10.59

Abgeordneter Michael Seemayer (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Kollege Fürlinger, wenn du dich herausstellst und sagst, das Arbeitslosengeld ist so hoch, dass man sich schämen muss, dass man so viel Geld kriegt (Abg. Höfinger: Das hat er auch nicht gesagt, aufpassen!), dann glaube ich nicht, dass du schon einmal arbeitslos warst. Im Bereich des Tourismus bekommt man ein Arbeitslosengeld in der Höhe von 800 bis 900 Euro, und das mittlerweile über Monate hinweg. Damit muss man seinen Lebensunterhalt bestreiten. Es ist eigentlich eine Verhöhnung, was man da jetzt mit den Kolleginnen und Kollegen macht. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein Antrag, der auch unter dem aktuellen Tagesordnungspunkt behandelt wird, be­inhaltet die Forderung nach einer ordentlichen Evaluierung von Lehrabbrüchen. Das ist ein ganz wichtiges Thema, auch für uns: 2019 wurden insgesamt 16 Prozent der Lehrverhältnisse vorzeitig abgebrochen; im ersten Lehrjahr wurde sogar ein Drittel aller Lehrverhältnisse abgebrochen.

Zwischen den Branchen gibt es da einen groben Unterschied: Während im Tourismus und in der Freizeitbranche 30 Prozent aller Lehrverhältnisse vorzeitig beendet wurden, sind es in der Industrie nur ganz, ganz wenige. Es ist bei diesem Thema aber sehr, sehr wichtig, dass man sich nicht nur die Zahlen anschaut – und so ist ja im Ausschuss argumentiert worden: dass es ja die Zahlen gebe, wie viele abgebrochen hätten –, sondern auch die Ursachen ganz genau untersucht. Für mich ist das nicht nachvollziehbar, dass man sich einer solchen Evaluierung entziehen will.

Eine ordentliche Analyse ist auch deswegen wichtig, weil man ganz genau weiß, dass Menschen, die keine Berufsausbildung haben, ein weitaus höheres Risiko haben, irgendwann im Laufe ihres Lebens arbeitslos zu werden. Das zeigen die aktuellen Arbeitslosenzahlen, auch da sind die Bereiche Tourismus und Gastronomie besonders stark betroffen.

Noch etwas haben wir ja in der Fragestunde schon diskutiert, Herr Minister Kocher: die Tatsache, dass Fachkräfte in andere Branchen abwandern und dadurch im Tourismus und in der Hotellerie eventuell ein Arbeitskräftemangel entsteht. Werte Kolleginnen und Kollegen, das liegt auch daran, dass es sich die Leute nicht mehr leisten können, monatelang mit 55 Prozent Nettoersatzrate auskommen zu müssen.

Das Problem werden wir auch nicht verhindern können, indem man vonseiten des AMS keine Schulungen aktiv anbietet – vielmehr wird es notwendig sein, die Bereiche Tourismus und Gastronomie für Arbeitnehmer attraktiv zu gestalten. Dazu gehört, dass man Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein gutes Arbeitsumfeld bietet; dazu gehören geregelte Arbeitszeiten, um Arbeit und Familie unter einen zu Hut bringen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Strache.)

Dazu gehört ganzjährige Beschäftigung; dazu gehört aber auch, dass man nicht ständig von Arbeitslosigkeit bedroht ist, und es gehört eine ordentliche Entlohnung dazu! Ich kenne kaum noch Eltern, die ihren Kindern empfehlen, eine Lehre im Tourismus, im Handel oder in der Gastronomie zu machen – genau das Gegenteil ist der Fall!

Wichtig wird sein, Herr Minister, dass man den Arbeitsmarkt nicht nur aus Expertensicht, sondern auch aus Sicht der Arbeit suchenden Menschen betrachtet. Wir werden nicht erfolgreich sein, wenn wir versuchen, Menschen zu zwingen, jede Arbeit anzunehmen – wir werden dann erfolgreich sein, wenn man Arbeit so gestaltet, dass sie gerne gemacht wird, und das beginnt schon bei der Lehre. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Strache.)

11.03

Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Josef Muchitsch zu Wort gemeldet. – Bitte. (Ruf bei der ÖVP: Oh je!)