage mich in diesem Zusammenhang wirklich: Wenn es wieder eng wird, wenn wieder Probleme auftauchen – eine Frage an das Auditorium hier –, wer wird denn schuld sein? (Ruf: Europa!) – Herzlichen Dank, ich glaube, es ist klar. Schuld wird wieder die Europäische Union sein.

Zusammenfassend kann ich nur sagen: Sie und Ihr Stab agieren wahnsinnig nachlässig. Sie einigen sich offenbar immer nur auf Lösungen, bei denen es halt den kleinsten Widerstand gibt, und auf das große Ganze schaut man nicht. Was fehlt, ist Leadership. Was fehlt, ist eine klare Linie. Es fehlt auch oft am Handwerklichen, auch das haben wir schon gesehen. Es fehlt vor allem ein transparenter, effizienter Umgang mit unserem Steuergeld. Herr Finanzminister, die Liste der Versäumnisse ist lang. Sie wird offenbar jeden Tag länger, und das ist einfach sehr gefährlich. Es ist wirklich bedrohend für dieses Land. Die BürgerInnen haben Ihnen mehr und mehr das Vertrauen entzogen. Das hören wir jeden Tag von vielen Unternehmerinnen und Unternehmern, und auch wir werden Ihnen heute unser Misstrauen aussprechen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

17.08

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Abgeordneter Reimon. – Bitte.